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Von der Kunst, gutes Geld zu machen

U.-E. G. Schrock
MünzenRevue 1/1997 S.38-46



Einbecker "Münzmeister", 1995, bei der Einweihung des Münzkabinetts im Städtischen Museum am rekonstruierten Prägestock bei der Arbeit. Das "Narrengewand" der Jungen ist dem Zellerfelder Original nachempfunden. Foto: U. Schrock

Abb. 1: Inneres einer Münzwerkstatt am Ende des 15. Jahrhunderts. Holzschnitt von Leonhard Beck aus dem "Weisskunig".

Der langwierige arbeitsreiche Weg bis zur fertigen Münze soll im folgenden nachvollzogen werden. Dabei wird soweit möglich vom Einbecker "Muntz register angefangen den 19ten marty ano 623" [Stadtarchiv Einbeck G. B.: II, 5. Die 80seitige Handschrift wurde erst unlängst paginiert. Die darin protokollierten "Sätze", wie in Einbeck die sonst als "Werk" bezeichnete Masse einer Münzmetallschmelze genannt wurde, sind leider bis auf wenige Ausnahmen nicht datiert.], das bis zum 10. September 1625 reicht, ausgegangen, muß es als dichteste Quelle gelten, wenn auch nur für diesen enggefaßten Zeitraum. Es bietet aber viel Charakteristisches für die Münzprägung unter Oberhoheit des niedersächsischen Kreises und einiges Bedeutendes von überregionaler Gültigkeit, was andere Quellen auslassen.

Das Prägeregister enthält auf 80 Seiten Fakten zu angeblich 119 Werken, d. h. Güssen oder Schmelzofenbeschickungen, die dort "Satz" (= Einsatz) genannt werden. Da die Numerierung vom 88. Satz auf den 99. springt (vgl. S. 48/49), sind wirklich nur 109 "Sätze" verbucht. Bei Zitaten wird nicht die Seitenzahl, sondern der entsprechende "Satz" angegeben. Kürzel wie das Pfund- oder Pfennigzeichen werden ausgeschrieben. Im Register wurde folgendermaßen geschrieben und gerechnet:
1 thlr (Taler) = gl (Mariengroschen)
1 gl (Mariengroschen) = 12 Pfennigzeichen (Pfennig)
1 fl (Florin = Gulden) = 20 gl (Mariengroschen)
1 mk (Mark = 233,85 g) = 16 lot(h) = 288 gr(en)

Die Beschickungsmenge schwankt zwischen den Extremen von 35 mk 4 lot (ca. 820 Gramm) beim 39. Satz und 406 mk 11 lot (ca. 95 Kilogramm), liegt in der Regel aber um die 100 bis 120 mk, so daß im Schmelztiegel etwa 25 Kilogramm zu bewältigen waren.

Dem "Satz", der die Silbermenge bezeichnet, wird im Register der "Auffgang", "Uffgang" oder "Abgang" gegenübergestellt. Darin sammeln sich alle Kosten, bis auf die für den Metallkauf. So finden wir dort Löhne, sowohl Wochen-, Tages- als auch Stückkostenlöhne und Rechnungen für die unterschiedlichsten Anschaffungen von Kohlen über Bier, Schuhe bis hin zu Salz und Tiegeln. Da nun nicht bei jedem Satz ein neuer Hammer oder Tiegel benötigt wurde, differieren die im "Uffgang" verzeichneten Warenkäufe erheblich. Jedenfalls bietet das Einbecker Register für den Zeitraum von gut zwei Jahren, den es abdeckt, anschauliches Quellenmaterial zum Bedarf einer kleineren Münzstätte.

An die Räumlichkeiten einer Münzstätte wurden bestimmte Ansprüche gestellt. Aufgrund gewisser Arbeitsabläufe hatte sie tunlichst im Erdgeschoß oder Keller zu liegen und durfte keinen Holzdielenfußboden haben. Das Haus sollte aus massiven Steinen errichtet sein, um einem Brand vorzubeugen. Deshalb mußten auch benachbarte Häuser gesichert werden und es war ratsam, andere Gebäude nicht zu nah daran zu bauen. Ein massives Haus mit starken eisenbeschlagenen Türen und vergitterten Fenstern bot zudem größere Sicherheit vor Einbruch, denn wenn auf der Münze Arbeit war, lagerten dort erhebliche Werte in Form von Silber, was sich schnell und in gewissen Kreisen relativ unauffällig verkaufen ließ. Im Einbecker Register finden sich immer wieder Zahlungen an den (Münz-) Jungen, also den Lehrling für "schlaffgelde". Dabei wird es sich um eine Art von Wächterlohn handeln, wenn der Junge nachts in seiner Arbeitsstätte schlief und diese sicherte.

Bleiben wir bei den Menschen, die auf der Münze Arbeit und Brot fanden. Um es vorwegzunehmen, das Münzen war eine gesundheitschädliche, harte körperliche Arbeit unter extremer Lärmbelästigung bei schweißtreibender Hitze in verbrauchter sauerstoffarmer, doch schadstoffreicher Luft. Lange, bis zu 16stündige Arbeitstage, Kinderarbeit sowie erhebliche Verletzungsgefahr waren die Regel.

Der hochangesehene Münzmeister war der technische Leiter, entweder angestellt und besoldet (in einem beamtenähnlichen Dienstverhältnis) oder Pächter, der auf eigene Rechnung den Münzbetrieb organisierte. Der Einbecker Münzmeister Hans von der Ecke (auch Hans Ecken genannt) versah zugleich den Dienst in der benachbarten Stadt Northeim (Ende 1622 bis 1623) sowie in der landesherrlichen Münzstätte zu Osterode von 1622 bis 1625 für Herzog Christian von Braunschweig-Lüneburg. Seine Tätigkeit in Osterode beanspruchte ihn am meisten, die Northeimer am geringsten. So hielt sich Meister von der Ecke häufig nicht in Einbeck auf; er bereitete die Münzprägung vor und übergab die Vorprodukte, am Feingehalt gerechte silberbarrenähnliche Metallstücke (Zaine) den Ohmen (Gesellen) zur Weiterverarbeitung: "Dem Ohm an Ziehen (Zainen) geliefert 173 mk" heißt es zum Beispiel beim 12. Satz. Im Münzregister finden sich Botengänge nach "Osteroda" und Northeim verzeichnet, zum Beispiel: "Von Hansen Ecken vor 4 tiegel 6 thlr dem boten abzuholen geben 9 hl" (46. Satz) oder "vor 3 tiegel von Northeim zu holen geben 9 gl" (52. Satz). Dasselbe Werkzeug scheint z. T. in verschiedenen Münzstätten verwandt worden zu sein. Als Bote tritt wiederholt ein gewisser Valtin Keßelring auf, der wahrscheinlich als städtischer Bote durch die Münze zusätzliche Arbeit fand.

Hans von der Ecke wurde in Einbeck nach Leistung besoldet, d. h. für eine bestimmte Menge ausgemünzten Geldes einer bestimmten Geldsorte bekam er einen festgesetzten Betrag, arbeitete also für Stücklohn: "Dem Muntzmeister Hans Ecken vor 31 wercken als 3267 mk jedes mk 9 pf thut 68 thlr" (35. Satz).

Ein oder mehrere Münzohme, in Einbeck anscheinend meist zwei, waren als Altgesellen mit allen Arbeitsgängen vertraut. Das Münzregister nennt einen gewissen Albrecht (auch Albert) mehrfach namentlich. Auch er arbeitete - zumindest zeitweise - für Stücklohn: "Dem Ohm Albrecht von 125 mk - 22½ thlr Noch 2½ thlr" (6. Satz).

Anhand der Bezahlung wird nochmals deutlich, wie auf der Einbecker Münze die Arbeit verteilt war. Bekam der Münzmeister für jede vermünzte Mark nur 9 Pfennig, so strich der Ohm dafür 5 Taler (= 2160 Pfennige) ein. Der Junge erhielt festen Lohn, im Jahr 1623 einen Taler die Woche (13. Satz). Als die Arbeit offensichtlich zunahm, er aber auch zwei Jahre länger gelernt hatte, verdoppelte sich 1625 sein Lohn: "Dem Muntzer Jung z. wochelohn, 2 thlr" (115. Satz). Darüber hinaus erhielt der Junge Waschlohn und das bereits erwähnte Schlafgeld, zuweilen auch Sonderzahlungen sowie Arbeitskleidung (Schuhe, Hemden).

Der Lehrling oder Junge mußte von ehrlicher ehelicher Geburt sein und "hat müssen seine bestimmte Lehr-Jahre aushalten, sich in allen Dero Ordnung gemäß, ohne Verbrechen halten, gehorsamlich ohne alle Wider-Rede thun, was der Müntz-Meister und Gesellen von ihm begehrten, der Müntzer-Kappen mit Zippeln, Knöpffen und angeschürzten Schellen durfte er sich nicht schämen, dieselbe öffentlich zu tragen ... Er mußte sich auch nicht verdrießen lassen, die ganze Woche über mit der schweren und unfreundlichen Jungfer (= Kappe) herum zu springen, und sie aus Lebes-Kräfften zu schwenken, ob ihm gleich die Funcken um den Kopff flogen, der Schweiß über das Angesicht lief, Asche und Kohlen-Staub sich häufig darin setzete". [Zedlers Müntz-Wissenschaft 1739 bis 1742.] Diese, dem zwar erst 1739 erschienenen "Zedler" [Zedlers Müntz-Wissenschaft 1739 bis 1742. Graz 1980, S.43. Das nach seinem Verleger und Herausgeber Johann Heinrich Zedler (geb.1706 in Breslau, gest.1760 Leipzig) kurz "Zedler" genannte "Große Universal-Lexicon Aller Wissenschaften und Künste ... " stellt mit 68 Bänden (erschienen von 1731 bis 1754) und 320000 Stichworten die umfangreichste zu Ende geführte deutschsprachige Enzyklopädie dar.] entnommene Passage, entspricht durchaus noch der Situation, wie sie 150 Jahren zuvor bestand: "Dem Muntzer Jung ein Silbern klocken verehrt kostet 4 fl 14 gr 6" heißt es bei der Abrechnung des 33. Satzes. Zuvor schon war beim 5. Satz ausgegeben worden: "Fur ein halb stig Linnewandt zur Gieskappen 12 gl." An dieser schützenden Kopfbedeckung von narrenkappenartigem Aussehen hatte der Junge die Glocke zu tragen; so war jederzeit hörbar, wo er sich gerade bewegte, was als Kontrolle und Schutz vor Diebstahl dienen sollte. Eines dieser bunten Münzlehrlingsgewänder mit dergestalter Kappe ist erhalten geblieben, beschrieben [Meier Hannover, Ortwin: Ein Münzlehrlingsgewand aus der Mitte des 17. Jahrhunderts im Provinzialmuseum Hannover. Ein Beitrag zur Münz- und Kostümkunde. Sonderdruck aus "Berliner Münzblätter", 1924, Nr.255-258.] und im Historischen Museum Hannover zu bewundern (Abb.2).


Abb.2: Lehrlingsgewand der Münzstätte Zellerfeld um 1664 (vgl. Meier-Hannover 1924 bzw. Rohr 1994).

Während den Ohmen und dem Jungen die tagtägliche Arbeit auf der Münze zukam, waren die anderen Personen nur gelegentlich dort anzutreffen. Das gilt für den Wardein Joachim Hallensen (1623 bis 1625), den Stempelschneider, auch Eisengräber genannt, Lorentz Hallensen sowie den Münzschmied Curdt Hallensen und gelegentliche Aushilfsarbeiter, von denen später gehandelt werden soll.

Doch rekonstruieren wir die Arbeit auf Einbecks Münzstätte. War genügend Material vorhanden, in der Regel Silber, das sich aus
- gekauftem Rohsilber aus dem (Harz) Bergbau
- Abfällen aus zuvor erfolgter Prägung, sog. Abschroten
- Pagament, d. h. einzuschmelzendes gültiges und ungültiges Geld, darunter auch geseigerte [Seigern bezeichnet das Aussortieren von besonders schweren Exemplaren einer Sorte aus der Masse der kursierenden Münzen. Aufgrund früherer Fertigungsweise schwankte das Gewicht einzelner Münzen einer Münzsorte zum Teil wesentlich, etwa dann, wenn ein Schrötling zu dünn ausgefallen sein sollte. Wurde nun wie üblich das Gewicht al marco geprüft, was bedeutet, daß an Stelle der Gewichtskontrolle jeder einzelnen Münze das Gesamtgewicht einer bestimmten Anzahl der Prüfung unterzogen wurde, war durch das natürlich strikt verbotene Ausseigern der guten schweren Münzen Gewinn zu erzielen. Im Zahlungsverkehr blieben durch dieses betrügerische Vorgehen schließlich nur schlechtere Münzen zurück.] Münzen und Granulat von beschnittenen und befeilten Münzen
- Bruchsilber von kaputten Gebrauchsgegenständen wie Tafelgeschirr
zusammensetzen konnte, so kam es in den (Schmelz-)Tiegel, der aus Grafit oder gebranntem Ton, in Einbeck auch Gips, bestand: "Fur 3. gipser tiegel von Salfeld 3. reichsthlr .... " (8. Satz). Solches Material verhinderte ein Ankleben der Metalle im Tiegel. Mit dem Anfeuern des Schmelzofens gegen 2 Uhr morgens wurde der Arbeitstag begonnen. Mittels Blasebalg konnten durch zusätzliche Sauerstoffzufuhr höhere Temperaturen erreicht werden, die zum Schmelzen benötigt wurden. Dafür wurde ein Blasebalgtreter ("vor balgen tretten geben 5 fl" 114. Satz) beschäftigt. Durch Beifügen von Flußmitteln, alkalischen Salzen, wurde die Erweichungstemperatur gesenkt, die beim Silber 960,5° und beim Kupfer 1083° beträgt. In Einbeck ist Alaun als Flußmittel nachweisbar: "alaun 1 Pfund" (4. Satz). Nach etwa vier Stunden konnte die erste Tiegelprobe abgeschöpft und auf ihren Feingehalt, das Korn, geprüft werden. Dazu wurde aus der Höhe flüssiges Metall in kaltes, durch Reisigbesen - auch die sind erwähnt: "Fur 20. besen 28. Pfg." (47. Satz) - bewegtes Wasser gegossen, wo es zu kleinen Körnern erstarrte, die dann probiert wurden. Je nach Befund mußte der Masse unter ständigem Rühren Edelmetall oder Kupfer bzw. Blei zugesetzt werden, so lange, bis das erforderliche Korn in der Legierung erreicht war. Das Korn oder der Feingehalt war wie das Schrot oder Rauhgewicht im Münzfuß verbindlich vorgeschrieben, d. h. per Gesetz wurde erlaubt, aus einem bestimmten Gewicht von einem bestimmten Feingehalt eine bestimmte Anzahl von Münzen auszubringen.


Abb. 3: Darstellung des "Probierens" mit Waage und Kupellenprobe. Im Hintergrund rechts der Münzlehrling im Narrengewand. Glasfenster der Konstanzer Münzstätte 1624 (vgl. Mittmann 1928).

Probiert wurde "im Feuer" durch die Kupellenprobe. Eigens dafür wurde in Einbeck ein Probierofen errichtet: "Jurgen Meyer vor ein Probir offen zumachen 5½ thlr" (81. Satz). Die Kupelle (lat. cupella) ist ein unten konisch zulaufendes Gefäß von etwa 3 cm Durchmesser. Ihre Masse besteht aus Holz- und Knochenasche, die mit Wasser vermengt zu einem Brei gerührt und in einer hohlen konischen Messingform (Nonne) geformt wird. Ihre Vertiefung erhält sie durch einen halbkugeligen Stempel (Mönch). Bei der Kupellenprobe wird die zu prüfende Legierung zuerst gewogen und in der Kupelle geschmolzen. Dabei absorbiert diese, die Oxydierfreudigkeit unedler Metalle nutzend, die verschlackten unedlen Metalle, bis nach Abschöpfen des letzten Oxydhäutchens das in der Legierung enthaltene Edelmetall allein zurückbleibt. Aus der Gewichtsdifferenz läßt sich endlich das Korn des im Schmelztiegel befindlichen Silbers errechnen.


Abb. 4: Die geschmolzene Legierung wird in Gußzangen zu Zainen gegossen.

Stimmte schließlich das Schmelzgut im Tiegel, konnte mit dem Gießen der Zaine (mhd. Stab) begonnen werden. Darunter ist erkaltetes in Form gegossenes Münzmetall zu verstehen. Mittels Gießzange wurde der Inhalt des Schmelztiegels in Sandformen oder Meiserne Gießflaschen gegossen. Letztere sind im Einbecker Register nicht nachweisbar. Ruß und Kohlenstaub waren dabei wichtige Bestandteile des Gießsandes. Während des Zaingießens wurde den bei extremer Hitzeentwicklung Arbeitenden "Gießbier" gereicht ("Beim gießen vertruncken 2½ fl" und "Gießbiehr 1 thlr", 6. bzw. 27. Satz), sicherlich eine willkommene Erfrischung und Stärkung.


Abb. 5: Aus den vorbereiteten Zainen werden die Schrötlinge ausgestanzt, auf ihr Gewicht mit der Waage geprüft und auf dem Amboß breitgeschlagen.

Diese Zaine waren oft stangenförmig, konnten aber auch die Form viereckiger Platten haben, besonders wenn sie noch mit dem Hammer ausgeschlichtet, d. h. auf die Stärke der zu prägenden Münzen gebracht wurden. Die Beschaffung dieses Werkzeuges ist mehrfach dokumentiert, so beim 6. Satz: "Fur einen Hamer geben 7½ gl". Das Hämmern verursachte die sog. Kalthärtung, die das Material für den späteren Prägevorgang aufgrund des Rekristallisierungsprozesses zu spröde werden ließ. So mußte das Münzmetallblech während des Hämmerns mehrfach geglüht werden, um geschmeidig zu bleiben. Daraufhin wurde es mit dem Schrotmeißel oder mit der Stückelschere, deren einer Griff auf einen Klotz geschraubt war, in viereckige Stücke geschnitten und diese mit derselben Schere justiert, worauf sie Schrötlinge hießen. Auf einem Amboß breit und dünn geschlagen, hießen sie Schrötlingsquetschgeld, das geglüht und mit einem Platthammer zwischen einer Faßzange rund geschlagen, nach nochmahligem Glühen und Breittreiben kurzgeschlagenenes Quetschgeld hieß. Abermaliges Glühen, Rundklopfen des Randes und Breittreiben erzeugte Kurfürstenquetschgeld. Nachdem die Stücke endlich nochmals geglüht und in Rollen zusammengefaßt, rundgeklopft waren, hatte man Platten [Schrötter, Friedrich Frhr. v.: Wörterbuch zur Münzkunde, Berlin/Leipzig 1930, S.543 f.]. Diese schwarzen, sprich rauchgeschwärzten Platten waren ausgesprochen unansehnlich; das mehrfache Glühen und die Bearbeitung mit dem Hammer hatten auf ihrer Oberfläche den Silberglanz beseitigt. Durch den Arbeitsgang des Weißsiedens konnte ihnen dieser zurückgegeben werden. Dabei handelt es sich um ein das Kupfer angreifendes Beizverfahren, das an der Oberfläche allein das Silber sichtbar macht. Dazu mußten die Platten in einer Lösung aus 2/3 Salz und 1/3 Weinstein gekocht werden, und zwar je weniger Silber sie hielten, desto länger. Dieser Arbeitsgang läßt sich für Einbeck gut nachweisen: Das Sieden mit den unangenehmen Abdämpfen in der engen, stickigen Münzerwerkstatt machte natürlich wieder Durst; so wurde "weißiede biehr 10 gl" in Rechnung gestellt (6. Satz). Auch die Ingredienzen sind ausgewiesen "Fur 5 Pfund weinstein 30 gl (;) Fur 10 Pfund Saltz 4 gl 8 pfg" (1. Satz).


Abb. 6: Die fertigen Schrötlinge erhalten durch das "Weißsieden" in einem Salz-Weinstein-Wasser-Gemisch ihre silberne Farbe zurück. Glasfenster der Konstanzer Münzstätte 1624.

Nun mußten die Platten noch mit kaltem klarem Wasser gründlich gereinigt werden ("waschelohn u. Schlafgeldt 9 gl", 30. Satz), in Sägemehl vorgetrocknet, in Scheuertonnen mit Sand gescheuert und schließlich im Siedeofen oder in einem stattlichen Kupfersieb ("ltem ein Neuen boden in ein Seiheschalen thuet 3½ pfund zumachen 2 fl 12½ gl," 4. Satz) über glühenden Kohlen getrocknet werden, bevor sie weiße Platten hießen. Durch die chemische Behandlung war ein Gewichtsverlust eingetreten und die weißen Platten wirkten rauh und porös, aber der Prägeschlag mit dem Hammer glättete die ausgelaugte Oberfläche und drückte sie fest.

Wir wollen die Arbeitsstufen und die damit verbundenen Gewichtsverluste bis zur Prägung einmal so zusammengefaßt wiedergeben, wie es das Einbecker Prägeregister am Beispiel des 31., zu Schlüsselpfennigen verarbeiteten, Satzes macht:
"Eingesatzet ... 74 mk 15 lot Ziehn (= Zaine) gewog(en} ... 72 mk 14 lot Schwartze platten ... 70 mk 13 lot weiße platten ... 69 mk 4 lot" (Abb.7).


Abb. 7: Aufzeichnung über den 31. Satz im Einbecker Prägeregister von 1623/1625.
"Eingesatzt 74 mk 15 lot (= 17524.2 g) Ziehn (=Zaine) gewog(en) 72mk 14 lot (=17041,8 g) schwartze platten 70 mk 13 lot (= 16559,6 g) weiße platten 69 mk 4 lot (= 16194,2g)"

Bei ordnungsgemäßer Ausmünzung mußten rund 45000 Schüsselpfenige aus diesem Satz herauskommen.


Abb. 8: Prägung zweiseitiger Münzen mit der freien Faust. Schemazeichnung.

Der eigentliche Prägevorgang erfolgte noch "mit der freien Faust". Die Platte wurde zwischen zwei Prägestempel gelegt und dann bei kleineren Münzen möglichst mit einem kräftigen Hammerschlag geprägt. Großflächige Gepräge wie Taler erforderten eine stückweise Prägung mit mehreren Hammerschlägen. Kleinere Münzen prägte ein Eisenschläger allein, bei größeren hielt ein Arbeiter den Oberstempel und der andere führte sicher den Hammer. Durch abplatzende Splitter bestand - besonders für das Augenlicht - erhebliche Verletzungsgefahr.


Abb. 9: Zusammengehörige Ober- und Unterstempel der Einbecker Münze, verschiedene Abnützungsstadien der Obereisen. Von links nach rechts: VI Mariengroschen und XII Mariengroschen 1671, je mit Schmiedemarke des Oberstempels (siehe Ausschnitt) sowie VI Mariengroschen 1674.

Das benötigte Stempelpaar stammte vom Münzschmied, der den Eisen genannten Oberstempel und den Stock oder Unterstempel schmiedete und so die sogenannten Blindeisen schuf, bevor der Stempelschneider oder Eisengräber die Prägestempel mit dem spiegelverkehrten negativen Bild und Text versah. Als Werkzeug diente der Grabstichel, doch wurden als Hilfe auch Punzen benutzt, mit denen einzelne Buchstaben und Teile des Bildes wie etwa Kronen in den Stempel geschlagen wurden. Dadurch vereinheitlichte sich das Erscheinungsbild, da z. B. der häufig wiederkehrende Buchstabe "E" immer in gleicher Zeichnung erschien, stammte er doch von ein und derselben Punze.

In Einbeck finden wir - wahrscheinlich in der Funktion des Münzschmiedes - "Curdt Hallensen vor 25 Stempel uff die Muntze zu machen geben Jeden 4 gl - 5 fl" (21. Satz) sowie Lorentz Hallensen als Stempelschneider: "Lorentz Hallensen vor ein Stock zu schneiden geben 1 thlr 18 gr" (117. Satz).

Natürlich war die Qualität der Prägestempel entscheidend für deren Lebensdauer. Eine möglichst große Widerstandsfähigkeit gegen Schlag oder Druck wurde benötigt, weshalb eine angemessene Härtung zu erfolgen hatte. Dies geschah nach der Gravur durch Glühen und anschließendem Abschrecken in kaltem Wasser oder Öl. Es erforderte viel Erfahrung, die Härtung angemessen vorzunehmen, denn sowohl eine übermäßige als auch eine zu geringe ließ die Stempel bald unbrauchbar werden. Entweder wurde das Material spröde und rissig, so daß der Stempel sprang, Risse bekam, Teile abplatzten und schließlich zerbröckelte, oder aber die Gravur nutzte sich zu schnell ab, verflachte und wurde zerquetscht, so daß das Münzbild flau und unansehnlich ausfiel.


Abb. 11a: Zerstörungsstadium eines Prägestempels für Körtlinge.

Abb. 11b: gerissener Talerstempel (Obereisen) von 1636. Erkennbar ist die Umänderung der Jahreszahl 1636 aus 1631 mit dem Gravierstichel sowie die Herstellung der Umschrift sowie der Kreuzarme des "E" mittels Punzen (z. B. Doppelschlag des "I" im EIMBECENIS).

Der feststehende Stock, auf dem zuweilen der Münzschmied sein Zeichen eingepunzt hinterließ, diente beim Prägen als Amboß und war mit einem konisch zulaufenden Fortsatz in einer Unterlage, oft einem Holzklotz, eingelassen, während das walzenförmige Eisen von einer Länge von 10 bis 15 Zentimetern frei beweglich war. Der Stock fiel oft grob und schwergewichtig aus; "es scheint, daß man die Absicht hatte, die geringe Härte durch eine mächtige Eisenmasse zu ersetzen und so die Widerstandsfähigkeit der Stöcke zu erhöhen." [Fiala, Eduard: Katalog der Münzen- und Medaillen-Stempelsammlung des k. k. Hauptmünzamtes in Wien, Bd.1, Wien 1901, S.5.]

Dem Stock war durch seine Fixierung eine längere Lebensdauer als dem Oberstempel beschieden, der durch schräges Aufsetzen der Unterseite mit der Prägefläche und Abfangen der Hammerschläge mit der Oberseite stärkerem Verschleiß ausgesetzt war. Von den enormen Kräften der Hammerschläge zeugt manchmal ein sogenannter Schlagbart. So überlebte der Stock fünf bis 15 Obereisen.

Das eigentliche Münzenprägen war eine langwierige, monotone Tätigkeit, die sich im unveränderten Ablauf über Tage erstreckte. Aus der oft stücklohnorientierten Ausprägung resultierte flüchtiges Arbeiten, was nicht selten zum Doppelschlag führte. Dabei verrutschte die zu prägende Münze unter dem Stempel, bzw. durch wiederholtes Aufsetzen desselben zur Nachbesserung schwachgeprägter Partien entstand eine Verprägung. Auch kümmerte sich kaum jemand um die Stellung der Münzbilder von Vorder- und Rückseite zueinander, da das Auflegen des Schrötlings auf den Stock und das Ansetzen des Obereisens möglichst schnell zu geschehen hatte. Dezentrierte Exemplare kommen deshalb auch zuweilen vor.

Das geprägte Geld war anschließend zu zählen, wahrscheinlich auf einem Zählbrett, zu verpacken (" ... vor ein Kisten zumachen uff die Muntze, geben 2 fl 10 gl", 4. Satz) und den verordneten Münzherren zu übergeben, die es der Kämmereikasse "zureichten". Die Münzherren waren Ratsmitglieder, die sich um die Belange der Münzprägung kümmerten. Doch zuvor hatte der Wardein, wieder ein Hallensen mit dem Vornamen Joachim, in seiner Funktion als Kontrolleur des Münzmeisters das Geld auf Schrot und Korn, also auf Rauhgewicht und Feingehalt zu prüfen ("Dem wardin Joachim Hallensen - 20 thlr", 101. Satz). Dabei war nach der Reichsprobationsordnung vom 28. Juli 1551 vorzugehen, die das komplizierte Verfahren regelte.

Vom geprägten Geld wurde von jedem Werk (Guß oder Satz, wie es im Einbecker Register heißt) ein Stück genommen und durchgeschnitten. Die eine Hälfte wurde auf der Münze probiert, die andere in Papier eingeschlagen und dieses mit Datum, Gewicht und Feingehalt versehen in eine Fahrbüchse [Fahren - "var, vare" - heimliches Lauern, später Gefährdung, schließlich "vare" - Prüfung des Münzfußes. Die Fahrbüchse war also ein mehrfach verschlossenes eisernes Behältnis zur Aufnahme der Münzproben bis zum Probationstag.]


Abb. 10: Schmiedemarke "drei Sterne" auf dem Untereisen des Goldguldens von 1629
eingelegt. Die Kontrolle war streng. Zwei General-Kreiswardeine, die in den Diensten des Niedersächsischen Kreises standen, mußten die verschiedenen Münzstätten "bereiten" revidieren und an Ort und Stelle Proben veranstalten.

Als einer von ihnen, Andreas Lafferds (General-Kreiswardein 1614 bis 1625) in Einbeck weilte, wurde nicht nur seine hohe "Hotelrechnung" bezahlt ("Der wardin Andreas Laffers in der herberg verzehrt 7 thlr 21 gl", 44. Satz), sondern es floß auch noch ein wenig Schmiergeld: "Dem wardin verehrt ein Rosennobel (eine 1461 bis 1483 erstmals in England, dann um 1611 bis 1629 in Dänemark geprägte Goldmünze) - 4 thlr Item, Ein Stubich brandtewein - 2 thlr 8 gl". Sollte da der Kreiswardein Laffers die Einbecker Münzen nicht wohlwollend prüfen?!

Darüber hinaus hatten die beiden Kreiswardeine auf dem Probationstag, der zweimal jährlich anberaumt war, Bericht zu erstatten. Die Münzstände waren angehalten, die Probationstage durch ihren Münzmeister und Wardein besuchen zu lassen und die Fahrbüchse einzuschicken. Die Schlüssel dazu lagen in verschiedenen Händen; erst auf den Probationstagen wurden die Büchsen geöffnet, der Inhalt von den General-Kreiswardeinen probiert und das Ergebnis in einem schriftlichen Protokoll festgehalten, das später in Abschriften, zuweilen auch als Druck, den Beteiligten zugestellt wurde. Im Einbecker Stadtarchiv finden sich noch heute solche Abschriften der Probationstage von 1564 bis 1617.

Das fertige Geld, in unserem Zeitabschnitt einseitige hohle Pfennige, Mariengroschen sowie Taler und in beträchtlich geringerem Umfang auch deren Teilstücke wie Halb- und Vierteltaler konnte nun, nachdem darüber ordentlich Rechnung und Buch geführt worden war - es findet sich beim 8. Satz der Erwerb einer Löschsandbüchse für den Münzschreiber ("Für ein Sandtbuchsen geben 1 gl 6 pfg") -, seinen Weg auf den Markt antreten. Dort hatte es in Konkurrenz zu den unterschiedlichsten alten und neuen, aus nah und fern stammenden Geldstücken seinem Wert und seine Kursfähigkeit täglich aufs neue unter Beweis zu stellen. Schließlich drohte das unrühmliche Ende als bloßes Pagament im Schmelztiegel irgendeiner Münzstätte.

Nebenbei sollte nicht unerwähnt bleiben, daß diese traditionelle, antiquierte Arbeitsweise in der benachbarten welfischen Münzstätte zu Zellerfeld auf dem Harz noch bis 1780 nahezu unverändert beibehalten wurde, während anderweitig die unterschiedlichsten Maschinen produktiveres Münzen erlaubten.


Abb. 12: Stempel der Vorderseite des III-Flitterstückes von 1621. Einsatz für ein sog. "Taschenwerk"

Abb. 13: Taschenwerk des 17. Jahrhunderts aus der Eggenberger Münzstätte in Cesky Krumlov, Tschechische Republik.

Eine der Neuerungen auf dem Gebiet der Münzprägung stellt das Taschenwerk dar. Das Einbecker Museum besitzt einen Taschenwerksstempel von der Vorderseite des kupfernen III-Flitterstückes aus der Kipperzeit von 1621. Damit kann die Bierstadt ungewöhnlich früh ein Taschenwerk vorweisen, das eigentlich erst in der Mitte des 17. Jahrhunderts gebräuchlich wurde [Bahrfeldt, v.: Wörterbuch, S.683, kennt Taschenwerke seit 1656; Fengler/Gierow/Unger: Lexikon Numismatik, Berlin 1982, S.484, "seit der Mitte des 17. Jahrhunderts".] und schon bei den Zeitgenossen starke Ablehnung hervorrief, weil "man meinte, sie (die Taschenwerke) würden durch geräuschloses Arbeiten den Machenschaften der Falschmünzer Vorschub leisten, welche in abgelegenen Waldgegenden ungestört ihrem üblen 'Handwerk' nachgingen." [H. Caspar: "In meiner Müntz schlag ich gericht ... ", Münztechnik auf historischen Bilddokumenten, Berlin 1974 (Numismatische Beiträge, Sonderheit 1), S.27.]. Vor seinem Gebrauch in Einbeck läßt sich das Taschenwerk in einer Klageschrift des Jahres 1607 nachweisen, "worin berichtet wird, daß man in der Schweiz kleine Handmünzdruckwerke schon auf Bestellung für jedermann herstellte und sogar auf Märkten feilbot."[Moser/Tursky: Die Münzstätte Hall in Tirol, 1477 bis 1665, Innsbruck 1977, S.144] Selbst das münztechnisch perfekte Österreich mit der vor Innovationen strotzenden Münzstätte Hall (Tirol) kennt erst von 1629 aus der fürstlich Eggenbergischen Münzstätte zu Krumau einen Talerstempel [Fiala: Katalog Münz- und Medaillenstempel, Bd.1, S.10, Anm.1] für das Taschenwerk; 1901 sollen sich dort auch noch sechs komplette Taschenwerke befunden haben.

Bei dieser, aus dem Walzendruckwerk entwickelten Münzprägemaschine wurden "die Münzbilder einer Prägung ... in kreisbogenförmig gekrümmte Stempelflächen geschnitten. Die beiden Stempel besaßen je einen Einspannzapfen, mit denen sie in entspr.(echenden) 'Taschen' der beiden Wellen befestigt wurden. Über ein Hebel- und Zahnradsystem wurde die Maschine bewegt, dabei rollten die Stempelpaare aufeinander ab und prägten die dazwischengelegten Platten. Der Vorteil des Taschenwerks bestand darin, daß unbrauchbare Stempel ausgewechselt werden konnten."[Fengler/Gierow/Unger: Lexikon Numismatik, S.484]

Jedenfalls steht Einbeck als kleinere braunschweig-lüneburgische Landstadt mit seinem frühen Taschenwerkstempel allein da, doch "auf dem Harz - Clausthal - soll man die 4- und 2-Mariengroschenstücke auf solchen Maschinen (d. h. zwischen Walzen) geprägt haben." [Schlösser, E.: Die Münztechnik, ein Handbuch, Hannover 1884, S.216, zitiert (mit ungenügenden bibliographischen Angaben) Beckmann, Technologie, S 637.] Ob allerdings ein Taschenwerk oder nicht vielmehr ein Walzenwerk gemeint, ist nicht zweifelsfrei. Bei den erwähnten Mariengroschen dürfte es sich um Gepräge des Herzogs Friedrich Ulrich (1613 bis 1634) handeln [Welter, Gerhard: Die Münzen der Welfen (Bd.1), Braunschweig 1971, Nr.1075 (= 4 Mariengroschen von 1624, 1625) und Nr.1113 (= 2 Mariengroschen von 1621 bis 1631 und ohne Jahreszahl).], die in großer Stückzahl nach Überwindung der Kipperwirren die Münzstätte verließen. Das Einbecker III-Flitterstück wurde gleichfalls allerdings noch in der Kipperzeit - äußerst zahlreich ausgebracht. Leider ist der Münzmeister während dieser Periode (1619 bis 1622) nicht bekannt, auch fehlen Angaben über die Anzahl der geprägten Münzen. Der Münzbetreiber in Einbeck mit dem Taschenwerk muß ein Profi auf dem neuesten Stand der Technik gewesen sein, denn "die Anschaffung der entsprechenden Münzmaschinen war sehr kostspielig." [Caspar, Helmut: Zur Geschichte der Münztechnik vom Mittelalter bis zum Beginn des 19. Jahrhunderts. In: Numismatische Beiträge, Berlin 1971,1,S.37.] Vielleicht entstammte er herzoglichem Dienst aus einer der zahlreichen Kippermünzstätten, brachte sein Werkzeug mit und verfertigte in Einbeck wie damals üblich Mengen schlechten "liederlichen" Geldes, um damit immensen Münzgewinn von mehreren hundert Prozent zu erzielen. Für derartige Belange war das schnell arbeitende Taschenwerk gut geeignet.


Abb. 14a: Prägung einseitiger Hohlpfennige mit der sog. "Hülse". Schemazeichnungen.
Daneben: Vorder- (Stock-) und Rückseite (Hülsenseite) Schüsselpfennig 1623. Prägung mit der Kappe.

Abb. 14b: Prägung einseitiger Schlüsselpfennige mit dem "Stößel". Schemazeichnungen.
Daneben: Vorder- (Stock-) und Rückseite (Stößelseite) Schüsselpfennig 1631. Prägung mit dem Stößel.

Ein weiteres, von den bislang beschriebenen abweichendes, in Einbeck praktizierten Prägeverfahren betraf die einseitigen Münzen, also Hohlpfennige [Während der Terminus Brakteat einseitig geprägte Hohlmünzen in der Periode des regionalen Pfennigs bezeichnet, sind unter Hohlpfennigen, diejenigen einseitigen Hohlmünzen zu verstehen, die in der späteren Groschen- und Talerzeit kursierten. Bei Brakteaten handelt es sich also um das einzige zu diesem Zeitpunkt gemünzte Nominal, bei Hohlpfennigen (abgesehen vom Scherf oder Halbpfennig) um den kleinsten Wert im Monetärsystem.] und Schüsselpfennige. Während der erste Typ sich um die Wende zum 17. Jahrhundert verliert, wurde der letzte noch bis 1673 ausgemünzt. Gemeinsam diente beiden Münzarten der eingelassene Stock (Unterstempel) als Prägestempel, was bedeutete, daß der Schrötling durch einen Hammerschlag von oben in den Stempel gedrückt werden mußte. Um Letzteren nicht zu beschädigen, durfte nicht direkt auf den auf dem Stempel liegenden Schrötling eingeschlagen werden, sondern eine mit Leder, Fell, Blei oder Holz gepolsterte Kappe, eine Hülse (für Hohlpfennige) oder ein Stößel (für Schüsselpfennige) wurde aufgesetzt. Mit der für Einbeck seit etwa 1430 gesicherten Prägung mit der Hülse [Kühn, Walter: Die Prägekappe, ein bisher unbekanntes Werkzeug zur Herstellung von Hohlmünzen. Zugleich ein Beitrag zur Technik der einseitigen Kleinmünzenprägung im Mittelalter ... , in: Geldgeschichtliche Nachrichten 138, Frankfurt/M. 1990, S.186.] werden auch noch heutzutage im Erlebnisbereich des Münzkabinetts im Städtischen Museum die - als Nachprägung gekennzeichneten - Prägungen der Hohlpfennige durch Besucher vorgenommen. Die Hülse ermöglicht nicht nur eine gute Führung, sichere Zentrierung und mindert die Verletzungsgefahr, sondern sie verlängert auch die Lebensdauer des Stempels erheblich und senkt somit die Prägekosten.

Die Prägehülse ist ein konisch zulaufendes Eisenrohr, das wie ein Oberstempel gebraucht wurde. Deshalb ist sie oben geschlossen und mit einem angeschmiedeten Schaft versehen. Beim Prägen greift die Hülse über den Stempelschaft, was eine gute Zentrierung des zu prägenden Pfennigs ermöglicht. Unterstempel und Hülse mußten gut aufeinander angepaßt sein. Der tiefe Hohlraum in der Hülse war mit nachgiebigem Material gefüttert, so daß auf der Rückseite der Münze nach der Prägung das genaue Bild negativ und spiegelbildlich sichtbar wird. Das gilt auch für Prägung mit der Kappe, die einer flacheren, mit kleinerem Hohlraum versehenen Hülse entspricht, nicht aber mit dem Stößel, der mit einer glatten Unterseite ohne Fütterung zur Anwendung gebracht wurde. Charakteristisch für Hülsenprägung ist bei Münzen mit schlecht zentriertem oder etwas zu großem Schrötling ein nach oben gewölbter Grad, der entsteht, wenn überlappende Teile des Schrötlings "durch den Druck der Hülsenwand scharf an den Stempelschaft gedrückt ... " [Schrock, U.-E. G.: Von der Kunst, gutes Geld zu machen, Oldenburg 1995.] werden.

Bildnachweis:
1) Herzog August, Bibliothek Wolfenbüttel.
2) Historisches Museum Hannover.
3 - 6) Rosengartenmuseum Konstanz.
7 - 12, 14, 15) Städtisches Museum Einbeck.
13) Schloßmuseum Cesky Krumlov, Tschechische Republik.

Foto A. Heege

Literatur:
Meier-Hannover, Ortwin: Ein Münzlehrlingsgewand ... , Sonderdruck aus Berliner Münzblätter 1924, Nr.255-258.
Mittmann: Die Glasfenster der Konstanzer Münze 1624. In: Numismatische Zeitschrift, Neue Folge, 21.Bd., Wien 1928, S.69 ff.
Rohr, Alheidis von: Zum Münzlehrlingsgewand aus Zellerfeld ... In: Waffen- und Kostümkunde 36 (1994), S.1 ff.

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