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Münzverrufungen in Westdeutschland im 12. und 13. Jahrhundert
von Walter Hävernick
 
in Frankfurter Münzzeitung, NF Bd.2, 1933, S.18f, 35-37, 49-51
(Fußnoten mit Quellenangaben fehlen hier)


Weder Wirtschaftshistoriker noch Numismatiker haben sich bisher eingehender mit dem Institut der Münzverrufung im Mittelalter befaßt. Die einschlägige wirtschaftsgeschichtliche und numismatische Literatur kennt meist nur die wenigen, immer wieder angeführten Beispiele, wie die bekannten urkundlichen Nachrichten über Verrufungen und deren Mißbrauch aus Böhmen, Schlesien, Brandenburg, Merseburg u. a. m. Es ist aber zum mindesten sehr unvorsichtig, diese meist aus späterer Zeit stammenden Beispiele örtlich und zeitlich zu verallgemeinern. Die Literatur bietet also ein viel zu einheitliches Bild von der Münzverrufung und ihrer Handhabung im Mittelalter: die Verrufung und Erneuerung der Münze sei mit großer Härte nahezu überall betrieben worden; als Beweise für diese Behauptungen dienen die genügend bekannten Beispiele. Andrerseits findet sich jedoch dann auch zugleich die Bemerkung, das Rheinland und Westfalen seien von diesem Unfug verschont geblieben; diese Behauptung wird mit der bekannten Kölner Urkunde von 1252 belegt.

Dieses viel zu einheitliche Bild ist vor allem von K. Th. Eheberg [1879] geschaffen worden, denn Eheberg versuchte die Entstehung der regelmäßigen Münzverrufungen ganz allgemein aus den Bedürfnissen des nur alljährlich stattfindenden Jahrmarktes im 9. und 10. Jahrhundert zu erklären; das Geld sei nur für den Markt geprägt und hätte nur während dessen Dauer Gültigkeit gehabt. Für den nächsten, an demselben Ort stattfindenden Jahrmarkt hätten die alten Pfennige eingewechselt werden müssen. Diese Erklärung für die Entstehung der Verrufungen muß heute als verfehlt abgelehnt werden und ebenso muß betont werden, daß das einheitliche Bild Ehebergs von den Verrufungen nicht mehr haltbar ist. Denn ganz so einfach liegen die Dinge doch nicht; die folgenden Untersuchungen sollen zeigen, daß selbst innerhalb einer Gegend die Handhabung der Verrufung und deren Auswirkung höchst verschieden an den verschiedenen Orten ist.

Wir fassen die Rheinlande von der Pfalz bis zur Mündung und die anstoßenden Landschaften von Hessen und Westfalen ins Auge. Damit wäre eine örtliche Begrenzung gegeben, aber auch eine zeitliche Begrenzung ist nötig. Ich glaube an anderer Stelle [W.Hävernick, Der Kölner Pfennig, Beiheft 18 zur VSWG. 1930, S.25ff] nachgewiesen zu haben, daß sich in diesen Gegenden die regelmäßige Handhabung der Münzverrufung erst um 1100 ausgebildet hat, und daß sogar an manchen Orten Verrufungen erst nach 1100 häufiger geworden sind. Es ist demnach wohl nicht die Sächsisch-Fränkische Zeit die Blütezeit der regelmäßigen Münzverrufungen gewesen, wie Eheberg gemeint hat, denn mit dem aufkommenden Marktwesen hat die regelmäßige Münzverrufung nichts zu tun. Erst in der folgenden Zeit, der Periode der lokal begrenzten Piennigmünzen sind die Verrufungen regelmäßig geworden, also im 12. und 13. Jahrhundert. Und mit den lokal begrenzten Piennigsorten schwindet am Ende des 13. Jahrhunderts auch die regelmäßige Münzverrufung; denn die eindringenden, überall gültigen Handelsmünzen wie der Heller, der Turnose, der Sterling und der Goldgulden machen die Verrufung des am Ort geschlagenen Geldes spätestens um 1300 unwirksam.

Die regelmäßige Münzverrufung ist von den Münzherren lediglich zu fiskalischen Zwecken eingeführt worden. Wohl kannten z. B. die Karolinger schon Verrufungen, aber diese erfolgten nur ganz ausnahmsweise, um eine neue bessere Münze einzuführen. Die Verrufung des 12. und 13. Jahrhunderts verfolgt lediglich die Absicht, das Münzrecht noch ertragreicher zu machen. Man schließt fremde Münzen vom Umlauf in seinem Gebiet aus und gestattet nur den Verkehr mit dem Geld der heimischen Münze; so entsteht um 1100 die örtliche Beschränkung des Geldumlaufes und gleichzeitig entsteht die zeitliche Beschränkung des umlaufenden Geldes: nach einer bestimmten Zeit muß das alte Geld gegen neues unter Verlust eingewechselt werden.

Wenn die Verrufungen überall genau durchgeführt worden wären, so wären Handel und Wirtschalt auf das schwerste geschädigt worden. Aber wie es im Mittelalter meist zu gehen pflegte, so gelang es auch hier fast nirgends, das theoretische Recht voll zur Ausführung zu bringen. Es waren überhaupt gar nicht alle Münzherren in der Lage, ihre Münzen zu verrufen. Denn für eine Münzverrufung ist die Vorbedingung, daß die zu verrufende Münze klar und deutlich kenntlich und von anderen Sorten unterscheidbar ist, d. h. daß die Münze unter eigenem Bild geschlagen ist. Unter eigenem Bild prägte nun aber die Minderzahl der Münzherren; die große Menge der kleinen und kleinsten Münzherren prägte auf fremden Schlag und kann daher auch niemals dem Volke eine Verrufung ihrer Erzeugnisse aufgezwungen haben: denn ihr Geld ahmte ja das Erzeugnis eines anderen Münzherrn nach und sollte von dem Volk gar nicht als ihr eigenes Erzeugnis erkannt werden. Diese nicht unter eigenem Bild prägenden Münzherren mußten ihren Gewinn eben auf eine andere, noch zweifelhaftere Art suchen, indem sie nämlich ihre Nachahmungen unterwertig ausbrachten. Münzherren, die auf eigenen Schlag prägten, d. h. ihre Münze mit einem leicht kenntlichen Bild versahen, gab es in den rheinischen Gegenden gar nicht viel. [Nicht einmal die wenigen in folgendem aufgezählten Münzherren prägen immer unter eigenem Bild: z. B. ahmt die Reichsmünzstätte Dortmund im Anfang des 13. Jahrhunderts den Sterling nach, Aachen das Gepräge Kölns; die Erzbischöfe von Trier prägen in Koblenz auf Kölner Schlag, die Bischöfe von Münster und Osnabrück ahmen zeitweilig Sterlinge und Kölner Pfennige nach.] Zunächst der Kaiser in seinen Reichsmünzstätten Aachen, Dortmund und Frankfurt, die Erzbischöfe von Köln, Mainz und Trier, die Bischöfe von Utrecht, Lüttich, Münster, Osnabrück, Worms und Speyer, und von den weltlichen Herren eigentlich nur die Grafen von Holland und die Landgrafen von Hessen. Alle anderen Münzstätten prägen kein Geld unter eigenem Typ, sondern ahmen bald dieses, bald jenes Gepräge nach. Die Erzeugnisse dieser Münzstätten erscheinen in den Urkunden normalerweise niemals.

Es gibt nun eine Anzahl von Zeugnissen dafür, daß an diesen auf eigenen Schlag prägenden Münzstätten tatsächlich Münzverrufungen vorgenommen worden sind. Um deren Einfluß auf das Wirtschaftsleben erkennen zu können, müssen wir uns Klarheit über folgende Punkte zu verschaffen suchen:
I. Wie oft wurden an den einzelnen Orten Münzverrufungen vorgenommen?
II. Galten diese Verrufungen nur für die Stadt, in der die zu verrufende Münze geschlagen wurde, oder für das Territorium des Münzherrn oder gar für den ganzen Umlaufbereich der Münze?
III. Wie groß war die Besteuerung beim Umwechseln der alten in die neuen Pfennige?

I. Wie oft an den einzelnen Münzstätten die Münzverrufung vorgenommen worden ist, läßt sich nicht immer sagen, es scheint aber in diesem Punkte größte Verschiedenheit gewaltet zu haben. Von Speyer wissen wir durch urkundliche Nachrichten von 1196 und 1226, daß jährliche Verrufung die Norm war. In Köln fand die Verrufung viel seltener statt, nämlich nur, wenn ein neuer Erzbischof erwählt und bestätigt war und wenn der Erzbischof von einem Kriegszug über die Alpen zurückkam, beides Vorbedingungen, die nicht allzu häufig einzutreten pflegten. Genau so wie in Köln wurde es in der Reichsmünzstätte Dortmund gehandhabt; auch hier war laut dem Stadtrecht des 13. Jahrhunderts die Verrufung nur zulässig beim Thronwechsel im Reich und beim Italienzug des Pfandinhabers der Münzstätte. Dagegen scheint in Aachen die Verrufung durch die kaiserliche Urkunde von 1166 überhaupt abgeschafft zu sein. Später haben wir von 1255 und 1282 Nachrichten, daß die Erzeugnisse der Reichsmünzstätten Oppenheim und Aachen (?) 10 Jahre lang Gültigkeit haben sollen. Für Trier ist aus dem Anfang des 14. Jahrhunderts überliefert, daß jedem Erzbischof während seiner Sedenzzeit nur dreimal das Recht der Verrufung zustand, ohne daß jedoch die Erzbischöfe sich an diese Beschränkung gehalten hätten.

Von den anderen Münzstätten unseres Gebietes haben wir keine Nachrichten über die Häufigkeit der Verrufungen, nur wird am Ende des 11. Jahrhunderts in Lüttich und 1166 in Aachen über die Häufigkeit der Verrufung geklagt. Andrerseits hören wir um 1140 aus Verdun, daß Bischof Albero sich während seiner Sedenzzeit gänzlich der Verrufung seiner Münze enthalten hat. Es herrscht also in den rheinischen Gegenden die größte Verschiedenheit hinsichtlich der Häufigkeit der Verrufung.

II. Ebensowenig Klarheit geben uns die Quellen darüber, ob die Münzverrufung nur für die Stadt, in welcher die zu verrufende Münze geschlagen wurde, galt oder ob von ihr das ganze Territorium des Münzherrn oder gar der ganze Umlaufsbereich betroffen wurde. Nur das Liber annualium iurium archiepiscopi et ecclesie Trevirensis von ca. 1180-90 gibt uns einen Anhaltspunkt. Es wird nämlich hier bei der Erörterung der vom Erzbischof vorzunehmenden Münzverrufung gesagt, daß an dem Tage, wo die neuen Pfennige ausgegeben werden, die Schultheißen in Trier, Wittlieh, Berncastel und Merzig je eine bestimmte Summe erhalten sollen "ut eorum studio et labore novi denarii confirmentur et stabilientur". Die Münzerneuerung scheint also im ganzen Erzstift Trier durchgeführt worden zu sein, d. h. soweit es möglich war: denn die Koblenzer Gegend gehörte damals sicherlich schon zum Umlaufsgebiet des Kölner Pfennigs und wird von der Verrufung der Trierer Pfennige kaum berührt worden sein. Und die anderen Gebiete, in denen der Trierer Pfennig umlief, die aber nicht zum Territorium gehörten, konnten schwerlich gezwungen werden, sich fernerhin nicht mehr der alten Trierer Pfennige zu bedienen. So wird also die Verrufung im erzbischöflichen Territorium nur unvollständig gelungen, außerhalb des Territoriums jedoch unwirksam geblieben sein. Ein weiteres Zeugnis dafür, daß man die Verrufung auf ein ganzes Territorium oder ein ganzes Umlaufsgebiet ausdehnen wollte, haben wir aus Westdeutschland nicht. Wir müssen annehmen, daß man tatsächlich in der Regel nur in der Stadt, in welcher die Münzstätte sich befand, die Erneuerung hat einigermaßen durchführen können.

III. Wir kommen nun zu der dritten und schwerwiegendsten Frage: wie hoch war die Besteuerung beim Umwechseln der alten in die neuen Pfennige? Die urkundlichen Nachrichten, die wir zur Beantwortung heranziehen können, sind auch hier äußerst spärlich und unklar.

In dem bekannten Schiedsspruch zwischen Erzbischof und Stadt Köln von 1258 beschwerte sich jener, daß die Kölner Bürger auch nach der Verrufung weiterhin die alten Pfennige in Zahlung genommen hätten, und zwar zum herabgesetzten Kurs von 12 alten auf 10 neue Pfennige: fraudem iuri suo predicto ac consuetudini facientes, puta 12 veteres pro 10 novis ... recipientes. So würden also die Besitzer der alten Pfennige bei der Verrufung einen Verlust von 16,6 % erleiden, und zwar mindestens, denn falls die erzbischöfliche Münzstätte die alten Pfennige zu einem besseren Kurs angenommen hätte, so würde sicherlich jedermann die alten Pfennige zum Wechsel getragen haben, anstatt sie mit Verlust aus der Hand zu geben. 16,6 % ist also mindestens der Verlust beim Umwechseln gewesen, vielleicht sogar ein wenig mehr, etwa 20 %, allein das wissen wir nicht und die Quellen schweigen darüber beharrlich.

Von Osnabrück besitzen wir von 1277 eine urkundliche Nachricht, die uns erkennen läßt, daß eine Mark Feinsilber gleich 173 neuen und 191 alten Denaren ist, d. h. 173 neue sind gleich 191 alten Denaren. Das würde eine Herabsetzung der alten Denare um 9,5 % bedeuten.

Eine dritte Nachricht aus Holland aus dem Jahre 1290 lehrt uns, daß hier auf einen Sterling 3½ alte oder 2¼ neue holländische Pfennige gerechnet werden: hier wären die alten Pfennige also sogar um 35,7 % herabgesetzt!

Andere Nachrichten, die uns die Wertverminderung der alten Pfennige bei der Verrufung erkennen ließen, besitzen wir nicht. Wohl hören wir vereinzelt von Wechselverlusten bei der Verrufung, doch ohne daß wir die Größe des Verlustes prozentual errechnen könnten. Wir dürfen daher nur mit Vorsicht die drei vorgeführten Nachrichten über Verluste von 16,6 % (Köln), 9,5 % (Osnabrück) und 35,7 % (Holland) verwerten: sie sind zeitlich und räumlich zu weit voneinander getrennt, um sich gegenseitig in Beziehung setzen zu lassen. Soviel läßt sich aber auf jeden fall aus ihnen entnehmen, daß die Verluste beim Umwechseln der alten verrufenen Pfennige recht beträchtlich gewesen sein müssen. Weitere Nachrichten, die uns näheren Einblick in die Handhabung der Verrufungen geben könnten, besitzen wir wie gesagt aus unseren Gegenden nicht. Wohl hören wir wiederholt und von verschiedenen Münzstätten, daß Verrufungen vorgenommen werden, ohne daß wir jedoch dabei auf irgendeine Weise näheren Einblick erhalten. In diesem Punkt versagen unsere Quellen.

Es ist von großer Wichtigkeit, Klarheit zu erlangen, welchen Einfluß die Verrufungen auf das Wirtschaftsleben ausgeübt haben. Wirkten die an dauernden Verrufungen lähmend auf Handel und Verkehr oder ist es den Münzherren nicht gelungen, dem Wirtschaftsleben diese Steuer aufzuzwingen? Von der Beantwortung dieser Frage hängt viel ab, denn grade in diesem Punkt ist durch nicht zu rechtfertigende Heranziehung fremder Quellen viel Schaden angerichtet worden.

Es könnte nun auf den ersten Blick scheinen, als ob die Verrufungen ein gewaltiger und dauernder Schaden für das Wirtschaftsleben gewesen seien: wir kennen nämlich einige Klagen über den Mißbrauch, so aus Lüttich unter Bischof Otbert (1091 bis 1119), aus Verdun (vor Bischof Albero, 1131-1156), aus Aachen (für die Zeit vor 1166). Ferner hören wir aus der Mitte des 13. Jahrhunderts aus Köln mehrfach von Zwistigkeiten, ob der Erzbischof die Münze verrufen dürfe oder nicht.

Diesen wenigen Klagen über den Schaden der Verrufungen gegenüber steht aber die Tatsache, daß die große Masse der geschäftlichen Aufzeichnungen aus diesen Jahrhunderten mit ihren zahlreichen Erwähnungen von Summen und Zahlungen kaum Spuren der Münzverrufungen enthält. Nur ganz vereinzelt werden bei Zahlungen neue Pfennige ausbedungen; in der Regel wird im 12. und Anfang des 13. Jahrhunderts die gewünschte Münzsorte nur nach dem Herkunftsort (also z. B. denarii marburgenses, colonienses, hollandenses) oder gar nicht weiter bezeichnet (denarii, marca, denariorum), während im Verlauf des 13. Jahrhunderts der Zusatz bonus et legalis (z. B. marca denariorum coloniensium bonorum et legalium) und ähnliches allgemein wird. Denarii novi finden sich nur höchst selten, während es zum mindesten zweifelhaft bleiben muß, ob sich die Eigenschaften bonus et legalis auch auf die momentane Gültigkeit erstrecken; wahrscheinlicher ist, daß der denarius bonus et legalis ein solcher ist, der vor allem an Gehalt und Gewicht den Vorschriften entspricht. Das seltene Vorkommen von neuen, zur Zeit gütigen Pfennigen in den Urkunden muß doch auffallen. Denn bei der im 13. Jahrhundert zunehmenden Vorsicht beim Abfassen der Urkunden hätte man sich doch wohl gesichert, falls von dieser Seite her Schaden zu erwarten gewesen wäre. Entweder es war keine Gefahr, daß der Kontrahent die Schuld in alten Pfennigen abtrug, oder aber die alten Pfennige waren dem Gläubiger genau so lieb wie die neuen, wenn nicht noch lieber. Aus dem Schweigen der doch sonst nicht so spärlichen Überlieferung müssen wir wohl notgedrungen folgern, daß Münzverrufungen in diesen Gegenden kein Schreckgespenst waren.

Und damit stimmen die Ergebnisse der numismatischen Forschung gut überein. Es läßt sich nämlich nachweisen, daß in den rheinischen Gegenden im 12. und 13. Jahrhundert die Dinge nicht so liegen, daß an den einzelnen Orten nur der hier geschlagene Pfennig gilt, während fremden Münzsorten der Umlauf nicht gestattet ist. Die Umlaufsgebiete der einzelnen Pfennigsorten überschneiden sich erheblich. So läuft zum Beispiel der Kölner Pfennig in den Gebieten vieler anderer Pfennige um und bildet hier ebenfalls eine Währung; der ganze Süden des zu untersuchenden Gebietes wird in der 2. Hälfte des 13. Jahrhunderts vom Heller überflutet, im Westen dringen Turnosen, im Norden Sterlinge ein. Das bedeutet also praktisch, daß im Falle einer Münzverrufung sich jedermann vor Schaden schützen kann, indem er sich einer anderen Münzsorte bedient. Im Umlaufsgebiet des Kölner Pfennigs ist im 12. und 13. Jahrhundert eine Verrufung des Lokalgeldes gewiß kaum vorgekommen. Ein Rätsel bleibt jedoch vorläufig noch, wie es bei einer Verrufung des Kölner Pfennigs, von der wir ja urkundlich wissen, gehandhabt worden ist. In der Stadt Köln selbst hat man möglicherweise den Kleinverkehr auf dem Wochenmarkt und auf den Straßen teilweise zu der verlustreichen Umwechslung zwingen können, während der interlokale Handel sich mit seinen Zahlungen sicher dieser Steuer entzogen haben wird, denn ihm standen ja im Notfall Barrensilber und fremde Sorten, wie die Sterlinge, zur Verfügung. Außerhalb der Stadt Köln und gar erst außerhalb des Kölner Territoriums wird die Verrufung vollkommen wirkungslos geblieben sein: die alten Pfennige behielten voll ihren Wert; daher begegnen überall in den Funden neuere und ältere Pfennige durcheinander.

Ähnlich müssen wir uns die Verrufungen an den wenigen andern großen Münzstätten unseres Gebietes denken. Eine reinliche Scheidung des zu verrufenden Geldes von den zahlreichen ähnlichen Erzeugnissen benachbarter Münzstätten wird außerdem meist kaum möglich gewesen sein. In Mainz und Utrecht hatten neben den einheimischen auch fremde Münzen den Charakter einer Währung [Es gibt eine interessante Urkunde, die uns zeigt, daß Zahlungen von außerhalb an die Stadt Köln auf Schwierigkeiten stießen, denn draußen benutzte man die alten Pfennige ruhig weiter, jedoch wurden bei Zahlungen an Köln neue Pfennige verlangt.]; in Trier liefen Pfennige der benachbarten Münzstätten um, die den Trierer Pfennigen nicht unähnlich waren; Münster und Osnabrück waren Mittelpunkte von einer Anzahl Münzstätten, die ihre Erzeugnisse ähnlich ausstatteten wie diese. Dazu prägte z. B. Münster und eine Reihe anderer westfälischer Städte unter dem Bilde des Sterlings: eine Verrufung des einheimischen Geldes wäre also kaum möglich gewesen, weil einheimisches und fremdes Geld für das Volk schwer zu trennen war.

Allein über alle diese Schwierigkeiten und über die Bemühungen, diese zu überwinden, wissen wir aus den Quellen nichts. Wir müssen aber wohl annehmen, daß auf dem Gebiet des Münzwesens, wie auch auf anderen Gebieten der mittelalterlichen Verfassung, die lebendigen, widerstrebenden Kräfte stärker waren als das Recht des Landesherrn; es wird den Münzherren sicher nicht gelungen sein, ihr Recht auf Verrufung der Münze durchzusetzen und das Umwechseln der alten Pfennige im vollen Umfang zu erzwingen. Ihre Macht war einfach nicht groß genug, ihre Territorien zu wenig in sich geschlossen, um so stark das Münzwesen ihres Landes zu beeinflussen. Wir müssen annehmen, daß die nicht in vollem Umfang durchzusetzende Verrufung der Pfennige nur geringen Einfluß auf das Wirtschaftsleben gehabt hat. Handel und Verkehr waren stärker und wußten sich im Notfall vor Schaden zu schützen.



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