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Vom Götterboten zum Kaiseradler oder
wie der Adler auf die Münzen kam

Michael Matzke
Münzenrevue 5/1999 S.18-25


Der Untertitel der diesjährigen baden-württembergischen Landesausstellung Vorderösterreich, nur die Schwanzfeder des Reichsadlers?1) - könnte manch einen Besucher auf die Frage bringen, wie der Adler eigentlich zum Wappen und Herrschaftszeichen des Deutschen Reichs und des habsburgischen Imperiums wurde. Ein Nachfahre dieses staufischen und habsburgischen Reichsadlers wird demnächst als nationales Hoheitszeichen die Rückseiten der deutschen Ein- und Zwei-Euro-Stücke schmücken. Zeit also, sich die Frage nach seiner Herkunft zu stellen.

Die lange und interessante Geschichte vom Ursprung und den Wandlungen des Adlermotivs als Hoheitszeichen läßt sich insbesondere anhand von Münzen gut nachvollziehen, da diese als staatliche Zahlungsmittel von Natur aus Träger von hoheitlicher Selbstdarstellung und Herrschaftssymbolik waren. Das Münzbild garantierte nicht nur staatlicherseits Wert und Umlauffähigkeit der Münze, sondern trug auch das herrschaftliche Selbstverständnis und die Propaganda millionenfach hinaus. Durch ihre massenhafte Produktion und Überlieferung sowie wegen ihres unmittelbaren Bezugs zu den Zentren der Macht können Münzen im Gegensatz zu vielen anderen Quellengattungen als recht zuverlässige Zeugen für Entwicklung und Wandlungen von Herrschaftsikonographie und Ideologien angesehen werden. Andere Quellengattungen, wie Feldzeichen, Schmuckstücke und Kameen, sind dagegen meist nur lückenhaft und zufällig überliefert. Trotzdem sollen andere Quellen - soweit vorhanden - nicht unberücksichtigt bleiben. Im Mittelpunkt stehen aber die Adler auf Münzen, und als Vorlagen für die hier vorliegenden Abbildungen dienten mir vorwiegend die Stücke der Universitätsmünzsammlung Tübingen, die mit ihrem reichen Material von der Antike bis in die Neuzeit die besten Voraussetzungen für einen solchen Gang durch die Zeiten bietet.

Seit den frühesten Zeiten war der König der Vögel mit den Göttern und der Sphäre der Herrschenden verbunden. So ist der Adler schon zur Zeit der Sumerer im dritten vorchristlichen Jahrtausend als Zeichen für Stadtgötter, als Bekrönung von Zeptern und siegbringenden Feldzeichen nachzuweisen.2) Insbesondere als Attribut und Symbol von orientalischen Sonnengottheiten ist der König der Lüfte anzutreffen. Erstaunlich ist auch, daß er schon in dieser Frühzeit sowohl "natürlich" als einfacher Adler als auch in seiner symmetrisierten und übernatürlichen Form, als Doppeladler, dargestellt wurde (Abb.1).

Bei den Griechen war der Adler das geheiligte Tier des Zeus. Er war sein Lieblingstier, siegverkündender Bote und Attribut des höchsten der olympischen Götter. Nach hellenistischen Darstellungen erschien Zeus sogar selbst als Adler unter den Sterblichen, um den schönen Knaben Ganymed zu rauben. Das wichtigste Heiligtum des Göttervaters war Olympia, ein Kultzentrum aller Griechen. Elis, zu dem Olympia gehörte, prägte daher Münzen mit dem Bild des Zeus und seinen Attributen, dem geflügelten Blitz und dem Adler. Zunächst erscheinen sogar nur sein heiliges Tier und der Blitz auf den elischen Münzen, später erst der Gott selbst (Abb.2). Wichtig für die weitere Entwicklung war auch das Kultbild des Zeus in Olympia, das von dem berühmten Abb.2: Elis, Drachme vor 471 v.Chr., SNG Tübingen, 1927. Abb.4: Makedonien, Alexander 111. (336 - 323 v.Chr.), Tetradrachme ("Alexandreier"). Abb.5: Tyros, Alexander I. Balas, Stater 155 v.Chr., BMC 1 (Galv. BM). Künstler Phidias (tätig ca. zwischen 460 und 430 v.Chr.) geschaffen wurde. Der thronende Göttervater trug in der Rechten eine Figur der Siegesgöttin Nike und hielt mit der Linken ein von einem Adler bekröntes Langzepter.

Der nie vollendete Tempel des Zeus Olympios sollte der Haupttempel der mächtigen sizilischen Griechenstadt Akragas (Agrigento) werden. Schon von daher läßt sich die Darstellung von Adlern auf den Münzen der Stadt erklären (Abb.3). Adler und Krabbe gelten seit Beginn der eigenen Münzprägung im 6. Jahrhundert allgemein als Zeichen von Akragas, lange bevor der große Tempel unter dem Tyrannen Theron (488 - 472 v. Chr.) begonnen wurde.

Da der eigentlich von seiner Herkunft her nicht-griechische, barbarische Makedonenkönig Philipp II. (364-336 v. Chr.) die Hegemonie über die Griechen anstrebte, war er um so mehr darum bemüht, unter anderem durch die Teilnahme an den Olympischen Spielen und die Hervorhebung seiner Zeus-Verehrung als Grieche akzeptiert zu werden. Sein Sohn, Alexander der Große (336-323), führte die Politik seines Vaters fort und ließ nach seinem Sieg über den Perserkönig eine neue Reichswährung in attischem Standard einführen. Während die Vorderseiten dieser massenhaft ausgeprägten Münzen das Haupt des Herakies mit Löwenfell zeigen, tragen die Rückseiten neben dem königlichen Namen und dem Münzstättenzeichen einen nach links thronenden Zeus mit Langzepter und Adler auf der ausgestreckten Rechten (Abb.4). Diese Darstellung des Zeus Aetophoros rührt allerdings nicht von der Zeus-Statue des Phidias her, sondern imitiert bis ins Detail die Darstellung des Baal von Tarsos, die auf den Stateren des persischen Satrapen Mazaios (361-334) zu sehen ist, nur Kornähre und Weintraube wurden weggelassen. Die bildliche Angleichung des Zeus an die Ikonographie des populären kleinasiatischen Licht- und Fruchtbarkeitsgottes entspricht nicht nur der griechischen Tradition des Synkretismus, sondern kann durchaus auch als politisches Signal der Versöhnung und Toleranz gegenüber den Völkern des Perserreichs verstanden werden. Griechen und "barbarische Völker" sollten sich gleichermaßen von einer solchen Darstellung angesprochen fühlen. Dies konnte der Akzeptanz dieser "Alexandreier" als Reichsprägung weit über griechische Siedlungsgebiete hinaus nur dienlich sein. Mit der Betonung des Adlers trat Alexander sozusagen die Nachfolge der persischen Großkönige an, die der Sage nach eine besondere Beziehung zu Adlern hatten.

Sein Feldherr und bedeutendster Nachfolger, Ptolemaios I., der nach Alexanders Tod die Herrschaft im reichen Ägypten antrat, führte nach Annahme des Königstitels im Jahre 305 eine Münzreform durch und ließ auf die Rückseiten seiner Silberstatere phönikischen Standards den Adler des Zeus auf einem Blitzbündel stehend prägen. Angeblich wurde der Vater des Ptolemaios, Lagos - ähnlich dem Stammvater der persischen Könige -, von einem Adler aufgezogen. Der Adler des Ptolemaios wurde jedenfalls zum regelmäßigen Reversbild der ptolemäischen Münzen und zu einer Art Wappen der Ptolemaier. Derselbe Adler schmückte die Münzen der phönikischen Münzstätten Sidon und Tyros. Sie behielten ihn sogar unter der Herrschaft der Seleukiden (Abb.5) bei, wohl um ihre Münzen nach phönikischem Standard deutlich von der seleukidischen Reichsprägung mit attischem Gewicht abzusetzen. In Syrien und Phönikien traf das Bild zudem mit Vorstellungen vom Adler als heiligem Tier der dortigen Sonnengottheiten zusammen. Nach einer Münzreform unter Kaiser Nero im Jahr 64 übertrug sich das Adlermotiv von der nunmehr geschlossenen Münzstätte Tyros auf die neue zentrale Münzstätte für Syrien, Antiochia (Abb.6). Die dortigen Tetradrachmen wurden bis ins 3. Jahrhundert mit dem charakteristischen "syrischen" Adler geprägt.

Damit befinden wir uns bereits tief in der römischen Münzprägung. Der römische Jupiter wurde weitgehend mit dem griechischen Zeus gleichgesetzt. Der Adler war auch sein heiliges Tier und Bote. Jupiter Optimus Maximus war der höchste Staatsgott des Römischen Reiches. So ist es nicht verwunderlich, daß wir den Adler häufig auf römischen Münzen vorfinden, so auch auf frühen Goldmünzen der Republik (Abb.7).

Im Laufe der späteren Republik wurden die Münzbilder immer vielfältiger, da die Beamten, die die Münzprägung überwachten, sich bei den Münzbildern auf die Ruhmestaten ihrer Vorfahren bezogen. Wer keine bedeutenden Vorfahren besaß, wie der Prägebeamte Petillius Capitolinus, mußte eine andere Lösung finden, um sich seinen zukünftigen Wählern einzuprägen. Capitolinus spielte mit der Darstellung des kapitolinischen Tempels und des Jupiter-Adlers auf seinen Beinamen an (Abb.8). Möglicherweise handelt es sich aber auch um dieselbe Person, die zur Zeit Caesars die Aufsicht über den Jupiter-Tempel innehatte.

Wichtig für die Zukunft der Adlerdarstellung war die Verbindung zum höchsten Staatsgott noch in einer anderen Hinsicht: Jeder römische Feldherr, dem ein Triumph zuerkannt wurde, verkörperte im Triumphzug den höchsten Staatsgott, Jupiter Optimus Maximus, und trug dessen Insignien, die nach jedem Triumph wieder dem kapitolinischen Tempel erstattet wurden. Zu diesen Insignien gehörte auch das Adlerzepter des Jupiter aus Elfenbein, der sogenannte scipio eburneus. Die Kaiser der Prinzipatszeit wiederum legitimierten ihre herausgehobene Stellung unter anderem damit, daß sie sich als stets siegreiche Feldherren, Imperatoren, feiern ließen und diesen militärischen Ehrentitel zum Bestandteil ihres Namens, später zu ihrem offiziellen Kaisertitel, werden ließen. Damit wurden die Insignien des Imperators automatisch zu den Zeichen der Kaiserwürde. Schon von Augustus ist als Mittelmedaillon des sogenannten Lotharkreuzes in Aachen ein Achat-Kameo überliefert, der ihn als triumphierenden Imperator mit Lorbeerkranz und dem elfenbeinernen Adlerzepter darstellt (Abb.13). Diese von Augustus begründete Tradition wurde bis über die Prinzipatszeit hinaus jahrhundertelang gepflegt. Außerdem übernahm der Kaiser regelmäßig die zunehmend funktionslosere Konsulatswürde; und so zeigte er sich anläßlich der Zirkusfestspiele in der feierlichen Prozession auf einer Quadriga und trug dabei sowohl die konsulare Robe - später trabea genannt - als auch die Insignien des Imperators, darunter auch das Adlerzepter. Auf Münzen findet sich diese Darstellung des Kaisers mit Konsulmantel und scipio eburneus seit dem dritten Jahrhundert (Abb.9). So wird das Adlerzepter zur charakteristischen Insignie des Kaisers als Konsul, so auch auf den Münzen des Kaisers Probus, der sich in besonders vielfältiger Weise auf seinen Münzen darstellen ließ. Noch in der Spätantike erscheinen Adlerzepter auf den sogenannten Elfenbeindiptycha der Konsuln des 5. und 6. Jahrhunderts oder auf Folles byzantinischer Kaiser.

Von eminenter Wichtigkeit für die Bedeutung des Adler-Symbols war eine Maßnahme des römischen Feldherren Marius. Er machte im Zuge einer Heeresreform zu Beginn des ersten vorchristlichen Jahrhunderts das heilige Tier des Jupiter zum Feldzeichen einer jeden Legion. Die aquila victrix, das siegverheißende göttliche Omen des Jupiter, das wie die anderen, untergeordneten Feldzeichen auf einer Stange geführt wurde, flog daher den (zunächst) siegreichen Heeren der Römer voran (Abb.10). Das Adlerfeldzeichen der Römer wurde damit zum Inbegriff römischer Macht und Unbesiegbarkeit.

Ein weiterer Traditionsstrang hängt mit dem Kaiserkult seit Augustus zusammen. Da der Adler seit alters als Seelengeleiter galt, glaubte man, daß er die Seelen der verstorbenen und vergöttlichten Kaiser in den Himmel zu den Göttern trage. Bei der Verbrennung des Leichnams von Augustus erhob sich ein Adler vom Scheiterhaufen in den Himmel, wie ein Senator unter Eid zu Protokoll gab. Daher tragen Münzen des Tiberius mit dem Bild seines vergöttlichten Vorgängers auf der Rückseite einen Adler auf einem Globus, der in den Himmel strebt. Bald wurde diese Darstellung der Umschrift CONSECRATIO ("Heiligung") kommentiert, die im Zusammenhang mit der Erhebung des Kaisers unter die Götter stand. Bisweilen erscheinen die konsekrierten Kaiser sogar bildlich auf dem Rücken eines in die Lüfte strebenden Adlers (Abb.11). So war der Adler auch auf das engste mit dem römischen Kaiserkult verbunden.

Diese Verbindungen des Römerreichs und speziell des römischen Kaisertums mit dem Adlerbild blieben noch lange im Bewußtsein der Menschen. Sie wurden auf den verschiedensten Monumenten über die Germanenstürme und die "dunklen Jahrhunderte" hinweg bewahrt, auch wenn die christliche Religion sich gegen heidnische Relikte wie den Jupiter-Kult und den Kaiserkult wandte. Insbesondere vom heidnischen Gedankengut bereits losgelöste Elemente wie das zur reinen Kaiserinsignie gewordene Adlerzepter oder das Adlerfeldzeichen konnten den Zeitenwandel unbeschadet überstehen. Dabei fungierte nicht nur das Oströmische und Byzantinische Reich als Wahrer der Bildtradition. Auch die germanischen Reiche, in deren Bildwelt der Adler ebenfalls einen festen Platz hatte, trugen ihren Teil dazu bei, indem sie in bewußter Anknüpfung an das Ewige Rom antike Bildmotive wiederaufgriffen. So paßt es gut zum Restaurationsgedanken des ostgotischen Herrschers Theoderich (493-526), daß er nicht nur Folles mit der römischen Wölfin, sondern auch solche mit einem Adler als Rückseitendarstellung zur "INVICTA ROMA" prägen ließ.

Wichtig für den Adler als Symbolfigur wurden auch die christlichen Schriftsteller, die antike Texte christlich umdeuteten. Eine herausragende Schrift in diesem Zusammenhang ist der sogenannte Physiologus, der meist den überlieferten Eigenschaften und Verhaltensweisen von Tieren, hier dem Adler, einen christlichen oder moralischen Sinn verlieh. So wurde die Sage, daß die alternden Adler zur Sonne fliegen, um verjüngt wiederzukehren, als Parallele zur Auferstehung gedeutet, und die Darstellung dieser Szene galt als Zeichen der Auferstehungshoffnung. Auch wurde der Adler aus der Verbindung der Prophezeiung des Ezechiel (1,4 - 25) mit einer Schilderung der Apokalypse (4,1 - 11) zum Evangelistensymbol für den Evangelisten Johannes, stets erkennbar an seinem Nimbus. Der Adler wurde völlig problemlos für das Christentum interpretiert, ihm blieben kaum heidnische oder negative Aspekte.

Seinen Symbolgehalt als Herrschaftszeichen erhielt der Adler jedoch erst in der Zeit um 1000 zurück. Im Zuge eines allgemeinen kulturellen Aufbruchs, zu dem die Blüte der ottonischen Kunst ebenso wie das Erstarken des römischen Papsttums gehörten, belebte man die Symbolik der antiken Herrschaftsinsignien neu. Ferner hatten sich - nicht zuletzt durch die Heirat Ottos II. mit Theophanu, der Nichte des byzantinischen Kaisers - die Beziehungen mit Konstantinopel intensiviert. Im Rahmen dieser Kontakte können auch die byzantinischen Adler-Seidenstoffe, die wohl dem kaiserlichen Seidenmonopol zugehörten, verstärkt in den Westen gekommen sein (Abb.12). Auffällig ist, daß ein Denar Ottos III. (984-1002) aus der königlichen Münzstätte Andernach einen Adler in derselben starren und heraldisierten Form wie auf den byzantinischen Seidenstoffen trägt.3)

Auch wenn noch nicht alle Datierungen gesichert sind, kann man doch die Jahrzehnte um die Jahrtausendwende für die Wiederaufnahme des Adlers als Herrschaftssymbol festmachen. Sie wurde durch den intensiven Kontakt der deutschen Könige und Kaiser mit Rom und Italien auf ihren Feldzügen veranlaßt. Als herausragendes Zeugnis dafür muß man das sogenannte Lotharkreuz erwähnen, benannt nach einem Intaglio am Fuß des Gemmen-Kreuzes, das als Siegelgemme des Karolingers Lothar II. geschnitten war (Abb.13). In das Kreuz ist an zentraler Stelle obengenannter Augustus-Kameo eingesetzt. Inwiefern damals in dieser Darstellung Christus selbst, wahrscheinlicher ein römischer Kaiser als Stellvertreter Christi oder doppeldeutig beides verstanden wurde, muß offenbleiben. Auch ist unklar, ob das Kreuz im Auftrag Ottos III. erst angefertigt oder zu seiner Zeit bereits in Aachen vorhanden war. Dort war der von Otto so verehrte Karl der Große begraben. Jedenfalls erscheinen unter Otto III. erste Darstellungen der römisch-deutschen Kaiser, die sich ja in der Tradition des Römischen Reiches sahen, mit einem Adlerzepter anstatt des bis dahin üblichen Lilien- oder Kugelzepter. Die nachfolgende Dynastie der Salier, beginnend mit Konrad II., übernahm dieses Motiv und ließ sich bis Heinrich IV. auf ihren Königssiegeln mit Adlerzepter darstellen (Abb.14). Auch die Siegel als Beglaubigungsmittel haben einen herausragenden Aussagewert für das Selbstverständnis des Siegelführers, da sie diesen gewissermaßen vertraten. In der späten Salierzeit unter Heinrich IV. (1056-1105) hört man dann auch von königlichen Heeren, die in der Zeit des Investiturstreits unter Adler-Feldzeichen gegen die päpstlichen Anhänger in die Schlacht zogen. Die antike Tradition des Adlerzeichens für das Kaisertum war also wieder aufgenommen.

Unter den Staufern setzte sich der Adler als Reichssymbol endgültig durch. Günstigeres Klima, Bevölkerungswachstum und technischer Fortschritt in Verbindung mit einer Blüte des Bergbaus sowie die dadurch bedingte Geldmengenausweitung verursachten einen erheblichen Aufschwung des Handels und der Stadtwirtschaft im 12. und 13. Jahrhundert. Diese Entwicklung bildete die wirtschaftliche Grundlage für die glänzende Kultur unter der Herrschaft der Staufer. Das Aufblühen der Kunst und Kultur beruhte unter anderem auf einer verstärkten Auseinandersetzung mit der Vergangenheit, besonders mit der Antike. Man spricht deshalb von der staufischen Renaissance.

Gleich mehrfach ist überliefert, daß die Heere der staufischen Herrscher wie einstmals die des Saliers Heinrich IV. unter Adlerfeldzeichen kämpften. Gerade Friedrich I. Barbarossa (1152-1189) scheint den Adler zu dem Zeichen des römisch-deutschen Kaisertums gemacht zu haben, was insbesondere auch in dem aufkommenden Wappenwesen deutlich hervortrat. Zunächst bestand das Reichswappen aus einem goldenen Adler, später im 13. Jahrhundert aus einem schwarzen Adler auf goldenem Grund. Sehr viele unmittelbare Königsvasallen, wie Herzöge, Mark- und Pfalzgrafen, führten auf ihren Reitersiegeln in der zweiten Hälfte des 12. Jahrhunderts einen Adlerschild als Zeichen für ihre furstliche Stellung und ihr königlich autorisiertes Amt oder Lehen. Erst später, im 13. Jahrhundert, als es nicht mehr so attraktiv war, seine Königsnähe zu demonstrieren, wählte der Großteil dieser Fürsten eigene Wappentiere in Abgrenzung zum königlichen Adler. Königs- und Reichslandstädte führten als Zeichen für ihre reichsunmittelbare Stellung ebenfalls ein Adlersiegel oder -wappen. Auch auf Münzen wie denen der königlichen Münzstätte und Reichsstadt Rottweil erscheint daher der Adler (Abb.15). Im Gegensatz zum Großteil der Fürsten, die ihr Adlerzeichen bald wieder ablegten, hielten die Städte an ihrem Adlerwappen stets fest, da sie im Gegensatz zu den Fürsten und Herren noch lange an das Königtum gebunden blieben.

Eine Fülle von Adlern auf Münzen und anderen Denkmälern erscheint in der Zeit Friedrichs II. (dt. König 1215-1250), weshalb die Staufer bald als genus aquile, als "Geschlecht des Adlers" bezeichnet wurden. Schon sein Vater, Heinrich VI., der das normannische Königreich in Süditalien und Sizilien erobert hatte, hatte in Absetzung gegen den normannischen Löwen Denare mit Adler und Kreuz prägen lassen (Abb.16). Die stilisierte und heraldisch-unnatürliche Form der Adler, die sowohl von byzantinischen Vorbildern als auch von islamischen Vorlagen wie Stoffen herrühren kann, scheint sich in dieser Zeit gegenüber der natürlichen Form für Münzen und Siegel allmählich durchgesetzt zu haben. Friedrich II., der sich mehr in Süditalien und Sizilien aufhielt als im Deutschen Reich, setzte die väterliche Münzprägung fort und ließ infolge von mehreren Münzverrufungen verschiedene Adler-Denare in den Prägeorten Brindisi und Messina prägen. Die königlichen Münzstätten in Deutschland, die auch zu häufigeren Bildwechseln für die regelmäßigen Verrufungen gezwungen waren, gebrauchten das Adlermotiv teils mit einer solchen Selbstverständlichkeit, daß nach Art der sogenannten staufischen Spätromanik bezugreich mit dem Motiv gespielt werden konnte. So erscheint die bekrönte Herrscherbüste auf Ulmer Brakteaten um 1240 mit Adlerflügeln, so daß der Kaiser selbst zum Adler wurde (Abb.17). Auf Nürnberger Pfennigen derselben Zeitstellung wird nicht nur ein bekröntes Porträt des Kaisers mit Lilienzepter und einem Jagdfalken nach islamischem Vorbild wiedergegeben, sondern die Rückseite derselben Münze trägt auch einen heraldischen Adler (Abb.18). Aus dieser Adlerdarstellung wurde jedoch ein Vexierbild aus König und Adler, da er einen bekrönten menschlichen Kopf trägt und an den Enden seiner Flügel in Adlerköpfen ausläuft.

Ein Meisterwerk staufischer Münzglyptik stellen die seit 1231 geprägten, süditalienischen Augustalen dar (Abb.19). Sie zeigen Friedrich II. wie einen römischen Kaiser und demonstrieren mit der gezielten Auswahl der Vorlagen eine beachtliche Kenntnis antiker Kunstwerke. Das Porträt weist durchaus Anklänge an das Augustus-Porträt auf, und der "natürliche" Adler der Rückseite ist gewissermaßen eine Kreuzung aus antiochenischen Münzen der Kaiserzeit (Abb.6) mit romanischen Darstellungen des Johannes-Adlers. Die ungeheure Wirkung dieses Adlerbilds läßt sich auch an Nachahmungen ablesen, zumal wenn sie auf Münzen eines überzeugten antistaufischen Kirchenfürsten wie dem Patriarchen Gregorio di Montelongo von Aquileia zu finden ist. Hier ist der Adler allerdings nur als redendes Bild für die Prägestätte Aquileia zu interpretieren (Abb.20). Gleichwohl stellen die Augustalen nicht den Höhepunkt der staufischen Adler-Bilder dar, da die gleichzeitigen staufischen Gemmen noch aufwendigere und vor allem "modernere", antikische Darstellungen boten. Meist markiert die Verwendung des "Stauferadlers" in Italien eine politische Parteinahme im Kampf der letzten Staufer gegen das Papsttum und seine Verbündeten sowie in den zahlreichen Auseinandersetzungen zwischen' (prostaufisch waiblingischen) ghibellinischen und (pro-päpstlich welfischen) guelfischen Städten. Die Städte Pisa und Siena waren seit den Tagen Friedrich Barbarossas treue Anhänger staufischer Herrschaft in Italien und trugen dies auch noch Adler-Kameo, staufisch, um 1250, Zeit der Staufer, Nr. 880. nach dem Tod Friedrichs II. (1250) durch den Gebrauch des stolzen kaiserlichen Adlers auf ihren Münzen ostentativ zur Schau. Auch die aragonesischen Münzen Siziliens demonstrieren mit dem Gebrauch des staufischen Adlers ihre ghibellinische Position gegen den papsttreuen König Karl von Anjou, den Peter von Aragon, der Gemahl der Stauferin Konstanie, 1282 infolge der Sizilianischen Vesper von der Insel vertrieben hatte (Abb.21).

Im deutschen Reich markierten die Wirren nach dem Tod Friedrichs II. und das praktisch herrscherlose sogenannte Interregnum eine starke Zäsur für das Königtum. Erst Rudolf von Habsburg (1273-1291) versuchte, die königliche Macht wieder zu stärken und knüpfte gezielt an spätstaufische Politik und Symbolik an. Auch wenn er in seinem großen Majestätssiegel wie seine Vorgänger ein Thronporträt mit Lilienzepter führte, so wählte er doch als Motiv für das persönliche Sekret- oder Gegensiegel den Adler als Bild. Die leider meist unscheinbaren Münzen der Hellerzeit unter König Rudolf sind dagegen weniger für ikonographische Betrachtungen geeignet. Unter den Nachfolgern Rudolfs von Habsburg erschienen bald ostentativ Adler auf den Majestätssiegeln. Der inzwischen längst als transpersonales Reichswappen allgemein anerkannte Adler ist dann erst auf den ansprechenderen Münzen der Groschenzeit wieder verstärkt zu finden, also erst im Laufe des 14. Jahrhunderts. Ein besonders prächtiges Beispiel hierfür sind die luxemburgischen Groschen König Wenzels (1378-1400/19), die auf der einen Seite eine Krone über dem luxemburgischen Schild, auf der anderen aber den Reichsadler zeigen (Abb.22).

Im Spätmittelalter war nicht nur der Adler als Reichsemblem fest etabliert, sondern auch "sein Bruder", der Doppeladler, kam zunehmend in Gebrauch. Ursprünglich stammt das Motiv aus dem Orient, wo der Doppeladler über eine inzwischen jahrtausendealte Tradition verfügte (vgl. Abb.1). Im islamischen Bereich war er besonders beliebt, speziell in Persien, zumal auch diese geometrisierte und floral anmutende Form dem islamischen Bilderverbot entgegenkam, auch wenn das Bilderverbot nie vollständig befolgt wurde. Gerade in Mesopotamien gab es seit dem späteren 12. Jahrhundert Kupfermünzen mit dem Doppeladler (Abb.23). Vermittelt durch persische Stoffe bzw. über die vom Osten angeregten byzantinischen Seidenstoffe, war der Doppeladler schon um 1100 im Abendland bekannt. Seit Ende des 12. Jahrhunderts ist er auf Siegeln und Münzen von Reichsstädten nachweisbar: unter Einfluß der staufischen Reichssymbolik und wohl in Abgrenzung zu den Fürsten, die den einfachen Adler im Wappen führten. Nach sporadischen Belegen im späteren 13. Jahrhundert setzte sich im Laufe des 14. Jahrhunderts allmählich der Doppeladler als Reichsemblem durch. Die endgültige Interpretation des Symbols schuf König Sigismund (1411-1437). Er führte als Reichsvikar, also als eine Art Reichsbeamter, den Doppeladler, dann als König den einfachen und schließlich seit seiner Kaiserkrönung 1433 wieder den Doppeladler in seinen Siegeln. Als Zeichen für die Heiligkeit des Reichs wurden die Köpfe des Reichsadlers zudem nimbiert. Als Königswappen diente stets der einfache Adler. So war der nimbierte Doppeladler als Reichs- und Kaiserwappen bereits voll ausgebildet, als mit Albrecht II. und bald darauf Friedrich III. (1440-1493) die Habsburger wieder an die Herrschaft gelangten, diesmal fast ohne Unterbrechung bis ans Ende des alten Reichs 1806. In der Folge veränderte sich der Reichsadler nur noch geringfügig. Insbesondere wurde je nach dem dynastischen Zweig der habsburgischen Prägeherrn und dem jeweiligen Münzstand der Adler mit dem entsprechenden Schild belegt (Abb.24 und 25). Auch die Reichsstädte, die weiterhin am Adler bzw. Doppeladler als Wappen festhielten, belegten diese mit individuellen, häufig redenden Wappenschilden, um sich voneinander zu unterscheiden. Daneben sorgten die Reichsmünzordnungen des 16. Jahrhunderts dafür, daß eine Unzahl von Silbermünzen den Reichsadler trugen, um anzuzeigen, daß sie gemäß der jeweiligen Reichsmünzordnung geprägt worden waren (Abb.26).

Als unter dem Druck der napoleonischen Heere das alte Reich mit der Niederlegung der Krone durch Franz II. 1806 sein Ende fand, wurde der Doppeladler von den Habsburgern für das kurz zuvor neu begründete Kaiserreich Österreich mit nur wenigen Änderungen übernommen (Abb.27). Die Nimben verschwanden und wurden von kleinen Kronen auf den Adlerköpfen ersetzt; auch der Schild erhielt eine feste, zweifach gespaltene Form mit dem habsburgischen Löwen, dem Bindenschild und dem lothringischen Wappen. Ferner wurde die rein heraldische und nicht realistische Kaiserkrone durch die habsburgische Hauskrone Rudolfs II. ersetzt. Erst die Revolution und die Auflösung der Donaumonarchie brachten Österreich 1919 einen neuen, einfachen Adler mit Mauerkrone, Hammer und Sichel (Abb.27a).

Nach dem Zwischenspiel eines gleichfalls säkularisierten, schmucklosen Doppeladlers für den 1815 begründeten Deutschen Bund der souveränen deutschen Staaten, der erst 1846 eingeführt und hauptsächlich nur im Zusammenhang mit der Revolution 1848/49 gezeigt wurde, machte der preußische Adler Karriere. Dieser Adler rührte ursprünglich von der Belehnung des Deutschen Ordens mit dem Kulmer Land her, was im Jahr 1226 von Friedrich II. vorgenommen bzw. bestätigt wurde. Dadurch wurde der Hochmeister Hermann von Salza in den Rang eines Reichsfürsten erhoben. Durch Missionierung und Eroberung erweiterte der Deutsche Orden bald dieses Fürstentum und legte somit die Grundlage für das spätere Herzogtum Preußen. Der Adlerschild ist allerdings erst seit 1310 nachweisbar, also unmittelbar nach der Verlegung des Hauptsitzes des Ordens vom 1291 eroberten Akkon im Heiligen Land auf die Marienburg, und er wurde als Herzschild auf den geistlichen Kreuzschild gelegt. Mit der Säkularisierung und Umwandlung in ein weltliches Herzogtum 1525 dominierte nunmehr der Adler, der mit der Erhebung Preußens zum Königreich (1701) seine für lange Zeit gültige Form erhielt (Abb.28). Als 1871 in Versailles das zweite Deutsche Kaiserreich unter der Führung Preußens ausgerufen wurde, schuf man - um sich vom österreichischen Doppeladler und dem revolutionären Bundesadler abzugrenzen - ein einköpfiges Adlerwappen, das mit einem preußisch-hohenzollerischen Schild belegt und von einer imaginären Reichskrone bekrönt wurde (Abb.29). Auch im Deutschen Reich beraubte die Revolution von 1918 den Adler all seiner Insignien. Bei der Gründung der Bundesrepublik Deutschland griff man dann wieder auf den schmucklosen Adler der Weimarer Republik zurück, wie er 1922 von Sigmund von Weech (Dienstsiegel, wie Rs. der 2-DM-Stücke) und 1927 von Tobias Schwab entworfen wurde (Wappen). Nur anläßlich von Typenwechseln der Kursmünzen sowie auf den Gedenkmünzen versuchte man, den Bundesadler - mit mehr oder weniger Erfolg - in eine zeitgemäße Form zu bringen (Abb.30). Auch in unseren Tagen dient eine monetäre Umwälzung wie die Schaffung des Euros als Gelegenheit, den Bundesadler wieder einmal zu "aktualisieren".

Literatur:
• Bastien, Pierre: le buste monetaire des empereurs romains, 3 vols., Wetteren 1992-1994.
• Deer, Josef: Adler aus der Zeit Friedrichs II, VICTRIX AQUILA, in: Schramm, Percy Ernst: Kaiser Friedrichs II. Herrschaftszeichen (Abhandlungen der Akademie der Wissenschaften in Göttingen, Phil,-Histor Kl, III, 36), Göttingen 1955, S.88-124.
• Dorigny, Sorlin: s. v. Sceptrum, in: Ch. Doremberg/E. Sagllo: Dictionnaire des Antiquites grecques et romaines, vol. lV, 2.
• Gritzner, Erich: Symbole und Wappen des alten Deutschen Reiches (Leipziger Sudien aus dem Gebiet der Geschichte, VIII, 3). Leipzig, 1902.
• Korn, Johannes Enno: Adler und Doppeladler. Ein Zeichen im Wandel der Geschichte, Diss, phil. Göttingen, 1962, Der Herold NF 5 (1963), S.113.124, 149-153, 181-91, 217-226; NF 6(1968), S.299-306, 334-344, 361-369, 421-430,441-453, 481-495
• Nau, Elisabeth: Staufer-Adler, Jahrbuch der Staatlichen Kunstsammlungen 5 (1968), S.21-56.
• Schulten, Peter N.: Die Typologie der römischen Konsekrationsprögungen, Frankfurt/M., 1979.
• Wehrhahn-Stauch, L.: s. v. Adler, Lexikon der christlichen Ikonographie 1 (1968), Sp.70-76.

Abbildungen:
Siglen: BM British Museum London; BMC British Museum Catalogue; FINT Forschungsstelle für islamische Numismatik TÜbingen; IfGL Institut für Geschichtliche Landeskunde und Historische Hilfswissenschaften Tübingen; MEC Medieval Europeon Coinage; Priv. Slg. Privatsammlung; RRC Crawford, Roman Republican Coinage; SMM Staatliche Museen München; SNG Sylloge Nummorum Graecorum
hier teilweise ersetzt durch Abbildungen aus Münzauktionen.

Fußnoten:
• 1) Landesausstellung ßaden-Würltemberg: Vorderösterreich - nur die Schwanzfeder des Kaiseradlers? Die Hobsburger im deutschen Südwesten, Zehntscheuer Ronenburg om Neckar (20 Februar - 24 Mai 1999), nicht zuletzt auch mit numismatischen Objekten.
• 2) Zur Frühzeit wie auch insgesamt am umfossendsten behandelt bei Korn, J. E. Adler und Doppelodler, Ein Zeichen im Wandel der Geschichte, Der Herold NF 5 (1963) und NF 6 (1968); gleichfalls grundlegend Gritzner, Erich: Symbole und Wappen des alten Deutschen Reiches, Leipzig, 1902.
• 3) Kluge, Deutsche Münzgeschichle von der späten Karolingerzeit bis zum Ende der Salier, Sigmaringen, 1991, Nr.18.

Siehe auch:
Die Rolle des Adlers auf Münzen und Medaillen von Johannes Nollé [PDF bei Künker]


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