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Randschriften und Kerben im Ring erzeugt

Helmut Caspar
money trend 40/1995 S.39-40

Münzen und Medaillen haben als dreidimensionale Objekte eine Vorder- und Rückseite - und was oft übersehen wird - eine Kante, auch Rand genannt. Über zwei Jahrtausende war der Münzrand eine zu vernachlässigende Grösse. Die exzellent gefertigten Geldstücke der Antike mit ihren markanten Herrscherköpfen, Götterbildern, Tieren, Pflanzen und Tempeln zeigen oft eingerissene Ränder. Nicht selten besitzen die Stücke ovale Konturen. Die manuelle Münzfertigung am Amboss, und zwar mit Hilfe des Ober- und sowie des Unterstempeis, erschwerte die Fertigung kreisrunder Gepräge bis in die Neuzeit hinein. Sollten heute antike, mittelalterliche oder auch neuere Stücke auftauchen, die ähnlich modernen Geprägen ohne Fehl und Tadel auch an den Rändern sind, dann handelt es sich garantiert um Fälschungen. Versierten Sammlern zu empfehlen, besonders auch die Ränder zu prüfen, hiesse Eulen nach Athen zu tragen. Ein Blick in die Geschichte der Münztechnik zeigt, dass Münzränder mehr aufzuweisen haben als Risse, Buchstaben oder Punkte. Keine Münze verlässt heute eine Prägestätte ohne Inschrift oder Verzierung am Rand oder wenigstens eine glatte Kante. Die aufgestülpten Münzränder haben einen ästhetischen Zweck, denn sie fassen das Bild auf Avers und Revers ein. Ohne sie wäre ausserdem ein Stapeln der mit einem Relief versehenen Geldstücke schwierig. Der kleine Randstab schützt das Metallstück vor Abrieb und Beschädigung. Inschriften, Sterne und Arabesken auf der Randkante haben, seit es sie gibt, als Echtheitsmerkmal grosse Bedeutung. Fälscher, die sich aufs Nachprägen oder Nachgiessen von Geldstücken verlegen, tun sich mit der Nachahmung solcher Kennzeichen am Rand schwer, und oft zeigen Unregelmässigkeiten bei Schriften und Verzierungen als erste an, dass mit dem betreffenden Stück - ob kurante Münze oder Sammlerstück - etwas nicht stimmt.

Das Befeilen oder Beschneiden von Geldstücken aus Gold und Silber muss einträglich gewesen sein. Denn es kursierten unendlich viele Münzen, die auf diese Weise bearbeitet wurden. Nicht jeder führte Waage und Gewichte mit sich, um Abweichungen von der Norm festzustellen. Seit der Antike hat es immer Bestrebungen gegeben, der Gewichts verminderung durch Verbesserung der Münztechnik Herr zu werden. Silberdenare der römischen Republik beispielsweise bekamen eine zackenreiche Randmarkierung. Die «Nummi serrati» sollten Betrüger davon abhalten, die Ränder zu befeilen. Zugleich signalisierten die kleinen Einschnitte, dass die Geldstücke durch und durch aus dem gleichen Metall bestehen und nicht nur eine dünne Edelmetallauflage besitzen, im Kern aber aus Kupfer bestehen. Diese Zackenränder wurden natürlich nachgeahmt.

Die mühevolle und daher auch nicht sichere Zähnung der Silberlinge hat sich aber nicht durchgesetzt.

Eine andere Möglichkeit, dem Gewichtsverlust vorzubeugen, war seit dem Mittelalter die Anbringung von kleinen Strichen oder Punktkreisen, mit denen Bilder und Umschriften auf der Vorder- und Rückseite eingefasst wurden. Waren diese Markierungeri verletzt, muss jemand an dem Stück gefeilt oder geschnitten haben. Die gleiche Funktion übernahmen auch Umschriften, die bisweilen an den äussersten Rand des Prägebildes gerückt wurden.

Auf den Rändern von Münzen und Medaillen findet sich bis in unsere Zeit manches patriotische oder religiöse Motto in der Landessprache oder lateinischen Worten. Wer sich die Mühe macht, die Münzen der Neuzeit zu betrachten, findet dort Aussprüche prominenter Personen, die auf der Bildseite dargestellt oder gewürdigt werden, Bezüge auf wichtige Ereigniss«, die Anrufung Gottes oder nur die Wiederholung des auf der Münze angebrachten Nominalwertes. Wo keine Schrift unterzubringen war oder nicht gewünscht wurde, sind Verzierungen, Blätter, Kerben und Sterne zu erkennen. Kleine, flache Nominale mussten ohne jeden Randschmuck auskommen. An dem Verfahren hat sich bis heute nichts geändert. Sinngemäss gilt die Beschreibung auch für Medaillen, die sich, was die Herstellung betrifft, von Münzen prinzipiell nicht unterscheiden.

Die Einführung grosser Nominale und Prägung von Medaillen vor rund einem halben Jahrtausend erforderten einen «Schub» in der Münztechnologie und rief Techniker, Ingenieure und Künstler auf den Plan. Sie entwickelten Prägegeräte, die mit menschlicher Muskelkraft beziehungsweise durch Wasser- oder Pferdekräfte angetrieben wurden, und sannen auch nach Verfahren, den Geprägen ein gefälligeres Aussehen zu verleihen. Immer stand hinter diesen Absichten auch der Wunsch, die Gepräge sicherer gegen Fälschungen zu machen. Wann die Stunde der Randschriften und -verzierungen geschlagen hat, lässt sich genau nicht sagen. Hochwertige Münzen in Talergrösse und Medaillen waren in der zweiten Hälfte des 16. Jahrhunderts die ersten Gepräge, deren Ränder verziert wurden. Frankreich hat auf diesem Gebiet eine Vorreiterrolle gespielt. Aus der Regierungszeit des französischen Königs Henri II. (1547-1559) stammt eine Silbermünze, von der behauptet wird, sie besitze die früheste Randschrift. Das fromme Motto «Soli Deo Honor et Gloria» findet sich auf einem im Jahr 1555 geprägten talerförmigen Gedenkstück dieses Herrschers. 1577 folgte eine Silbermünze des Nachfolgers Henri III. mit der Randschrift «Paci Quieti et Felicitati Publicae». Auch unter Oliver Cromwell, der zeitweilig im republikanischen England herrschte und als Lordprotektor nach der Hinrichtung König Karls I. (1649) Münzen mit seinem Bildnis schlagen liess, wurden halbe und ganze Crowns mit Randschriften hergestellt. Der französische Ingenieur Blondeau hatte dem Parlament in London im Jahre 1650 den Vorschlag unterbreitet, Geldstücke am Rand zu kennzeichnen und ihnen damit eine Echtheitsgarantie zu geben.

Eine Rändelmaschine (Kräuselwerk), vom königlichen Ingenieur Castaing konstruiert, wurde 1685 in Betrieb genommen. Auch in technisch hochentwickelten deutschen Münzstätten wurden in dieser Zeit Münzen und Medaillen mit Randschriften oder Verzierungen versehen. Es lohnt sich gewiss, die eigene Sammlung auf solche meist unbeachtete Merkmale hin durchzusehen. Man kann auf Münzen des 16. bis 18. Jahrhunderts gut erkennen, welcher Münzherr seinen Geldstücken durch technische Perfektion überregionale Anerkennung zu verschaffen suchte beziehungsweise, wo man auf solche Qualitätsmerkmale keinen Wert legte. Zumeist waren Kostengründe ausschlaggebend, ob man Rändelwerke einsetzte oder nicht. Erst nach Erfindung der leicht zu bedienenden Rändelmaschinen setzte sich dieser Standard überall durch.

Buchstaben und Verzierungen traten lange Zeit aus dem Rand hervor, denn es war bis ins frühe 19. Jahrhundert nicht möglich, vertiefte Inschriften, Punkte, Sterne, Blüten, Blätter und ähnliches, wie wir sie kennen, herzustellen. Das am meisten nachgeprägte Silberstück, der Maria-Theresien-Taler von 1780, zeigt wie vor über 200 Jahren herausstehende Buchstaben. Das Motto «Justitia et ·Clementia» will andeuten, dass im Reiche der Habsburgerin Gerechtigkeit und Milde walten. Die Prägung erfolgte anfangs im Ring und war eine aufwendige Prozedur. Senkte sich der Oberstempel auf die Ronde, presste sich das Metall in die gravierten Vertiefungen des Ringes. Dieser bestand aus drei oder mehr Teilen und war durch einen grösseren Ring umgeben, der alles zusammenhielt. War die Prägung vollbracht, mussten die inneren Ringstücke auseinandergenommen werden; das Prägestück fiel hinaus. Es versteht sich, dass das langwierige Verfahren nur bei Medaillen und besonders hochwertigen Münzen, zum Beispiel Gedenktaler oder Goldstücke, angewandt wurde. Die urtümlichen Ringprägungen sind oft durch zusätzliche Kerben zu erkennen, weil die Einzelteile nicht immer korrekt einen geschlossenen Kreis bildeten. Im Laufe der Jahrhunderte wurden Rändelmaschinen und Kurbelmechanismen erfunden, die zunächst von einem Münzarbeiter mit Muskelkraft bedient wurden. In Technikbüchern und Enzyklopädien des 18. Jahrhunderts ist die Arbeitsweise beschrieben und abgebildet (siehe Abb.).


Münzarbeiter an einer Rändelmaschine. Kupferstich aus der französischen «Encyclopedie» (um 1765)

Der Münzer fertigte erst die Ronden mit aufgestülptem Rand beziehungsweise Schrift oder Verzierung, um dann die Prägung in der Spindelpresse oder einem anderen Gerät zu vollenden. Die Reihenfolge war bisweilen auch umgekehrt. Interesse verdienen Bemühungen, vertiefte und erhabene Randschriften und -markierungen miteinander zu kombinieren. In England, Frankreich, Preussen und anderen Staaten kamen um 1800 Münzen heraus, die Fälschern schwer zu schaffen machten. Denn nur in offiziellen Prägeanstalten war es möglich, vertiefte Schriften und herausstehende Sterne oder Punkte mit Hilfe speziell bearbeiteter Rändeleisen und Prägeringe zu produzieren. In einem Technik-Lexikon von 1805, der «Ökonomisch-technologischen Enzyklopädie» von F. J. Flörke, wird die Kombination als besonders sinnreich gelobt: «Die gewöhnliche englische Art ist: 'eine vertiefte Schrift auf dem Rande anzubringen', aber ich ziehe die französische Art vor, wo zwar auch die Inschrift des Randes aus vertieften Buchstaben besteht, wo aber zwischen jedem Worte ein Punkt erhaben steht. Bloss vertiefte Schrift hindert ein leises Abnehmen des Randes nicht, aber wenn erhabene und vertiefte Verzierung gemischt ist, so wird diese Absicht dadurch besser erreicht.»

Längst passe ist die urtümliche Prägeweise der Postkutschenzeit: Heute werden alle Münzen und auch viele Medaillen auf hochproduktiven Automaten hergestellt. Alle Ronden müssen die Rändelung durchmachen, ob mit Schrift oder nur «blank». Erst dann folgt die Prägung. Münzarbeiter üben nur noch Kontrollfunktionen aus und müssen kein Stück mehr anfassen, es sei, dass eine besonders gute Prägequalität gewünscht wird, die auch langsameres und sorgfältigeres Arbeiten auch an speziell eingerichteten Prägemaschinen verlangt.

Siehe auch:
• Meding, Henner R.: Die Herstellung von Münzen, GIG 2006
    daraus Kap.4.9: Der Münzrand, S.129-136
• Cooper, Denis R.: The Art and Craft of Coinmaking, A History of Minting Technology, Spink 1988
    daraus: Kap.10,2: Edge Rimming, S.101-106     Extract: Edge Rimming
Dickabschlag zu 8 Henri d'or à la Gallia, 1555

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