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Gustav Schöttle
(1846-1932)
ein (fast) vergessener Numismatiker.
Schriftenverzeichnis zu einem 150. Geburtstag

von Michael Matzke
in: SM 46 (1996) 137-140


Nur wenige noch wissen heute mit dem Namen des Heimatforschers und Numismatikers Gustav Schöttle etwas zu verbinden. Allenfalls in Tübingen, wo er am 23. März 1932 hochbetagt verstorben ist, sowie in württembergischen Münzkreisen erinnert man sich bisweilen noch seiner Werke, da er als der «Entdecker» des Tübinger Pfennigs gilt und seine Forschungen sich vorwiegend auf den südwestdeutschen Raum konzentrierten. Darüber hinaus beschäftigte er sich aber auch mit der Münz- und Geldgeschichte der umliegenden Regionen sowie mit allgemeinen numismatischen Problemen, publizierte in österreichischen und Schweizer Zeitschriften und war Mitglied in- und ausländischer numismatischer Vereinigungen. So genoss er zu Lebzeiten allgemeines Ansehen - wie unter anderem mehrere Verweise in Schrötters Wörterbuch belegen -, auch wenn es ihm nicht mehr vergönnt war, eine numismatische Monographie zu verfassen.
    Durch die Beschäftigung mit einem Teil seines Nachlasses im Tübinger Stadtmuseum im Jahr 1990 ergab sich für den Verfasser die Gelegenheit, sich eingehender mit dem überaus reichen Werk Gustav Schöttles zu beschäftigen. So soll sein 150. Geburtstag zum Anlass dienen, durch die erstmalige Veröffentlichung eines umfassenden Schriftenverzeichnisses seine Werke wieder einem breiteren Publikum nahezubringen. Natürlich erhebt die Liste keinen Anspruch auf Vollständigkeit.
    Gustav Schöttle wurde am 26. Februar 1846 in dem inzwischen nach Stuttgart eingemeindeten Ort Botnang geboren. Mit zwanzig Jahren trat er in den württembergischen Postdienst ein. Erst später legte er die Prüfungen für den höheren Postdienst ab und promovierte schliesslich in Tübingen im Jahr 1883 mit der Arbeit «Der Telegraph in administrativer und finanzieller Hinsicht» (1)*). Darauf wurde er nach Ravensburg versetzt. Infolge einer Erkrankung trat er im Jahr 1893 in den vorzeitigen Ruhestand und übersiedelte nach Tübingen. Dort widmete er sich zunächst der Lokalgeschichte, was in seinen umfangreichen und fundierten Aufsatz über die Tübinger Verfassung im Spätmittelalter mündete (2).
    Darauf folgten die ersten numismatischen Veröffentlichungen. Den Auftakt bildet ein längerer Zeitungsartikel(!) im Schwarzwälder Boten (5). In diesem identifizierte er, ausgehend vom kurz zuvor aufgefundenen Münzschatz in der Tübinger Langen Gasse, die bisher unbestimmten neckarschwäbischen Dreiturmpfennige mit den aus Urkunden längst bekannten Tübinger Pfennigen. Auf vielfache Aufforderung seitens der Fachgelehrten arbeitete er später für das Jahrbuch des numismatischen Vereins zu Dresden sowie für die Tübinger Blätter eine erschöpfende Abhandlung über das tübingische Münzwesen im Hochmittelalter aus (12).
    Zwischen 1905 und den frühen 20erJahren folgten eine Reihe von numismatischen und wirtschaftsgeschichtlichen Abhandlungen vorwiegend Oberschwabens und der Schweiz. Ein Zeugnis für die eindringliche Beschäftigung mit der mittelalterlichen und frühneuzeitlichen Münz- und Geldgeschichte stellt unter anderem auch der Teil seines Nachlasses im Tübinger Stadtmuseum dar, bei dem es sich grossteils um Gipsabgüsse als Studienobjekte und Abbildungsvorlagen für seine zahlreichen Veröffentlichungen handelt. Bei einer Durchsicht der Publikationsliste fallt auf, dass Schöttles Interesse über die «einfache Münzkunde» hinausging und meist geldgeschichtliche Phänomene wie Inflationen, Münzpolitik und Manipulationen sowie kultur- und wirtschaftshistorische Zusammenhänge thematisierte. So verbindet sich sein Name nicht nur mit dem Tübinger Pfennig, sondern seine Arbeiten über die sogenannten Kipper-Zeiten (1620/1623: 10, 20, 29, 31, 42, 45; kleine Kipperzeit um 1700: 6) sind auch heute noch aktuell und lesenswert. Ein Teil seiner Aufsätze, so die Arbeit über die Lindauer Münzprägung (7) und die Ausführungen in den württembergischen Oberamtsbeschreibungen (21, 33), sind durch neuere monographische Werke und neue Reihen wie die baden-württembergischen Kreisbeschreibungen wenn auch nicht überholt, so doch darüber in Vergessenheit geraten.
    Seit 1906 war Gustav Schöttle Mitglied der Numismatischen Gesellschaft zu Wien sowie der Bayerischen Numismatischen Gesellschaft. Fünf Jahre später trat er dem Württembergischen Verein für Münzkunde und der Schweizerischen Numismatischen Gesellschaft bei. Im Laufe der zwanziger Jahre nahm seine Schaffenskraft alters- und krankheitsbedingt leider merklich ab. Er verstarb im Alter von 82 Jahren in Tübingen.

*) Die Zahlen beziehen sich auf die Numerierung der Veröffentlichungen von Gustav Schöttle im angefügten Verzeichnis.



Schriftenverzeichnis Gustav Schöttle
(mit Hinweisen auf Rezensionen)


I. Monographie:

1. Der Telegraph in administrativer und finanzieller Hinsicht. _ Stuttgart 1883 (Dissertation).

II. Aufsätze:

2. Zum Verkehrswesen in Rottenburg a.N. von 1514 bis 1574. _ Reutlinger Geschichtsblätter 9, 1898, 25-27.

3. Verfassung und Verwaltung der Stadt Tübingen im Ausgang des Mittelalters. _ Tübinger Blätter 8, 1905, Nr.1, 1-34.

4. Das Zahlen und die Zahlungsmittel in Schwaben im Wandel der Zeiten. _ Archiv für Post und Telegraphie 34, 1906, 521-527, 549-556.

5. Untersuchungen über das Münzwesen im oberen Neckargebiete zu den Zeiten der Hohenstaufer Kaiser. _ Schwarzwälder Bote 72, 1906, Nr.245-248.
Rez.:
- NZ 38, 1906, 254-258 (A. Luschin von Ebengreuth)
- Frankfurter Münzzeitung 6, 1906, Nr.72, 544-547 (J. Ebner, P. Joseph)
- Blätter f. Münzfreunde (BMF) 41, 1906, 3586f. (H. Buchenau)

6. Die Münzwirren und Heckenmünzen in Oberschwaben um die Wende des 17. Jahrhunderts. _ NZ 41, 1908, 234-270, Tf.9.
Rez.: - SNR 18, 1912, 350f. (E. Lugrin).

7. Geschichte des Münz- und Geldwesens in Lindau. _ In: Karl Wolfart (Hg.), Geschichte der Stadt Lindau im Bodensee, Bd. II, Lindau 1909, 155-175.
Rez.:
- NZ 42, 1909, 276f. (Karl Ernst)
- SNR 16, 1910, 354-356 (E. Lugrin).

8. Das Münz- und Geldwesen der Bodenseegegenden, des Allgäus und des übrigen Oberschwabens im 13. Jahrhundert. _ NZ 42, 1909, 191-220.
Rez.: - SNR 15, 1909, 352-354 (E. Lugrin)

9. Ravensburger Handel und Verkehr im Mittelalter. _ Schriften des Vereins für Geschichte des Bodensees 38, 1909, 37-62.

10. Die Ulmer städtische Bankanstalt von 1620 als Hilfsmittel der Kippermünzprägung. _ Frankfurter Münzzeitung 9, 1909, Nr.100, 424-427.

11. Die erste Finanzrechnung des österreichischen Amtmanns zu Rottenburg a.N. - Sonntag nach Pfingsten 1392 bis ebendahin 1394. _ Reutlinger Geschichtsblätter 21, 1910, 1-5.

12. Geld- und Münzgeschichte der Pfalzgrafschaft Tübingen. _ Jb. d. numismat. Vereins zu Dresden 1910, 18-60; ausserdem: Tübinger Blätter 12, 1910, 41-64.
Rez.: - SNR 19, 1913, 176-178 (E. Lugrin).

13. Der Münzbetrieb von Ulm und Augsburg in den Kriegsjahren 1703 und 1704. _ MBNG 29, 1910, 61-82.
Rez.: - SNR 18, 1912, 101f (E. Lugrin).

14. Ravensburg und sein Verkehrsleben in den letzten 300 Jahren. _ Schriften des Vereins für Geschichte des Bodensees 40, 1911, 3-25.

15. Ein ländlicher Münzschatz aus dem Schwedenkrieg. _ Reutlinger Geschichtsblätter 22-23, 1911-12, 85-87; ausserdem: Berliner Münzblätter 1913, 500-503; Schwarzwälder Bote 79, 1913, Nr.9.

16. Ein Goldmünzenfund von weltgeschichtlichen Folgen. _ Berliner Münzblätter NF 23, 1912, Nr.129, 411-416, Tf.

17. Italienische amtliche Münzfälschungen und das Auftreten der Stadt Lindau hiegegen. _ Schriften des Vereins für Geschichte des Bodensees 42, 1913, 38-44.

18. Die Münzfälschungen von Masserano und Crevacuore und ihre Einfuhr nach Deutschland ums Jahr 1620. _ Ber!iner Münzblätter NF 24, 1913, Nr.143, 723-730.

19. Geld und Münze im Volksaberglauben. _ Archiv für Kulturgeschichte XI,3, 1913, 320-362; ausserdem: Reutlinger Geschichtsblätter 24-25, 1913-14, 35-39, 49f, 71-88.
Rez.: - SNR 20, 1915, 379-382 (E. Lugrin).

20. Die Münzstätte Haldenstein und ihr Streit mit der Stadt Lindau im Jahr 1623. _ Jb. f. Schweizerische Geschichte 39, 1914, 91-102.

21. Das Münzwesen der Grafen von Montfort-Tettnang. _ In: Beschreibung des Oberamts Tettnang, 2. Bearb., Stuttgart 1915, 418-429.
Rez.:
- SNR 21, 1917, 87f. (E. Lugrin)
- NZ 48, 1915, l85f. (E. Luschin von Ebengreuth)
- BMF 1915, 5927f. (P. Scheven).

22. Russisches Münzwesen unter dem Zaren Alexei. _ Mitteilungen der Österr. Gesellschaft für Münz- und Medaillenkunde 11, 1915, 95-97.
Rez.: - BMF 1915, 5927f. (P. Scheven).

23. Das Geld- und Münzwesen Württembergs vom 13. bis 17. Jahrhundert. _ (Vortrag vom 20.1.1912 im Württ. Geschichts- und Altertumsverein). Württ. Jbb. f. Statistik und Landeskunde 1915, 117-134
Rez.: - SNR 21, 1917, 88 (E. Lugrin).

24. Das Münzwesen von Schaffhausen seit dem Ausgang des 17. Jahrhunderts. _ SNR 20, 1915, 361-375.

25. Münzverbrecheralbum. _ NZ 49, 1916, 117-148.

26. Der Geldkurs in vom Feind besetzten Landstrichen. Ein geschichtlicher Rückblick. _ Vierteljahrsschrift für Sozial- und Wirtschaftsgeschichte 15, 1917, 25-63.
Rez.: - Württembergische Vierteljahrshefte für Landesgeschichte (WVjh) NF 28, 1919, 335 (E. Schneider).

27. Das Nachstempeln französischer Sechslivrestaler in der Schweiz. _ Jb. d. Numismat. Vereins zu Dresden 1913/1918, 41-43.

28. Nachstempeln groben Silbergeldes. _ Jb. d. Numismat. Vereins zu Dresden 1919/20, 41-62.

29. Kaspar Bernhard von Rechberg, ein bisher unbekannter Kippermünzherr. _ BMF 54, 1919, 537-539.

30. Systematik der Marken alter und neuer Zeit. _ NZ 53, 1920, 1-35.

31. Die grosse deutsche Geldkrise von 1620 bis 1623 und ihr Verlauf in Oberschwaben. _ WVjh NF 30, 1921, 36-57.

32. Münz- und Finanzpolitik einer vorderösterreichischen Landstadt [Konstanz]. _ Schriften d. Vereins f. Geschichte des Bodensees 1922, 76-97.
Rez.: - NZ 55, 1922, 167 (A.O. Loehr).

33. Geld- und Münzwesen [von Riedlingen und Buchau]. _ In: Beschreibung des Oberamts Riedlingen, 2. Bearb., Stuttgart 1923, 461-466.

34. Bilder aus der älteren Münz- und Geldgeschichte der Eidgenossen (Schaffhausen, Zürich, Schwyz). _ Anzeiger für Schweizerische Geschichte 1918, Nr.1, 1-27.
Rez.: - SNR 23, 1923, 147f. (E. Lugrin).

35. Münz- und Geldgeschichte von Ulm in ihrem Zusammenhang mit derjenigen Schwabens. _ WVjh NF 31, 1922-24, 54-128.
Rez.: - NZ 59, 1926, 161f. (A Luschin von Ebengreuth); 169f. (A.O. Loehr).

36. Das Postwesen in Ulm und Oberschwaben bis zum Jahre 1806. _ In: Festschrift zur Feier des 50jährigen staatlichen Betriebs dieser Anstalt [wohl nicht erschienen, vgl. Hermann Wolpert, Bibliographie der württembergischen Postgeschichte. Ein Versuch, Stuttgart 1952 (mschr.); Ortskatalog der Württ. Landesbibliothek].

III. Kleinere Beiträge:

37. Notiz aus dem K. Haus- und Staatsarchiv [in Wien]. _ Reutlinger Geschichtsblätter 14, 1903, 64.

38. Urfehde des Alchimisten, Magister Peter von Rottenburg am Neckar, vom 1. März 1459. _ Reutlinger Geschichtsblätter 19, 1908, 94.

39. Rezension zu: Karl Arnold, Anhaltisches Münzwesen im Siebenjährigen Kriege, Halle 1908. _ NZ 42, 1909, 278-281.

40. Lesefrucht. _ Berliner Münzblätter 1911, 215f.

41. Kleinere Mitteilungen [aus dem Sitzungsprotokoll des Rats der Stadt Schaffhausen vom 2.9.1631 bzgl. Tübinger Buchhändler]. _ Reutlinger Geschichtsblätter 14-15, 1913-14, 47.

42. Ein Flugblatt aus der Kipperzeit. _ Berliner Münzblätter NF 38, 1917, Nr.192, 177f.

43. Augsburgisches Verbot der privaten Herstellung von Medaillen und Schaumünzen. _ Mitteilungen d. Österr. Gesellschaft f. Münz- und Medaillenkunde 13, 1917, 43.

44. Nachgestempelte Taler des Herzogs Ulrich von Württemberg. _ Mitteilungen d. Österr. Gesellschaft f. Münz- und Medaillenkunde 14, 1918, 29f.

45. Einiges über die Heckenmünze in Brenz. _ BMF 40, 1920, 6.

46. Gespenster in Münzhäusern. _ Mitteilungen der Numismat. Gesellschaft (Wien) 1921, 115f.

47. Verzeichnis der von Dr. Gustav Schöttle, Postrat a.D., Tübingen, verfassten und veröffentlichten wissenschaftlichen Arbeiten. _ WVjh NF 36, 1930, 299f. [unvollständig und ungenau].

IV. Würdigungen und Nachrufe (meist mit Literaturangaben):

a. Berliner Münzblätter 46, 1926, 417 (zum 80. Geburtstag).

b. Berliner Münzblätter 52, 1932, 476f.

c. WVjh NF 38, 1932, 516 (J. Cahn).

d. MBNG 50, 1932, 5f.

e. Helmut Lanzl, Numismatiker des Bodenseegebietes, Jb. d. Vorarlberger Landesmuseumsvereins 1987, 141.

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