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Devisen und Embleme als Münzbilder
Hans Herrli
MünzenRevue (1990) 242-247 & 354-358


"Es erschien aber eine Zeit in der Welt, wo ein grosser Haufe der Gelehrten gleichsam zur Ausrottung des guten Geschmackes sich mit einer wahrhaften Raserey empörete. Sie fanden in dem, was Natur heisst, nichts als kindische Einfalt, und man hielt sich verbunden; dieselbe witziger zu machen. Junge und Alte fingen an Devisen und Sinnbilder zu malen, nicht allein für Künstler, sondern auch für Weltweise und Gottesgelehrte, und es konnte kaum ferner ein Gruss, ohne ein Emblema anzubringen, bestellet werden. Man suchte dergleichen lehrreicher zu machen durch eine Umschrift desjenigen, was sie bedeuteten, und was sie nicht bedeuteten. Dieses sind die Schätze, nach denen man itzo noch gräbt."
Diese Sätze schrieb J. J. Winckelmann in seinen 1756 erschienenen "Gedanken von der Nachahmung der griechischen Werke in der Malerey und Bildhauerkunst." Die Kritik des Ausgräbers von Herculaneum und Begründers der vergleichenden Kunstwissenschaft an Devisen und Emblemen richtet sich gegen zwei Kunstformen, die zwar um die Mitte des 18. Jahrhunderts noch weit verbreitet waren, deren eigentliche Blütezeit aber bereits in die Zeiten der Renaissance und des Barocks fiel.
Zusammen mit den Allegorien gehören Devisen und Embleme zu den symbolischen Darstellungsweisen, in denen abstrakte Ideen durch Bilder ausgedrückt werden. Da abstrakte Vorstellungen in der Natur keine sichtbaren Entsprechungen besitzen, bedingt ihre bildliche Darstellung, wenn sie weiteren Kreisen verständlich sein soll, gewisse Konventionen, in welchen die Bedeutung der einzelnen Bilder oder Symbole festgelegt wird. Geht die Kenntnis dieser Konventionen verloren, läßt sich die Botschaft einer symbolischen Darstellung gewöhnlich nicht mehr entziffern. In dieser Lage befinden wir uns beim Studium zahlreicher antiker Münzbilder. Wie einige Beispiele zeigen werden, sind aber auch viele symbolische Münzbilder, die erst in der Neuzeit entstanden, bereits nicht mehr ohne weiteres verständlich.
In der Praxis lassen sich Allegorien, Devisen (die auch Impresen genannt werden) und Embleme nicht immer klar auseinanderhalten. Die nachfolgenden Definitionen beziehen sich daher jeweils auf ihre Idealformen und ihre Erscheinungsweisen in Münzbildern.
In der Allegorie werden abstrakte Begriffe personifiziert, z. B. Recht und Gerechtigkeit als Justitia oder Deutschland als Germania. Personifikationen müssen aber nicht unbedingt in menschlicher Gestalt erscheinen. So kann ein Staat auch durch sein Wappentier symbolisiert werden. Da alle Personifikationen zu Handlungen befähigt sind, können, wenn mehrere davon in einer bildlichen Szene zusammenwirken, selbst recht komplizierte Beziehungen und Sachverhalte allegorisch dargestellt werden.
Allegorien waren die bevorzugte symbolische Darstellungsweise auf Münzen der römischen Kaiserzeit, sie spielten aber später in Europa auf Münzen, im Gegensatz zu Medaillen, nur noch eine verhältnismäßig unbedeutende Rolle.
Devisen sind charakterisiert durch eine Verbindung von Wort (Motto oder Lemma) und Bild, wobei sich der Sinn der Devise erst aus den beidem Elementen gemeinsam erschließen läßt. Paulus Jovius (1483-1552), Bischof von Nocera, stellte in seinem "Dialogo dell'lmprese militare ed amorose" unter anderem folgende Regeln für eine gute Devise auf:
- Seele (Motto) und Körper (Bild) sollen zueinander im rechten Verhältnis stehen. Dies bedeutet, daß Kombinationen, in denen Wort und Bild je für sich ungefähr die gleiche Aussage machen, wo also das Bild nur eine Illustration der Legende ist, keine echten Devisen darstellen.
Dies gilt auch für Legenden, in weichen einzelne Wörter in der Art eines Bilderrätsels, eines Rebus, durch Bilder ersetzt sind. (Eine größere Zahl solcher Pseudo-Devisen verfertigte Leonardo da Vinci in italienischer Sprache.) Das folgende Beispiel zeigt eine Devise, bei welcher der ganze Sinninhalt bereits im Motto zu finden ist. Das Bild ist zwar allein nicht ohne weiteres verständlich, enthält aber auch keine zusätzliche Information:

Abtei Hersfeld, Wilhelm von Hessen (1617-1637): 1/2 Taler 1621
Auf Rückseite Auge auf Schwurhand
Das Motto "FIDE SED CUI VIDE" entspricht sinngemäß dem deutschen "Trau schau wem".
- Die Devise soll nicht so dunkel sein, daß zu ihrer Erklärung eine Sybille erforderlich ist, aber auch nicht so einfach, daß sie jeder Plebejer versteht. Hier wird einerseits der Bildungsstolz des Humanisten erkennbar, andererseits aber auch ein Punkt, in dem sich die Devise von der Allegorie und dem Emblem unterscheidet. Diese bei den Formen der symbolischen Darstellung sind nicht aus sich selber deutbar und erfordern grundsätzlich zu ihrem Verständnis eine Erklärung, wobei diese natürlich bei häufigem Auftreten nicht unbedingt immer wiederholt, sondern als bekannt vorausgesetzt wird. Eine Devise muß dagegen alle Elemente in sich enthalten, die ein ausreichend gebildeter und scharfsinniger Betrachter zu ihrer Entschlüsselung benötigt.
- Die Devise soll keine Personifikationen enthalten, eine Vorschrift, die in späterer Zeit nicht streng beachtet wurde.
- Das Motto soll knapp gehalten und in einer fremden Sprache abgefaßt sein.
Devisen verbreiteten sich seit dem 14. Jahrhundert in Europa, zuerst beim Adel, später auch bei Gelehrten und Künstlern. Zuletzt war die Devise einfach nur noch eine Kunstform, die gewissen formalen Regeln folgte, die aber inhaltlich auf jedes beliebige Gebiet anwendbar war. Frühe Devisen waren jedoch meist personenbezogen und ergaben aufgelöst gewöhnlich einen Wahlspruch mit programmatischem Charakter. Vorbild war hier wahrscheinlich oft die sogenannte Devise Konstantins des Großen:
HOC SIGNO VICTOR ERIS
Von dieser Devise existieren verschiedene lateinische und griechische Varianten. In der angegebenen Form erscheint sie auf mittelalterlichen portugiesischen Prägungen. Bereits byzantinische Münzen zeigen aber auch andere, christliche Devisen, die statt einem Bild jeweils ein Kreuz tragen:

Mauritius Tiberius (582-602)

LUX + MUNDI
Tiberius Constantius (578-582)

Das griechische Wort "emblema" bezeichnete ursprünglich einen Mosaikstein, später auch den metallenen Zierat, wie er hauptsächlich an Möbeln verwendet wurde. Weiteste Verbreitung fand der Ausdruck in Europa aber erst durch das "Emblematum liber" des Andrea Alciati, das 1531 in Augsburg mit Holzschnitten nach Zeichnungen von Jörg Breu und einer Widmung an den Gelehrten, Stadtschreiber und kaiserlichen Rat Konrad Peutinger erschien. Diese erste Emblemsammlung war vom Verfasser eigentlich als kunstgewerbliches Musterbuch gedacht, wurde aber zu einem Hausbuch und Bestseller, der über 150 Auflagen erlebte und in den nächsten zwei Jahrhunderten zahllose Nachahmer fand. Die Embleme Alciatis sind dreiteilig aufgebaut und bestehen aus einer Überschrift (Motto, Lemma, Inscriptio), oft einem Klassikerzitat, einem Bilde (Ikon, Imago, Symbolon) und einer Bilderklärung (Subscriptio), für die gerne die Form eines Epigramms gewählt wurde. Nach den strengsten Regeln durfte das Bild nur eine in der Wirklichkeit mögliche, eine natürliche Szene darstellen. Personifikationen abstrakter Begriffe, das Kennzeichen der Allegorie, waren verpönt, doch setzte man meist die Angaben allgemein anerkannter Autoritäten, der Bibel und antiker Schriftsteller, der eigenen Naturbeobachtung gleich, selbst wenn deren Aussagen erkennbar in das Reich der Fabel gehörten. Winckelmann formulierte seine Kritik an den Emblemen aus dem Kunstverständnis seiner Zeit und seiner eigenen Bewunderung der "edlen Einfalt" griechischer Kunstwerke. Etwas differenzierter urteilte Herder, der die jüngere Vergangenheit deutlicher in ihren historischen Zusammenhängen sah. Er verlangte aber von einem Kunstwerk die Veranschaulichung eines geschlossenen Ganzen und vermißte darum in den Emblemen mit ihren "geheimen Winken", die "große, offene Poesie". Am klarsten äußerte sich vielleicht Goethe, dem allerdings die Einsicht in das wahre Wesen der Embleme völlig fehlte. Er bezeichnete die zeichnerisch-literarische Mischform schlichtweg als Zeugnis künstlerischer Dekadenz.
In Wirklichkeit haben aber Embleme ihre Grundlage weder in gelehrten Spielereien der Humanisten, noch in einer Mißachtung der vollkommenen Natur, sondern in einer Weltschau, welche bis tief in die Antike zurückreicht und die das europäische Verständnis sowohl der realen Umwelt des Menschen wie auch der Kunst bis zum Ende des Barocks entscheidend prägte.
Im 11. Jahrhundert dichtete Alanus ab Insulis:

"Omnis munda creatura, Quasi liber, et pictura Nobis est, et speculum"
(Jedes irdische Wesen ist uns gleichsam Beschreibung, Abbild und Spiegel unserer selbst.)

Theologisch faßte diese Gedanken der einflußreiche Abt Suger von St. Denis (1081-1151), der in der Mitte des 12. Jahrhunderts auch als französischer Regent amtete. Nach ihm ist die weltliche Erfahrung wertvoll als Weg zur Wahrnehmung und Erkenntnis Gottes, der in der sinnlichen Welt, seiner Emanation, für den Menschen erfahrbar ist. Das Verständnis der Welt, ihrer ethischen und religiösen Aussagen, die verborgen hinter ihren sichtbaren Symbolen, den realen Erscheinungen stehen, ist das Mittel zur Rückkehr zu Gott. Die universale, symbolische Ausdeutung der Welt eröffnet dem Menschen eine Brücke über die Kluft zwischen Geist und Materie.
Für die Verbreitupg dieser Weltanschauung in der Bevölkerung sorgte die Kirche, für die sie keineswegs neu war. Bereits in vorchristlicher Zeit kannten die Juden die Interpretation des Wortes Gottes, des Alten Testamentes, in einem wörtlichen und in einem symbolischen Sinne. Noch heute wird in kommentierten Bibelausgaben dem Hohelied Salomos, einem der großen Liebesgedichte der Weltliteratur, fast Wort für Wort ein verborgener, historisch-religiöser Sinn unterlegt, der auf die entsprechenden Deutungen jüdischer Gelehrter zurückgeht.
Aufbauend auf den Werken des Kirchenvaters Origenes entwickelten die Bibelexegeten der mittelalterlichen Scholastik sogar eine Lehre vom vierfachen Sinn der Heiligen Schrift. Sie unterschieden zwischen einem buchstäblichen oder historischen und einem spirituellen Sinn, der seinerseits wieder in einen symbolisch-allegorischen, einen moralischen und einen anagogisch-heilsgeschichtlichen aufgeteilt wurde. Unter ähnlichen Gesichtspunkten studierte und deutete man auch die antiken Dichter und Philosophen, deren Werke ein wichtiger Bestandteil der Klosterbibliotheken bildeten. Die Prediger, die hauptsächlich die Beziehungen zwischen dem buchstäblichen, dem allegorischen und dem moralischen SilJn der Bibel herausstellten, machten seit dem Mittelalter weite Volkskreise so mit der theologischen Denkweise vertraut, daß der europäische Mensch bis zum Ende des Barockzeitalters hinter der sichtbaren Wirklichkeit ganz selbstverständlich ein Gewebe von zwar verborgenen, aber doch entzifferbaren Bedeutungen sah.
Diese verdeckten Sinnbezüge aufzuzeigen und ihren Sinn zu erläutern war die Aufgabe des Emblems. Weil allem, was real existiert oder auch nur existieren könnte, Symbolcharakter zukommt, waren die Grenzen der Emblematik außerordentlich weitgesteckt. So erklärte Bohuslaus Balbinus, ein Theoretiker dieser Darstellungsform, in seinen 1687 verfaßten "Verisimila": "Nulla res est sub Sole quae materiam Emblemati dare non possit". (Es gibt keine Sache unter der Sonne, die nicht den Vorwurf zu einem Emblem abgeben könnte.) Die symbolisch gedeutete Welt läßt sich aber der realen nicht einfach in der Art eines Spiegelbildes eindeutig zuordnen. Sie ist unendlich vielschichtig, weil jeder Bestandteil der Wirklichkeit beliebig viele, sich oft überschneidende symbolische Interpretationen zuläßt. Aus diesem Grunde benötigt das Bild eines Emblems eigentlich immer eine Erklärung, die es im Sinne des Verfassers ausdeutet. Viele Embleme wurden im Laufe der Zeit aber so bekannt, daß der Sinn des Bildes den meisten Betrachtern auch ohne diese schriftliche Erläuterungen klar war. Wo, wie auf Münzen, der Raum knapp war, konnte man in solchen Fällen auf die Subscriptio verzichten, ohne damit die Verständlichkeit wesentlich zu mindern.
Embleme, die nur noch aus dem Bilde und dem Motto bestehen, unterscheiden sich formal nicht mehr von einer Devise. Anders als diese läßt sich aber das verkürzte Emblem nicht aus sich selbst entschlüsseln. Das Motto gibt dem Betrachter gewöhnlich nur einen stichwortartigen Hinweis, der diesem erlaubt, aus der Vielfalt der möglichen Deutungen die richtige auszuwählen. Stillschweigend wird aber vorausgesetzt, daß dem Betrachter der Inhalt der weggelassenen Subscriptio geläufig ist.
Als weitere Vereinfachung konnte schließlich auch noch das Motto weggelassen werden. In diesem Falle setzte die richtige Deutung beim Betrachter eine große Vertrautheit mit vielen Emblemen und einen beträchtlichen Vorrat an Emblemen, die konventionell in einer bestimmten festen Weise interpretiert wurden, voraus. Oft war aber die mögliche Vieldeutigkeit Absicht und dazu bestimmt, den Betrachter zu eigenem Nachdenken anzuregen. Zahllose Bilder aus dem Mittelalter, der Renaissance und dem Barock wurden von ihren Schöpfern ganz bewußt emblematisch angelegt. Der heutige Betrachter erkennt in diesen Werken meist nur noch das, was dem Auge sichtbar ist. Der verborgene Sinn, der dem Maler und seinen Zeitgenossen nicht selten wichtiger war, bleibt unerkannt. Selbst einem Kenner der Emblematik erschließt sich der symbolische Sinn komplizierterer Darstellungen oft nur unvollständig, weil auch er nicht mehr in einer Zeit lebt, in der man emblematisch denkt und täglich von einer Vielzahl emblematischer Darstellungen umgeben ist. Vor allem die Allgegenwart der Emblematik im Barock, der zu Recht auch als emblematisches Zeitalter bezeichnet wird, ist für uns nur schwer vorstellbar. Emblematische Bilder waren damals durchaus nicht auf die Wand-Tafelmalereien in Kirchen und Profanbauten beschränkt. Man findet sie ebenso in der Graphik, auf Münzen und Medaillen, Majolikateilern und Fliesen, in Theaterdekorationen und als Möbelschmuck, in Exlibris, auf Spielkarten und sogar auf Schießscheiben.
Die Emblematik als Ausdruck einer bestimmten Weltanschauung ist nicht an die bildende Kunst gebunden. In emblematischen Darstellungen läßt sich das zeichnerisch oder malerisch gestaltete Bild auch durch die bildhafte Sprache ersetzen, so daß Gracián sagen konnte: "Emblemata sind die kostbaren Edelsteine in der goldenen Fassung der kunstvollen Rede." Dieses Ausdrucks- und Stilmittels bedienten sich denn auch unzählige Verfasser von barocken Reden und Predigten, Dramen und Romanen, Gedichten und sogar Lehrbüchern aller Art. Heute erweist sich die emblematische Überfrachtung der Texte, die einst als Kennzeichen eines gehobenen Schreibstiles galt, als schwer zu überwindendes Hindernis auf dem Wege zum Verständnis der Barockliteratur.

Eine stark verkürzte Form von Sprachemblemen findet sich auf barocken Spruchmünzen. Dabei erscheinen Legenden, die eine bestimmte Aussage machen und gleichzeitig einen mehr oder weniger versteckten Hinweis auf einen vollständigererl oder sogar völlig verschiedenen Text geben, der die Münzlegende in einem anderen Licht zeigt. Beliebt waren Bruchstücke von Zitaten aus der Bibel oder antiken Schriftstellern, die den Kenner der Literatur auf längere Textstellen hinweisen. Dabei zeigt es sich dann oft, daß die Münzlegenden im ursprünglichen Zusammenhang etwas ganz anderes bedeuten als in ihrer bruchstückhaften Form.
In vielen Emblemsammlungen und auf fast allen emblematischen Münzen sind die Texte in Latein, der früheren Verkehrssprache der Gebildeten, abgefaßt. Weil sich die möglichen Bedeutungen deutscher und lateinischer Wörter nur in Ausnahmefällen genau decken, ist eine sinngemäße Übersetzung nur dann möglich, wenn der Übersetzer das Emblem richtig verstanden hat. Erschwert wird seine Arbeit noch durch den Umstand, daß Embleme in verkürzter Form, wie sie auf Münzen üblich sind, an sich schon häufig mehrdeutig sind. Es kann daher kaum verwundern, daß unscharfe bis völlig falsche Übersetzungen emblematischer Legenden in der numismatischen Literatur weit verbreitet sind. Einige solche Beispiele werden später bei der Besprechung einzelner Münzen erwähnt. Sie stammen hauptsächlich aus den 1974 in Braunschweig erschienenen "Auflösungen lateinischer Legenden auf Münzen und Medaillen" von Alexander Wenzel. Mit dieser eher zufälligen Auswahl möchte ich aber ausdrücklich nicht einen bestimmten Autor, der gewöhnliche Münzlegenden einwandfrei übersetzte, kritisch herausheben. Eine ganze Reihe von anderen Übersetzern hatte mit den emblematischen Legenden, deren Sinn sie nicht durchschauten, kaum mehr Glück.
Münzen mit Devisen und emblematischen Darstellungen entstanden vielerorts in Europa. Nirgends sind sie aber so häufig und in ihrer Gestaltung so vielfältig wie im Kirchenstaat, von wo der Großteil unserer Beispiele stammt.

Wegen der besonderen Stellung der Päpste unterschied sich das Münzwesen des Kirchenstaates seit dem 17. Jahrhundert in einigen Punkten wesentlich von demjenigen anderer europäischer Länder. Als weltlicher Landesherr herrschte der Papst in Italien über ein Gebiet, das verhältnismäßig klein und weder wirtschaftlich noch als Machtbasis von größerer Bedeutung war. Gleichzeitig übte der Papst aber als geistliches Oberhaupt der katholischen Christen, absoluter Herr über eine große Teile der Welt umspannende Kirchenorganisation und moralische Autorität, einen Einfluß aus, der oft demjenigen politischer Großmächte gleichkam. Nach Rom strömten Jahr für Jahr zahllose Besucher, Kleriker und Pilger, Diplomaten und Bildungsreisende .aus allen Ländern Europas. Diesen Umstand nützten die Päpste ganz bewußt aus, um durch ihre Münzen ihre Leistungen, aber auch ihre politischen und moralischen Anliegen außerhalb des Kirchenstaates bekannt zu machen. Während die Kupfermünzen der Päpste in ihrer Gestaltung immer für den lokalen Umlauf im Kirchenstaat bestimmt waren, gilt dies für Edelmetallmünzen seit dem 17. Jahrhundert nicht mehr. Dank der Beschäftigung der besten Stempelschneider der Zeit und besonderer Sorgfalt bei der Prägung erhielten viele päpstliche Münzen eine medaillenähnliche Qualität, was ihnen eine weite Verbreitung durch die Rombesucher sicherte.
(Wie sich der Papst persönlich um die Themenwahl und die Gestaltung von Münzen und Medaillen kümmerte, beschreibt der Florentiner Goldschmied und zeitweilige päpstliche Stempelschneider Benvenuto Cellini in seinen von Goethe in die deutsche Sprache übertragenen Memoiren.)
Da man sich in Italien seit der Renaissance recht eingehend mit dem Sammeln und dem Studium antiker Münzen beschäftigte, waren dort am Anfang des 17. Jahrhunderts die üblichen römischen Münztypen schon gut bekannt. Dieses Wissen ermöglichte den Barockpäpsten, die sich auch ein wenig als Erben der römischen Kaiser fühlten, ihre Edelmetallprägungen in der Themenwahl und der Gestaltung an Vorbildern der frühen Kaiserzeit auszurichten. Es erschienen Münzen, die neuerrichtete oder wiederhergestellte Bauten zeigen, aber auch Typen, welche auf soziale Taten, wie die Sicherung der Getreideversorgung Roms, Bezug nehmen. Eine Besonderheit sind die seit Alexander VII. (1655 -1667) geprägten Spruchmünzen, die formal ebenfalls auf römische Münzen zurückgehen:

Caligula, Sesterz

Die päpstliche Münze läßt klar ein römisches Vorbild erkennen.
Ihre Legende "DEXTERA TUA DOMINE PERCUSSIT INIMICUM" (Deine Rechte, Herr, zerschmetterte den Feind) erinnert an die verlustreiche Niederlage der muslimischen Türken vor Wien im Jahre 1683.

Sowohl auf päpstlichen Bild- wie auf Spruchmünzen werden zwei Themenkreise, nämlich "Krieg und Frieden" und "Christ und Geld" bevorzugt, wenn auch nicht ausschließlich in emblematischer Form behandelt. In beiden Fällen sprachen wahrscheinlich spezielle Gründe für die Wahl der Emblematik. In den großen Kriegen, die Europa während dem 17. und großen Teilen des 18. Jahrhunderts fast ohne Unterbruch verwüsteten, bemühten sich die Päpste immer wieder, zwischen den kämpfenden Staaten zu vermitteln und Frieden zu stiften. Um diese Bemühungen nicht vornhinein zum Scheitern zu verurteilen, durften sie aber nicht Partei nehmen. Die Völker Europas erwarteten zwar eine Stellungnahme des Papstes, eine zu deutliche öffentliche Verurteilung der Kriege hätte jedoch den Einfluß des Vatikans bei den Beteiligten, zu denen regelmäßig auch die katholischen Großmächte gehörten, gefährden können. Aus diesem Dilemma boten Münzen mit einer emblematisch verschlüsselten Botschaft, die sich meist auf die Autorität der Bibel stützte, einen Ausweg. Hier konnte. hinter einer vordergründig eher allgemeinen Aussage ein recht scharfes Urteil versteckt sein, das zumindest den Gebildeten klar verständlich war.
Der richtige Gebrauch des Reichtums und damit auch des Geldes ist ein zentrales Anliegen der christlichen Ethik. Bis heute ist die Einstellung der katholischen Kirche zu dieser Frage weitgehend geprägt durch die Lehren der Kirchenväter, die ihrerseits die gängigen Ansichten antiker Philosophenschulen übernommen und dem christlichen Gedankengut angepaßt hatten. Zusammenfassend und etwas vereinfacht kann die christliche Haltung wie folgt umschrieben werden: Geld ist ein Geschenk Gottes, doch wird der Mensch nie wirklich zu seinem Besitzer, sondern er ist lediglich der Verwalter eines ihm anvertrauten Gutes. An sich ist Geld weder gut noch schlecht. Erst durch den Gebrauch, den der Mensch von ihm macht, wird es entweder zum Schlüssel des Tors zum Himmel und zum Seelenheil oder zum Pflaster auf dem Weg zur Hölle. Für den Christen gibt es nur eine gute Verwendung des Geldes, die Wohltätigkeit. Geldgier und die damit verbundene Anhäufung großer Beträge, der Luxus und der ungerechte Gewinn sind zu verurteilen. Viel Geld korrumpiert seinen Besitzer, für den als Christ der wahre Reichtum nur in der Lehre Christi und einem tugendhaften Leben bestehen kann.
Wenn auch die Päpste des 17. Jahrhunderts nicht mit den kaum von religiösen Skrupeln geplagten Renaissancepäpsten verglichen werden können, so entsprach doch auch ihre Lebensführung in Geldangelegenheiten keineswegs dem christlichen Ideal. Die immer wiederholten Anweisungen zum christlichen Gebrauch des Geldes auf päpstlichen Prägungen mußten daher unweigerlich zu Kritik und peinlichen Vergleichen herausfordern. Daß die moralisierenden Belehrungen trotzdem fortgesetzt wurden, muß Gründe gehabt haben, die wir nicht mehr klar zu erkennen vermögen. Ein Teil der Münzen war vielleicht im Zeichen der Gegenreformation gegen die Protestanten und speziell die Kalvinisten mit ihrer Lehre vom Reichtum als irdischer Auszeichnung der von Gott Erwählten gerichtet. Andere Stücke scheinen ihr Entstehen eher einer traditionell zu befolgenden Pflicht, als wirklicher Überzeugung zu verdanken. Entweder ist ihre Botschaft so verschlüsselt, daß sie selbst unter den Zeitgenossen nur wenigen verständlich sein konnte oder dann ist zwar vom Geld in der vordergründig sichtbaren, nicht aber in der umfassenderen, verborgenen Aussage die Rede. Eine der Wurzeln dieser päpstlichen Spruchmünzen liegt sicher in einem unbeabsichtigten Nebeneffekt zahlreicher Prägungen mit religiösen Motiven. Münzen mit üblicherweise sehr eindeutigen Sprüchen über das Geld kannte man schon seit einiger Zeit. So mahnt ein um 1500 entstandener deutscher Groschen: "DEUM PLUS AMA QUAM ARGENTUM" (Liebe Gott mehr als das Geld). Den scharfsinnigen und im Umgang mit Emblemen und Devisen erfahrenen Italienern entging aber nicht, daß man leicht auch in einer Reihe von Münzen mit religiösen Motiven einen versteckten, auf das Geld bezüglichen Sinn entdecken konnte. Dafür mußte man nur die Münze als Devise sehen, wobei die christliche Legende das Motto, die Münze selber aber den Ikon darstellte. Diese Idee war so naheliegend, daß später päpstliche Münzen bewußt so gestaltet wurden, daß man sich dieses Verfahren zu ihrer Entschlüsselung bedienen mußte. Viele religiöse Münzlegenden beziehen sich auf Christus, ohne diesen aber in Worten zu erwähnen. Wenn man in solchen Fällen Christus durch die Begriffe "Geld" oder "Reichtum" ersetzte, mußte der neue Sinn fast zwangsweise mehr oder weniger blasphemisch ausfallen. Dieser Umstand mochte zwar bei vielen Leuten das Vergnügen an dieser Spielerei erhöhen, war aber der Kirche ein Dorn im Auge. Wenn auch die päpstlichen Spruchmünzen hier nicht unbedingt als direkte Gegenreaktion verstanden werden müssen, so beweisen sie doch, daß man auch im Vatikan bestens mit den unkonventionellen Arten der Deutung von Münzbildern vertraut war.

Die nachstehenden Beispiele geben nur eine kleine Auswahl aus den zahlreichen, doppelsinnig deutbaren Münzlegenden. Den zweiten, verborgenen Sinn erkennt man, wenn man sich zum Text der Legende, nach der Art einer Devise, die durch die Münze selbst symbolisierten Begriffe "Geld", "Reichtum" oder "Münze" hinzudenkt.

"PROBATI ME ET COGNATI ME" (Du hast mich geprüft und erkannt), Mantua Teston ca. 1500

"SI LABORATlS EGO REFICIAM" (Wenn ihr in Not seid, werde ich euch erquicken), Mantua Dukat ca. 1535

"PROTECTOR FACTUS EST MIHI" (Ein Beschützer ist mir erstanden), Mantua Scudo 1612

"NON ALIUNDE SALUS" (Von woanders kommt kein Heil), Papst Paul III. (1534-1549), Piacenza Scudo d'oro

Eine der ersten auf Münzen der neueren Zeit erscheinenden Devisen ist die des spanischen Königs Karl I. und deutschen Kaisers Karl V. Sie entspricht vollkommen den strengsten Regeln der Theoretiker und findet sich vom 16. bis zum Ende des 19. Jahrhunderts auf den Prägungen für das spanische Kolonialreich; auf spanischen Münzen, als Teil des Staatswappens, bis in die Gegenwart. br>In idealer Weise ergänzen sich hier Bild und Motto so, daß sie nur in ihrem Zusammenwirken einen Sinn ergeben. Gleichzeitig ist die Devise auch nicht zu einfach und erfordert zu ihrer Deutung gewisse historische Kenntnisse.

Karl I. (1516-1556) und seine Mutter Johanna die Wahnsinnige (Königin 1504-1555), die Erbin von Kastilien und Aragon, Mexiko 4 Realen
Die bei den Kronen auf den Säulen des Herakles stehen hier für Karl und Johanna.

Nach der griechischen Sage wurden die 2 Säulen des Herakles, die Berge beidseits der Meerenge von Gibraltar, von dem Helden und Halbgott errichtet, als er auszog, um in Spanien die Rinder des dreileibigen Riesen Geryoneus zu rauben. Den Griechen bedeuteten diese Säulen das weltliche Ende der ihnen bekannten, der alten Welt. Genau in dieser Bedeutung erscheinen sie auch in der Devise Karls I. Zusammen mit dem Motto weisen die Säulen auf die bereits unter Ferdinand von Aragon und Isabella von Kastilien, den Großeltern Karls, von den Spaniern begonnene und immer noch weiterschreitende Erforschung und Besitznahme der Neuen Welt, die Karl zu dem Herrscher machte, in dessen Reich die Sonne nie unterging. Gleichzeitig steht die Devise aber auch für die visionäre, von Karl und seinem Großkanzler Gattinara vertretene Idee des Universalreiches, die schließlich am Widerstand der deutschen Fürsten scheiterte.
Schon zu Lebzeiten Karls findet sich für "PLUS ULTRA" die deutsche Übersetzung "NOCH WEITER", sprachlich und dem Sinne nach besser wäre aber "Darüber hinaus". Daß eine richtige Übersetzung eines Mottos das Verständnis der ganzen Devise voraussetzt, zeigt in diesem Falle das "Lexikon der Numismatik" (Ostberlin 1976), welches für "Plus ultra" die deutsche Form "noch höher hinauf" gibt. Abgesehen davon, daß diese Übersetzung von einem schwachen Lateiner stammt, entspricht sie auch nicht dem Sinne der Devise.
Wie Devisen und emblematische Darstellungen von Betrachtern aus fremden Kulturkreisen gründlich mißverstanden werden können, beweisen die Türken und Araber, die zwar im Mittelmeergebiet ständig mit den Spaniern im Kampfe lagen, gleichzeitig aber die spanischen Silbermünzen wegen ihrer gleichbleibend guten Qualität als Handelswährung schätzten. Sie sahen in den zwei Säulen irrtümlich Kanonenrohre, ein drohendes Symbol der spanischen Militärmacht, und belegten den spanischen Namen "Abu Midfa" (Vater der Kanone).

Ein Münztyp, der nicht nur bei den Päpsten, sondern auch in anderen geistlichen Herrschaften häufig eine Devise zeigt, findet sich in den Sedisvakanz-Prägungen.

Päpstliche Sedisvakanz 1669-1670, AR Testone
Geprägt im Auftrage des Kardinal-Camerlengo Antonio Berberini

Wie üblich bei päpstlichen Sedisvakanz-Münzen erscheint auf der Rückseite der Heilige Geist in der Gestalt einer Taube. Das Motto "ILLUXIT ILLUCESCAT ADHUC" bedeutet: "Er hat sein Licht bisher leuchten lassen", er wird es auch weiterhin leuchten lassen. Wenn die Legende der Sedisvakanz-Münzen auch immer wieder gewechselt wurden, so blieb sich doch die Aussage der Devise gleich. Sie drückt aus, daß man sich vom Heiligen Geiste Hilfe und Erleuchtung erhoffte für das Kardinalskollegium, das den neuen Papst wählen mußte.


Innozenz XII. (1691-1700) AR Testone 1693
Ein in seinem Nest sitzender Adler behütet zwei Junge unter seinem Flügel
Auch diese Münze zeigt eine typische Devise. Das Subjekt des Mottos ist nicht näher definiert, so daß "TEGIT ET PROTEGIT" wahlweise "Er (sie, es), schirmt und schützt" bedeuten kann. Der Adler kann daher beispielsweise für Gott, Christus, die Kirche oder den Papst stehen. Diese Mehrdeutigkeit ist gewollt, doch öffnet jedes in dieser Weise mehrdeutig formulierte Motto natürlich auch unerwünschten Interpretationen Tür und Tor.


Clemens XI. (1700-1721) AR Testone 1703
Geldsäcke und Münzen auf einem Tisch
Die Devise mit dem Motto "IMPERAT AUT SERVIT" (Es herrscht oder dient) erinnert die Reichen daran, daß sie selber darüber entscheiden, ob sie ihren Reichtum in christlichem Sinne verwenden oder als seine Sklaven zur Hölle fahren.


Clemens XI. (1700-1721) AR Piastra
1709 in Ferrara durch den Kardinal-Legaten Lorenzo Casoni, dessen Wappen auf der Rückseite erscheint, geprägt
Dies ist eine der Münzen, in denen das Geldstück selber den Platz des Ikons in der Devise einnimmt. Zusammen mit dem Motto "IN TESTIMONIA TUA ET NON IN AVARITIAM" (Dir zum Zeugnis, nicht aus Geldgier) ergibt die Münze eine Devise, die aussagt, daß der päpstliche Piaster nur zum Gebrauch in christlichem Sinne geprägt wurde.


Innozenz XII. (16911700) AR Testone
Auch hier besteht die vollständige Devise aus der Münze und dem Motto der Rückseitenlegende. "TANQUAM LUTUM AESTIMABITUR" (Wie Dreck wird man es schätzen) bezieht sich auf die Rolle des Geldes in einer zukünftigen, realen Welt. Die mehr als deutliche Sprache dieser Münze mag uns heute derb vorkommen, doch war man früher in dieser Beziehung wesentlich weniger empfindlich.


Innozenz XII. (1691-1700) AR Mezza Piastra 1693
Diese Münze zeigt nicht mehr eine Devise, sondern ein bekanntes Emblem in verkürzter Form, d.h. ohne die Subscriptio. "NON SIBI SED ALIIS" (Nicht für sich, sondern für andere) erinnert an den bereits in der Antike verbreiteten Glauben, daß der Pelikan in Notzeiten seine Jungen mit seinem eigenen Blut ernähre. Der Grund hierfür lag unter anderem in der Tatsache, daß die Brust der Pelikane oft blutbefleckt ist. Allerdings handelt es sich dabei nicht um ihr eigenes, sondern um das Blut ihrer Beutetiere, der Fische.


QUOD IN TE EST, PROME.
Rimaris tundendo sinus tibi pectoris altos, Et vitam Soboli das Pelecane tuae. Perscrutare animum, quaere in te quod latet intus: Ingenij in lucem semina prode tui.
Was in dir ist, hole hervor
Du öffnest mit stoßendem Biß dir die hochgewölbte Brust und gibst dein Leben hin für deine Kinder, Pelikan. Forsche in deinem Geist, suche hervor, was in dir verborgen liegt. Deines Geistes Samen, hol sie hervor ans Licht.
Wegen seinem irrtümlich vermuteten Verhalten wurde der Pelikan zum Symbol der Wohltätigkeit und des Erbarmens. Im Rahmen der päpstlichen Münzen, die sich mit dem christlichen Gebrauch des Geldes beschäftigen, kann man in diesem Münzbild einen Aufruf zur Wohltätigkeit, aber auch eine Anspielung auf die karitativen Werke des Papstes erkennen. Wie bei einer Reihe ähnlicher Prägungen ist aber in dem Münzbild auch noch ein rein religiöser Sinn verborgen: der Pelikan ist das religiöse Symbol für Christi Todesopfer und die Auferstehung und damit auch für den gekreuzigten Heiland. Zeitgenossen mögen mit dem Bild auch noch weitere Vorstellungen verbunden haben, denn der Pelikan ist eines der häufigsten emblematischen Motive. Neben den bereits erwähnten, gängigsten Deutungen finden sich in der Emblemliteratur auch noch verschiedene andere, von denen hier nur ein Beispiel gezeigt werden soll:


Heinrich Julius, 1589-1613. Reichstaler 1599, Goslar. Pelikantaler.
Einen Vorgänger hatte die päpstliche Münze schon in dem "Pelikantaler", den Herzog Heinrich-Julius von Braunschweig-Wolfenbüttel im Jahre 1559 in Goslar prägen ließ. Dieser zeigt ein fast identisches Bild, aber die Legende "PRO ARIS ET FOCIS" ("Für Altäre und Herde" oder sinngemäß "Für Glauben und Familie") und ist damit in der Aussage wesentlich konkreter als sein römisches Gegenstück.
Ein Münzbild, das oft gar nicht als Emblem erkannt wird, findet sich auf der bekannten "Pezza della rosa", die sein 1665 in verschiedenen Silber- und Goldnominalen unter den toskanischen Großherzögen Ferdinand II. und Cosimo III. geprägt wurde.


Großherzogtum Toskana Cosimo III. Medici (1670-1723) AR Pezza della Rosa 1703

(Dieser Handelstaler trägt aus wirtschaftspolitischen Gründen die Münzstättenbezeichnung "Liburni" (Livorno), doch wurde er in Florenz geprägt. Obwohl es eine ganze Reihe von Münzen mit einer fiktiven Herkunft aus der für den Levantehandel wichtigen Hafenstadt Livorno gibt, existierte dort doch nie eine großherzogliche Prägestätte.)
Wenzel, dem wahrscheinlich die Bedeutung des Emblems unbekannt war, gibt für das lateinische Motto: "GRATIA OBVIA - ULTIO QUAESITA", das von Francesco Rondinelli, dem Bibliothekar Ferdinands II. verfaßt wurde; die rätselhaft klingende Übersetzung: "Dank ist bald zur Hand, Rache wird herausgefordert". Besser wäre hier: "Erwiderte Gunst - herausgeforderte Strafe". Ferdinand II. wollte ursprünglich mit dieser Münze seinen zahlreichen Gegnern zu verstehen geben, daß er bereit sei, Entgegenkommen großzügig zu vergelten (Rosenblüte), daß er aber durchaus auch über die nötigen Waffen (Dornen des Rosenstrauches) verfüge, um ihren Herausforderungen entgegenzutreten.

Der Rosenstock kommt als Bild in Emblemen ausgesprochen häufig vor und steht fast immer in Verbindung mit einem positiv-negativen, untrennbaren Begriffspaar. Dieser sehr allgemeine Sinninhalt durfte früher als bekannt vorausgesetzt werden, so daß manchmal ein knappes Motto als Hinweis auf eine speziellere Deutung genügen mochte. Meist ließ sich aber der genaue Sinn des Emblems erst einer Subscriptio entnehmen. Zwei Beispiele aus Emblembüchern sollen dies veranschaulichen:

Qvi ueult la rose au uerd buysson saisir, / Esmerueiller ne se doit s'il se poingt. / Grand bien n'auons, sans quelque desplaisir: / Plaisir ne uient sans douleur, si apoint. / Tout est meslé, briefuement c'est le point, / Qu'apres douleur, on a plaisir souuent: / Beau temps se uoid, tost apres le grand uent, / Grand bien suruient apres quelque malheur. / Parquoy penser doit tout homme scauant, / Que uolupté n'est iamais sans douleur.
(Wer die Rose im grünen Busche pflücken will, darf sich nicht wundern, wenn er dabei gestochen wird. Das Gute gewinnen wir nicht ohne Widrigkeiten, Vergnügen nicht ohne Schmerz. Kurz, alles ist gemischt, auf Schmerz folgt Freude, schönes Wetter auf Sturm, Glück auf Unglück. Darum muß der Weise bedenken, daß Lust nie ohne Schmerz ist).
Zum gleichen Bilde gibt eine andere Emblemsammlung eine andere Deutung:
Incauto quicunque rosas collegerit ungue, Vix unquam illaeso legerit rosas: Hoc sapite exemplo locupletes, plurima nanque Hisce latent vestris spicula mixta rosis. (Wer unvorsichtig Rosen pflückte, ist kaum je unverletzt davongekommen. Erkennt, ihr Reichen, an diesem Beispiel, daß unter euren Rosen viele Dornen lauern).

Noch einen anderen Sinn hat der dornen bewehrte Rosenstrauch auf päpstlichen Münzen. In der religiösen Symbolik steht er für die Herrlichkeit Gottes.
Obwohl die Emblematik nördlich der Alpen, in Deutschland und den Niederlanden, in den bildenden Kunst, in der Literatur und auf dem Theater während der Barockzeit eine außerordentlich große Rolle spielte, finden sich hier entsprechende Münzen verhältnismäßig selten. Sowohl emblematische wie auch allegorische Darstellungen erscheinen dagegen auf zahllosen Medaillen auf die verschiedensten Anlässe.

Als Beispiele für deutsche, emblematische Münzen seien hier einige Stücke vorgestellt, auf denen sich Palm-Embleme finden. Die Palme gilt in den meisten Emblembüchern als Sinnbild der Zähigkeit und Ausdauer, und in diesem Sinne erscheint sie auch auf Münzen. Wie jedes Bild kann aber selbstverständlich auch die Palme in vielfältiger Weise gedeutet werden., So kennt man sie u.a., auch als Symbol der Fürsorge für die Nachkommen.

Georg Heinrich (1813-1845), Fürst zu Waldeck und Pyrmont, Kronentaler von 1824, sogenannter Palmbaumtaler
Die Waldeck'sche Prägung stammt erst aus dem 19. Jahrhundert, steht aber immer noch in der Tradition des Barockes und zeigt ein Emblem, das sich bereits in der Sammlung Alciatis findet. Die Legende "PALMA SUB PONDERE CRESCIT" (Unter Last wächst die Palme) faßt die Subscriptio Alciatis in sehr knapper Form zusammen und setzt eigentlich die Kenntnis des vollständigen Emblems beim Betrachter voraus, eine Voraussetzung, die im Jahre 1824 keineswegs mehr selbstverständlich erfüllt war.

OBDVRANDVM ADVER SUS URGENTlA.
Nititur in pondus palma et consurgit in arcum / Qua magis et premitur hoc mage tollit onus. / Fert et odoratas, bellaria ulcia glandes, / Quis mensas inter primus habetur honos. / I puer et reptans ramis has collige, mentis / Qui constantis crit, / premia digna feret.
Emblem aus dem 1531 in Augsburg erschienenen "Emblematum liber" des Andreas Alciatius mit Holzschnitten von Jörg Breu.
Die Erklärung des Emblems gibt eine etwas spätere deutsche Fassung des zugehörigen Epigrammes: MAN SOLL DEM BÖSEN EIN WIDERSTANDT THUN
Der Palmenbaum spert sich mit macht / wider Bürdin das es kracht / Beumt sich auf / und je mehr er wirt Nidertruckt er uber sich girt / Er tregt und bringt auch lieblich Frucht / Die süße Dattel wolgerucht / So man in großen ehren thut / Auf den Tisch tragen also gut / Gehe hin mein Son on underlaß / solch einzusamlen sey nit laß / Dann wer also mit bstendigen gmüt Besteht / der selb empfacht die müt.

Ein etwas anders zu deutendes Palm-Emblem zeigen die Münzen des Herzogtums Calenberg:
Herzogtum Braunschweig-Lüneburg-Calenberg, Herzog Johann Friedrich (1665-1679), 2/3 Taler 1677, sogenannter Palmbaumgulden
Die Palme, aus einem öden, steinigen Eiland herauswachsend, steht auch hier als Symbol des Wachstums gegen äußeren Widerstand. Das Motto "EX DURIS GLORIAS" läßt sich ungefähr mit "Aus Mühsal zu Ruhm" übersetzen, doch könnte an Stelle von "Mühsal" mit gleicher Berechtigung auch "Unbeugsamkeit" oder "Ausdauer" stehen. An diesem Beispiel zeigt sich deutlich, daß die prägnanten, lateinischen Sentenzen nicht ohne den Verlust eines Teils ihres Sinngehaltes in eine andere Sprache übertragen werden können. (Bei Wenzel findet sich in diesem Falle die schwerfällig-bürgerliche Verdeutschung:"Schwere Aufgaben meistern verschafft Ansehen", eine Formulierung, die den fürstlichen Münzherrn kaum gefreut hätte.)

Einige Emblembücher erklären die Palme als Symbol unbeugsamer Tugend und geben damit eine Deutung, welche derjenigen des bekannten "Weidenbaumtalers" von Hessen-Kassel nahekommt.
Landgrafschaft Hessen-Kassel Wilhelm V., der Beständige (1627-1637) "Weidenbaumtaler" 1630
Palme, fälschlich als Weide gedeutet, im Gewitter. Darüber Sonne mit "Jahwe", dem Namen Gottes, in hebräischer Schrift.
"DEO VOLENTE HUMILIS LEVABOR"
(So Gott will, werde ich aus meiner Schwäche aufgerichtet werden).

Ebenfalls aus Deutschland stammt der "Wespentaler" aus der Serie der sogenannten "Rebellentaler" des Herzogs Heinrich Julius von Braunschweig-Wolfenbüttel. Geprägt aus Anlaß der Streitigkeiten mit den Familien Saldern, Steinberg und Stockheim, wandelt diese Münze ein seinerzeit sehr bekanntes Emblem, in dem verschiedene große Tiere von Wespen oder Mücken belästigt werden, ab.
Herzogtum Braunschweig-Wolfenbüttel, Heinrich Julius (1589-1613) Wespentaler Andreasberg 1599
Löwe (Herzog) wird von Wespen und dem Reichsadler angegriffen

Das folgende ist eines der Embleme, die wahrscheinlich als Vorbild für die Spottmünze diente:

EGO VERO HAUD MORDEOR. (Ich lasse mich nicht stechen)
Die Mücken / loß geschmeitz / den Elephant anfallen / Verletzen jhn doch nicht / er fragt nichts nach jhn allen / Ein ernsthaffter Mann veracht deß Pöfels klaffen / Solt ers versprechen alls / da hett er viel zuschaffen.

Daß ein auf den ersten Blick sehr ähnliches Bild einen völlig anderen Sinn haben kann, zeigt eine Medaille auf den Tod des Papstes Leo XI.:
Papst Leo XI. (1.4. - 27.4.1605) Bronzemedaille von 1605 auf seinen Tod
Die Größe der Medaille und die Gestaltung der Vorderseite entspricht der päpstlichen "Mezza Piastra". Möglicherweise war der Vorderseitenstempel ursprünglich für eine solche Münze, die wegen der kurzen Regierungszeit des Papstes nicht mehr zur Ausprägung gelangte, bestimmt. Leo XI., mit bürgerlichem Namen Alessandro Ottaviano de Medici, entstammte einer neapolitanischen Seitenlinie des berühmten Florentiner Geschlechtes. Seinen Thronnamen wählte er in der Nachfolge seines entfernten Verwandten, des großen Kunstfreundes Leo X. (Giovanni de Medici, Papst 1513 bis 1521). Bereits dieser Vorgänger hatte, auf seinen Namen anspielend, häufig einen Löwen auf seine Münzen gesetzt. Der tote Löwe der Medaille spielt in gleicher Weise auf Leo XI. an, doch hat das Münzbild noch einen weiteren Sinn, den das nachstehende Emblem erläutert:

Preis des Krieges
Wer die bitterkeit des Krieges nicht versuchet hat / der weiß nicht waß die süßigkeit des Friedens in sich habe, als dan erst wirdt das grewliche Thier / eine Feindin des lebens erkandt / wan sie uberwunden ist. Zu solchem gehört das rätslein / welches Samson von dem erwirgten Löwen gegeben / in dessen mundt die Immen jhr gewirck hatten.
Die Subscriptio, hier in einer deutschen Version, gibt die emblematische Deutung des Bildes und weist gleichzeitig auf dessen Herkunft hin. Allerdings wird beim Betrachter die Kenntnis des Rätsels Samsons vorausgesetzt. Dieses, wie auch "DE FORTI DULCEDO" (Vom Starken ging Süßes aus), das Motto der Papstmedaille, findet sich in der Bibel, im Buch der Richter (14,4-14,8). Die entsprechende Textstelle soll hier statt einer längeren Erläuterung stehen:

Simson ging nach Timna hinab, und als er zu den Weinbergen von Timna kam, sah er einen jungen Löwen, der ihm brüllend entgegensprang. Da kam der Geist Jahwes über ihn, und ohne etwas in der Hand zu haben, riß Simson den Löwen in Stücke, wie man ein Böckchen in Stücke reißt; aber er erzählte weder seinem Vater noch seiner Mutter, was er getan hatte. Er ging hinab, redete mit der Frau, und sie gefiel ihm. Einige Zeit danach kam er wieder, um sie zu heiraten. Er machte einen Umweg, um nach der Leiche des Löwen zu sehen, und siehe, da fand sich im Gerippe des Löwen - ein Bienenschwarm und Honig. Er sammelte ihn in seine Hand, und im Weitergehen aß er davon. Als er zu seinem Vater und seiner Mutter zurückkam, gab er ihnen davon, und sie aßen; aber er sagte ihnen nicht, daß er ihn aus dem Gerippe des Löwen gesammelt hatte. Dann ging er zu seiner Frau hinab, und sie machten dort für Simson ein Fest, sieben Tage lang, denn so pflegten es die jungen Leute zu tun. Aber da man ihn fürchtete, suchten sie dreißig Gefährten aus, die bei ihm blieben.
Simsons Rätsel
Da sprach Simson zu ihnen: "Ich will euch ein Rätsel aufgeben. Wenn ihr mir die Lösung im Lauf der sieben Festtage sagt, gebe ich euch dreißig Stück feines Linnen und dreißig Festkleider. Wenn ihr mir aber die Lösung nicht sagen könnt, dann gebt ihr mir dreißig Stück feines Linnen und dreißig Festkleider. Sie antworteten ihm: "Gib uns dein Rätsel auf, wir hören." Er sagte also zu ihnen: "Vom Fresser ging Speise aus, vom Starken ging Süßes aus." Aber drei Tage lang konnten sie das Rätsel nicht lösen. Am vierten Tag sprachen sie zur Frau Simsons: "Berede deinen Mann, daß er dir des Rätsels Lösung sagt, sonst verbrennen wir dich samt dem Haus deines Vaters. Habt ihr uns denn hierher geladen, um uns auszuplündern?" Da weinte die Frau Simsons an seinem Hals und sprach: "Du hassest mich nur, du liebst mich nicht. Du hast den Söhnen meines Volkes ein Rätsel aufgegeben, und mir hast du es nicht gesagt." Er antwortete ihr: "Nicht einmal meinem Vater und meiner Mutter habe ich es gesagt, und dir sollte ich es sagen?" Da weinte sie an seinem Hals sieben Tage lang, solange ihr Fest dauerte. Am siebten Tage sagte er ihr die Lösung, weil sie ihm so zugesetzt hatte, sie aber sagte des Rätsels Lösung den Söhnen ihres Volkes. Am siebten Tage, bevor er in die Schlafkammer ging, sagten die Leute der Stadt nun zu Simson: "Was ist süßer als Honig, was ist stärker als der Löwe?" Er erwiderte ihnen: "Hättet ihr nicht mit meinem Kalb gepflügt, mein Rätsel hättet ihr nicht gelöst."

Emblematische Münzen müssen nicht unbedingt, wie die bereits besprochenen, echte Embleme im Sinne Alciatis zeigen. Sie haben aber immer eine gemeinsame Charakteristik, einen verborgenen, aber beabsichtigten Sinn. Daß bereits griechische Münzen nicht selten emblematisch gestaltet und zu deuten sind, erkannte man bereits in der Renaissance. Hier sei nur der wohl berühmteste emblematische Münztyp der Antike, der durch die Drachmen und Tetradrachmen Alexanders des Großen repräsentiert wird, erwähnt.
Die Münzen zeigen auf der Vorderseite dem Kopf des Herakles, bedeckt vom Fell des nemeischen Löwen, auf der Rückseite den thronenden Zeus. Herakles war der Sohn des Zeus und der Alkmene und von Temenos, einem Ururenkel des Halbgottes, leiteten die makedonischen Könige ihren Stammbaum her. Vielleicht aus wirklicher Überzeugung, sicher aber auch als Mittel der politischen Propaganda, betonte Alexander Bezüge zwischen seinem Leben und dem des Herakles. Diese beginnen schon mit seiner, wie bei Herakles verzögerten Geburt und dem Kampfe des noch in der Wiege liegenden Prinzen mit einer Schlange, und ziehen sich dann durch sein ganzes Leben. Den schrecklichen Löwen von Nemea erlegte Herakles als erste seiner 12 Taten im Dienste des Eurystheus, des Königs von Mykene. Da der Löwe als Symbol des orientalischen und speziell des persischen Königtums galt, konnte einem Betrachter der Münze der deutliche Hinweis auf die Taten des jugendlichen Alexanders kaum entgehen. Zeitgenossen mußten aber beispielsweise auch die Parallelen zwischen der Reise an das Ende der Welt, die Herakles auf der Suche nach den goldenen Äpfeln der Hesperiden unternahm, und dem Indienzug Alexanders unübersehbar sein.
Bei emblematischen Münzen des Barocks enthält das Münzbild meist eine eigenständige Botschaft und gleichzeitig einen Hinweis auf den versteckten Sinn. Gelegentlich läßt sich aber bei Spruchmünzen die Legende überhaupt nicht sinnvoll aus sich selbst deuten. Ihre einzige Funktion ist einzig die eines mehr oder weniger verschlüsselten Wegweisers zu einer Textstelle in der Bibel oder einem Klassikerzitat. Erst wenn der Betrachter diesem Hinweis zu folgen vermag, erschließt sich ihm auch der Sinn der Münzlegende. In solchen Fällen hat offensichtlich eine der in der Renaissance und im Barock so überaus beliebten gelehrten Spielereien den Sieg über das Bemühen um eine sinnvolle Münzgestaltung davongetragen.
Clemens X. (1670-1676) AR Testone
Harfenspielender König David
"NON PROIICIAS ME IN TEMPORE SENECTUTIS" kann übersetzt werden mit: "Verlaß mich nicht im Alter". Der harfenspielende König weist gleichzeitig auf den Prägeanlaß und die Herkunft der Legende hin. Emilio Altieri war bereits 80jährig als er unter dem Namen Clemens X. den päpstlichen Thron bestieg, und seine Wahl wurde deshalb vielerorts heftig kritisiert. Den Kritikern hält die Münze das Beispiel des Königs David, der bis in sein hohes Alter mit Gottes Hilfe weise regierte, entgegen. Das Harfenspiel weist darauf hin, daß die Legende aus einem Psalme Davids stammt. Im 70. Psalm findet man in der Vulgata denn auch:
non proicias me in tempore senectutis cum deficiet virtus mea ne derelinquas me
(Verwirf mich nicht in den Tagen des Alters, wenn meine Kräfte schwinden, verlaß mich nicht.)

(Zitate aus den Psalmen finden sich recht häufig auf päpstlichen Münzen. Um sie aufzufinden, muß man auf eine Vulgataausgabe zurückgreifen, welche die aus der Septuaginta, der griechischen Bibel, in die lateinische Sprache übersetzte Version der Psalmen enthält. Deren Wortlaut und Sinn weichen hier oft stark ab vom hebräischen Urtext und darauf beruhenden Übersetzungen in das Latein oder moderne Sprachen. Gleichzeitig sei darauf hingwiesen, daß die Zählung der Vulgata nicht mit derjenigen in neueren Bibelausgaben übereinstimmt). Bemerkenswert ist, daß man den Rückseitenstempel mit dem Bilde des Königs David offenbar als so wertvoll einschätzte, daß man ihn trotz eines orthographischen Fehlers in der Legende (PROIICIAS mit 2 i) benützte.
Alexander VII. (1655-1667) AR Testone
Dieser päpstliche Teston ist undatiert und trägt keinen direkten Hinweis auf den Prägeanlaß. Die Waage ist zwar das altbekannte Symbol der Gerechtigkeit, doch ergibt dieses hier keinen rechten Sinn. Eine andere mögliche und diesmal klar verständliche Deutung der Waage gibt die folgende Münze:
Erzbistum Mainz, Anselm Franz von Ingelheim (1679 -1695) Reichstaler ohne Jahr
Auf Rückseite: Friedenszweig und Schwert auf Waage
Die Legende "PAX PRAEVALET ARMIS" (Der Friede wiegt schwerer als Waffen) wird durch das Münzbild zusätzlich illustriert und bezieht sich auf den Frieden von Nijmegen, der die französische Expansion in Richtung des Rheins nur für kurze Zeit zum Stillstand brachte. Auch die Deutung dieses Bildes läßt sich aber auf den päpstlichen Testone nicht anwenden. In der im Gleichgewicht befindlichen Waage und dem Motto "NEC CITRA, NEC ULTRA" (Weder auf dieser noch auf jener Seite) sehe ich eine Neutralitätserklärung des Papstes, der sich weigerte, im Streit der beiden großen katholischen Mächte Frankreich und Spanien um Brabant Partei zu nehmen. Dieser Konflikt führte 1667, im Todesjahr Alexanders VII., zum Ausbruch des sogenannten Devolutionskrieges.

Innozenz XII. (1691-1700) AR Mezza Piastra Jahr 7
Arche Noah auf Bergspitze, umgeben von den Wassern der Sintflut
Auch dieser halbe Piaster, der mit seinem Bilde und der Legende "FACTUS EST IN PACE LOCUS EIUS" (Friede hat geherrscht an diesem Orte) daran erinnerte, daß in der Arche Noah selbst die wildesten Raubtiere Friede hielten, hat eine versteckte politische Bedeutung.
Das 7. Jahr des Papstes Innozenz XII. dauerte vom 12.7.1697 bis zum 11.7.1698. Die Münze wurde zum Frieden von Rijswick (1697) geprägt und sollte die europäischen Mächte ermahnen, endlich zu einem dauerhaften Frieden zu finden. Leider war die Hoffnung des Papstes vergeblich. Auf den 1697 beendeten pfälzischen Krieg folgte bereits 1701 der noch größere Verheerungen anrichtende Spanische Erbfolgekrieg.

Clemens XI (1700-1721) Scudo d'oro ohne Datum
"FERRO NOCENTIUS AURUM" heißt "Gold ist schädlicher als Eisen", eine Feststellung die gerade auf einer Goldmünze einigermaßen verwunderlich erscheint. Es handelt sich hier um ein Zitat aus dem Anfang der Metamorphosen Ovids, aus der Beschreibung des vierten, des eisernen Zeitalters. Der Dichter gibt zwar keine nähere Erklärung für seine Behauptung, doch läßt der Zusammenhang darauf schließen, daß Gold schädlich ist, weil Goldgier zu Kriegen führt (die mit eisernen Waffen ausgetragen werden) und weil erst der Besitz von Gold einen Herrscher zum Führen eines Krieges befähigt. Auf den ersten Blick könnte es scheinen, daß die Münze nur eine der üblichen Warnungen vor dem Golde und den schädlichen Wirkungen des Reichtums ausspricht. Den aufmerksameren Zeitgenossen dürfte aber die verschlüsselte Botschaft, die Verurteilung eines Krieges und derer, die ihn führten und finanzierten, nicht entgangen sein. Sie mußten die Schrecken des Spanischen Erbfolgekrieges (1701-1714), des ersten "Weltkrieges" der neueren Geschichte, der weite Teile Europas verwüstete, miterleben. In dem Ovidzitat konnte man selbst eine Anspielung sehen auf die gold- und silberreichen spanischen Besitzungen in Amerika. Neben dem Kampf um die Vorherrschaft in Europa spielten auch die Frage der Herrschaft über die überseeischen Gebiete im spanischen Erbfolgekrieg erstmals eine entscheidende Rolle.

Innozenz XI. (1676-1689) AR Piastra Jahr 7
Wenzel übersetzte "NON PRODERUNT IN DIE ULTIONIS" mit "Sie werden nicht auftreten am Tage des jüngsten Gerichtes". Dies ist zwar sprachlich möglich, ergibt aber keinen Sinn. Der Piaster gehört zu der Gruppe der Devisen-Münzen in denen der Ikon durch die Münze ersetzt ist. Wenn man dies erkennt, muß die richtige Lesung lauten: "Sie (die Münzen) werden am Tage des Zornes nicht helfen". Einem Kenner der Vulgata liefert die Legende selbst den versteckten Schlüssel zu ihrer Deutung. Dort steht nämlich im Buch der Sprüche (XI, 4): "Non proderunt in die ultionis iustitia autem liberabit a morte" oder deutsch: "Reichtümer werden am Tage des Zornes (d. h. des jüngsten Gerichtes) nicht helfen, Gerechtigkeit aber wird vor dem Tode retten." In verschlüsselter Form werden die Christen durch diese Münze also ein weiteres Mal auf den richtigen Gebrauch des Geldes hingewiesen.

Clemens XII. (1730-1740) AR Mezza Piastra
Hier übersetzt Wenzel "FRUSTRA VIGILAT QUI CUSTODIT" mit "Unnötig wacht, wer behütet ist". Anders als beim letzten Beispiel ist diese Übersetzung grammatikalisch und damit auch in der Aussage falsch. Richtig wäre: "Vergeblich wacht der Wächter (wer wacht)". Im Rahmen der päpstlichen Münzen zum Thema Geld scheint auch hier vor dem Anhäufen und Behüten des Geldes gewarnt zu werden. In Wirklichkeit gibt die Münzlegende aber einen Hinweis auf eine viel grundlegendere religiöse Botschaft. Es handelt sich dabei nämlich um ein Zitatenbruchstück aus dem 126. Psalm der Vulgata, wo die ganze Stelle lautet: "nisi Dominus custodierit civitatem frustra vigilat qui custodit eam" (Wo der Herr die Stadt nicht bewacht, wacht, wer diese hütet, vergeblich.)

Zum Schlusse soll noch eine Münze vorgestellt werden, die überhaupt keinen sichtbaren, sondern nur einen verborgenen Sinn hat:
Innozenz XIII. (1721-1724) AR Testone
Auf den ersten Blick scheint die Münzlegende "NULLUS ARGENTO COLOR EST AVARIS" von Silber (Geld) und Geiz oder Geldgier zu handeln. Wer sie aber zu verstehen oder gar zu übersetzen versucht, wird feststellen müssen, daß er gar keinen vollständigen Satz mit erkennbarem Sinn vor sich hat. Auch hier haben wir es mit einem Zitatenbruchstück zu tun, das allerdings sehr viel weniger bekannt ist als die meisten Bibelstellen und daher den meisten Lesern schon im 18. Jahrhundert einiges Kopfzerbrechen bereitet haben dürfte. Das Zitat stammt von Ovid und zwar aus einer Ode (II, 6), die der Dichter an Crispus Sallustius, einen Neffen des berühmten Historikers und Vertrauten des Kaisers Augustus richtete, und lautet vollständig:
Ovid mahnt hier zwar zum weisen Gebrauch des Silbers, erwähnt aber nirgends in seiner Ode, in was dieser bestehen müßte, doch dürfte im Falle der päpstlichen Münze in üblicher Weise an die Wohltätigkeit zu denken sein.
"Nullus argento color est avaris abdito terris, inimice lamnae Crispe Sallusti, nisi temperato splendeat usu" oder in der Herzliebschen Ovid-Übersetzung: "Silber hat keinen Glanz in karger Erde verschlossen, mein Freund Crispus Sallustius, Feind des Metalles, wenn nicht weiser Gebrauch demselben Schimmer erteilet."
Wäre es dem Entwerfer der Münze wirklich um eine moralische Belehrung des Publikums gegangen, so hätte er mit Leichtigkeit im christlichen Sinne eindeutigere und verständlichere Textstellen finden können. Die eingeführte Form der Spruchmünze zum Thema Geld ist hier aber nur noch ein Vorwand. Wie in zahlreichen Emblemen und Devisen der Humanisten und Barockgelehrten geht es in Wirklichkeit darum, der Mitwelt die eigene Bildung eindrücklich vorzuführen und anderen ein schwer lösbares Rätsel aufzugeben. Dieser Teston, der bereits der emblematischen Spätzeit angehört, entsprang nun tatsächlich der Geisteshaltung, die einige Jahre später Winckelmann zu beißendem Spotte herausfordern sollte.


Es folgen im Tittel nicht angekündigte Ausführungen zu Chronogammen:

Etwa zur gleichen Zeit, wie die emblematischen Legenden, von 1620 bis 1750, kannten auch Chronogramme auf Münzen und Medaillen eine Hochblüte. Diese Chronogramme, welche gewöhnlich lateinisch und nur viel seltener in einer modernen westeuropäischen Sprache abgefaßt wurden, entsprangen in unserem Kulturkreis derselben Geisteshaltung wie die emblematischen Legenden. Während in den letzteren aber die eigentliche Aussage der Münzlegende versteckt wird, verbirgt sich hinter den Chronogrammen eine Jahreszahl, die mit der Legende in mehr oder weniger enger Verbindung steht. Meist handelt es sich bei dieser Zahl um das Prägejahr, bei Jubiläumsmedaillen aber nicht selten auch um das Jahr des Ereignisses, dessen gedacht werden soll. Im griechischen, hebräischen, arabischen und persischen Alphabet wird jedem Buchstaben ein Zahlwert zugeordnet, und die vor allem in den orientalischen Sprachen sehr verbreiteten Chronogramme haben daher immer die Form eines Satzes, wobei sich die Jahrzahl aus der Addition aller Buchstabenwerte ergibt. Jede Jahrzahl kann hier durch eine unüberschaubar große Zahl unter sich völlig verschiedener Aussagen dargestellt werden. Gleichzeitig hat aber auch jede Buchstabenfolge, jedes Wort, jeder Satz und sogar jedes Buch einen bestimmten Zahlenwert. Die Kabbalistik, die sich mit den Beziehungen zwischen Zahl und Sprache beschäftigt, war den Humanisten aus griechischen und hebräischen Texten vertraut und die lateinischen Chronogramme stellen einen Versuch dar, die meist wesentlich eleganteren östlichen Vorbilder in eine europäische Sprache zu übertragen. Weil in der lateinischen Schrift nur die Buchstaben C, D, I, L, M, V und X auch eine römische Zahl darstellen, leisten auch nur sie in Chronogrammen in westeuropäischen Sprachen einen Beitrag zum Zahlenwert, d. h. zur verschlüsselten Jahrzahl.
Ein ideales lateinisches Chronogramm sollte aus einem sinnvollen, grammatikalisch richtigen Satz bestehen, der nicht nur einen Bezug hat zur verborgenen Jahrzahl, sondern der auch die Ziffernbuchstaben in der korrekten Reihenfolge enthält. In der Praxis werden diese Bedingungen so gut wie nie vollständig erfüllt. Ein Chronogramm, das dem Ideal recht nahe kommt, trägt die Zürcher Verdienstmedaille von 1707 als Randschrift:
DOMINE CONSERVA NOS IN PACE
Die lateinisch einwandfrei formulierte Bitte: "Herr, erhalte uns den Frieden" enthält die richtigen Zahlenbuchstaben (wenn auch nicht in der richtigen Reihenfolge): MDCCCVII = 1707

Münzen und Medaillen mit Chronogrammen entstanden vielerorts im Heiligen Römischen Reich, aber beispielsweise auch im Kirchenstaat. Kein Münzstand hat aber so viele verschiedene Chronogramme auf seine Münzen gesetzt wie die Stadt Nürnberg. Da ein großer Teil dieser Prägungen während des Dreißigjährigen Krieges entstand, läßt sich leicht verstehen, daß die Aussage der Chronogramme fast immer um den lange ersehnten Frieden kreist. Dies gilt auch für die folgende Klippe aus dem Jahr des Westfälischen Friedens:
Nürnberg, Silberabschlag der 3fachen Dukatenklippe 1648.
EST VBI DVX IESVS PAX VICTO IMARTE GVBERNAT
(Wo Jesus der Führer ist, regiert der Friede über den überwundenen Krieg).
Wie in den meisten Münzchronogrammen ergibt auch hier die Addition aller römischen Zahlbuchstaben der Legende das Prägejahr, doch enthält der Text nicht die richtigen Buchstaben für die korrekte Darstellung der Jahrzahl in römischen Zahlen:
MDCXXVVVVVIII = 1648
Den gleichen Friedensschluß feiert ein Schautaler der Stadt Münster:
Stadt Münster: Breiter Schautaler auf den Westfälischen Frieden von 1648.
CESARIS ET REGVM IVNXIT PAX AVREA DEXTRAS
(Des Kaisers und der Könige Hände vereint der Friede) Das Prägejahr ist nach dem Chronogramm:
MDCXXXVVVIII = 1648

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