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Schöne Hildesheimer Münzen


1500-1552 :   Das Bemühen um ein einheitliches Münzsystem
Nicht nur Stadt und Bistum Hildesheim, auch alle anderen Landesherren und Städte dieses Raumes meinten der Zeitforderung nach einer Großmünze entsprechen zu müssen, und brachten ihre Münzen nach eigenem Münzfuß heraus. Ein Währungsdurcheinander brach aus. Die jeweiligen Münzherren brachten die Gepräge des Nachbarn zu ihren eigenen in ein Verhältnis. Es konnte durchaus vorkommen, daß ein- und derselbe Groschen in Hildesheim höher bewertet wurde als zum Beispiel in Braunschweig. Doch man konnte sich lange Zeit nicht entschließen nach einem gemeinsamen Münzfuß zu prägen, um die gegenseitige Anerkennung garantieren zu können. Gerade in derartigen Bestrebungen kommt der Stadt Hildesheim eine führende Rolle zu. Schon am 13. März 1461 kamen die Abgesandten der Städte Goslar, Braunschweig, Hildesheim, Göttingen, Einbeck und Northeim in Hildesheim zusammen und schlossen einen Münzvertrag. Man setzte das Verhältnis der in diesen Städten ausgegebenen Münzen zueinander fest und bestimmte weiterhin den Wert der eigenen Münze im Verhältnis zu einer ebenfalls neu aufkommenden Münzsorte, dem rheinischen Goldgulden.

Der Erfolg dieser Zusammenkunft in Hildesheim war jedoch gleich null, das Chaos ging weiter. Goslar setzte sich ganz davon ab und prägte minderwertige Sorten, mit denen es den Markt überschwemmte. Auch ein weiterer Vertrag von 1490 brachte keine Abhilfe. Am 19. März 1501 endlich kamen alle vorher genannten Städte mit Ausnahme von Goslar, dafür aber Hannover, wieder im Rathause von Hildesheim zusammen und entschlossen sich nun endlich zur Herausgabe von Groschen, die in allen fünf Städten nach gleichen Gesichtspunkten geprägt werden sollten.

Der größte Groschen sollte 24 Pfennige wert sein, sein Aussehen wurde festgesetzt: auf der Vorderseite müsse das jeweilige Stadtwappen zu finden sein, auf der Rückseite das Bild St. Anna Selbdritt, d. h. die heilige Anna, auf dem einen Arm ihre Tochter Maria, auf dem anderen ihren Enkelsohn Jesus Christus tragend, beide als Säuglinge dargestellt.

Als weitere Münzeinheit wurde der sogenannte Christophgroschen geplant, im Werte nur 12 Pfennige verkörpernd, der auf der Vorderseite wiederum das Stadtwappen, auf der Rückseite den Jesus Christus über den Fluß tragenden heiligen Christophorus zeigen sollte.

In Anlehnung an die Körtlinge des 15. Jahrhunderts wurde ein Kreuzgroschen mit 8 Pfennigen Wert geschaffen, der auf der Vorderseite ebenfalls das Stadtwappen trägt, auf der Rückseite das Kreuz mit zierenden Sternen in den Winkeln.

Nur Hildesheim hat alle drei Typen auch wirklich ausgeprägt, die anderen Städte unterschiedlich den einen oder anderen davon: Hannover schlug Annen- und Kreuzgroschen, Braunschweig den Christoph-, Göttingen sowie Einbeck den Kreuzgroschen, Northeim prägte überhaupt nicht. Der Erfolg des Vertrages war also auch gering.

Der Annengroschen wie auch der Christophgroschen mußte von der Stadt Hildesheim nach kurzer Zeit wieder zurückgezogen werden, da diese neuartigen Gepräge aus den gleichen Gründen keinen Anklang fanden, die schon für die Rücknahme des Gemeinschaftsgroschen von 1410 ausschlaggebend waren.

Einem Groschentyp jedoch sollte der Durchbruch gelingen, dem Mariengroschen. 1505 zuerst von dem Außenseiter Goslar geprägt zeigt er auf der Vorderseite das Wappen, auf der Rückseite die Jungfrau Maria mit dem Kinde. 1510 folgte Braunschweig diesem Vorbilde, 1514 Göttingen, 1523 Hildesheim und 1535 auch Hannover. Dieses Stück - der Wert betrug anfänglich 12 Pfennige - wurde nun laufend jährlich ausgeprägt und beherrschte lange Zeit die gesamte niedersächsische Münzprägung. Stücke, die auf Mariengroschen lauten, wurden in Braunschweig bis in das 19. Jahrhundert hinein ausgegeben.

Mitten in dieses Bemühen um eine eigenständige niedersächsische Währung fiel die Bekanntschaft mit einer neuen Münze, die vom Süden her das Land eroberte. In Tirol hatte Erzherzog Sigismund als erste Großmünze 1484 den sogenannten Guldengroschen ausprägen lassen, d. h. ein Silberstück, dessen Wert dem eines rheinischen Goldguldens entsprach. Hildesheim ließ in den Jahren 1522 und 1523 Viertelwerte dieses Guldens schlagen. Doch blieben diese bei den Jahrgänge allein, eine Prägung nach diesem Münzfuße wurde zunächst nicht weiter verfolgt. Der Wert eines Viertelguldens war in der nun einmal aufgenommenen und weiter fortgeführten Mariengroschenwährung nicht unterzubringen.

Stattdessen prägte man in den Jahren 1531 - 1542 Zehnmariengroschen-Stücke, die den Wert von 10 einzelnen Groschen, also von 120 Pfennigen besaßen. Damit konnte man in Handwerker- und Händlerkreisen etwas anfangen.

Doch der Siegeszug der Tiroler Großmünze war nicht aufzuhalten. Die Grafen Schlick zu Joachimsthal in Böhmen nahmen das Vorbild auf und prägten eigene Münzen des gleichen Gewichtes, die bald nach ihrer Herkunft "Joachimsthaler" oder abgekürzt nur noch "Thaler" genannt wurden.

Da man zur Ausprägung eines Talers reichlich gutes Silber benötigte - er mußte bei 29 g Rauhgewicht ca. 27 g Feinsilber enthalten -, das man entweder teuer einkaufen oder durch Einschmelzen alter Währung oder von silbernen Gerätschaften gewinnen mußte, waren die niedersächsischen Städte zunächst äußerst zurückhaltend in der Anfertigung von Talerstücken. Die Grafen Schlick hatten eigene reiche Silbergruben, so daß sie sich zahlreiche Prägungen erlauben konnten. Die niedersächsischen Städte prägten weiterhin überwiegend Kleinmünzen, da der Gehalt an Feinsilber bei diesen Werten wesentlich geringer sein konnte, der Gewinn bei der Ausmünzung also stieg. Und doch hat Hildesheim im Jahre 1546 eine Münze dieser neuen Größenordnung herausgebracht, zu deren Prägung die Stadt die alten Stempel für das Zehnmariengroschenstück von 1531 auf einem dickeren Schrötling abschlagen ließ - der Taler weigt 28,20 g, das Zehnmariengroschenstück nur ca. 12 g.

Um jetzt einmal zusammenzufassen: Der Hildesheimer Bürger hatte in der ersten Hälfte des 16. Jahrhunderts folgende Münzen für seinen Geldverkehr zur Verfügung: Die kleinste Einheit waren die einseitig geprägten Hohlpfennige, die seit dem Jahre 1428 bis in das 16. Jahrhundert hinein weitergeprägt wurden, nach 1528 sogar mit dem vollständigen Wappen der Stadt, also dem halben Reichsadler. Darüber lagen die Körtlinge, oder auch Bernwardgroschen genannt, mit 8 Pfennig Wert, daneben, aber nur gelegentlich noch ausgeprägt, die Kreuzgroschen, ebenfalls im Wert von 8 Pfennigen, später in kleinerer Ausführung mit nur 6 Pfennigen. Annen- und Christophgroschen waren aus dem Verkehr verschwunden. Hauptmünze der Zeit war der Mariengroschen. Größere Werte standen in den Zehnmariengroschenstücken, den Viertelgulden und zuletzt in den Talern zur Verfügung. Versuchsweise wurde noch eine Reihe von Zwischenwerten (Zwölftelgulden 1522, Fünfmariengroschen 1531 - 1540, Fünfkörtlinge 1535, Matthier oder Vierpfennigstücke bis 1541, Doppelpfennige ca. 1540) ausgegeben, doch allen war ein entscheidender Durchbruch nicht geglückt. Die Prägung dieser Nominale wurde nach kurzer Zeit wieder eingestellt. Die Hauptmünze blieb, wie schon gesagt, der Mariengroschen, aber er behielt nicht seinen guten Wert, den er anfangs aufweisen konnte, sein innerer Gehalt ging stark herunter, und zwar in Hildesheim in weit größerem Maße als bei den Nachbarn Braunschweig und Goslar. Es gab in diesen Jahren genügend Zusammenkünfte, die sich zum Ziel gesetzt hatten, den Wert des Mariengroschens wieder neu festzusetzen, doch es gelang nicht, der Verschlechterung Herr zu werden.

Um 1527 setzte in Niedersachsen eine allgemeine Verteuerung des Münzsilbers ein. Herzog Heinrich der Jüngere von Braunschweig-Wolfenbüttel hatte der Stadt Goslar das Silbervorkaufsrecht entzogen, so daß sie sich teureres Münzmetall aus anderen Quellen beschaffen mußte. Um bei der Ausmünzung keine Verluste zu erleiden, mußte man den Feingehalt der Münzen senken. Die bedeutende Stadt ging voran, alle anderen Münzstände der Umgebung folgten stillschweigend dem üblen Vorbilde. Gewiß hatten auch sie bei der Beschaffung von Münzsilber größere Ausgaben als zuvor. Es muß diese Verteuerung in Hildesheim zeitweilig sogar so groß gewesen sein, daß es sich gar nicht mehr lohnte zu prägen. In den Jahren 1552 bis 1572 hat sich der Münzhammer in der Stadt überhaupt nicht geregt.

Das Wort "lohnte" ist eben gefallen. Inwiefern kann man bei der Ausmünzung überhaupt mit einem Gewinn rechnen? Von unserer heutigen Zeit sind wir gewohnt, die Herstellung von Geld in Münze oder Papier als eine Dienstleistung des Staates an seine Bürger anzusehen, d. h. die Finanzierung dieser Aufgabe übernimmt der Staat, und die Kosten für diese aufwendige Maschinerie sind heutzutage nicht unbeträchtlich.

Ganz anders in früheren Jahrhunderten: Die Münzwerkstatt war ein Handwerksbetrieb wie jeder andere auch, mit einem Meister und seinen Gesellen, die an der Fertigstellung ihrer Aufträge verdienen wollten. Mit den Landesherrn wurde ein Arbeitsvertrag abgeschlossen, der besagte, wieviel auszumünzen und von dem erzielten Gewinn des Münzmeisters an den Landesherrn abzuführen sei. Wie aber konnte man einen Gewinn erzielen? Bei günstigem Einkauf des Silbers konnte man in Münze z. T. ein Mehrfaches dessen herausprägen, was das Rohsilber und die Herstellung selbst gekostet hatten. Der Gewinn erhöhte sich natürlich beträchtlich, wenn man möglichst viel unedles Metall beimischte, aber gerade noch so viel Silber beließ, daß die Münzen dem prüfenden Auge des Kreisbeauftragten für das Münzwesen standhielten. Die Münzherren selbst drückten oftmals beide Augen zu, wenn ein Münzmeister zuviel des Guten tat, ja sie forderten es bisweilen sogar von ihren Handwerksmeistern, denn es erhöhte sich damit ja auch der in den Staatssäckel fließende Anteil des Gewinns.

1552 bis zum Ende der Kipperzeit 1622 - Entwicklung in der Stadt

Die erste Hälfte des 16. Jahrhunderts war erfüllt von den Bemühungen um ein vom Kleingeldumlauf innerhalb der städtischen Bürgerschaft bis zu großen Geldtransaktionen nach außerhalb reichendes leistungsfähiges Münzwesen. Doch führten die zahlreichen Versuchsprägungen zu einer völligen Zersplitterung des Geldwesens. Der Zusammenschluß mehrerer Münzstände, die alle ihre eigenen Nominale ausprägen ließen, zu größeren Verbänden (z. B. der erwähnte Hildesheimer Vertrag von 1501, dem ähnliche Zusammenkünfte in den Jahren 1532, 1542 und 1545 folgten) konnte keine Abhilfe bringen. Nur eine Regelung durch das Reich, eine für alle Stände verbindliche Reichsmünzordnung, konnte Wandel schaffen. Die erste dieser Art wurde am 10. November 1524 in Eßlingen erlassen. Sie baute auf dem Guldengroschen auf, fand jedoch im Reich fast gar keine Beachtung. Die zweite, 1551 in Augsburg verabschiedete Reichsmünzordnung fand vor allen Dingen in Niedersachsen keinen Widerhall, weil der darin angesetzte Guldiner im Verhältnis zu den inzwischen in Niedersachsen geschlagenen Talern zu teuer war (27,49 g Silbergehalt gegen 26,39 g) und andererseits, weil alles auf die süddeutsche Kreuzerwährung zugeschnitten war, die in Niedersachsen herrschenden Kleinmünzen überhaupt nicht berücksichtigt waren.

Die Mitarbeit an der am 26. April 1555 gegründeten Braunschweiger Münzgenossenschaft hatte Hildesheim formell abgelehnt, da die Stadt in dieser Zeit überhaupt nicht mehr prägen ließ.

Die dritte Reichsmünzordnung wurde am 19. August 1559 von Kaiser Ferdinand I. erlassen, traf aber in Niedersachsen auf denselben Widerstand wie die von 1551, weil auch sie den besonderen Verhältnissen des Nordens keine Rechnung trug. Es bedurfte langer Verhandlungen auf den Kreistagen, um die immer noch widerstrebenden Städte für die neue Ordnung zu gewinnen. Erst auf dem Kreistage zu Lüneburg, am 31. Januar 1568, kam man zu einer Einigung, die im wesentlichen eine Annahme der Reichsmünzordnung von 1559 war:

Der Taler soll das Richtnominal sein, er trägt auf der Vorderseite den Reichsadler mit dem Reichsapfel und der Wertzahl 24 (= 24 Groschen). Von ihm gibt es Halb- und Viertelwerte, dann jeweils mit der Wertzahl 12 oder 6 gekennzeichnet. Der Mariengroschen wird abgelöst durch den sächsischen Fürstengroschen zu 12 Pfennigen. Der Mariengroschen hatte um das Jahr 1550 nur noch ein Durchschnittsgewicht von 1,85 g (Feingehalt 0,72 g), während der neue Fürstengroschen mit 2,22 g (1,031 g Feingehalt) auszubringen war. Der Fürstengroschen soll die Wertzahl 12 (= 12 Pfennige) tragen. Als kleinste Einheit soll der Dreier (= 3 Pfennige) geprägt werden, er trägt eine 3 im Reichsapfel.

Die Rückseite steht dem jeweiligen Münzstande zur Verfügung, um dort sein Wappen und die Umschrift anzubringen.

Nach dem Kreisabschied von Lüneburg am 26. April 1572, der Niedersachsen eine endgültige Münzverfassung brachte, fing auch Hildesheim wieder an zu prägen, obwohl nach dem Kreisbeschluß nur noch 6 Münzstätten hätten bestehen bleiben dürfen, darunter aber nicht Hildesheim. Man ließ sich in dieser Stadt das alte Recht aber nicht so leicht nehmen.

Vom Jahre 1573 gibt es einen Reichstaler mit der neuen Wertangabe 24, einen Groschen und einen Dreier. Der Groschen trägt jedoch die Wertzahl 24 im Reichsapfel, welche bedeutet: 24 Stück dieser Art gehen auf einen Taler. Diese Wertbezeichnung beinhaltet das Gleiche wie die an sich vorgeschriebene Angabe 12 (= Pfennige). Denn der Taler wurde in dieser Zeit 288 Pfennigen gleichgesetzt. 1574 schlug man noch einen Groschen, dann legte man den Hammer jedoch wieder beiseite bis zum Jahre 1589. Die Münzen konnten nicht in dem geforderten Silbergehalt herausgebracht werden, die Ausmünzung wäre zu teuer geworden. Der Fürstengroschen sollte 2,22 g wiegen, die Hildesheimer Groschen von 1573 und 1574 kommen allenfalls noch auf 2,06 bis 2,10 g.

Es war der ausdrückliche Wunsch des Kreistages zu Lüneburg im Jahre 1589, daß die ehemals münzberechtigten Stände wieder anfingen zu prägen. Hildesheim trat wieder mit Groschen und Dreiern in die öffentlichkeit, brachte es 1593 sogar zu einem Reichstaler.

Ganz nebenbei aber wurde - sehr zum Mißfallen der Vertreter der Reichsmünzordnung - der alte Mariengroschen wieder aufgefrischt. Hildesheim prägte 1593 nach langer Zeit wieder das erste Stück dieser Gattung und setzte es mit einem Wert von 8 Pfennigen geringer an als den neuen Reichsgroschen. Ja sogar Halbwerte des Mariengroschens, die sogenannten Matthier (die ersten Gepräge dieser Art, in Goslar hergestellt, trugen das Bild des heiligen Matthias) wurden in Umlauf gesetzt.

Vorübergehend gab es eine Prägung, die dem Münzwesen der Hansestädte angepaßt war, die Doppelschillinge. In Hamburg, Lübeck, Lüneburg und Wismar, später auch bei den Landesfürsten des Nordens, rechnete man nach Schillingen, die anfänglich wie die Mariengroschen 12 Pfennige Wert besaßen, später aber abgewertet wurden. Auf der Adlerseite dieser Münzen ist eine 16 zu finden zum Zeichen dessen, daß 16 Stücke dieser Art einen Taler ergeben. Für einen Handel mit Norddeutschland mußte man sich also eine eigene Währung schaffen, denn an eine Einheitlichkeit innerhalb des Münzwesens in Deutschland war immer noch nicht zu denken. Die Hildesheimer Doppelschillinge waren jedoch so minderwertig ausgeprägt, daß Hamburg und Lübeck in einer Sondersitzung ihrer Senate beschließen mußten, die Annahme dieser geringwertigen Münzen zu verweigern. Hildesheim stellte deshalb die Prägung auch bald wieder ein.

Immer noch war die minderwertige Ausprägung durch die einzelnen Münzstände - die Landesfürsten trieben es dabei noch schlimmer als die Städte - ein wesentlicher Hinderungsgrund für eine Stabilisierung des Geldwesens. Und es kam noch viel schlimmer. In den Jahren vor und zu Beginn des Dreißigjährigen Krieges setzte in Deutschland eine Geldverschlechterung ein, welche ihresgleichen allenfalls in der Inflation 1923 gefunden hat, allerdings war die Sachlage eine ganz andere. Die Kleinmünzen - und nur diese - wurden allmählich in so erbärmlichem Zustand ausgeprägt, daß man für einen Taler, der an sich ja 24 Groschen wert sein sollte, am 16. September 1621 - und das war der höchste Stand - 192 Groschen der schlechten Sorten ausgeben mußte. Bekannt geworden sind diese Jahre unter dem Namen "Kipper- und Wipperzeit".

Die schweren, im Silber reinen Münzen wurden überall aufgekauft und eingeschmolzen, um daraus minderwertiges Zeug herzustellen. Das Auflegen der Münze auf die Waage, das Wippen der Schale, das Herunterkippen der Waagschale mit der schwereren Münze gab den Aufkäufern der Münzen den Namen: Kipper und Wipper.

Nicht nur Privatleute - überwiegend Juden, die sich mit dem Silberhandel beschäftigten - zogen die guten Münzen aus dem Verkehr, im Hintergrunde stand so mancher Landesherr, der in der schlechten Ausprägung eine schnelle Methode der Geldbeschaffung sah. Herzog Friedrich Ulrich von Braunschweig-Wolfenbüttel (1613-1634) hat sich in dieser Beziehung wohl den übelsten Ruf erworben. Hunderttausende von minderwertigen Groschen, z. T. mit ganz obskuren Wappen und Umschriften, um ihre Herkunft zu vertuschen, sind von ihm in Auftrag gegeben und benutzt worden, um anderen Orts erneut gutes Silbergeld heranzuschaffen.

Die Städte Niedersachsens haben sich ein wenig von diesem Unwesen zurückgehalten, doch zeigt der abgebildete Hildesheimer Groschen vom Jahre 1620 deutlichen Unterschied zu seinem Vorgänger des Jahres 1600 (siehe Abbildung auf Seite 23).

Und sogar Kupfermünzen wurden ausgegeben, die bezeichnenderweise, sozusagen unter Hindeutung auf die Einschätzung ihres Wertes, Flitter genannt wurden und den Wert eines halben Pfennigs besaßen.

Nur wenige Jahre hielten diese heillosen Zustände an, einsichtsvolle Münzherren sahen schnell, daß die Kipperei in ein Wirtschaftschaos führen mußte. Angeregt durch ernsthafte Reformbestrebungen des Herzogs Christian zu Celle beschloß der Kreistag zu Lüneburg am 16. Juni 1622 mit der Kipperei endgültig Schluß zu machen. Der Reichstaler wurde sofort wieder auf seinen Wert von 24 Groschen herabgesetzt.

Der Groschen dagegen sollte wieder in altem Schrot und Korn, d. h. nach den Beschlüssen vom 26. April 1572, ausgebracht werden. Minderwertiges Geld müßte sofort aus dem Verkehr gezogen und eingeschmolzen werden.

Das war nun das bittere Ende dieser üblen Machenschaften: Die Münzherren hatten jetzt im Interesse einer Reform der Währung gewaltige Verluste zu tragen.

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