Startseite Texte zur Prägetätigkeit von Städten

Die Rottweiler Prägungen

Klaus Christiansen
money trend 12/1981 S.14-17
(mit Ersatzbilder aus sixbid-coin-archive.com)



Abb.1: Stadt Rottweil. Kipper-24 Kreuzer 1622. Schlechtes Silber (Billon).
Ø 26 mm. 4,30 g. Nau, Oberschwaben, 17. Stark kipperverdächtig.
Vs: Unbewehrter Adler nach links blickend, + MONETA NOVA ROTWILENSIS.
Rs: Ein lateinisches Kreuz mit Schriftband (INRI) oben zwischen der Jahreszahl 16 - 22, SALVE CRV - X SANCTA (Sei gegrüsst, heiliges Kreuz o.ä.). Rosette.
Das Kreuz durchbricht die Legende nach unten und reicht dort bis an den äussersten Rand.
Als CIVITAS/Stadt wird das um 1140 von Herzog Konrad von Zähringen als gewerbliche Marktsiedlung gegründete Rottweil zum ersten mal 1268 sicher bezeugt. Bereits das älteste, an einer Urkunde von 1280 erhaltene Siegel zeigt den auch auf unserer Münze von 1622 anzutreffenden Stadt-Adler, der für immer dann die Wappenfigur Rottweils blieb (schwarzer Adler in goldenem - nicht etwa gelbem! Feld). Seit dem 16. Jahrhundert wird der Adlerleib mit einem Kreuz belegt - auf unserer Abbildung nicht auszumachen.

Am stark gewundenen Neckar zwischen der Schwäbischen Alb und dem Schwarzwald gelegen, ist die uralte 25000-Einwohner-Kleinstadt heute besonders durch ihre traditionelle Fasnacht mit dem Narrensprung überregional bekannt. Aber schon im 1. Jahrhundert n.Chr. war dort eine wichtige römische Militärstation mit der dazugehörigen üblichen Siedlung entstanden, die um 74 n.Chr. den Namen ARAE FLAVIAE (= Altäre der Flavier) erhalten hatte. So benannt wurde der Ort nach der damals herrschenden kaiserlichen Familie, den Flaviern (die Julier in direkter Abstammung waren ja bereits 68 n.Chr. mit dem später so übel beleumdeten Kaiser Nero erloschen).

Vielleicht waren der Militärstation einige Altäre des Kaiserkults von Staates wegen dediziert worden, oder der lateinische Name des heutigen Rottweil sollte sich möglicherweise auf besonderen kaiserlichen Schutz beziehen. Wie dem nun auch sein möge - die neue Siedlung gedieh im Schutz der römischen Waffen bald recht gut, wurde deshalb dann auch "Municipium", eine Stadt, deren Bürger nach römischen Rechtsnormen lebten und, mit Ausnahme der Sklaven natürlich, das römische Bürgerrecht bereits erlangt hatten, bevor dieses quasi urbi et orbi im Jahre 212 von Kaiser Caracalla (212 bis 217) verkündet wurde. Von der alten Pracht und Herrlichkeit - Arae Flaviae war damals zeitweilig unter den Römerstädten Südwestdeutschlands führend gewesen - blieb einiges bis heute erhalten.

Neben dem prächtigen Orpheus-Mosaik mit seinen mehr als einer halben Million Steinchen im Rottweiler Stadtmuseum ist besonders an die 1967 erst freigelegten Thermen - Bäder - am heutigen Stadtfriedhof zu denken, nicht zu vergessen eine nicht unbeträchtliche Anzahl römischer Münzen der verschiedensten Kaiser. Unter den bekannten und auch heute noch längst nicht gebührend bearbeiteten römischen (Reichs)Münzstätten (3. bis 4. nachchristliches Jahrhundert) ist Rottweil allerdings nicht anzutreffen. Seinen einstigen Münzbedarf, besonders den des Militärs und des sich rasch ausweitenden Handels, erhielt Rottweil von jenseits der Alpen, aus Itaiien, wobei wohl vor allem an die Münzstätten Mailand und Aquileia zu denken wäre (4. Jahrhundert). Weiter nördlich, im Rheinland, wurde man von Lyon und Trier bedient, wobei von dort klingende Münze auch nach Rätien, in die Schwarzwaldregion, geflossen sein dürfte.

Gemünzt wurde in Rottweil selbst auch nicht unter den Alemannen, denen die römische Herrschaft schliesslich zum Opfer gefallen war und von denen es dann Mitte des 8. Jahrhunderts an die Franken gelangte, die in der heutigen Mittelstadt einen 'Königshof anlegten, ein königliches Kammergut. Es war dabei keine eigentliche Pfalz, denn dann wäre aus Rottweil vielleicht doch mit Münzprägung zu rechnen gewesen. Man denke an die kaiserlichen "In palatio nostro"-Beschlüsse. Mit dem Kammergut war das Hofgericht verbunden, das aber praktisch nur für Schwaben und Franken zuständig war und dessen Tätigkeit bis ins 18. Jahrhundert reichte.


Abb. 2: Rottweil als königliche Münzstätte im 12. und 13. Jahrhundert. Adler-Brakteaten/Hohlpfennige der Zeit um 1190. Ø 19 mm. Man beachte bei diesen schriftlosen ("stummem") einseitigen Pfennigen/Denaren aus dünnem Silberblech primitiven Stils neben Kopfform des Adlers und dessen Federkleid besonders den groben Kugelrand. Neben der Fundlage stellen die letztgenannten Punkte die Hauptkriterien für den zeitlichen Ansatz der Adler-Brakteaten dar. In der Rottweiler Münz- und Geldgeschichte spielen diese kleinen Pfennige jedenfalls die wichtigste Rolle überhaupt, sind sie - mit leichten Abwandlungen - über Generationen dort umgelaufen, in viele Schatzfunden geraten.

771 wurde der Ort ROTVNDAVILLA genannt. Östlich des Kaisergutes war ein Dorf entstanden, wohl bereits in alemannischer Zeit, das später das Marktrecht erlangte und seinen Namen zusammen mit dem kaiserlich-königlichen Gut erhielt. Die eigentliche Stadt Rottweil aber sollte erst um etwa 1140 durch Konrad von Zähringen als Marktsiedlung entstehen, und zwar auf einer durch Schluchten und Steilabfall geschützten Höhe. Das alte Dorf, die ursprüngliche Siedlung, war wegen seiner Lage nicht ausreichend zu befestigen gewesen. Dass in der neuen Siedlung nicht sogleich gemünzt worden ist, dürfte auf der Hand liegen.


Abb. 3: Königliche Münzstätte Rottweil. Hier zwei Adler-Brakteaten des jüngeren Typs, um 1230. Die Adler-Zeichnung ist feineren Stils, ausserdem umschlossen von einem Wulstrand. Der - äussere - Kugelrand ist auch längst nicht mehr so derb wie in der Zeit um 1190. Ø 19 mm. Auch sie wiegen ca. 0,4 bis 0,5 g. Aus den Funden Schloss Wolfegg bei Ravensburg-Weingarten, Grünenbach, Elchenreuthe (12 bzw. 65 a-g). Nicht zu verwechseln sind die Rottweiler Adler-Brakteaten mit den zuweilen recht ähnlichen Adler-Pfennigen aus dem Breisgau, dem Rappenmünzbund-Gebiet.

Abb. 4: Landgrafen von Thüringen. Hermann I., 1180-1217. Reiter-Brakteat, Münzstätte nicht sicher. Silber. Ø 40 mm. 0,75 g. Aus den Funden von Seega (272) und Nordhausen (231). Derart schöne, breite Brakteaten sind im gesamten deutschen Süden und Südwesten bekanntlich leider überhaupt nicht entstanden, die Kunst der Stempelschneider war dort durch den geringen Umfang der Schrötlinge/Münzplättchen also apriori behindert. Auf diesem Stück reitet der Landgraf in voller Rüstung nach links, auf dem "normannischen" Schild beachte man den Löwen - hier haben wir es mit dem Thüringer Löwen zu tun, ein frühes heraldisches Zeugnis auf Münzen.

Numismatisch gesehen, fiel die Gründung des eigentlichen Rottweil in die sogenannte Brakteatenzeit, deren Blüte im Hochmittelalter, in der Gotik, uns bekanntlich, so prächtige Zeugen in Silber bescherte: Man denke hierbei nur an den thüringischen Meister Luteger aus Altenburg, an die so aktiven Brakteaten-Münzstätten in den Welfenlanden, in Mitteldeutschland. Dagegen Waren im Süden und Südwesten des Reiches lediglich die erheblich kleineren Hohlpfennige entstanden, wie sie im Augsburger und Konstanzer Münzkreis anzutreffen waren und wozu ja auch unsere Rottweiler Adler-Brakteaten zu zählen sind. Bis in die Zeit Kaiser Rudolphs von Habsburg (1273 bis 1291) blieb die Münze in Rottweil noch in königlicher Hand. Viele deutsche Herrscher weilten gern dort, besonders Konrad III. (1138 bis 1152); Fakten, welche sich auf die Münztätigkeit beziehungsweise den immer noch einigermassen umstrittenen Prägebeginn der Zähringer-Stadt ausgewirkt haben dürften. 1331 schloss sich das erstarkte Gemeinwesen dem Schwäbischen Städtebund an, nachdem es 1268 als "Civitas" mit entsprechender Verfassung erstmals sicher bezeugt worden war. Kurz zuvor aber war Rottweil auch Reichsstadt, nur wenige Jahre nach dem Untergang der Staufer, in der Zeit des turbulenten "Interregnums", als Niederländer und Engländer sich als Herrscher des "Heiligen Römischen Reiches Deutscher Nation" versuchten.

Dass Rottweil damals Reichsstadt wurde, war in diesen Gegenden keine Seltenheit. Man denke nur an die "Reichsstädte-Landschaft" Oberschwaben etwas weiter östlich, wobei sich die heutige Bedeutungslosigkeit mancher jener ehemaligen Reichsstädte zuweilen einigermassen kurios ausnimmt. Ihren wachsenden Wohlstand verdankte die fast quadratische und durch zwei sich kreuzende Hauptstrassen in vier nahezu gleich grosse Viertel geteilte Neckarstadt Rottweil weitgehend dem Geschick ihrer Handwerker, vor allem den Tuchmachern und Sichelschmieden. Wenn sehr viele der älteren Rottweiler Häuser noch heute ihren Kranerker besitzen, so mag dies zuvor dort nicht viel anders gewesen sein. Dass auch die Selbständigkeit der Stadt Rottweil besonders im 14. und 15. Jahrhundert von den Fürsten bedrängt wurde, verwundert angesichts des dortigen Wohlstands nicht allzusehr.

1463 wurde Rottweil dann Zugewandter Ort der schweizerischen Eidgenossenschaft, mit der die Stadt 1519 den Ewigen Bund schloss. Die Stadt jedenfalls unterstützte fortan die Eidgenossen in ihren bekanntlich nicht gerade wenigen Kriegen und erhielt dafür wieder entsprechende Schützenhilfe. Bis 1802 blieb Rottweil gewissermassen eine eidgenössische Stadt.

Als Münzstätte ist Rottweil erst gegen 1180 belegt, und zwar zunächst als herzoglichzähringische, nach 1218 aber als königliche Münzstätte (das Münzrecht der Stadt selbst sollte dann ja noch Jahrhunderte auf sich warten lassen). Die ziemlich bekannten Adler-Brakteaten künden von dieser ersten Münzprägung; wobei der eigentliche Prägebeginn immer noch im dunkeln liegt. Wie es scheint, orientierte sich die Prägung jener relativ kleinen Münzen am Bodensee- beziehungsweise Augsburger Stil der Blechmünzen (vom lateinischen "bractea" = Blech). "Brakteat" selbst ist ein Gelehrten-Terminus des 17. Jahrhunderts. Warum überhaupt nur einseitig beprägte Pfennige/Denare geschlagen wurden, steht nicht fest. Vielleicht hing diese merkwürdige Prägeweise mit den damals üblichen "Münzverrufungen" zusammen, dem in mehr oder minder regelmässigen Zeitabständen erfolgten Zwangsumtausch gegen im Feingehalt oder Gewicht verschlechterte neue Geldstücke, mit den "Münzkosten" schlechthin. Jedenfalls verdanken wir andernorts den "Münzverrufungen" die oft sehr grosse, abwechslungsreiche Anzahl Münzbilder. In Rottweil haben wir es mit einem "Typ immobilisé" zu tun, einem über längere Zeit unveränderten Münzbild, ohne dass es dort aber zum "Ewigen Pfennig" gekommen wäre. Die Chronologie der Adler-Brakteaten aber ist bis heute äusserst unsicher. Dass diese ausschliesslich schriftlos ("stumm") auftreten, erleichtert ihre Zuordnung natürlich auch nicht gerade. In den Urkunden werden Hohlpfennige wie ihre zweiseitig beprägten "dichten" Brüder unterschiedslos "Denare" genannt nach der bekannten römischen Silbermünze längst vergangener Zeiten.

Allein Fundlage und Stil-/Stempelvergleiche sind heranzuziehen, Hauptkriterien, denn die überkommenen Schriftquellen geben dazu so gut wie überhaupt nichts her. Der Adler ist es, nahezu gleichzeitig auch in Siegel und Stadtwappen auftretend, der ständig als Münzbild auftritt, und zwar dürfte es sich hierbei letztlich doch um den Stauferadler handeln. (Auch sonst war in jenen Zeiten der Adler als Münzbild sehr häufig anzutreffen, man denke nur an den Breisgau, an norddeutsche Städte, den Harz mit den Grafen von Arnstein und andere.) Damals im "Zeitalter des Pfennigs", der "Regionalen Pfennigmünze", wurden bekanntlich der Pfennig und - meist in geringerem Umfang - dessen Teilstücke (½ = Obol, ¼ = Vierling) allein ausgeprägt. So kennen wir auch aus Rottweil seit etwa 1220 entsprechende Hälblinge, die den Ganzen aber im Münzbild meist völlig glichen, auch den obligaten Adler als ihr ständiges Münzbild brachten. Nur an ihrem unterschiedlichen Gewicht sind sie oft zu unterscheiden, denn ihr Umfang (Durchmesser) ist meist um nur wenig geringer als der ihrer Ganzen.

Es gab viele Dutzende sogenannte Stempelvarianten. Ein hochmittelalterlicher Ober- oder Unterstempel hielt nur etwa 3000 bis 5000 Fäustel-/Hammerschläge aus, bis er rissig wurde, ausfranste, auch mal zerbarst. Entsprechend gross muss der Verbrauch an Stempeln gewesen sein, entstanden immer wieder neue "Varianten", denn die Stempelherstellung war ja längst nicht derart gleichmässig-perfekt, wie dies heute der Fall ist. Die Mache mancher unserer Adler-Brakteaten aber lässt es durchaus wahrscheinlich sein, dass auch in der Rottweiler Münze mehrere Stücke gleichzeitig durch das Aufeinanderlegen mehrerer Schrötlinge entstanden, wobei die untenliegenden Stücke durch den geringerem Druck natürlich weitaus weniger scharf wurden, die Konturen verwischt, verschwommen waren. So zart und zerbrechlich die Adler-Brakteaten auch immer wirken mögen, sie sind weitaus resistenter, als man im allgemeinen vermutet. Aufbewahrt wurden sie in den sogenannten Brakteatendosen, jenen fast ausschliesslich bis jetzt in Mitteldeutschland geborgenen "Portemonnaies" des Hochmittelalters.


Abb. 5: Stadt Rottweil? Händelheller. um/ab 1355. Silber. Ø 19 mm. 0,37 g. Nau 1. Aus dem Funde von Tomerdingen.
Vs: Hand. darauf "R"
Rs: Gabelkreuz in Fadenreif
Vierschlag (eine besonders in Süddeutschland und Österreich gebräuchliche Prägetechnik). Vermutlich haben wir es hier mit der ersten städtischen Prägung aus Rottweil zu tun, nachdem die Pfandschaft der Münze 1355 durch Bischof Albrecht von Freising erfolgt war. Um hier die "Kontermarke" (Gegenstempel), die Stadtinitiale «R» zu erkennen. muss man schon genauer hinschauen. Vielleicht bezieht sich dieses "R" aber auch auf Ravensburg in Oberschwaben.

An überkommenem Münzmaterial mangelt es durchaus nicht; für etwa 200 bis 300 DM sollte man mit einigem Glück einen Rottweiler Adler-Brakteaten des 12./ 13. Jahrhunderts bei sehr schöner Erhaltung erwerben können.

1285 wurde die königliche (Reichs-)Münze durch Kaiser Rudolf von Habsburg an den Grafen Albrecht von Hohenberg verpfändet, ein für damalige Zeiten durchaus nicht ungewöhnlicher Vorgang. Der Übergang in der Prägung beziehungsweise im Münzbild ist dabei nicht fixierbar.


Abb. 6: Prager Groschen mit Gegenstempel/Kontermarke der Stadt Rottweil (ungekrönter Adler in halbrundem Schild, ohne Einfassung). Darunter Gegenstempel von Ulm: Stadtwappen (geteilter spanischer Schild). Silber. Ø 26 mm. Nau 3. [Krusy X49, 4 und U2, 3] Auch in Stempelkombinationen (zusammen mit den Gegenstempeln anderer Münzstände) finden wir den Rottweiler Adler auf fremden Groschenmünzen. Adler-Kontermarken kennen wir unter anderm noch aus Nördlingen und Weinsberg. Vorsicht vor Fälschungen ist beim Erwerb entsprechender Stücke immer am Platze. Auch auf Meissner Groschen und italienischen Pegioni sind süd-/südwestdeutsche Kontermarken nicht selten anzutreffen. Die Stadt Rottweil hatte eigene Groschenmünze im Mittelalter nie hervorgebracht, erst der Plappart von 1506 brachte eine Wende.

Jetzt erfahren wir auch etwas über das Münzpersonal, den Münzbetrieb. So wird zwischen 1273 und 1285 ein Fridericus monetarius erwähnt, wobei hier nicht an einen der wenig später gängigen Familiennamen zu denken ist, die oft genug aus der Tätigkeit des Inhabers oder seiner Vorfahren/Familie resultierten. Ein wenig früher, um 1250, trat auf den Adler-Brakteaten der feine Kugelkreis auf, dem Aussenrand auf, bis wir dann 1326 bis 1328 dort den Kreuz-Viereck-Rand antreffen. Den feinen Kugelkreis kennt man ja zur Genüge vom Konstanzer Münzkreis, vom Bodensee und seinen diversen Münzstätten auf deutscher und schweizerischer Seite.

1355 wurde die Münze beziehungsweise deren Pfandschaft durch Bischof Albrecht von Freising (aus dem Hause Hohenberg) an die Stadt Rottweil selbst verkauft, wobei sich hier juristisch äusserst interessante Fragen hinsichtlich der eigentlichen Handhabung des Münzregals stellen. Zumindest sei hier festgestellt, was wir bei den alten Münzherren/-ständen nicht erwarten dürfen - gängige, frei konvertierbare Münze zu schaffen, was ja das moderne Münzwesen auszeichnet oder wenigstens auszeichnen sollte. Auch war der Begriff "Volkswirtschaft" damals noch unbekannt, kannte man auch das Phänomen "Kreditmünze" noch längst nicht.

Die Münze, das Münzregal wurde primär im Zeichen des "Münzgewinns" (Schlagschatzes) betrieben, war also vornehmlich Einnahmequelle für den Landes- beziehungsweise Territorialherrn. Die Münze selbst, als Geldstück, war ein bestimmtes, mehr oder weniger normiertes Quantum an Edelmetall (Silber), beruhend auf dem Münzfuss und entsprechenden Ausstückelungszahlen, auf Pfund oder Mark. Dabei sind stets Gewichts- und Zählmark/-pfund auseinanderzuhalten. Am, Edelmetallgehalt (Korn) wurde unbemerkt manipuliert, wobei. die "al marco"-Prägung (die Pfennige wurden nicht mehr einzeln gewogen oder justiert) das Kippen und Wippen natürlich sehr erleichtern und geradezu fördern musste. Auch das Nachahmen und die unzähligen Beischläge sind für jene Zeiten typisch, als das Münz- und Geldwesen fast ausschliesslich unter dem Gesichtspunkt des unmittelbaren Gewinns gesehen wurde. Zu bedenken wäre noch, dass seinerzeit kaum jemand zu, lesen Verstand, bis in die höchsten Kreise hinein, und somit die Münzbilder eine ganz andere Bedeutung haben mussten als heute. Berücksichtigt man diese Faktoren, so kommt man dem "genius temporis" etwas auf die Spur, erklären sich möglicherweise scheinbare Ungereimtheiten und Widersprüche im älteren Münzwesen, in der Geldgeschichte. Was nun nach anno 1355 in Rottweil folgte, nimmt sich im Vergleich mit dem, was die Stadt beziehungsweise die königliche Münzstätte mit ihren so lange geprägten Adler-Brakteaten hervorbrachte, doch recht bescheiden aus, hat lediglich noch regionalen Charakter, wenn auch die Münzen jetzt allmählich "gröber" (grösser) werden sollten, Groschen und Schillinge aufkamen. Das Pfennigvielfache, auch Goldmünzen in Gestalt von Goldgulden und Dukaten, das "Zeitalter des Pfennigs", der "Regionalen Pfennigmünze" ging zu Ende.

Zunächst hatte man es in Rottweil auch mit den Hellern zu tun, "Händelhellern" mit der Initiale "R" oder "r" auf der Handfläche oder Handwurzel. Auch in Rottweil dürften diese ursprünglich in weiten Gebieten ja quasi als "leichte Münze" oder Hälblinge angesehenen Silberlinge mit der Hand (Gottes?) und dem Spaltkreuz andere, schwerere Pfennige verdrängt oder die lokale Prägung zeitweise gänzlich zum Erliegen gebracht haben. Doch sind jene Heller mit dem bewussten Beizeichen wohl als erste Münzen unter städtischer Regie anzusehen, haben wir es hiermit den ersten Rottweiler Stadtprägungen zu tun, nachdem man gut 200 Jahre "nur" Reichsmünze gewesen war. Ansonsten jedenfalls wurde in Rottweil nach Ausweis der Münzdenkmale im 14. und 15. Jahrhundert überhaupt nicht geprägt, beschränkte man sich dort auf Gegenstempelung von Prager Groschen, wobei als Kontermarke erwartungsgemäss die Stadt ihren Adler benutzte, ihren Schild, ihre Wappenfigur. So fanden sich auch im grössen Fund von Aufhofen (Kreis Biberach/Riss, geborgen im September 1962) derart von Rottweil kontermarkierte Groschen, wobei die Stadt, wenn man der Auswertung hier völlig trauen darf, lediglich als Mitstempler auftrat, ihr Adler neben den Kontermarken anderer Münzstände auf einem Stück erschien.


Abb. 7: Stadt Rottweil Goldgulden o. J. (ab 1506). Ø 22 mm. 3,26 g.
Vs: Adler, ungekrönter Kopf nach links, +MONE'(ta) AVRE'(a) CIVITAT(is) ROTWILE'(nsis)
Rs: Der Reichsapfel in verziertem Vierpass: +MAXIMILlAN' ROMANO(rum) IMPER'(ator)
Der Feingehalt beträgt 18 Karat, 6 Grän (= 875,1/1000 fein). Nachdem die Goldprägung in Europa von etwa 800 bis 1250 geruht hatte, wurde sie von Oberitalien (Genua, Florenz, Venedig) zuerst wieder aufgenommen, bei uns erst Generationen später, als Goldgulden beziehungsweise Dukaten erschienen.

Die eigentliche Rottweiler Prägung begann erst wieder um 1506, als in Rottweil durch den erst am 5. August 1507 angestellten Münzmeister Albrecht Baumgart aus Köln (Anstellungszeit 5 Jahre) Goldgulden, Plapparte, Vierer und Heller geschlagen wurden. Der Rat der Stadt hatte im März 1506 nämlich beschlossen, wieder prägen zu lassen und auch einen Wechsel zu unterhalten. Seit dieser Zeit sind auch Münzakten vorhanden, wenngleich auch hier leider keine Vollständigkeit aller Register und Abrechnungen vermeldet werden kann.

Doch kennt man die Prägekapazitäten dieser Tage, wobei allerdings die Daten für die Goldguldenmünzung noch abgehen. Aber diese Prägung von 1506/07 bleibt ziemlich Episode, später, im Laufe des 16. Jahrhunderts, bezog Rottweil die als Kleingeld dringend benötigte Hellermünze durch Münzmeister Baumgart beziehungsweise dessen Neffen Wilhelm aus Meersburg, Isny und Kempten. Die Münzstöcke dazu wurden in Stuttgart geschmiedet, in Rottweil aber von Goldschmied Heihrich geschnitten.

Das Münzrecht hatte die Stadt am 15. Februar 1512 durch Kaiser Maximilian erhalten, wobei dieses Privileg (für das Goldmünzen-Regal war im Reiche ja immer noch der Kaiser zuständig) ausdrücklich rheinische Gulden nennt, daneben werden unter anderm noch Dickpfennige (Groschen im· Wert eines Drittel- und eines Viertelguldens) genannt, ohne dass diese aber jemals von der Stsdt geprägt worden wären. Abgesehen von der teilweise stark kipperverdächtigen Ausprägung im frühen 17. Jahrhundert kennen wir aus Rottweil im 16. Jahrhundert dann lediglich noch Kreuzer von 1560. Am häufigsten kommen die bereits genannten Heller, Münze des Kleinhandels, des täglichen Marktverkehrs, vor, meist "Hohlringheller" genannt.

Die Rottweiler Prägung endete etwa mit Beginn des Dreissigjährigen Krieges, als das Reich in Schutt und Asche zu sinken begann und das Münz- und Geldwesen durch die Kipper- und Wipperzeit stark inflationär werden sollte. So ist die letzte Rottweiler Prägung wohl als eine Notmassnahme zu verstehen, als Anpassung an bestehende Verhältnisse


Abb. 8: Stadt Rottweil. Taler 1623/24. Silber. 28,54 g. Nau 30. Ungekrönter Adler linksblickend von vorn, unbewehrt, ohne Nimbus, MONETA: NOVA: ROTWILENSIS: 1623+ (die Schrift auf einem Spruchband um den üblichen Stadt-Adler). Die hier nicht abgebildete Rückseite zeigt den nimbierten Reichs-Doppeladler unter der Krone. Es war dies die Zeit des Dreissigjährigen Krieges, des Beginns der Kipperzeit, der Zeit der "langen Münze", als in Böhmen ein Wallenstein mit im Münzdirektorium sass - wenig später die noch ganz mittelalterlich wirkende, türmereiche Stadt, im Schutze ihrer Mauern noch gänzlich, von Merian "gestochen". Allein 1623/24 entstanden in Rottweil Taler, ebenso nur um diese Zeit auch Kreuzer (diese vielleicht noch einmal um 1700) und ihre Vielfach/Multipla (3, 6, 12, 24 - stark kipperverdächtig zum grossen Teil).


Benutzte Literatur:
Nau: Die Münzen und Medaillen der oberschwäbischen Städte
Gaettens: Münzen der Hohenstaufenzeit (Kat. Leu. Teil II)
Krusy: Der Fund von Aufhofen Kr. Biberach (in: Hamburger Beiträge 1965)
Von Schrötter: Wörterbuch der Münzkunde
Buchenau: Grundriss der Münzkunde
Wilberg: Regententabellen
Stadler: Deutsche Wappen
Cahn, J.: Der Rappenmünzbund. Münz- und Geldgeschichte von Konstanz und des Bodenseegebiets im Mittelalter
Wielandt: Badische Münz- und Geldgeschichte
Schön: Altdeutschland
Steinhauser: Rottweiler Künstler und Kunstwerke des 15. und 16. Jahrhunderts

Siehe auch: Münzen von Rottweil


Startseite Texte zur Prägetätigkeit von Städten