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Die Mehemmed-Medaille des Bertoldo

Emil Jacobs
in: Jahrbuch der Preußischen Kunstsammlungen, Bd.48 (1927) 1-17
(hier ohne die beiden abgebildeten Medaillen und ohne die Fussnoten)

Die Artikel dreht sich um die beiden Medaillen:
Medaille um 1480 von Gentile Bellini   und   Medaille um 1480 von Bertoldo di Giovanni,
hier in separaten Fenstern bereitgestellt.

Hier Mehmmed mit zwei 'm' geschrieben.


Der Verschwörung der Pazzi verdankt eine der am meisten beachteten florentiner Medaillen aus der Zeit des Lorenzo il Magnifico ihre Entstehung, jene Medaille, die auf der einen Seite die Ermordung Giulianos am Hochaltar des Doms zeigt, über dessen Aufbau sich die Büste Giulianos in kolossaler Größe erhebt, auf der anderen in ganz ähnlicher Weise die Errettung Lorenzos mit seiner Kolossalbüste darüber darstellt. Seit Vasari galt sie als Werk des Antonio Pollaiuolo, Bode wies sie überzeugend Bertoldo di Giovanni zu, Ebenfalls in Verbindung mit der Verschwörung der Pani, ihren Folgen, der Ergreifung des Mörders Bandini in Konstantinopel und seiner Hinrichtung in Florenz, der Bedrängnis von Florenz durch den Krieg mit Sixtus IV. und seinem Bundesgenossen Ferrante von Neapel, steht die einzige bezeichnete Medaille dieses Künstlers, die Medaille auf Mehemmed II.

Bertoldos Schaumünze zeigt auf der Vorderseite das Porträt, auf der Rückseite den Trionfo des Sultans. Die Entstehungszeit des Werkes ist bisher nicht genau ermittelt, eine Erklärung fur die Darstellung auf dem Revers nur unvollkommen gegeben worden. Die eine wie die andere hätte sich unter Zuhilfenahme seit langem bekannter Zeugnisse wohl schon früher gewinnen lassen. Ich hole das nach.

I

Am Sonntag vor Himmelfahrt, 26. April 1478, glaubte sich die Verschwörung der Pazzi am Ziel, von der Mörderhand des Bernardo Bandini de'Baroncelli fiel Giuliano Medici, Lorenzo entrann mit knapper Not dem Tode. Bandini gelang es, obwohl auf seine Ergreifung, tot oder lebendig, eine Belohnung ausgesetzt war, nach Konstantinopel zu entkommen, wo er sicheren Unterschlupf, wahrscheinlich bei verwandten Freunden, erhoffte. Die Hoffnung trog: im Frühjahr 1479 ließ ihn Sultan Mehemmed festnehmen. Die erste Nachricht hiervon gelangte durch einen Privatbrief Mitte Juni nach Florenz. Sofort war die Abordnung eines Gesandten an den Sultan beschlossene Sache, man wartete nur noch auf die offizielle Bestätigung der Gefangennahme durch den florentinischen Konsul. Sie traf, datiert Konstantinopel 8. Mai, Anfang juli in Florenz ein. Bis Mitte August, so meldet der Konsul Lorenzo Carducci, will der Sultan Bandini festhalten, rasche Abreise eines Gesandten tut not, reiche Geschenke an Mehemmed empfehlen sich. Binnen spätestens acht Tagen wird Antonio Medici auf dem Wege nach Konstantinopel sein, so wird dem Konsul am 5. Juli geantwortet, verrà anchora con tale ordine di presente, che speriamo sarà bene accepto (Documenti S.226f., Nr.189B). Am 14 Juli reist Antonio di Bernardo de'Medici zum Sultan auf dem Landwege ab.

Noch stand die Auslieferung Bandinis nicht fest. Aber erst in ihr sah Florenz, Lorenzo, die Krönung von Mehemmeds Wohlgeneigtheit und Gerechtigkeit, erst die Sühne von Giulianos Mord durch die Bestrafung des Mörders in Florenz selbst vermochte, so sollte Antonio Medici dem Sultan vorstellen, fare perfetto questo immortalissimo beneficio. Die Auslieferung durch inständige Bitte bei Mehemmed zu erreichen, dies war die Aufgabe der Mission Antonios, die ihm mitgegebene meisterhafte Instruktion für die Rede, die er bei der Audienz vor dem Sultan halten sollte, beweist es deutlich. Man erhoffte die Auslieferung. war ihrer aber doch nicht sicher und zog ihre Ablehnung in Betracht, wie die Instruktion ebenfalls dartut.

In Konstantinopel wurde Antonio Medici von Mehemmed in Audienz empfangen: Bandini wird ihm ausgeliefert. Über Venedig, wo er am 7. Dezember eintraf, kehrte Antonio am 24. Dezember nach Florenz zurück. Wenige Tage darauf, am 29. Dezember 1479, teilte Bandini spät das Schicksal seiner Mitschuldigen, an den Fenstern des Bargello wurde er gehängt. Lionardo hat den Toten gezeichnet.

Lorenzo il Magnifico hat die Rückkehr Antonio Medicis, Bandinis Hinrichtung nicht in Florenz erlebt. Äußerst bedenklich war die Lage des toskanischen Krieges: am 6. Dezember 1479 war Lorenzo, um über einen Frieden zu verhandeln, nach Neapel zu König Ferrante gereist. Ob Bertoldo sich in seinem Gefolge befunden hat, wissen wir nicht. Am 13. März 1480 kam der Friede zustande. Zwei Wochen vorher bereits hatte Lorenzo Neapel verlassene. Den Erfolg Antonio Medicis bei Mehemmed hat er gewiß nicht erst bei dessen Ankunft in Italien erfahren, sondern schon früher. Die Absicht, Mehemmed durch eine Medaille zu verherrlichen, mag bei ihm schon 1479 bestanden haben, aber erst Antonios glückliche Heimkehr, die Vollstreckung der Strafe an Bandini erfüllten die Vorbedingung für die Ehrung Mehemmeds im Trionfo, der zugleich der Lorenzos war.

Die besondere Form, in der dieser Trionfo auf der Medaille Bertoldos dargestellt wird, kann erst 1480 entstanden sein.

II

Die Verwandtschaft der Mehemmed-Medaille Bertoldos mit der des Gentile Bellini ist längst beobachtet. Bertoldos Porträt des Sultans ist eine Nachbildung des Kopfes auf Bellinis Schaumünze - das ist die allgemeine Annahme. Sie ist richtig. Wann aber hat Gentile Bellini seine Medaille modellien? Die Angaben darüber hängen schwankend in der Luft. Die Medaille ist von 1479, so Friedländer, - in Konstantinopel oder unmittelbar nach Bellinis Heimkehr, 1480, verfertigt, so Fabriczy - nach der Heimkehr, so Thuasne, - bei dem Aufenthalt In Konstantinopel entstanden, so Habich. Jede Begründung fehlt. Und wie lange währte der Aufenthalt Bellinis in Konstantinopel? Wann kam er bin, wann ging er fort? Ist Bartolommeo Bellano zu derselben Zeit in Konstantinopel gewesen? So oft diese Fragen auch behandelt worden sind, es verlohnt sich, scheint mir, sie noch einmal aufzunehmen.

1

Ein Protokoll des venezianischen Senates vom 13. August 1479 besagt: ein Abgesandter aus Konstantinopel, - er ist schon wieder abgereist -, hat ein Schreiben Mehemmeds his diebus nach Venedig gebracht. Der Sultan spricht darin den dringenden Wunsch aus, vehementer instat habere unum sculptorem et funditorem eris. Mündlich unterstützten dieses Verlangen sowohl der Gesandte selbst wie Giovanni Dario fidelissimus secretarius noster. Die Republik, selbstverständlich bereit, dieses nachdrückliche Begehren zu erfüllen. setzt alles daran, so rasch als möglich einen hervorragenden Bronzebildner für den Sultan zu beschaffen, und die Beamten der Razione Vecchie erhalten den Auftrag, quod cum omni studio et diligentia sua illum invenire conectur, unbeschränkte Vollmacht zur Verausgabung der notwendigen Mittel pro eius expeditione wird ihnen gegeben. So das Protokoll. Eine urkundliche Nachricht, daß der Sultan einen Maler erbeten, fehlt, ist bisher jedenfalls nicht bekannt geworden.

Sultan Mehemmeds 1479 in Venedig kundgegebenes Verlangen ist nur ein Glied in der Kette seiner Beziehungen zur italienischen Renaissance, die noch eingehender Untersuchung bedürfen. Eindrücke der Jugend, Belehrung und Weisung, die ihm in nahem persönlichen Umgang der Urahn der Archäologie, Cyriacus von Ancona, hat zuteil werden lassen, sind während seines ganzen Lebens für ihn bestimmend geblieben. Schon 1453 beim Einzuge in Konstantinopel hat er, von Cyriacus begleitet und beraten, zu erhalten gesucht, was seine Soldateska in dreitägigem Siegesrausch nicht zerstört hatte. Damals bereits gehörte seine besondere Neigung Bronzebildwerken. Die erzene Reiterstatue Justinians, die ihm als die des von ihm leidenschaftlich bewunderten Theodosius galt, hat er behutsam von ihrer Säule herabnehmen lassen. Wahrscheinlich bei dieser Gelegenheit lernte er durch Cyriacus' Vermittlung den jungen Giovanni Dario zuerst kennen. Als die Schlangensäule, das platäische Weihgeschenk, wucherndes Holz eines Maulbeerbaumes bedroht, hat Mehemmed es mit glühenden Eisen vorsichtig wegbrennen lassen. Des Sultans Sinn für abendländische Kunst ist in Italien bekannt gewesen. Matteo de' Pasti, der Papiere des Cyriacus von Ancona besaß, wünschte an Mehemmeds Hof zu gehen, und Filarete, seiner Bautätigkeit am Ospedale maggiore in Mailand ledig, dachte ebenfalls daran, sich nach Konstantinopel zu begeben. Matteo de' Pasti ist, 1461 von den Venetianern in Kreta festgesetzt, nie an sein Ziel gelangt, Filarete entschwindet nach dem Tage, an dem ihn Francesco Filelfo brieflich an den am Hofe in Konstantinopel lebenden Georgios Amirutzes empfiehlt, unseren Augen völlig, in Rom soll er gestorben sein, wie Vasari will, 1469. Zehn Jahre später setzt sich Giovanni Dario, seit Jugendtagen mit den Neigungen des Sultans wohl vertraut, jetzt Venedigs fidelissimus secretarius, erst vor kurzem aus Konstantinopel zurückgekehrt und dort beim Friedensschluß, den die Republik nicht zuletzt seinem hervorragenden diplomatischen Geschick verdankte, von Mehemmed durch besondere Ehrungen ausgezeichnet, für die Erfüllung des Verlangens nach Entsendung eines Bronzebildners nach Konstantinopel persönlich ein.

Die Chronisten wissen von diesem Verlangen Mehemmeds nach einem Bronzebildner nichts. Malipiero, damals einundfünfzig Jahre alt, gibt unter dem Jahre 1479, ohne nähere Zeitangabe, Bericht von der Bitte des Sultans um einen Maler und der Entsendung Bellinis. Sanudo, 1479 ein Jüngling von dreizehn Jahren, weiß in seinem 1501 abgeschlossenen Sommario di storia veneziana mehr, kennt Daten, hat Akten eingesehen: der türkische Gesandte ist am 1. August 1479 in Venedig eingetroffen, hat die Signorie um einen bon pittor gebeten, die Einladung des Dogen zur Hochzeit eines Sohnes des Sultans überbracht. Entsendet worden isf Gentile Bellini, qual1 andò colle galie di Romania e la Signoria li pagò le spese e porti adi 3 settembre.

Im Jahre 1479 waren der Abgesandten Mehemmeds manche in Venedig. Trotzdem kann kaum ein Zweifel sein, daß der türkische Sendling, den das Senatsprotokoll vom 13. August als his diebus angekommen bezeichnet, mit dem von Sanudo als am 1. August eingetroffen genannten identisch ist. Es ist äußerst unwahrscheinlich, daß fast zur gleichen Stunde zwei Boten des Sultans in Venedig vorgesprochen haben sollten, der eine mit dem Verlangen nach einem Maler, der andere mit dem nach einem Bronzebildner. Vielmehr darf als sicher angenommen werden, daß beide Wünsche gleichzeitig von demselben überbracht worden sind, am 1. August 1479.

Die Person des Malers stand rasch rest. Ibn zu finden bedurfte es nicht erst eines besonderen Auftrages an eine Behörde, wie des vom 13. August an die Beamten der Razione Vecchie für den Bronzebildner. So erklärt sich das Fehlen des protokollarischen Niederschlages eines solchen Auftrages. Nötig war nur, Gentile in seinen für die Sala del gran consiglio übernommenen Arbeiten zu ersetzen, sie werden seinem Bruder Giovanni übertragen. In dem Beschluß darüber vom 29. August heißt es: Gentilis Belinus pictor .. de mandato nostri Dominii proficiscitur Constantinopolim ad serviendum nostro Dominio, und am 3. September 1479 bestimmt der Rat, - dies Aktenstück hat Sanudo gekannt -, quod capitaneus Galearum Romanie acceptare debeat super eius galea ... Gentilem Bellinum, pictorem cum duobus ejus sociis vel famulis, qui vadit iussu nostro ad illustrissimum Dominum Turchum, causa pingendi vel faciendi quoddam opus ..., item .... quod prefactus capitaneus levare drbeat duos socios Magistri Bartholomei, fusoris metalli. Sämtliche fünf Genannten reisen auf Staatskosten, bei seiner Rückkehr soll der Kapitän satisfactionem ipsarum expensarum erhalten. Die Abreise hat gewiß nicht noch am 3. September stattgefunden, wie Sanudo etwas vorschnell aus dem Datum des Protokolls erschließt, sondern erst in den nächsten Tagen. Fest steht jedenfalls einmal, daß für Bartolommeo Bellano die Abreise am 3. September noch nicht bestimmt war, und sodann, daß Bellano nicht mit Bellini auf demselben Schiff abgefahren ist Denn der Kapitän, Melchior Trevisano, präsentierte bei seiner Rückkehr nach Venedig die Rechnung, - sie wird am 7. April 1480 zur Zahlung angewiesen -, nur für Gentillis Belinus pidor et aliquot alii opifices missi per nostrum Dominium ad Illustrissimum Dominum Turcum, d. h. für Bellini, zwei seiner Gehilfen und zwei Bellanos.

Erst am 7. September 1479 macht Bellano sein schlichtes Testament, cum ... iturus sim Constalntinopolim, et volens in omnem morlis eventum res meas ordinatus relinquere ... Zum Testamentsvollstrecker und Erben seines gesamten in Italien befindlichen Vermögens setzt er Francesco de'Conti ein, was er etwa in aliis partibus ultra Italiam noch erwerben werde, davon sollten Universalerben alle seine famuli sein, die sich im Falle seines Todes bei ihm befinden würden.

Fest steht also, daß trotz eifrigsten Bemühens es nicht leicht gewesen ist, den dringenden Wunsch des Sultans zu erfüllen, einen hervorragenden Bronzebildner zu finden, der bereit war, nach Konstantinopel zu geben. Und endlich gefunden, scheint er zu zögern. Schon ist für seine Gehilfen Passage nach Konstantinopel auf Staatskosten belegt - der Meister scheint noch nicht bereit. Erst ein paar Tage darauf erdschließt er sich, - seinen letzten Willen aufzusetzen. Ohne den Meister fahren die Gehilfen ab, ist Bellano ihnen wirklich gefolgt?

Für Bellano, wie für Bellini, einen besonderen Beschluß, die Beförderung nach Konstantinopel auf Staatskosten betreffend. zu fordern und in den Akten zu vermissen, geht schwerlich an: der Senat hatte ja bereits am 13. August unbeschränkte Vollmacht für die Mittel pro expeditione des Bronzebildners erteilt. Hat etwa die Signorie in kluger Überlegung, daß zwei große Künstler in den engen Raum eines Schiffes zu bannen nicht gut sei, Bellano absichtlich mit einem anderen Segler nach Konstantinopel gesandt? Dann hätte man doch seine socii, die doch auch seine famuli waren, die er eben in eventum mortis zu Erben eingesetzt, nicht von ihm getrennt; sie fuhren mit Bellini. So ergibt sich aus den vorhandenen Akten folgendes als das Wahrscheinliche: als man am 3. September noch keinen Bronzebildner für Mehemmed gefunden hat, wird die Abreise Bellinis, zweier seiner Gehilfen und zweier Gehilfen aus Bellanos Werkstatt festgesetzt. Ein paar Tage darauf ist es gelungen, Bellano zu einem Entschluß zu bringen. Er macht sein Testament, reist aber dann doch nicht ab. So bleibt es beim Dekret vom 3. September, Bellini geht mit den vier Leuten nach Konstantinopel, - causa pingendi vel faciendi quoddam opus. Er war entschlossen, wenn es sein mußte, nicht nur als Maler aufzutreten.

In der ersten Zeit seines Aufenthaltes in Konstantinopel hat Bellini die Medaille auf Mehemmed gemacht.

2

Wenn Bellini Anfang September 1479 von Venedig abreiste, so ist er, leidlichen Wind vorausgesetzt, in den letzten Tagen dieses Monats in Konstantinopel eingetroffen. Wie lange ist er dort geblieben, wann ist er heimgekehrt? Gegen Ende des Jahres 1480. So liest man überall. Diese Annahme stützt sich einzig und allein auf das vermeintlich letzte sichere Zeugnis für seine Anwesenheit in Konstantinopel, das Datum des Layardschen Porträts Mehemmeds: 25. November 1480. Sie ist nicht richtig, denn das Empfehlungsschreiben an die Signorie von Venedig, das Bellini, im Begriffe heimzukehren, vom Sultan erbat und erhielt, trägt das Datum: Konstantinopel, 15. Januar J481!.

Dieses Schreiben, in Abschrift erhalten, ist längst bekannt, aber nur unvollständig und unzureichend veröffentlicht. Ich lasse es hier unverkürzt und in neuer Lesung folgen:

(Tugra Mehemmed II.)

Sultan Mahometh dei gra totius asyee & gretie vlctoriosissimus Imperator & cetera Serenissimo Prindpi sc Illustrissime dominationi Venetiarum amoris plenitudinem ac sinceram voluntatem. Zentilem Bellinum sicut magno desiderio expectauimus, ita plena letitia venisse gaudemus. Nam dum ipsum conspeximus & ad eximiam artern eius aciem oculorum ac mentis direximus, lnstar maximi muneris suscepimus. Inspecta siquidem prope diem artis sue industria ac speculatione, cui nihil est quod reprehensioni subiaceat, preterea legalitate ac virtutis amplitudine gratiam Serenitatis nostre inuenit benivolam & in omnibus liberalem, & merito adhibuimus eum Militem Auratmll ac Comitem palatinum deputare. Atque ut fama illius longe lateque per orbem diffundatur, in signum purioris amoris, ut & honorem ac honorificentiam celebrem dignitatis acquirat, rotella liberalissima ex solido auro in monile contenta insculptis pröpriis litieris nostris eum decoravimus alteraque ex parte nostri nominis munimine insignita. Postremo inpresentiarum repetende patrie gratulabundus a nostra serenitate duxit licentiam implorandam, quam quidern mox amplissimam concessimus, insuperque has sibi commendatitias condonamus, serenitatis affectu ac [ac} pro reditu sue laudabilis bonitatis, quatenus Illustrissime dominationi Vestre patefiat, quod quicquid in eo honoris ac dignitatis contulerit, tanquam in uno de nostris domesticis intimis & electis contulisse putemus, Enimvero & vestra liberalitas, que substentat extraneos, tenetur ipsum compatriotam intimum habere, ub sub vestra umbra vestre Illustrissime dominationis valeat sentire gloriam & honorem. Scripta in constantinopoli in solio Celsitudinis nostre Bisantii Mo CCCC Lw primo, die 15 Januarii.

Das Schreiben ist ohne jeden Zweifel vom 15. Januar 1481. Wenn ihm die Jahresangabe fehlte, und nur die Angabe des Monats und Tages erhalten wäre, müßten wir aus dem Inhalt als allein in Betracht kommend das Jahr 1481 erschließen, denn im November 1480 war Bellini noch in Konstantinopel, und im Januar 1482 war Mehemmed nicht mehr am Leben. Der Kopist des Originales hat das letzte Zahlzeichen nicht verstanden und nachgemalt, es ist nicht das Zeichen für III, sondern für XXX, im Original stand: (Anno) MCCCC LXXX primo.

Sehr bald, vielleicht sofort nach dem 15. Januar 1481, hat Gentile Bellini Konstantinopel verlassen. Damals forderten die Verhältnisse in Asien Mehemmeds Aufmerksamkeit und veranlaßten Kriegsvorbereitungen, Ende April zog er mit dem Heer ins Feld, am 3. Mai 1481 ist er gestorben.

Das Empfehlungsschreiben an die Signorie nennt als Würden, die Mehemmed Bellini verliehen, zwei: Miles auratus ac Comes palatinus (Zeile 8f.). Auf seinem Porträt Mehemmeds, datiert 25. November 1480, nennt sich Bellini, genau entsprechend der Bezeichnung der Würde in dem Empfehlungsschreiben vom 15. Januar 1481, miles auratus. Und nur miles auratus! Die Würde eines comes palatinus hat ihm Mehemmed also erst nach dem 25. November 1480 verliehen. Denn es darf als völlig ausgeschlossen gelten, daß Bellini auf seinem Porträt des Sultans, das diesem selbstverständlich zu Gesichte kam, die Bezeichnung der einen ihm von Mehemmed verliehenen Würde angebracht, die der anderen, höheren, aber weggelassen hätte. Miles auralus, dazu hat der Sultan Bellini vor dem 25. November 1480 gemacht, so nennt sich Bellini auf dem von diesem Tage datierten Layardschen Bilde. Miles auratus ac Comes palatinus müßte auf Bellinis Mehemmed-Medaille stehen, wenn diese zwischen Ende November 1480 und Mitte Januar 1481 noch in Konstantinopel geschaffen wäre. Denn die korrekte Wiedergabe der Bezeichnung der verliehenen Würden dürfen wir, gemäß dem Layardschen Bilde, fordern. Die Medaille trägt die Inschrift: Gentilis Bellinus Venetus eques auratus comesq(ue) palatinus f(ecit). Das sind nicht die türkischen, sondern die Bezeichnungen der Bellini von Kaiser Friedrich III. bei seinem Besuch in Venedig am 13. Februar 1469 verliehenen Würden. Die Medaille ist also geschaffen, bevor Bellini die gleichwertigen türkischen Würden besaß, vor dem 25. November 1480, der ihn auf dem Gemälde als miles auratus von Mehemmeds Gnaden erweist, jedenfalls in den ersten Monaten seines Aufenthaltes in Konstantinopel, im Anfang seiner Tätigkeit am Hofe des Sultans, bevor er durch ihn zum miles auratus ernannt wurde.

Und von dieser gesicherten Basis aus ist nur noch ein Schritt zur richtigen Erkenntnis des Vorganges: Bellini kommt nach Konstantinopel an den Hof des Sultans. Hier macht er gleich in der ersten Zeit die einzige Skulptur, die wir von ihm kennen, eine Gelegenheitsarbeit, macht die Mehemmed-Medaille. - Genötigt? Etwa weil der so heiß ersehnte Bronzebildner nicht gekommen war? - Stolz, nicht ohne Eitelkeit, setzt er auf die Medaille seine Titel, die Gnadenbeweise des Romanorum Imperator Fridericus. Und der türkische Imperator, Magnus Sultanus Mohametus Imperator, wie ihn Bellini auf seiner Medaille nennt, dei gratia asye et gretie victoriosissimus Imperator, wie er in der für den Okzident berechneten Sprache der türkischen Kanzlei in dem Empfehlungsschreiben an die Signorie von Venedig heißt, will dem Romanorum Imperator nicht nachstehen in der Anerkennung des Künstlers und verleiht Bellini die gleichen Würden, - aber eine nach der anderen.

Wenn Bellini kurz nach seiner Ankunft in Konstantinopel die Medaille geschaffen hat, so wäre Antonio Medid vielleicht in der lage gewesen, ein Exemplar davon nach Florenz mitzunehmen, und Lorenzo könnte es dann einige Tage später in Neapel in Händen gehabt haben. Frühestens zu Anfang 1480 hätte danach Bertoldo die Arbeit an seiner Medaille beginnen können. Dem ist schwerlich so. Erst im März 1480 ist Bellinis Medaille nach Florenz gekommen, woraus sich als der äußerste Termin für ihre Entstehung der Beginn des Februars 1480 ergibt.

Die Mehemmed·Medaille Bertoldos ist im März oder April, spätestens in den ersten Tagen des Mai 1480 fertig geworden.

Die Geschehnisse der Zeit, ihr Niederschlag in der Medaille Bertoldos einerseits, und die genaue Betrachtung und Interpretation der Verhältnisses der Medaille Bertoldos zu der Bellinis anderseits lehren dies.

III

Am 11. Mai 1480 fertigte die Kommune von Florenz das an den Sultan gerichtete offizielle Dankschreiben für die Auslieferung Bandinis aus, beginnend: Rediit ad nos Antonius Medices, quem ad te miseramus, cum nefandissimo illo parricida .... Am Tage darauf, 12. Mai, schrieb sie ihrem Konsul in Pera. Beide Schriftstücke wurden zur Bestellung einem Abgesandten Mehemmeds anvertraut, der gleich darauf von Florenz nach Konstantinopel zurückreist. Er wird auch das Schreiben Lorenzo Medicis vom 12. Mai 1480 an Ysaach Bey Turcho, ringratiandolo duna sella, che dono, mitgenommen haben.

Wann und mit welchen Aufträgen der Sendling des Sultans nach Florenz gekommen, mit welcher Antwort er entlassen, verrät von den beiden Schreiben der Kommune keines. Das an Mehemmed tut des Gesandten überhaupt keine Erwähnung, das an den Konsul hält sich hinsichtlich der Mission, ihres Zweckes und seiner Erfüllung in ganz allgemeinen Ausdrücken. Wir durfen sagen - absichtlich. Der namenlose spectabili mandatario, so besagt das Schreiben vom 12. Mai 1480, hat Briefe des florentinischen Konsuls mitgebracht, das Begehren des Sultans, das bereits in ihnen kundgegeben, mündlich vertreten, und, die Kommune erklärt sich gern bereit, diesem durchaus zu willfahren. Qualche giorno, so schreibt sie dem Konsul, ist der Gesandte in Florenz. gewesen und als willkommener Gast mit allem wohl versehen worden, er kehrt jetzt von hier mit diesem Briefe zurück, was er getan hat, wird Seine Majestät bei seiner Heimkehr von ihm (selbst) vernehmen.

Wir haben nicht nötig, uns in Vermutungen zu ergehen. Ein Zeitgenosse, ein von Lorenzo besonders geschätzter, in langen Jahren wohlerprobter Diener des Hauses Medici, ein vortrefflicher Kenner diplomatischer Gepflogenheiten und Geschäfte überhaupt und türkischer insbesondere, setzt uns in die Lage, nicht nur die ungewissen qualche giorno des großherrlichen Sendlings in Florenz fester zu umreißen, sondern vor allem den Zweck seiner Mission, den ostensiblen sowohl wie den geheimen, deutlich zu erkennen: Benedetto Dei, derselbe Benedetto Dei, dem sein Neffe Bartolomeo am 30. Dezember 1491 schreibt: "Bertoldo, der treffliche Bildhauer und beste Medailleur, der stets mit Lorenzo il Magnifico tüchtige Arbeiten machte, ist in Poggio vor zwei Tagen gestorben ...".

Benedetto Dei (4.III.1418 - 28.VIII,1492) hat Aufzeichnungen hinterlassen, darunter Annalen der Unternehmungen Sultan Mehemmeds von 1453 bis 1479. Ungezügeltes Temperament, hochgesteigertes Selbstbewußtsein, glühende Vaterlandsliebe und fanatischer Haß gegen Venedig sprechen aus ihnen. Trägt man dem vorsichtig Rechnung, so stellen diese Aufzeichnungen, besonders die türkischen Annalen, eine bisher kaum genutzte, wertvolle Quelle dar, nicht zuletzt für das Verhältnis Mehemmeds zu Florenz. Selbsterlebtes und aus guten Quellen Erkundetes reiht Benedetto hier aneinander. Als Kaufmann,zugleich als politischer Agent und Informator, um nicht zu sagen Spion, seiner Heimat Florenz, seiner Herren, der Medici. ist Benedetto Dei in die Levante gegangen. Ende 1461 oder Anfang 1462 ist er nach Konstantinopel gelangt und hat dort im Oktober 1462 Dienste bei dem Venezianer Girolamo Michiel, einem der Pächter der türkischen Alaungruben in Phokaea, als chamarlingho e tesoriere genommen, eben jenem Girolamo Michiel, der an Sigismondo Malatesta die Wunsche Sultan Mehemmeds, denen durch die - verunglückte - Entsendung Matteo de'Pastis 1461 Genüge getan werden sollte, übermittelte. Benedetto hat den Zusammenbruch der Firma seines Brotherrn zu Beginn des venezianisch-türkischen Krieges erlebt, hat Girolamo Michiel 1464 in die Gefangenschaft nach Adrianopel geleitet, ist dann nach Konstantinopel zurückgekehrt, das er erst 1466 verlassen hat Das Verhältnis der Pforte zur florentinischen Kolonie in Konstantinopel, immer ein angenehmes, war in jenen Jahren ein besonders gutes. Manche Unterstützung, wertvolle Winke und Nachrichten vor allem, zum Teil dank Benedetto Deis Wirksamkeit, erhielt sie von ihr. Mit prominenten Vertretern der Kolonie pflog der Sultan Unterredungen, erschien auch wohl als Gast in ihren Häusern, wie bei Carlo Martelli u. a. Dürfen wir Benedetto glauben, so hat er selbst, auf Geheiß, Mehemmed 1463 Vortrag gehalten über die politischen, wirtschaftlichen und militärischen Verhältnisse Italiens. 1467 jedenfalls ist er mit einem Auftrag des Sultans in Damaskus gewesen, 1468 kam er nach Florenz zurück, um im gleichen Jahre wieder für die Medid nach Frankreich zu reisen. Von einer ebensolchen, nur noch größeren Mission, die ihn 1476/1477 erneut nach Frankreich und weiter nach England, Deutschland und Österreich führte, kehrte er 1478, vor der Ermordung Giuliano de'Medicis, nach Florenz heim. Im Kriege gegen Neapel und den Papst bis zum Friedensschluß mit Neapel hat Benedetto im Dienste der Medici gestanden.

Gerade damals, als der spectabile mandatario Mehemmeds in Florenz weilte, war Benedetto Dei im Begriffe, diesen Dienst zu quittieren, gerade damals hat er seiner sogenannten Cronaca einen vorläufigen Abschluß gegeben. Auf dem drittletzten Blatt der autographen Handschrift hören die türkischen Annalen auf mit dem Jahre 1479, das heißt mit dem März 1480. Denn Benedetto Dei rechnet nach florentinischem Stil. Als im Januar 1478 (unserer Rechnung: 1479) abgeschlossen gilt ihm der Friede zwischen Venedig und den Türken. Unter dem Jahre 1479 erzählt er kurz hintereinander von der türkischen Einnahme von Santa Maura (Leukadia, Sommer 1479), dem türkischen Einfall in Ungarn (Oktober 1479), Mehemmeds erstem, mißglückten Angriff auf Rhodos (Ende 1479). Hierauf berichtet er von einer türkischen Gesandtschaft nach Venedig - sie kam am 8. März dort an -: El detto Ottomanno Gran Turcho mandò Ambasciadori a Vinegia ..., dann enden dies (florentinische) Jahr 1479 und damit die Annalen die folgenden Sätze: E (el detto Ottomanno Gran Turcho) mandò Anbasciatore a Firenze, a presentare Lorenzo de'Medici, e. Antonio di Bernardetto de'Medici. e chiese, e adimandò la Signoria de' Fiorentini di maestri d'intaglio, e di legname, e di tarsie, e adimandò e Fiorentini di Maestri di squlture di bronzo, i quali s'ordinorno, e missonsi e a punto, e a ordine per le mani di Benedetto d'Antonio di Leonardo giovane del bancho de' Martelli, lo quale condusse detti Anbasciadori a Firenze del mese di Marzo 1479, fornendogli di tutto, e da loro per lettere s'intese lo grande apparecchio facea lo Sig. Gran Turcho Signore de' Signori ec.

Vor dem 24. März 1480 also, denn mit diesem Tage schloß das florentinische Jahr 1479, ist der spectabile mandatario nach Florenz gekommen, geleitet von einem jüngeren Mitglied der Filiale des Florenzer Hauses Martelli, das bei Mehemmed in besonderer Gunst stand und Benedetto Dei wohl vertraut war. Mehrere Wochen hat er sich demnach in Florenz aufgehalten. Die ostensible Aufgabe seiner Mission war zuvörderst die Überbringung von Geschenken an Lorenzo und Antonio Medici.

Eine der Gaben des Sultans für Lorenzo ist Bellinis Medaille gewesen.

Sodann übermittelte der Gesandte Wünsche seines Gebieters: Intagliatori, Meister der Holzschnitzerei wie der Einlegekunst, werden von ihm erbeten und - Bronzebildner. Dem ist man pünktlich nachgekommen, die Künstler gingen nach Konstantinopel ab.

Also hatte der sculptor et funditor aeris, den er acht Monate zuvor so eindringlich von Venedig verlangt, Mehemmeds Erwartungen nicht entsprochen, Bellano ihm nicht genügt? Dessen zögernder Entschluß und bisher nicht zu erweisende Abreise, Bellinis Gelegenheitsarbeit und nun Benedetto Deis Nachricht, reichen sie hin, um Bellanos Aufenthalt in Konstantinopel zum mindesten sehr unwahrscheinlich zu machen? Ich meine, ja.

Welcher oder welche maestri di squlture di bronzo sich damals von Florenz nach Konstantinopel begeben haben, - Namen kennen wir nicht. Seinen Bertoldo zum Sultan zu entlassen. daran wird Lorenzo nicht gedacht haben. aber die Bronzebildkunst seines Lieblingsmeisters wollte er Mehemmed eindringlich vor Augen führen, der Venetianer sollte übertroffen werden.

Das Angebinde des Sultans, Bellinis Medaille, vor Augen, gingen Lorenzo und Bertoldo ans Werk. Die Medaille, die sie schufen, ward Gegengeschenk und - diplomatische Antwort zugleich.

Denn die eigentliche Aufgabe der Mission des türkischen Sendlings, die sorgfältig auch im Schreiben der Signorie verschwiegen wird, war eine hochpolitische: Mitteilungen von Plänen des Sultans und Sondierung der Stellung Lorenzos zu ihnen. Der Gesandte überbrachte eine Depesche: per lettere s'intese lo grande apparecchio facea lo Sig. Gran Turcko.

Der Frieden zwischen der Türkei und Venedig, den das Jahr 1479 nach einem Kriege von anderthalb Jahrzehnten gebracht hatte, war für Mehemmed nur der Anlaß zu neuen großen Unternehmungen: die eine richtete sich gegen Rhodos, den Sitz der Johanniter, die andere gegen Italien selbst. Der rhodische Krieg begann nicht glücklich, ein erster türkischer Ansturm, mit geringen Kräften Ende 1479 unternommen, wurde zurückgeschlagen. In der Bucht von Physkos überwinterten die Türken. Gegen Ende April 1480 nahte von Konstantinopel die groBe Flotte, Ende Mai begann der neue Angriff auf die Insel. Unter der Führung Kedük-Ahmeds hatte eine türkische Flotte im Sommer 1479 die Inseln Zante und Santa Maura genommen und war dann nach Valona gegangen, um weitere Befehle aus Konstantinopel abzuwarten. Erheblich verstärkt lag sie dort gegenüber von Brindisi und Otranto bis in den Sommer 1480, Italien bedrohend.

Fürwahr eine "gewaltige Rüstung"! Sie war im besten Gange, während der türkische Gesandte in Florenz weilte. Von ihr genau unterrichtet zu sein, war für Lorenzo von höchstem Wert. Und erst die Kenntnis von Mehemmeds Plänen, dem letzten Ziel, das sich hinter diesen großen Rüstungen verbarg, mußte von unschätzbarer Bedeutung für Lorenzo sein. Der Sendling Mehemmeds hat sie ihm vermittelt. Glänzend war der Augenblick für seine Mission gewählt. Er trifft zu einer Zeit ein, da Lorenzo trotz des ratifizierten Friedens von Neapel schwere Sorgen um Florenz bedrücken: der Herzog von Kalabrien macht keine Miene, aus dem Sienesischen abzuziehen, auch von Forli aus droht Gefahr. Der türkische Gesandte ist bereits wieder daheim, für Florenz wächst die Bedrängnis: Ende Juni ist Siena selbst in Alfonsos Hand, am 9. August ziehen päpstliche Truppen in Forli ein. Da naht die Rettung. Am 28. Juli sind die Türken an der Südküste von Apulien gelandet. Alfonso verläßt Siena am 7. August. Am 11. August fällt Otranto in die Hand der Osmanen. Papst Sixtus IV. hat verloren. Die Aussöhnung mit Florenz ist nur noch eine frage der Zeit. Seit der Abreise des Gesandten Mehemmeds sind, fast auf den Tag genau, drei Monate vergangen. Welche Antwort hat er dem Sultan von Lorenzo gebracht? Welche - erbetene, verlangte? - Stellung hat Lorenzo zu Mehemmeds Plänen eingenommen? Hat er sie beeinflußt, beeinflussen können? Ist eine Bitte, ein Wunsch, ein - Hilferuf von ihm an den Sultan gelangt?

Die Antwort Lorenzos ist eine mündliche gewesen: et quello ehe (lo spectabile mandatario) habbi facto lo intenderà la Excellentia del Signore da lui, alla sua tornata, schreibt die Signorie dem florentinischen Konsul in Pera am 12. Mai 1480. Genug der Gründe mahnten, eine Depesche nicht mitzugeben, die abgefangen werden konnte. Wie die mündliche Antwort gelautet, wissen wir nicht, sie deutlich zu ahnen setzt uns Bertoldos Medaille in den Stand.

Als der furchtbare Schlag von Otranto Italien getroffen, ist sofort der Verdacht laut geworden, daß Florenz, Lorenzo, bei dem Einfall der Türken, der seinen Nöten ein Ende machte, die Hände im Spiel gehabt habe. Giovanni Albino, Herzog Alfonsos von Kalabrien Vertrauter, wohlbekannt mit Lorenzo, formuliert diesen Verdacht so: Plerique mortalium Florentinos, cum ad ulciscendas iniurias occasio praestaretur, id cum Venetis clam molitos affirmant. Venedigs zum mindesten sehr zweideutige Haltung der gegen Otranto segelnden türkischen Flotte gegenüber ist erwiesen, den Verdacht gegen Florenz durch Dokumente zu erhärten, ist bisher nicht gelungen. Mag die Frage, ob der Verdacht zu Recht besteht, ob Lorenzo in der Tat den Sultan zum Angriff auf Apulien ermuntert hat, ohne bestimmte Antwort bleiben, auf die andere, wie er aufkommen konnte, läßt sich sehr wohl eine geben. Die alten guten Beziehungen zwischen Mehemmed und Florenz, ihre jüngste Krönung zumal, die Auslieferung Bandinis, kannte ganz Italien. Ob es gelungen ist, die Anwesenheit des türkischen Gesandten in Florenz im Frühjahr 1480 völlig geheimzuhalten, steht dahin. Nach dem Tag von Otranto lag es nur allzu nahe, sie mit dem türkischen Einfall in Apulien in ursächliche Verbindung zu bringen. Lorenzo hat, wie jetzt feststeht von Mehemmeds Rüstungen Kenntnis gehabt. In seiner Bedrängnis mußte ihm jede Erleichterung willkommen sein. Daß er sie vom Gelingen der Pläne des Sultans erhofft hat, darf an und fur sich als wahrscheinlich gelten. Und er hat dieser Hoffnung einen Ausdruck verliehen, der einem Wunsch mehr als ähnlich sah, in der Medaille Bertoldos. Das Bild ihres Reverses, nicht jedem verständlich, war, verstanden, nur allzu geeignet, jenen Verdacht zu fördern. Im Reverse der Medaille Bertoldos gibt Lorenzo die Antwort auf die Mitteilung des türkischen Gesandten von dem grande apparecchio Mehemmeds.

IV

Bertoldos Medaille zeigt auf der Vorderseite den Kopf Mehemmeds im Profil, modelliert nach dem Porträt der Bellinischen Medaille; der Halbmond, den der Sultan an einem Halsbande auf der Brust trägt, ist Zugabe Bertoldos. Von der Umschrift gleich. Die Rückseite zeigt den Triumph Mehemmeds. Unten lagern die Figuren von Land und Meer. Herrscher über sie ist der Sultan. Im Triumph fährt er auf seinem Wagen daher (vgl. Abb. 1-4 S.2, 3).

Hier, bei der Darstellung des Triumphes, nehmen Bertoldo und Lorenzo einen Gedanken, ein Motiv Bellinis auf, spinnen es aus und fort. Die politischen Verhältnisse des Frühjahres 1480 weisen dabei die Richtung. Drei Kronen zeigt die Rückseite der Medaille Bellinis. Sie kehren rechts und links zu Häupten des Sultans auf dem Layardschen Porträt wieder. Sie bedeuten drei Reiche. Von jeder Krone sind fünf Zacken zu sehen. Herr über drei Reiche ist der Sultan auf der Medaille Bellinis. Herr über drei Reiche ist er auch auf der Medaille Bertoldos: MAVMHET ASIE AC TRAPESVNZlS MAGNEQVE GRETIE IMPERAT(or) lautet die Schrift um das Profil auf der Vorderseite des Bertoldoschen Werkes. Von einer Fessel umschlungen, in weiblichen Gestalten symbolisiert, benannt Gretie Trapesvnty Asie, eine jede mit einer Krone geziert, deren fünf Zacken sichtbar sind, vom Sultan hinter sich auf seinem Wagen geführt, so zeigt sie die Rückseite der Bertoldoschen Arbeit.

Die Bezeichnung der Figuren weicht von der Benennung der Reiche auf der Vorderseite ab, GRETIE hier, MAGNEQUE GRETIE dort. "Und des großen Griechenland" ? Gewiß, daß es so gemeint sei, war durch die Beschriftung Gretie auf der Rückseite zu erweisen. Aber jeder humanistisch gebildete Italiener wußte, daß Magna Graecia Unteritalien bedeutet! Dort drohte der Angriff der Türken, dort war ein Reich zu erobern. Die Zweideutigkeit ist volle Absicht Lorenzos.

Im Triumph, drei unterworfener Reiche Herrscher, so zieht Mehemmed zu neuen Taten aus. Eilends. Die mächtig ausgreifenden Rosse, die seinen Wagen ziehen, leitet raschen Schrittes Mars, eine Trophäe schulternd. Im Winde der schnellen Fahrt flattert des Sultans Mantel. Wohin der Weg? Zur Eroberung eines neuen, vierten Reiches, sein Abbild, ein leerer Thronsessel über einem von zwei Löwenmäulern gehaltenen Feston, prangt am Wagen.

Das ist die Gegenwart vom Frühjahr 1480!

Vorwärts, aufwärts wendet sich Mehemmeds Blick, zu der Figur, zu dem ausschreitenden Knaben, den seine flache Linke hält.

Was stellt dieser Knabe dar? Den Bonus Eventus.

Das ist Wunsch und Hoffnung, ist Zukunft.

Lorenzo gehört der Gedanke, diese römische Gottheit auf Bertoldos Medaille zu bringen. Und hinter dem antiken Bilde verbirgt er seine politischen Wünsche und Hoffnungen.

Bonus Eventus, der Gott des Glücklichen Gelingens, ist's, den Mehemmed. auf seiner Hand hat, auf den er blickt, der ihm vorauseilt. Bonus Evenms: Glückliches Gelingen, das ist Mehemmeds Hoffnung bei seinen großen Unternehmungen in der nächsten Zukunft, Glückliches Gelingen, das ist der Wunsch Lorenzos für Mehemmed. Und die Erfüllung dieses Wunsches, glückliches Gelingen der Pläne des Sultans, sie sind Lorenzos Hoffnung in der Bedrängnis von Florenz. Bonus Eventus: zum Gotte des Glücklichen Gelingens, des Erfolges, gehen die Hoffnungen und Wünsche, die Mehemmed und Lorenzo im Frühjahr 1480 verbinden.

Bonus Eventus, ursprünglich eine Gottheit des Landbaues, die Gottheit des glücklichen Aufgehens und Gedeihens der Feldfrüchte, ist später zum Gotte jeglichen glücklichen Gelingens geworden. Als nackter Jüngling, als Knabe, in der linken Hand Ähren, in der rechten eine Schale, aus der er in die Flamme eines vor ihm stehenden Altars libiert, wird er dargestellt. Berühmte Statuen des Bonus Eventus von Praxiteles, von Euphranor, kennt und beschreibt Plinius, auf Münzen der Kaiserzeit erscheint der Gott, auf Gemmen. Und einem geschnittenen Steine wohl, deren er viele und kostbare besaß, entnahm Lorenzo das Motiv:zu diesem Bonus Eventus der Mehemmed-Medaille Bertoldos.

Das antike Vorbild hat sich Änderung und Umbildung gefallen lassen müssen, doch sind sie weder gewaltsame noch willkürliche, sondern durch die dem Gesamtbild des Reverses zugrunde liegende Idee notwendig gewordene und aus ihr zu erklärende, der Idee des triumphalen Einzugs nach großen Siegen und gleichzeitigen Auszugs zu neuen: nach so viel Siegen beim Aufbruch zu neuen Taten - Glückliches Gelingen! Kühn der Gedanke, dem Bild des Gottes auf der Hand des Sultans Platz zu geben. Müßig, darüber nachzusinnen, wo sonst ein geeigneter dafür gewesen: Bonus Eventus bei der Ausfahrt zu frischen Kämpfen, das ist die Pointe im eigentlichen Sinne, der Akzent dieses Trionfo, eine stärker in die Augen fallende Stelle als die, an der er gesetzt, auf die Hand Mehemmeds, ist nicht auszudenken. Die ruhige Haltung, in der die antiken Bildwerke die Gottheit zeigen, ist auf Bertoldos Medaille Bewegtheit geworden, der Knabe Bonus Eventus steht nicht, er schreitet aus, entsprechend dem raschen Vorwärts der Figuren des Triumphes, Mehemmeds selbst wie der Pferde seines Wagens und des sie führenden Kriegsgottes Mars, er schreitet dem auf ihn blickenden Sultan voran. In der Idee des dem Sieger vorauseilenden Erfolges sind Hoffnung und Wunsch beschlossen. Das linke Bein voran, so eilt der Knabe dahin, die Hand des linken ausgestreckten Armes hält die Schale und gießt die Spende aus. Die antiken Darstellungen zeigen den Gott stets die Schale mit der Rechten des gebogenen Armes in mittlerer Körperhöhe haltend. Ohne weiteres erklärt sich die Änderung auf der Medaille: die Schale in der Rechten des rasch hinschreitenden Bonus Eventus hätte die nicht erträgliche folge gehabt, daß die Figur dem Beschauer in der Rückenansicht erschienen wäre, die Schale, als solche nun kaum zu erkennen, von der Außenseite zeigend. Was die Hand des zur Hüfte herangezogenen rechten Armes hält, ob sie etwas hält, vermag ich nicht zu erkennen. Der Wegfall des Altars, der auch auf den Gemmen oft fehlt, war durch Stellung und Bewegung der Figur auf der Hand des Sultans bedingt.

Sempre col magnifico Lorenzo faceva cose degne. Idee, Motiv und Vorbild gab Lorenzo, Bertoldo gestaltete sie zur Form, aus gemeinsamer Arbeit Lorenzos und Bertoldos ist die Medaille auf Mehemmed hervorgegangen, Hand in Hand haben sie ein Kunstwerk geschaffen, gedacht als Gegengabe an den Sultan für die Medaille Bellinis, ein Kunstwerk, bestimmt, zugleich Lorenzos Politik zu dienen, betraut mit einer diplomatischen Antwort.

Als Gegengeschenk für die Medaille Bellinis war Bertoldos Werk gemeint. Sofort erkannte Mehemmed sein Bildnis, das Abbild des Bellinischen, wieder. Die drei Kronen Bellinis, auf den Häuptern der Personifikationen seiner drei unterworfenen Reiche erschienen sie in dem Revers der Medaille Bertoldos wieder vor ihm. Ohne weiteres war für den Sultan die ihn verherrlichende Triumphdarstellung des Reverses verständlich.

Und Bellini war übertroffen! An Stelle des ornamentalen Reverses, seiner leeren Kronen, ein reiches figürliches Bild. Übertroffen von einem Florentiner scultore di bronzo! Selbstverständlich konnte die Medaille nicht ohne den Namen des Künstlers, der sie geschaffen, hinausgehen. Bronzebildner hatte Mehemmed soeben von Florenz erbeten, die Medaille Bellinis hatte er übersandt. Jetzt sollte ihm vor Augen geführt werden, was ein Florentiner Bronzekünstler, was der Lieblingsmeister Lorenzos in der Medaille zu leisten vermochte. Wie der Name des Venetianers auf jener stand, so durfte auf dieser der des Florentiners nicht fehlen, ausnahmsweise hat deshalb Bertoldo, der seine Medaillen sonst anonym ließ, diesmal sein Werk signiert: Opus Bertoldi Florentini Scultoris.

Lorenzos politische Stellung zu den Absichten des Sultans im Frühjahr 1480 findet in der Medaille Bertoldos ihren Ausdruck, dem Revers ist die Antwort Lorenzos auf die Mitteilungen von den großen Rüstungen Mehemmeds und ihrem Ziele, die er durch den türkischen Gesandten erhalten, anvertraut: ."Herrscher über Land und Meer, dreier Reiche siegreicher Herr, ziehst Du zu neuem Kampfe aus. Ein leerer Thron wartet Deiner. Der Gott des Glücklichen Gelingens steht auf Deiner Hand, eilt Dir voraus." Mehemmeds Pläne reiften ihrer Erfüllung entgegen, als sein Gesandter von Florenz nach Konstantinopel heimkehrte, Lorenzos Geschenk, die Medaille Bertoldos, in edlem Metall ausgegossen, überbringend. Von seinen Verhandlungen mit der Kommune, mit Lorenzo hatte er dem Sultan mündlich zu berichten. Seine Aufgabe wird es gewesen sein, das Bild des Reverses in jenen Einzelheiten zu erklären, die nur dem Humanisten Italiens verständlich waren. Ihn in den Stand zu setzen, solche Erläuterung geben zu können, wird man in Florenz, wird Lorenzo nicht versäumt haben. Klar und deutlich enthüllte sich dann, den Bericht des Gesandten bekräftigend, was im Bilde der Medaille beschlossen lag, Lorenzos Stellung zu Mehemmeds Angriffspolitik, sein Wunsch und seine Hoffnung zu glücklichem Gelingen.

Aber, so wird man einwenden, läßt sich denn erweisen, daß die Medaille wirklich in Mehemmeds Hände gelangt ist? Nein, dieser Beweis ist nicht zu erbringen, Es wird sogar behauptet, es sei "ausgeschlossen, daß eine solche Medaille dem Sultan hätte vorgelegt werden können. Niemals hätte man es wagen dürfen, mit der wenn auch nur symbolisch gedachten und ausgeführten nackten Gestalt des Sultans als Imperator demselben vor die Augen zu treten, ohne seinen Kopf aufs Spiel zu setzen. Diese Darstellung wäre als die schwerste Beleidigung des in religiös-sittlicher Anschauung tief wurzelnden mohammedanischen Anstandsgefühls empfunden worden". Von derselben Seite, die diese Behauptung ausspricht, wird ausdrücklich festgestellt, daß Mehemmed "sich über das religiöse Vorurteil, das die Abbildung lebender Wesen, also der Menschen und Tiere, verabscheut, ohne Bedenken hinwegsetzte", ja, daß er »gestattet habe, eine Haremsdame, gleichviel ob Favoritin oder legitime Gattin, unverschleiert den Blicken eines fremden Mannes und noch dazu Ungläubigen preiszugeben". In der Tat hat der eigene Sohn Mehemmed II. der Irreligiosität bezichtigt. Zudem ist der Sultan auf dem Revers der Medaille Bertoldos nicht nackt dargestellt: er hat phrygische Hosen, die um die Lenden gegürtet sind, und Stiefel an, nur der Oberkörper ist entblößt. Endlich aber dürfte Mehemmed, der so sehnsüchtig italienische Bronzebildner an seinen Hof zu ziehen bemüht war, dem Werke eines Meisters in dieser Kunst, dem Geschenke Lorenzos und seinem Überbringer nachgesehen haben, was er keinem sonst gestattet hätte.

Daß damals, 1480, Gaben aus dem Kreise Lorenzos den Sultan erreicht haben, steht fest; Nicolò Berlinghieri, Lorenzos Jugendfreunde und Mitglied der platonischen Akademie, ist es gelungen, die von ihm verfaßte Geographia in terza rima Mehemmed überreichen zu lassen. Sollten die Freunde des Magnifico mehr Glück gehabt haben als er selbst? Aber wenn wirklich der zwingende Beweis erbracht würde, daß Bertoldos Medaille nie in die Hände Mehemmeds gelangt sei, so bliebe doch bestehen, was ich dargetan zu haben glaube, daß sie als Geschenk für den Sultan gedacht war, als Dank und Huldigung für ihn nach der Auslieferung Bandinis, als Gegengabe für die Bellinische Medaille, als Antwort auf die Mitteilungen seines Abgesandten im Frühjahr 1480.

Den Trionfo Mehemmeds in einem Werke seines Lieblingskünstlers vorzuführen, war ein kühnes Unterfangen des Magnifico. Wohl setzten sich italienische Regierungen gelegentlich mit den Türken in Verbindung, wohl waren sie vor allem stets bereit, einander gegenseitig ein Einverständnis mit dem Sultan zuzutrauen, aber die Verherrlichung des größten Feindes der Christenheit im triumphalen Siegeszug, das war doch etwas Unerhörtes. Wenn die Medaille Bertoldos bekannt wurde, wenn ihr tieferer Sinn sich humanistischen Kreisen erschloß, so war sie in der Tat vorzüglich geeignet, bei Lorenzos Feinden den Verdacht, er habe mit Mehemmed gemeinsame Sache gemacht, ihn wohl gar zum Angriff auf Apulien ermuntert, zu fördern, zu erhärten. Das hat Lorenzo zu vermeiden gesucht, indem er die Medaille nur wenigen mitteilte.


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