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Kurfürsten

Walter Holtz
Auszug aus Lexikon der Münzabkürzungen, 1981, S.466ff


Die Kurfürsten waren im alten Deutschen Reich die zur Wahl des "Römischen Königs", das war der deutsche König, berechtigten Fürsten. Ursprünglich konnten alle Reichsfürsten mitwählen. Dann bildete sich eine Gruppe von Fürsten heraus, die an der Wahl mitwirken mußten, deren Stimme unentbehrlich war; auf sie ging schließlich das Wahlrecht ganz über. Der Sachsenspiegel (um 1230) nennt als Kurfürsten die Erzbischöfe von Mainz, Trier, Köln, den Pfalzgrafen bei Rhein, den Herzog von Sachsen und den Markgrafen von Brandenburg. Den König von Böhmen schließt der Sachsenspiegel von der Wahl aus, "weil er nicht deutsch ist". Die Goldene Bulle von 1356 Kaiser Karls IV. ordnete dagegen Böhmen vor der Pfalz, vor Sachsen und Brandenburg ein und zeichnete Mainz durch das Recht zur Einberufung der Wahlversammlung und zum Vorsitz in ihr aus; der Kurfürst von Mainz hatte damit das Vorschlagsrecht für den Anwärter.
Demgemäß ergab sich folgende
Reihenfolge und Titulatur:
1.Mainz   Archi-Cancellarius per Germaniam
Erzkanzler für Deutschland. Die Kanzlerschaft führte der von Kurmainz auf kaiserlichen Vorschlag ernannte Reichsvizekanzler, seit Rudolf II. eine hohe Standesperson.
2.Trier   Archi-Cancellarius per Galliam et Regnum Arelatense
Erzkanzler für Burgund. Der hier angesprochene Begriff Gallia (mittellateinische Bezeichnung für Burgund) und Regnum Arelatense (Königreich Arelat) meint das Gebiet östlich der Saône/Rhône bis zum Mittelmeer und zur Lombardei; zur Zeit der Staufer gehörte es zum alten Deutschen Reich. Die Würde hatte zuletzt nur noch als Ehrenname Bedeutung.
3.Köln   Archi-Cancellarius per Italiam
Erzkanzler für Italien. Gemeint ist Oberitalien, besonders die Lombardei, außer dem Kirchenstaat und Venedig.
4.Böhmen   Archi-Pincerna
Erzmundschenk, "des Heiligen Römischen Reiches oberster Schenke", seit Kaiser Heinrich V. (1106-1125) der Böhmische König.
Pincerna von griechisch pino trinke und kerannymi mische, also "Getränkemischer".
Seit der Hussitenzeit (um 1400) bis 1708 ruhte Böhmens Kur.
5.Pfalz / Bayern   Archi-Dapifer
Erztruchseß, bis 1622 ferner von 1710-1714 und von 1777-1806 der Pfalzgraf bei Rhein, im übrigen der Herzog von Bayern. 1622 verlor Friedrich V. von der Pfalz aufgrund der verlorenen Schlacht am Weißen Berge bei Prag (1620) die Pfalz mit Heidelberg und die Kur.
Truchseß bedeutet soviel wie Haushofmeister, Dapifer kommt von lat. daps, dapis, das Festmahl und ferre auftragen.
Kurabzeichen: Reichsapfel.
6.Sachsen   Archi-Mareschallus oder Archi-Mareschalcus
Erzmarschall, der Herzog von Sachsen-Wittenberg (sog. Kurkreis).
Kurabzeichen: gekreuzte Schwerter.
7.Brandenburg   Archi-Camerarius
Erzkämmerer, der Markgraf von Brandenburg.
Kurabzeichen: Reichszepter.
Kurland: der sog. Kurkreis (Wittenberger Kreis).
8.Pfalz   Archi-Thesaurarius
Erzschatzmeister, der Pfalzgraf bei Rhein 1648/1654-1710, 1714-1777.
Kurabzeichen: Reichskrone.
9.Braunschweig-Lüneburg (Hannover)   Archi-Thesaurarius
Erzschatzmeister ab 1710/1718. Die Kur war dem welfischen Herzog Ernst August unter dem Titel "Kurfürst von Braunschweig und Lüneburg" mit dem "Erzpanneramt" am 19.12.1692 von Kaiser Leopold II. verliehen worden. Hiergegen protestierte das herzogliche Haus Württemberg als Träger der Reichssturmfahne. Württemberg erhielt vom Kaiser Recht, und die Aufnahme Hannovers in das "Kurkolleg" wurde zurückgestellt.
Erst 1710 erhielt Hannover das Erzschatzmeisteramt, das dadurch freigeworden war, daß die Pfalz infolge Ächtung Bayerns die Nachfolge in das angestammte Truchseßamt angetreten hatte. Bis dahin hat Hannover das Kurwappen als "Warteschild" leer geführt. Als Bayern 1718 das Erztruchseßamt zurückerhielt, entstand Streit um das wieder von der Pfalz beanspruchte Erzschatzmeisteramt; er wurde erst 1777 endgültig beigelegt, als die Pfälzer Wittelsbacher mit dem Land Bayern die Erztruchseßwürde erbten und der Erzschatzmeistertitel hierdurch endgültig frei wurde. Von 1718-1777 trugen sowohl die Münzen der Pfalz wie die von Hannover die Umschrift: Archi-Thesaurarius.
Der Sohn Georg Ludwig des ersten Kurfürsten von Hannover wurde 1714 als Georg I. König von England.
Kurabzeichen: Reichskrone.
Kurlande: die Fürstentümer Calenberg, Göttingen und Grubenhagen; sie waren 1634 an das Neue Haus Lüneburg-Celle gekommen.
10.Württemberg   Archi-Vexellarius
Erzbannerträger, von vexillum Feldzeichen, Standarte, bei der das Fahnentuch an einem Querholz hängt - später bei der Kavallerie üblich - Verkleinerungsforrn von velum, Segel, Tuch.
Kurabzeichen: Reichssturmfahne.
Der Reichsdeputationshauptschluß von 1803 erhob den Herzog von Württemberg in diesen Kurfürstenrang.
11.Baden
Der Herzog von Baden wurde durch den Reichsdeputationshauptschluß von 1803 ebenfalls Kurfürst
12.Hessen
Der Landgraf von Hessen-Kassel wurde 1803 ebenfalls Kurfürst
13.Regensburg
Als Kurfürst von Regensburg wurde der bisherige Kurfürst von Mainz unter dem neuen Titel "Erzkanzler des Deutschen Reiches" eingesetzt.
14.Salzburg
Das Erzstift Salzburg wurde durch den Reichsdeputationshauptschluß von 1803 säkularisiert und kam als Kurfürstentum an Ferdinand III., der bis 1801 Großherzog von Toskana war (er war ein Enkel Maria Theresias und der Bruder des letzten Römisch-Deutschen Kaisers Franz II., der als Kaiser von Österreich seit 1804-1835 Franz I. hieß).
15.Würzburg
Als letztes Kurfürstentum wird durch den Frieden von Preßburg vom 26.12.1805 Würzburg anstelle des an Österreich abgetretenen Kurfürstentums Salzburg eingerichtet, es kam an den vorgenannten Ferdinand. Dieser nahm am 30.9.1806 als Mitglied des Rheinbundes den Großherzogstitel an.


Das Ende der Kurfürstentümer
Als erstes Kurfürstentum schied Mainz aus. Durch die Kriege nach der Französischen Revolution 1792-1797 hatte es sein linksrheinisches Gebiet verloren und war insoweit 1802 zum französischen Bistum im Metropolitanverband von Mecheln (zwischen Antwerpen und Brüssel) herabgesunken. Für die rechtsrheinischen Besitzungen des Kurfürsten von Mainz wurde aufgrund des Reichsdeputationshauptschlusses vom 25.2.1803 ein neuer Staat in Aschaffenburg-Regensburg geschaffen (Aschaffenburg kam später an Würzburg). Regensburg wurde 1805 Erzbistum. Der Kurfürst-Erzkanzler des Deutschen Reiches Karl Theodor von Dalberg nannte sich demzufolge auf Münzen, z.B. auf dem Dukaten von 1809:
  CAROLUS D.G.S.S.R.ARCHIEP.
  Carolus Dei Gratia Sanctae Sedis Regensburgensis Archiepiscopus
  Karl von Gottes Gnaden des Hl. Stuhles von Regensburg
  (Übernahme der Mainzer Titulatur) Erzbischof.
Seine Kurfürstenwürde - wie die der übrigen Kurfürsten - wurde mit der Niederlegung der Deutschen Kaiserwürde durch Kaiser Franz II. am 6.8.1806 gegenstandslos. Regensburg fiel 1810 an Bayern, 1818 wurde es Suffraganbistum von München-Freising, Mainz lebte als Erzbistum nicht mehr auf. Vor der allgemeinen Auflösung der Kurfürstentümer durch die Beendigung des alten Deutschen Reiches am 6.8.1806 säkularisierte der Reichsdeputationshauptschluß von 1803 die Kurfürstentümer Trier und Köln mit ihren rechtsrheinischen Besitzungen, d.h. mit ihnen wurden weltliche Fürsten wegen ihrer linksrheinischen Gebietsverluste entschädigt. Das Erzbistum Köln blieb bis 1821 ohne geordnete kirchliche Verwaltung, 1821 wurde es kirchlich neu organisiert. Jetzt wurde Trier Suffraganbistum von Köln.
Den Namen Kurfürst führte - auch auf Münzen - als
    ELECT.HASS. - Etector Hassiae - Kurfürst von Hessen,
später als KURF. - Kurfürst nur noch der Kurfürst von Hessen, bis Preußen das Land 1866 an sich brachte und in sein Staatsgebiet eingliederte.

Abkürzungen der Kurfürstentitel
Die Titel der Kurfürsten sind auf Münzen meist gekürzt. Für die Vorsilbe Archi- Erz- wird
    A., AR., ARC., ARCH.
verwendet, bei den geistlichen Kurfürsten auch in Verbindung mit
    AEP., ARCP., ARCPI. - (Archi-Episcopus - Erzbischof)
oder dem Kanzlertitel
    AC. - (Archi-Cancellarius)
gefolgt von der Ortsbezeichnung
    M. (MOG.) - Moguntinensis - von Mainz
    T. (TR.) - Treverensis - von Trier
    C. (COL.) - Coloniensis - von Köln oder ähnlich.
Der Hinweis auf die Kurfürsteneigenschaft mit
    & E.(E.EL.) - et Elector - und Kurfürst, oder
    P.EL. - Princeps Elector-Kurfürst
schließt sich an.

Die Umschrift SRIPGACPEL auf einem Mainzer Taler des AEP.MOG. = Archi-Episcopus Moguntinus - Erzbischof und Kurfürst von Mainz - Emmerich Joseph (Emericus Josephus) Frhr. v. Breidbach von 1769 bedeutet:
    Sacri Romani Imperii Per Germaniam Archi-Cancellarius Princeps Elector,
    des Heiligen Römischen Reiches Erzkanzler für Deutschland, Kurfürst.
Bei den weltlichen Kurfürsten läßt sich aus dem Namen des Kurfürsten in Verbindung mit der das Erzamt bezeichnenden Kürzung
  AC.- Archi-Camerarius- Erzkämmerer
  AD.- Archi-Dapifer - Erztruchseß
  AM.- Archi-Mareschallus- Erzmarschall
  ATH.  - Archi-Thesaurarius  - Erzschatzmeister
der Kurstaat ermitteln.
Natürlich finden sich auch längere Abkürzungen wie: ARCHIM oder ARCHIMAR für Archi-Mareschallus (auf Münzen des Kurfürsten von Sachsen), bisweilen getrennt in AR-CHIM (die willkürliche Trennung findet sich schon bei den Römern).
Die von den Kurfürsten aufgrund der Anordnung in der Goldenen Bulle mit der Ausübung der Erzämter erblich belehnten Vertreter - ihr (Vertretungs-) Amt hieß Erbamt - führten unter Fortfall des Titels "Archi-" den Zusatz "Haereditarius" (= erblich), z.B.
    S.R.I.CAM.HAE.
    Sacri Romani Imperii Camerarius Haereditarius
    des Heiligen Römischen Reiches Erbkämmerer
- es war der "Graf in Zollern" (Zollern ist das Stammschloß der Hohenzollern am Rande der Schwäbischen Alb, südlich von Hechingen).


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