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Goethe als Sammler von Münzen und Medaillen

Peter Proksch
money trend 7-8/1997, S.28-32

Auf vielen Gebieten der Kunst und Wissenschaft hat Johann Wolfgang von Goethe (geb. 1749, geadelt 1782, gest. 1832) mit seinen vielseitigen Interessen im Laufe seines langen Lebens manches an Gegenständen der Natur und der Kunst zusammengetragen und gesammelt. Im Jahre 1830 gibt er an, dass er jährlich ab seinem sechzigsten Lebensjahr mindestens 100 Dukaten zum Ankauf von Merkwürdigkeiten verwendet hat und noch weit mehr von teilnehmenden Freunden und Gönnern geschenkt bekommen habe.

Seine Neigung zum Sammeln hatte sich schon in seiner Kindheit gezeigt, wuchs er doch in einem Elternhaus mit sammlerischer Atmosphäre auf [Sein Vater, der Kaiserliche Rat, sammelte mit Passion unter anderm Bilder, Stiche, Münzen und besonders Bücher]. Als Knabe sammelte er Siegel, und in "Dichtung und Wahrheit" verwendet er eine Naturaliensammlung zum Aufbau eines Altars.

Welche Bedeutung Goethe allgemein dem Sammeln zugemessen hat, ist aus seinem Aufsatz "Der Sammler und die Seinigen" zu erkennen. In dieser Arbeit, die allerdings keinen Hinweis auf das Münzensammeln enthält, knüpft er kunstpsychologische Überlegungen an die Geschichte der Entstehung einer Sammlung und an die Art und Weise ihrer Betrachtung an.

Als er sich gegen Ende seines Lebens Rechenschaft über seine Tätigkeit als Sammler ablegt, sagt er, dass er bei der sammlerischen Seite seines Tuns das Ziel verfolgt habe, planmässig sein Wissen zu vervollständigen, um sich weiterzubilden.

Nach dem Tode des Dichterfürsten wurden seine Sammlungen von seinem ehemaligen Sekretär Christian Schuchhardt - er war sein letzter - katalogisiert. 1848/4,9 erschien in Jena als Ergebnis dieser Arbeit ein dreibändiges Werk [Schuchhardt, Chr.: Goethe's Kunstsammlungen, Jena 1848/49], teilweise auch mit Hilfe anderer erarbeitet und heute eine bibliophile Seltenheit.
- Band 1 enthält Kupferstiche, Holzschnitte, Radierungen, Schwarzkunstblätter, Lithographien und Stahlstiche sowie Handzeichnungen und Gemälde.
- Band 2 führt unter anderm seine Bronzen, Medaillen und Münzen auf. Die Bearbeitung der Medaillen hatte der bekannte Numismatiker Friedländer übernommen, die antiken und die Mittelaltermünzen beschrieb Leitzmann und die Orientalensammlung Stickel, der Verfasser eines Handbuches zur morgenländischen Münzkunde.
- Band 3 gibt einen Überblick über die mineralogischen und andere naturwissenschaftliche Sammlungen.

Diese drei Bände enthalten alles, was Goethe in jahrzehntelangem Bemühen um sich zu versammeln für wert und wichtig gehalten hat.

Seine Münz- und Medaillensammlung war ihm aber eine der "liebwertesten" und obgleich ihm vieles lieb war - seine Münzen und Medaillen waren "seine Lieblingskinder". Viel Zeit hat er dem Sammeln von Münzen und Medaillen gewidmet, war er doch ein leidenschaftlicher Numismatiker. Der numismatischen Sammlung galt seine besondere Liebe.

Für die folgende Arbeit wird Goethes Haltungund Einstellung sowie sein Interesse an Münzen und Medaillen unter vier Gesichtspunkten skizziert.
1. Goethes Sammeleifer in punkto Münzen und Medaillen
2. Goethes Einstellung zum Münz- und Medaillensammeln
3. Goethes Veröffentlichungen in Sachen Numismatik
4. Goethes numismatisches Wissen in seinem literarischen Werk

1. Goethes Sammeleifer in punkto Münzen und Medaillen

Das Interesse an Münzen und das Verständnis für ihre wissenschaftliche Bedeutung überkommt Goethe erst auf seiner Italienreise. Am 3. Dezember 1786 schreibt er: "Auch die römischen Altertümer fangen mich an zu freuen. Geschichten, Inschriften, Münzen, von denen ich sonst nichts wissen mochte, alles drängt sich heran." Münzen hatten ihm also zunächst nichts oder nicht viel bedeutet; dies gilt sowohl für die ihm wenig sagenden römischen Münzen seines Vaters als auch für die Münzen seiner Zeit. Die Italienreise bringt ihm die Wende! Als er im Dezember 1786 Friedrich Münter, den Theologen, Orientalisten und Altertumsforscher (geb. 1761 in Gotha, ab 1808 Bischof von Seeland in Dänemark, gest. 1820) trifft, der ihm seine Münzsammlung zeigt, schreibt Goethe am 20. Dezember 1786: "Schöne Münzen hat er gesammelt und besitzt, wie er mir sagte, ein Manuskript, welches die Münzwissenschaft auf scharfe Kennzeichen, wie die Linne'schen sind, zurückführt ... Vielleicht wird eine Abschrift erlaubt ... und wir müssen doch auch, früh oder spät, in dieses Fach ernstlicher hinein." Bedauerlicherweise ist dieses Manuskript nicht erhalten. Durch Münter erhielt Goethe wahrscheinlich die ersten Einblicke in die Münzkunde.

Noch am 25. Januar 1787 schreibt er an Frau von Stein: "Auf Münzen kann ich mich nicht nicht einlassen."

Zusammen mit dem Fürsten von Waldeck besichtigt er die königlichen Sammlungen auf Capo di Monte bei Neapel, darunter auch die Münzsammlung. Er meint zu dieser Sammlung, dass hier die Masse ganz anders wirkt als im Norden, wo die Seltenheit mitspricht. "Hier lernt man nur das Würdige schätzen."

Voller Begeisterung über den Genuss, den ihm das Medaillenkabinett des Prinzen Torremuzza bei einer Besichtigung bereitet hat, schreibt er am 12. April 1787 in Palermo:
"Palermo, Donnerstag, 12. April 1787. Man zeigte uns heute das Medaillen-Kabinett des Prinzen Torremuzza. Gewissermassen ging ich ungern hin. Ich verstehe von diesem Fach zu wenig, und ein bloss neugieriger Reisender ist wahren Kennern und Liebhabern verhasst. Da man aber doch einmal anfangen muss, so bequemte ich mich und hatte davon viel Vergnügen und Vortheil. Welch ein Gewinn, wenn man auch nur vorläufig übersieht, wie die alte Welt mit Städten übersäet war, deren kleinste, wo nicht eine ganze Reihe der Kunstgeschichte, wenigstens doch einige Epochen derselben uns in köstlichen Münzen hinterliess. Aus diesen Schubkasten lacht uns ein unendlicher Frühling Blüthen und Früchten der Kunst, eines in höherem Sinne geführten Lebensgewerbes und was nicht alles noch mehr hervor. Der Glanz der sizilischen Städte, jetzt verdunkelt, glänzt aus diesen geformten Metallen wieder frisch entgegen.
Leider haben wir andern in unserer Jugend nur die Familienmünzen besessen, die nichts sagen, und die Kaisermünzen, welche dasselbe Profil bis zum Überdruss wiederholen: Bilder von Herrschern, die eben nicht als Musterbilder der Menschheit zu betrachten sind. Wie traurig hat man nicht unsere Jugend auf das gestaltlose Palästina und auf das gestaltverwirrende Rom beschränkt. Sizilien und Neugriechenland lässt mich nun wieder ein frisches Leben hoffen.
Dass ich über diese Gegenstände mich in allgemeine Betrachtungen ergehe, ist ein Beweis, dass ich noch nicht viel davon verstehen gelernt habe; doch das wird sich mit dem Übrigen nach und nach schon geben.
"

Eine Begeisterung, die ihn bis zu seinem Lebensende nicht mehr loslassen wird. Ausser den wenig ausdrucksvollen Römermünzen hatte er nichts gekannt. Erst der "Frühling von Blüten und Früchten der Kunst" hat in ihm eine Wandlung herbeigeführt.

Als er dann noch im Mai 1787 in Catania die Münzsammlung des Prinzen Biscari besichtigen kann, ist Goethe voller Enthusiasmus und "nun schon etwas kenntnisreicher".

In Deutschland zurück, beginnt Goethe mit dem Aufbau seiner eigenen Münz- und Medaillensammlung. Bereits im Jahre 1800 richtet er einen Brief an den Pariser Numismatiker und Vorsteher des Münzkabinetts Mionnet mit der Bitte um Schwefelpasten, das heisst Abdrücke nach Originalen des Kabinetts. Im Herbst des Jahres 1802 sind 1473 solcher Mionnet'scher Pasten bei Goethe zu seiner Freude eingetroffen. Nach Eckhels [Eckhel, ein Wiener Jesuit, hatte als Numismatiker in den Jahren von 1792 bis 1798 ein umfangreiches achtbändiges Werk "Doctrina numorum veterum" herausgegeben] "fürtrefflichem Werk" werden diese Abdrücke betrachtet und studiert. In dieser Haltung vereinigt sich das Geniessen eines Sammlers und der Forscherdrang eines Gelehrten. Nicht der Besitz von eigenen Münzen war entscheidend, sondern die Möglichkeit, an Münzen das Studium der Antike und Vergangenheit zu betreiben.

Im Jahre 1803 erwirbt Goethe auf einer Auktion in Nürnberg einen grösseren Posten von Münzen und Medaillen, darunter auch eine "Originalfolge von den Päpsten seit Martin V. bis auf Clemens XI." so wird es in den Annalen 1803 festgehalten. Am Ende seines Lebens besitzt er eine fast lückenlose Reihe von Papstmedaillen. Bei diesen sammelte er auf Vollständigkeit hin, um sich einen Überblick über die Geschichte der Päpste der Renaissance und späteren Zeit zu verschaffen. Im gleichen Jahr erhält er auch von Marianne von Eybenberg 25 antike Münzen, für deren Auswahl er sich bei ihr bedankt: "Von den allerliebsten atheniensischen Nachteulen an, durch die griechischen Könige und Städte, durch die römischen Familien und Kaiser wird man schnell durchgeführt und durch wohl erhaltene Exemplare an alles, was dazwischenliegt, erinnert."

Selbst Friedrich von Schiller wird bemüht, der 1804 an seinen Schwager von Wolzogen schreibt: "Goethe hat mich gebeten, Dir sein Anliegen wegen russischer Kupfermedaillen nocheinmal ans Herz zu legen. Es ist einmal sein Steckenpferd, was ihn besonders jetzt beschäftigt. Auch hat er wirklich schon eine recht auserlesene Sammlung zusammengebracht."

Er benutzt viele Gelegenheiten, sich private Münzsammlungen anzusehen. Er führt eine umfangreiche Korrespondenz in Sachen Münzen und Medaillen ünd steht in einem regen Tauschverkehr. So schrieb er sich unter anderm auch mit dem fürstlich Isenburg-Büdingischen Hofrat und Medailleur Karl Wilhelm Becker, mit dem er auch Münzen tauschte. Becker (geb. 1772, gest. 1830) ist einer der grössten und genialsten Münzfälscher der Neuzeit gewesen, die Stempel für seine zahlreichen Nachahmungen antiker und anderer Münzen hat er selbst geschnitten. Es scheint, dass Becker mit seinen Fälschungen Goethe nicht übervorteilt hat [Vgl. Pick, 8,: S. 207].

Goethe selbst war an Fälschungen, besonders an denen von Cavino, interessiert, "Um an der täuschenden Nachbildung sein Gefühl für die Originale immer mehr zu schärfen." Cavino war Bildhauer und Stempelschneider in Padua, und die Fälschungen aus dieser Schule sind auch unter dem Namen Paduaner bekannt. Goethe nennt diese Fälschungen, mit denen er sich bis in sein hohes Alter beschäftigt, Cavineer.

In seinen "Tag- und Jahresheften"> von 1818 notiert er, dass er eine "vorzüglich schöne Münze Alexanders" erworben habe - wahrscheinlich ein 4-Drachmen-Stück. Sogar mit einem Gedicht bedankt er sich bei der Gräfin Karoline von Egloffstein, die ihm 1820 einen Antoninian des Kaisers Valerian (gest. 259) geschenkt hatte.

Der Heiden-Kaiser Valerian
hat es mir niemals angetan;
In seinen sehr konfusen Zeiten
Mocht' ich ihn keineswegs begleiten;
Denn ob ihn schon durch göttlich Walten
(Die Münze sagt's) Apoll erhalten,
So sehen wir doch allzu klar,
Wie jammervoll sein Phöbus war.

Da er nun aber zu meinem Frommen
Soll von so lieben Händen kommen,
So mach' ich ihm ein freundlich Gesicht;
Gute Christen, die täten's nicht.
Mutter und Tochter mögen's entschuld'gen,
Beiden werd' ich für ewig huld'gen.

Viel Unterstützung bei seiner Liebhaberei fand Herr Geheimrat bei Joh. H. Meyer und bei Christian Gottlieb Voigt. Letzterer war ein leidenschaftlicher und erfahrener Sammler von Münzen, besonders römischer, und Goethes Mentor und ständiger Sammlerfreund. Mit ihm, dem Ministerkollegen, verband Goethe eine langjährige freundschaftliche Zusammenarbeit. An Voigts Sammlung, die nach dessen Tod für 3000 Dukaten in das grossherzogliche Kabinett überging, hat Goethe viel gelernt und von ihm manchen Tip für preiswerte Erwerbung erhalten.

Meyer (geb. 1760, gest. 1832) war Maler und Kunstgelehrter. Sein Geburtsort ist Zürich. Goethe lernte er auf dessen Italienreise kennen [Am 2. November 1786 lernten sich die beiden in Rom kennen. Goethe hat in seiner "Italienischen Reise" dieses Zusammentreffen festgehalten]. Seit 1791 lebte er in Weimar, wo er 1807 Direktor der Weimarer Zeichenakademie wurde.

Am grossherzoglichen Hof zu Weimar hielt er unter anderm Vorträge über Münzen und trieb mit Goethe, dessen Mitarbeiter und unentbehrlicher Kunstberater [Was Goethe an Mayer gewonnen hatte, teilte er in einem Brief an Barbara Schulthess am 27. September 1797 mit: "Meyern habe ich gefunden wie einen Steuermann, der aus Ophyr zurückkehrt, es ist eine herrliche Empfindung, mit einer so bedeutenden Natur nach einerlei Schätzen zu streben und sie nach einerlei Sinn zu bewahren und zu verarbeiten." Meyers Wissen und Goethes Gedanken haben sich in vielen Aufsätzen zu einem unauflöslichen Gewebe verbunden] er war, zuweilen Münzstudien. Meyers fachmännisches Urteil wurde eingeholt, wenn es galt, Medaillen zu entwerfen oder zu beurteilen. Voigt, Meyer und Goethe mussten sich von Berufs wegen mit Münzen befassen, da Goethe und Voigt seit 1797 Vorsteher der herzoglichen Bibliothek waren, der das fürstliche Münzkabinett angegliedert war.

Im Jahte 1827 bringt Goethe seine Sammlung in einem Münzschrank unter, den ihm sein Sohn besorgt hatte.

Was Goethes Sammlung angeht, so umfasste sie als Universalsammlung
- die antike Abteilung 759 Stücke (121 der griechischen Antike und 638 römische inklusive der sogenannten Paduaner)
- das Mittelalter mit 43 Brakteaten und Hohlpfennigen
- die Neuzeit mit über 1100 Nummern und
- 60 osmanische Münzen
Dazu kommen noch fast 2000 Medaillen und eine grosse Anzahl von Abgüssen in Gips und Schwefelpasten, "die nicht der Münzkunde im gewöhnlichen Sinne gelten, sondern vornehmlich eine Ramifaktion (= Abteilung) von der Kunstgeschichte treffen".
Nicht zuletzt ist noch sein Sohn August zu erwähnen, der ebenfalls - kenntnisreich - Münzen sammelte, angeregt und gelegentlich unterstützt von seinem Vater. In einem Brief an Zelter vom 19. Juli 1830 schreibt Goethe anlässlich einer Medaillensendung aus Mailand durch seinen Sohn: "Mein Sohn ist wirklich als realistisch Reisender ganz musterhaft und fühlt erst jetzt, wieviel Kenntnisse er eingesogen hat. Seine Einsicht bewies er auch dadurch, dass er mir zu meiner Sammlung von Medaillen, besonders gegossener, aus dem 15. und 16. Säculum beynahe 100 Stück von der wichtigsten Sorte um einen leidlichen Preis eingekauft hat, welche auch schon zu meiner grossen Ergötzniss glücklich angekommen sind."

2. Goethes Einstellung zum Münz- und Medaillensammeln

In vielen Äusserungen hat Goethe seine Einstellung zum Münz- und Medaillensammein zum Ausdruck gebracht.

Von seiner Tätigkeit als Sammler sagt er, ohne auf eine spezielle Liebhaberei einzugehen: "Man ist glücklich, wenn man eine Liebhaberei hat, die ohne grosse Kosten zu befriedigen ist und auf ein tiefes Studium hinweist. In schlimmen Tagen, sie mögen von aussen oder innen kommen, findet man sich darin getröstet und gestärkt." An Friedrich Schiller schreibt der Herr Geheimrat in einem Brief vom 6. Januar 1803: "Mein einziger Trost ist der numismatische Talisman, der mich auf eine bequeme und reizende Weise in entfernte Gegenden und Zeiten führt."

Und wieviel ihm seine Münz- und Medaillensammlung bedeutet, schreibt er an C.G. Voigt im November 1806: "Gerade diese rein unschuldigen Neigungen und Liebhabereien sind das wahrhafte Öl für den Lebensdocht." Dies sagt er in einer Zeit, in der die Schlachten von Jena und Auerstedt geschlagen wurden und Goethes Leben und Gut auf dem Spiele standen.

Wie er zum Münzen- und Medaillensammein stand, kann man aus einem Brief an Marianne von Eybenberg vom 25. April 1803 entnehmen, mit dem er sich für die bereits erwähnten 25 antiken Münzen bedankt und sie bittet, ihm Verkaufslisten zu beschaffen: "Zu unseren Zwecken ist nicht von raren Münzen die Rede, sondern nur von gut erhaltenen Exemplaren, aus denen für bildende Kunst bedeutenden griechischen und römischen Epochen... So ist die Betrachtung von besonders belehrender Unterhaltung, indem man die Kunstgeschichte aus ihnen sehr gut studieren kann ... Wir [Anmerkung des Verfassers: Mit "wir" sind einige am Anfang des Briefes genannte Freunde gemeint, die er als "unsere kleine Sozietät von Münzfreunden" bezeichnet] haben die erste Sammlung der Mionnet'schen Pasten angeschafft, wodurch wir denn schon einen Blick in die Breite des besseren Vorhandenen tun können. Das grosse Gothaische Kabinett steht in unserer Nähe ... Bei diesen Umständen und Anlässen kann man denn schon nach und nach zu einiger Einsicht gelangen ..."
Sein Sammelgebiet zu begrenzen und dabei tiefe Einsichten und Kenntnisse zu gewinnen, war also das Ziel seiner Münzliebhaberei. Nicht so sehr kuriose und seltene Stücke wollte er besitzen, sondern solche von künstlerischem Wert, geistreichen Gedanken und von vollendeter Form des Kunstwerkes.

So standen für ihn - den Augenmenschen, wie ihn Richard Wagner bezeichnete - beim Aufbau seiner Sammlung morphologisch-kunstwissenschaftliche Gesichtspunkte im Vordergrund.

An Charlotte von Stein schreibt er am 24. Januar 1804, als er sich erlaubt, sie zur Betrachtung seiner Münzsammlung einzuladen, "dass ich Ihnen, im kleinsten Zimmer meiner Häuser, die für politische und Kunstgeschichte sehr interessante Münzsammlung vorweise".

In einem Brief an Zelter heisst es 1811: "Ich besitze eine sehr schöne Medaillensammlung, meist in Bronze, von der Hälfte des 15. Jahrhunderts bis in unsere Zeit. Sie ist hauptsächlich entstanden, um den Gang der Kunst im Plastischen, dessen Widerschein man immer in den Medaillen sieht, dem Freund und Kenner vor Augen zu bringen."

Den Medaillen [Goethe trennt nicht scharf zwischen Münzen und Medaillen, vgl. Pick, B.: S.208] weist er, auf ihre künstlerischen Qualitäten anspielend, eine besondere Rolle zu - so weiss er seinem Kanzler von Müller am 30. Mai 1814 zu berichten: "Der Mensch mache sich nur irgendeine würdige Gewöhnheit zu eigen, an der er sich die Lust in heiteren Tagen erhöhen und in trüben Tagen aufrichten kann. Er gewöhne sich, zum täglich in der Bibel oder im Homer zu lesen oder Medaillen oder schöne Bilder zu schauen oder gute Musik zu hören. Aber es muss etwas Treffliches, Würdiges sein, woran er sich so gewöhnt, damit ihm stets und in jeder Lage ein Respekt dafür bleibe."

Münzen und Medaillen - aufgezählt in keiner wohl besseren Gesellschaft - als Kunstwerke, sicherlich nicht die meisten, aber zweifelsohne eine Vielzahl, die den hohen Anforderungen und Ansprüchen von Kunst genügen. Zu denken ist in diesem Zusammenhang an die Meisterwerke griechischer und römischer Münzkunst, auch mittelalterliche Brakteaten mit ihren dekorativen und symbolischen Darstellungen und schliesslich an Medaillen aus der Renaissancezeit.
Von denen aus seiner Zeit sagt er: "Das Medaillenwesen ist nach und nach so trivial ... "

Als Goethe sich im Jahre 1830 mit seinem Kanzler von Müller - seinem Testamentsvollstrecker - über sein Testament unterhält, kommt der Dichterfürst auch auf seine Münz- und Medaillensammlung zu sprechen: "Ich habe nicht nach Laune oder Willkür, sondern jedesmal mit Plan und Absicht zu meiner eigenen folgerechten Bildung gesammelt und an jedem Stück meines Besitzes vieles gelernt. In diesem Sinne möchte ich diese meine Sammlungen konserviert sehen. Einige davon, namentlich meine Münzen und die Medaillen, deren Wert in historischer und artistischer Hinsicht nicht genug zu schätzen ist, wünschte ich für die hiesige Bibliothek respektive Münzkabinett aquiriert zu sehen nach billigem Anschlag."

Eine interessante Äusserung Goethes zum damaligen Münzwesen im Deutschen Bund darf nicht unerwähnt bleiben. In einem Gespräch mit Eckermann, das Goethe mit fast 80 Jahren am 23. Oktober 1828 führte, geht es ihm um die Einheit Deutschlands - ein damals wie heute aktuelles Thema! In diesem Gespräch konkretisiert der hochbetagte Dichter Elemente eines geeinten Deutschland, ohne dabei die Münz- und Währungspolitik zu vergessen:
"Wir sprachen sodann über die Einheit Deutschlands und in welchem Sinne sie möglich und wünschenswert. Mir ist nicht bange", sagte Goethe, "dass Deutschland nicht eins werde; unsere guten Chausseen und künftigen Eisenbahnen werden schon das Ihrige thun. Vor allem aber sei es eins in Liebe untereinander, und immer sei es eins, dass der deutsche Thaler und Groschen im ganzen Reiche gleichen Wert habe; eins, dass mein Reisekoffer durch alle sechsunddreissig Staaten ungeöffnet passieren könne. Es sei eins, dass der städtische Reisepass eines weimarischen Bürgers von dem Grenzbeamten eines grossen Nachbarstaates nicht für unzulänglich gehalten werde, als der Pass eines Ausländers. Es sei von Inland und Ausland unter deutschen Staaten überall keine Rede mehr. Deutschland sei ferner eins im Mass und Gewicht, in Handel und Wandel und hundert ähnlichen Dingen, die ich nicht alle nenne kann und mag."

3. Goethes Veröffentlichungen in Sachen Numismatik

Goethe hat mit seinem Wissen um und Engagement für Münzen und Medaillen auch in die Fachdiskussion eingegriffen und die Ergebnisse seiner Überlegungen und Forschungen veröffentlicht. In der Jenaischen Allgemeinen Literaturzeitung von 1810 beteiligte er sich an der Ausgabe der "Beyträge zur Geschichte der Schaumünzen aus neuerer Zeit", "wozu vornehmlich das in diesem Fach sehr beträchtliche Kabinett des Herrn geheimen Raths von Goethe benutzt worden" ist.

Verfasser dieses Aufsatzes der "Weimarschen Kunstfreunde" war der bereits erwähnte Johann Heinrich Meyer, der "Kunschtmeyer", wie ihn die Romantiker auch verächtlich nannten.

Aus vielen Äusserungen, besonders im Briefwechsel, kann man entnehmen, dass Goethe an der Veröffentlichung der Kunstfreunde sicherlich entscheidend mitgewirkt hat [Vgl. Pick, B.: S.195].

Als Beilage zu diesem Aufsatz war eine von Schwerdtgeburth gestochene Kupfertafel mitgegeben. Auf ihr sind zwei dem Geheimrat gehörende italienische Medaillen mit ihren Vorder- und Rückseiten abgebildet: Die eine Medaille zeigt Cosimo di Medici - die Medici waren ein mächtiges und einflussreiches Patriziergeschlecht aus Florenz -, und die andere zeigt Federigo da Montefeltro; Montefeltro ist ein italienisches Adelsgeschlecht der Romagna. Federigo da Montefeltro (gest. 1482) war ein machtvoller und sehr gebildeter Kondottiere, der 1474 Herzog von Urbino wurde.

Was den für die Auswahl dieser abgebildeten Medaillen gewählten Gesichtspunkt betrifft, so fällt auf, dass Goethe bessere und bedeutendere Stücke in seiner Sammlung besessen hatte. Die angekündigte Fortsetzung der "Beyträge" ist nicht erschienen, obgleich das Manuskript bereits druckfertig vorgelegen hatte.

Zu dieser Arbeit gehörte ebenfalls eine von Schwerdtgeburth gestochene Kupfertafel. Auf dieser zweiten Kupfertafel sind vier italienische und eine deutsche Renaissancemedaille wiedergegeben. Die deutsche Medaille ist eine Arbeit von Mathes Gebel, der den Bamberger Domherrn Hieronymus Fuchs porträtierte. Die Gründe, die gegen eine Veröffentlichung in der Literaturzeitung von dem Herausgeber Eichstädt vorgetragen wurden, hat Goethe in einem Brief an Meyer vom 11. Januar 1811 festgehalten. Sarkastisch und bitter teilt er ihm mit: "(Eichstädt) fängt mit einer Vorklage an von bösen Zeiten, detailliert die literarisch-merkantilische Not durch alle Rubriken und bittet, den Druck des Programms aufzuschieben, weil sie an allen Ecken und Enden sparen müssten ..." Mit den bösen Zeiten sind die Notzeiten der Napoleonischen Kriege gemeint. Das Manuskript ist bis jetzt nicht mehr aufgetaucht.

Nach der Ablehnung durch den Herausgeber hat Goethe mit dem bereits veröffentlichten und mit dem abgelehnten Aufsatz folgendes vor: "Den Aufsatz über die Münzen müssen wir freilich zurücklegen ... Das gibt immer ein Fundament zu einem Werklein, das wir nach und nach ausarbeiten und das zuletzt Cotta, der Allverleger, auch einmal verlegt."

Das Vorhaben blieb einige Jahre ruhen, bis 1816 wieder von einer Veröffentlichung gesprochen wird. Die Kupferstiche sollten "zu einer Ausgabe des Katalogs meiner Münzsammlung" und später für seine "Münzbelustigungen" herausgegeben werden.

Bedauerlicherweise ist auch dieser Katalog der Münzsammlung nicht veröffentlicht worden, wie es auch sonst nichts mit dem Vorhaben der "Münzbelustigungen" geworden ist.

Was den Titel "Münzbelustigungen" für die geplante Münzzeitschrift betrifft, so war diese Formulierung auch schon damals altmodisch und überholt. Dieser Titel erinnert an das Buch von Johann David Köhler "Historische Münzbelustigungen" - ein Werk, das der Dichterfürst oftmals zu Rate ziehend benutzte. Köhler war bereits 1755 in Göttingen gestorben, und sein 22bändiges Werk war in den Jahren 1729 bis 1 750 erschienen.

Diesem Werk fühlte sich Goethe wohl aufgrund der Tatsache verbunden, dass viele der in den "Historischen Münzbelustigungen" abgebildeten Münzen und Medaillen aus dem Ebelschen Medaillenkabinett stammten, das später in der Sammlung des Herrn Geheimrates aufgegangen war. Das Wort "Münzbelustigungen" benutzte Goethe auch gern und vertraulich für seine Beschäftigung mit Münzen.

Zwei Aufsätze aus Goethes Feder sind aber erhalten geblieben:

In dem Aufsatz "Myrons Kuh" geht es Goethe um einen alten Lieblingsgedanken, nämlich aus Abbildungen auf antiken Münzen verlorengegangene Kunstwerke zu rekonstruieren.


Stater von Dyrrhachium, geprägt 400 bis 350 v.Chr., Ø 20 mm. Vorderseite: Kuh säugt Kalb.

1813 schreibt Goethe an Zelter: "Aufregend und höchst erheiternd bleibt mir die Bemühung, Gegenstände alter Kunst aus übriggebliebenen historischen Nachrichten, Trümmern, Anlässen und Ähnlichkeiten wieder herzustellen. Mit Myrons Kuh, glaub ich, ist mir's gelungen." Er meinte, auf Münzen der Stadt Dyrrhachium (das heutige Durrazo in Albanien) ein Kunstwerk - Myrons Kuh - wiederzuerkennen. Myron war ein griechischer Bildhauer, der im 5. vorchristlichen Jahrhundert lebte.

Eine seiner bekanntesten Tierskulpturen war eine Kuh, die über Jahrhunderte hinweg die Aufmerksamkeit der Zeitgenossen auf sich gezogen hatte und von der der Nachwelt keine Kopie erhalten geblieben ist. Im November und Dezember 1812 entwickelte Goethe anhand eines Mionnet'schen Abdruckes die Idee, dass Myrons Kuh mit einem säugenden Kalb auf einer Münze des illyrischen Königs Monunios abgebildet wäre. Im März 1818 erhielt die Arbeit ihre letzte Form und erschien ein Jahr danach im zweiten Band von "Kunst und Altertum". Die in diesem Aufsatz geäusserte Meinung Goethes ist inzwischen überholt, da die neueren Archäologen Myrons Kuh ohne säugendes Kalb auf Münzen des Kaisers Augustus abgebildet vermuten. Dennoch hat Goethes Grundidee, mit Hilfe von Abbildungen auf antiken Münzen Vorstellungen über verlorengegangene Kunstwerke zu gewinnen, fruchtbaren Boden gefunden.

In dem Aufsatz "Münzkunde der deutschen Mittelzeit", der auf eine Anfrage hin geschrieben wurde, befasst sich Goethe mit den "Regenbogenschüsselchen". Dieser Aufsatz erschien 1817 im ersten Band "Über Kunst und Altertum".

Bei den "Regenbogenschüsselchen" handelt es sich um schüsselförmige Goldmünzen der Kelten aus dem 1. und 2. vorchristlichen Jahrhundert. Der Volksaberglaube lässt sie dort finden, wo der Fuss eines Regenbogens auf der Erde aufsetzt. Die Anfrage hat wohl Vulpius gestellt. Dieser, selbst ein Münzensammler, hat Goethes Antwort im 7. Band seiner "Curiositäten" Seite 33f als Anhang zu seinem Aufsatz über die "Regenbogenschüsselchen" abgedruckt.

Auch dieser Aufsatz von Goethe ist überholt, da die "Regenbogenschüsselchen" nichts mit der deutschen Mittelzeit (= Mittelalter) zu tun haben und, wie bereits gesagt, keltischen Ursprungs sind.

4. Goethes numismatisches Wissen in seinem literarischen Werk

In seinem literarischen Werk spiegeln sich Goethes numismatische Vorliebe und seine Kenntnisse wider, wenn auch in geringem Umfang.

Erinnert sei an "Wilhelm Meisters Lehrjahre", wo die Sammlung des Grossvaters eine bedeutende Rolle spielt. Er sagt vom Grossvater: "So hatte er auch seine Münzen für Kunst und Geschichte zweckmässig gesammelt."

In den "Wahlverwandtschaften" (II,2) sammelt der Architekt unter anderm auch Münzen. Seine Sammlungen zeigt er aber nicht gern vor mit einer die eigene Erfahrung wiedergebenden Begründung: "Wenn Sie wüssten, wie roh selbst gebildete Menschen sich gegen die schätzbarsten Kunstwerke verhalten, Sie würden mir verzeihen, wenn ich die meinigen nicht unter die Menge bringen mag. Niemand weiss eine Medaille am Rand anzufassen; sie betasten das schönste Gepräge, den reinsten Grund, lassen die köstlichsten Stücke zwischen Daumen und Zeigefinger hin- und hergehen, als wenn man diese Kunstformen auf diese Weise prüft." Wer kennt als Sammler nicht diese Klage über solche Ungeschicklichkeiten! Auch sein Kanzler von Müller hat in seinem Tagebuch einen ähnlichen Tadel festgehalten, wie er am 29. September 1823 anlässlich eines Besuches bei Goethe notierte: "Ein ungeschicktes Antasten in der Mitte gab Goethe Gelegenheit zu einer rügenden Äusserung gegen seinen Sohn, als dieser sie wegtrug."

Im "Prolog zu den neusten Offenbarungen Gottes" wird der Betrug mit der Verschlechterung von Münzen - nicht nur durch Privatpersonen, sondern auch durch Regierungen selbst - gegeisselt. Man erinnert sich an die Kipper- und Wipperzeit oder an die Prägungen (Ephraimiten) unter Friedrich dem Grossen:

Es ist mit eurer Schriften Art,
Mit euern Falten und euerm Bart,
Wie mit den alten Thalern schwer:
Das Silber fein geprobet sehr,
Und gelten dennoch jetzt nicht mehr.
Ein kluger Fürst, der münzt sie ein
Und thut ein tüchtigs Kupfer drein;
da mag's denn wieder fort kursieren!

Auch in den Venezianischen Epigrammen (Nr. 56) heisst es:

Fürsten prägen so oft auf kaum versilbertes Kupfer
Ihr bedeutendes Bild; lange betriegt sich das Volk

Wie sehr er ausgezeichnet erhaltene Stücke schätzt, zumal die Patina, den Edelrost bei Kupfer- und Bronzemünzen, lässt er Thales, in seinem "Faust" (V. 8223 f) sagen:

Das ist es ja, was man begehrt,
Der Rost macht erst die Münze wert.


Literatur
Frede, L.: Goethe der Sammler, Köln - Berlin 1969
Kuhn, H.: Geprägte Form, Weimar 1949
Metius, K.: Goethe und die Münzen, in: Berichte 1965, S. 610 ff
Pick, S.: Goethes Münzbelustigungen, in: Jahrbuch der Goethe-Gesellschaft, Leipzig 1920, 7. Band, S.195 ff
Roggenkamp, W.: Goethe und seine Medaillen und Münzen, in: Berichte 1967, S.216 ff
Schuchhardt Chr.: Goethes Kunstsammlungen, Jena 1848/49
Schuchhardt Chr.: Deutsche National-Litteratur, 111. Band, Goethes Werke XXX, Herausgeber Josef Kürschner, Stuttgart

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