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Ernst Justus Haeberlin
(1847-1925)
Nachruf und Bibliographie

erstellt von Max v. Bahrfeldt
in: BfM 1925, S.369-372

    Zu Eschersheim bei Frankfurt a. M. verstarb am 5. Dezember 1925 der Justizrat Dr. jur. u. Dr. phil. h. c. E. J. Haeberlin im 79. Lebensjahre. Die Nachricht von seinem Dahinscheiden wird in den weitesten Kreisen des In- und Auslandes rege Teilnahme hervorgerufen haben, war Haeberlin doch durch sein monumentales Werk über das Aes grave, durch seine langjährigen Vorarbeiten dazu, seine weit ausgedehnten Reisen zum Studium auswärtiger Münzkabinette, seine eigene großartige Sammlung von Aes grave, die alle anderen ähnlichen privaten, wie öffentlichen Sammlungen weit in den Schatten stellte, eine der bekanntesten numismatischen Persönlichkeiten geworden, vor allem in Italien.
    Unsere Beziehungen, veranlaßt durch Studien auf demselben numismatischen Gebiete, dem der römischen Republik, datieren vom Jahre 1882 her, als ich aus hinterlassenen Papieren K. Samwers die "Geschichte des älteren römischen Münzwesens bis etwa 200 v. Chr." herausgegeben hatte. In den seitdem verflossenen 43 Jahren haben uns häufige persönliche Aussprachen, ein reger Briefwechsel, zahlreiche gemeinsame Reisen freundschaftlich nahe gehracht, so daß wir gegenseitig stets über des Anderen numismatische Arbeiten unterrichtet waren. Noch wenige Wochen vor seinem Tode schlug ich ihm vor, ohne zu ahnen, daß seine Tage gezählt seien, alles Aes grave, das seit Herausgabe seines großen Werkes (1910) in der Literatur, durch die zahlreichen Versteigerungen oder sonstwie bekannt geworden sei, mit den Gewichten und Abbildungen zu sammeln und als ein Ergänzungsheft herauszugeben. Er hat dazu nicht mehr Stellung nehmen können.
    Haeberlins allgemeines und besonderes Wissen war erstaunlich, seine Ausdauer und seine Zähigkeit im Verfolgen seiner sich selbst gesteckten Aufgaben bewunderungswürdig, seine Art zu arbeiten vorbildlich. Er las mit der Feder in der Hand und so werden sich in seinen Mappen zahlreiche und wichtige Aufzeichnungen finden, namentlich aber auch umfangreiche Vorarbeiten zu seinem zweiten Textbande des Aes grave, der die Auswertung der Materialsammlung des 1. Bandes bringen sollte. Zu seinem Abschlusse ist er nicht gekommen, leider, aber die Gründe dafür sind zu verstehen.
    Seine Ansichten hatte Haeberlin in mehreren kleineren, als Vorläufer anzusehenden Arbeiten niedergelegt, durch die er zur Diskussion und zur Klärung mancher Fragen anregen wollte. Seine metrologischen Ansichten und Ausführungen fanden zum Teil starken Widerspruch, vor allem bei der "jüngeren Richtung". O. Viedebantts Forschungen zur Metrologie des Altertums, die sich vor allem gegen Haeberlin richteten, veranlaßten diesen zu der kritischen Abhandlung (lfde. Nr. 19), auf die Viedebantt dann wieder mit der Arbeit "Antike Gewichtsnormen und Münzfüße" , Berlin 1923, antwortete1). Haeberlin hat darauf eine längere und eingehende Entgegnung verfaßt, die ich noch bei meinem letzten Besuche im Sommer 1925 gelesen habe. Sie ist unveröffentlicht geblieben und somit der Streit unausgetragen. Nun ist Haeberlin darüber hinweggestorben. Ob ein Anderer es unternehmen wird, aus dem hinterlassenen Material den zweiten Band zu veröffentlichen, der neben den Untersuchungen der metrologischen Beziehungen doch vor allem auch viele wichtige, rein numismatische Fragen zu erörtern hätte, wage ich kaum zu hoffen.
    Haeberlin aber hat sich auch ohne den zweiten Band durch sein epochemachendes und für lange Zeit grundlegendes Werk "Aes grave" ein unvergängliches Verdienst um die italische und römische Münzkunde erworben. Das wird ihm auch naoh Generationen unvergessen sein. Und ich persönlich werde ihm eine dankbare Erinnerung bewahren, sind doch die Jahre unserer Bekanntschaft und Freundschaft auch für mich die fruchtbarsten auf numismatischem Gebiete gewesen.
    Was aus seinen Sammlungen, von denen die des Aes grave und der übrigen republikanischen Münzen doch nur ein Teil sind, was aus seiner großen Abguß- und Studiensammlung werden wird, ist mir nicht bekannt.
    Ich lasse hier ein Verzeichnis aller numismatischen Schriften Haeberlins folgen und glaube annehmen zu können, daß es vollständig sei.

1) Einen guten Überblick über den Stand der Frage gibt Prof. Dr. O. Leuze in seiner ausführlichen Besprechung des Viedebanttschen Buches in der Orientalistischen Literaturzeitung 1925 Nr. 9/10 Sp. 624-634.


Numismatische Bibliographie Haeberlins

1. Horatia. Denare mit der Aufschrift COCLES _ In: M. v. Bahrfeldts Nachträgen und Berichtigungen zur Münzkunde der römischen Republik, Bd.I, 1897, S.128-136.

2. Über das römisch-campanische Goldstück mit der Schwurszene und dem Wertzeichen XXX _ In: M. v. Bahrfeldts Monete romano-campane. Mailand 1899, S.123-126.

3. Corpus numorum aeris gravis. Allocuzione al Congresso internazionale di scienze storiche in Roma 1903. _ Atti di congresso etc. Vol.VI, Rom 1904 S.141 fg. und in der Rivista italiana di numismatica Bd.XVI, 1903, S.175-185. Auch deutsch unter demselben Titel in den Berliner Münzblättern 1903, Nr.20-22, S.313 fg. Auch S.-A. Berlin 1903, 8°, 8 S.

4. Zum Corpus numorum aeris gravis. Die Systematik des ältesten römischen Münzwesens. _ Berl. Münzbl. 1905 und 1906, Nr. 43 bis 56. Auch S.-A. Berlin 1905, 8°, 67 S.
_ Dieselbe Arbeit italienisch, übersetzt von S. Ricci in Mailand: Del più antico sistema monetario presso i Romani. Nuovo contributo al "Corpus numorum aeris gravis". Con un prospetto sincronistico dell' antichissima monetazione romana. _ Riv. ital. di num. Bd.XIX, 1906, Heft 1, 2 und 4. Auch S.-A. Mailand 1906, gr. 8°, 92 S.

5. Der Roma-Typus auf den Münzen der römischen Republik. _ "Corolla numismatica", Festschrift zu Ehren B. V. Head's, Oxford 1906, S.135-155, mit Tfl.VI.

6. Ein falscher campanischer Barren nebst anderen Falsis. _ Zeitschrift für Numismatik 26. Bd.1906, S.145-160.

7. Roms Eintritt in den Weltverkehr, nachgewiesen auf Grund seiner Münzung. Vortrag auf der Hauptversammlung des Gesamtvereins der deutschen Geschichts- und Altertumsvereine zu Mannheim am 17. Sept. 1907. _ Berl. Münzbl. 1908, Nr.75 u. 76. Auch S.-A. Berlin 1908, 8°, 18 S.

8. Die jüngste etruskische und die älteste römische Goldprägung. _ ZfN 26, 1908, S.229-272 mit 1 Tfl.

9. Die metrologischen Grundlagen der ältesten mittelitalischen Münzsysteme. _ ZfN Bd.27, 1909, S.1-115. Auch S.-A. Berlin 1909, 8°, 116 S.
_ Dieselbe Arbeit italienisch, übersetzt von S. Ricci in Mailand: Le basi metrologiche del sistema monetario piu antico dell' Italia media. _ Riv. ital. di num. Bd.XXIII, Heft 2 und 3, 1910 und Bd.XXIV Heft 1, 1911. Auch S.-A. Mailand 1911, 8° 118 S. Ein Vorläufer dazu unter demselben Titel als offener Brief an Prof. Dr. S. Ricci in Mailand deutsch und italienisch im Bullettino italiano di numismatica e di arte della medaglia Jg.1908, S.141-145 und 158-165.

10. Ausführliche Besprechung des Buches von H. Willers, Geschichte der römischen Kupferprägung vom Bundesgenossenkriege bis auf Kaiser Claudius. Leipzig 1909. _ ZfN Bd.28, 1910, S.370-395.

11. Zum "Aes grave". Ansprache an den internationalen numismatischen Kongreß zu Brüssel 1910. _ Procès-verbaux et mémoires du Congrès international S. 687-698.

12. Conclusioni prospettiche del sistemo monetario antichissimo di Roma. II confronto con le conclusioni di Teodoro Mommsen. _ Bollett. ital. di num. etc. Jg. 1910, Nr.3, S.33-37.

13. Lettera aperta al Prof. Orsi sull'antichissimo sistema monetario romano. _ Bollett. ital. di num. etc. Jg.1910, Nr.5-7. Übersetzung von C. Serafini in Mailand.

14. Aes grave. Das Schwergeld Roms und Mittelitaliens einschließlich der ihm vorausgehenden Rohbronzewährung. I. Bd. enthaltend die Münzverzeichnisse. _ 4°, XXVIII u. 280 S. mit 1 Tfl. Dazu ein Atlas von 102 Tafeln gr. Fol. Frankfurt a. M. 1910.
Von den Besprechungen und Erörterungen der Arbeiten Haeberlins hebe ich hervor:
M. C. Soutzo, Les lourdes monnaies de bronze de l'Itaiie centrale et la numismatique romaine. Rev. num. Paris 1906, S.337 fg.
G. F. Hili, Dr. Haeberlin's theory of the earliest roman coinage. Num. Chron. Bd.VII. London 1907.
C. F. Lehmann-Haupt, Zur metrologischen Systematik. Bemerkungen zu E. J. Haeberlins Abhandlung "Die metrologischen Grundlagen etc.", ZfN Bd.27, Berlin 1909, S.117-136.
Furio Lenzi, Besprechung in der Rassegna numismatica Bd.8 Rom 1911, S.11-15.
K. Regling, Besprechung in der ZfN Bd.28 1912, S.149-156.
M. v. Bahrfeldt, Besprechung im Numismatischen Literatur-Blatt 1911, Nr.180/181, S.1518-1523.
V. Tourneur, Besprechung in der Revue beige de num. Bd.67, Brüssel 1911, S.120-125.
P. Joseph, Zu E. J. Haeberlins 70. Geburtstag. Frankf. Münzztg. 1917, Nr.199/200 S.235-241.
L. Cesano, Della circolazione dell'Aes grave in Italia. Nuovi ripostigli. In: Atti e memorie dell'Istituto ital. di num. Bd.I, Rom 1913, S.47-80.
T. L. Comparette, Aes signatum. In: American Journal of Numismatics, Bd.52 1918, 4°, S.1-62 mit 8 Tfln.

15. La presunta zecca di Lanuvium. _ Atti e memorie dell'Istituto italiano di numismatica Bd.II, Rom 1915, S.21-48. Übersetzt von Frl. Prof. Dr. Lorenzina Cesano.

16. Römisches Pfund und republikanische Silberprägung. Bericht über einen Vortrag. _ Frankfurter Münzzeitung Jg.1918, Nr.209.

17. Die Datierung des römischen Sesterzgoldes. _ Frankf. Münzztg. Jg.1919, Nr.218.

18. Herodots Bericht über die persischen Tribute unter Darius I. und die morgenländischen Währungsgewichte. _ Frankf. Münzztg. Jg.1919-1920, Nr.219-231. Auch S.-A. Frankfurt a.M. 1919, 8°, 72 S.

19. O. Viedebantts neu entdecktes "römisches Pfund". (Kritik eines "Versuchs"). _ Wiener Numismat. Zeitschrift N.F.12. Bd.1919, S.85-107.
Richtet sich gegen O. Viedebantts Forschungen zur Metrologie des Altertums Kap. VI. Vom italisch-römischen Gewichtswesen. Kleinasiatische Ursysteme (Ein Versuch). In: Abhandl. d. Kgl. sächs. Ges. d. Wiss. 34. Bd. 1917.

20. Die römische Münzung im Lichte der Wissenschaft. _ "Janus" Bd.I, 1921, S.36-50 (Festschrift zu Lehmann-Haupts 60. Geburtstage).

21. Offener Brief an Hrn. Geh. Hofrat Prof. Dr. Behrendt Pick in Gotha. _ Frankfurt a. M. 1922, 8°, 11 S.
Erschien infolge eines vom Geh.-Rat. Pick auf der Deutschen Philologen-Versammlung in Jena am 27. Sept. 1921 gehaltenen Vortrages "Die Münzkunde in der Altertumswissenschaft", der sich gegen Haeberlins Arbeitsmethode und gegen seine metrologischen Theorien wendete. Dazu folgte eine "Nachschrift" Haeberlins in den Mitteilungen für Münzsammler Frkft. a. M. 1924 Nr.2, S.17, eine Entgegnung Picks in Nr.3, eine Replik Haeberlins, eine Entgegnung und ein Schlußwort in Nr.5, S.46-48.

22. Organismus der antiken Münzwährungen und ihr Fortleben in Mittelalterund Neuzeit. _ Mitteil. f. Münzsammler 1925 Nr.13, S.121-122.
Referat über einen gleichlautenden Vortrag des Ingenieurs H. Wehner auf dem 3. Deutschen Münzforschertage zu Frankfurt a. M. am 20. Sept. 1924.

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