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Geben noch immer Rätsel auf:
Die sieben Glockentaler

Klaus Christiansen
money trend 1977/4 S.18-22


Noch immer nicht restlos geklärt sind die letzten Geheimnisse der sieben Glockentaler des Herzogs August des Jüngeren von Braunschweig-Wolfenbüttel (1598 bis 1666). Bei diesem "Glockengeld", denn es gibt auch 1/2- "Glockengulden" und 1/4 Taler dieser Art, haben sich wichtige Details generationenlangem Forscherfleiss bis heute verweigert. Trotz umfänglicher Bemühungen - auch von Numismatikern hohen Grades - herrscht wegen ihrer Ausdeutung nicht die Klarheit, welche Ziel jeder Wissenschaft sein muss. In gewisser Weise bietet sich ein Vergleich dieses Phänomens mit dem des berühmten altkretischen (?) Diskus von Phaistos an (ausgegraben 1908), immer wieder hat er Fachgelehrte und ambitionierte Aussenseiter wegen der Entzifferung (oder gar Lesung) zu zahlreichen Theorien und scharfsinnigen Kombinationen verlockt.

A priori sei angekündigt: Leider vermag auch Unterzeichneter nicht, die Lösung anzubieten; vielleicht aber gelingt es, durch vorliegende Abhandlung Denkanstösse zu vermitteln, welche möglicherweise der Abklärung einer so lange schon offenstehenden Frage dienlich sein können.

Die so interessanten, variantenreichen Glockentaler gehören in die Kategorie der sogenannten Geschichtstaler, welche gerade für das 16. und 17. Jahrhundert aus den welfischen Landen in pittoresker Vielfalt vorliegen - zum Beispiel Licht-, Brillen-, Rebellen-, Wespen-, Pelikan-, Lügen- und Eintrachtstaler. Als von nahezu jedermann "begreifbares" Propagandamittel beziehen sich diese "Schaumünzen" auf alle nur möglichen be- und nachdenkenswerten Ereignisse, so spiegeln sie auch die aktuellen Zeitprobleme jener Tage sattsam wider. Die pointierte, ausgefeilte Symbolik der Münzbilder musste dann zwangsläufig so gehalten gewesen sein, dass die Empfänger dieser silbernen "Flugblätter" Inhalt und Absicht des Prägeherrn erkennen, etwas damit anfangen konnten. Die gelehrte Allegorie des Barockzeitalters muss dem Verständnis der weitaus weniger als wir reizbedrängten Altvorderen erheblich zugänglicher gewesen sein, als heute gemeinhin vorstellbar. Ob dies speziell auf die Glockentaler zutrifft, darf hinsichtlich bestimmter Details füglich bezweifelt werden.

Generell liegen die Kriterien und Normen der Glockenmünzen und Glockentaler durchaus klar zutage: Münzstätte (Zeilerfeld, gemeinsame Münzstätte aller braunschweigisch-lüneburgischen Linien seit 1635), Münzfuss (der alte Talerfuss von 1566 oder, für den niedersächsischen Kreis 1568/72: 1 Taler 29,2 g rauh, 25,9 g fein, 9 Stück aus der feinen Mark = ca. 900/1000 fein), Münzmeister ist Henning Schlüter, 1626 bis 1672, Münzzeichen HS, häufig in Verbindung mit zwei gekreuzten Schlüsseln.

Insofern gibt es keinerlei offene Fragen.

Man befindet sich 1643, im Prägejahr aller sieben Glockentaler, in der letzten Phase des Dreissigjährigen Krieges, der Frieden von Münster und Osnabrück wird noch Jahre auf sich warten lassen.

Herzog August II. der Jüngere von Braunschweig-Wolfenbüttel (1598 bis 1666), aus der welfischen Nebenlinie des niedereibischen Dannenberg (in Hitzacker seit 1598), gelangte durch den Braunschweiger Erbvergleich von 1635 in die Nachfolge der im Jahr vorher mit Herzog Friedrich Ulrich (regierte seit 1613) ausgestorbenen sogenannten Mittleren Linie Wolfenbüttel. In seine neue Residenz, die Festungsstadt Wolfenbüttel, vermochte er aber erst nach über siebenjährigen Verhandlungen und Abzug der kaiserlichen Besatzungstruppen einzuziehen (am 13. oder 14. September, nach anderer Lesart ist es der 13. November - beide Daten werden von dem nach den Münzbildern wertenden Autor angezweifelt).

Hauptsächlich hatten sich das verzweifelte Lavieren zwischen Dänen, Schweden und dem Kaiser sowie die leidigen Halberstädter und Hildesheimer Stiftsfragen (Restitutionsedikt 1629 und Spruch des Reichskammergerichts 1643) als hinderlich, verzögernd ·erwiesen. In diesem Zusammenhang sei auch des "tollen Christian", des jüngeren Bruders des Vorgängers unseres Herzogs, gedacht (verstorben am 16. Juni 1626 zu Wolfenbüttel), der sich als protestantischer Heerführer eines denkbar schlechten Rufes erfreute und am 6. August 1623 bei dem Dörfchen Stadtlohn gegen Tilly eine vernichtende Niederlage erlitt. Seine 1622 angeblich aus dem Paderborner Kirchensilber geschlagenen sogenannten "Pfaffenfeindtaler" sprechen für sich!

Siehe Abb.3: 'Pfaffenfeindtaler' des tollen Christian (1622). Obwohl nur Administrator von Halberstadt, nennt er sich - wie durchaus üblich - Herzog zu Braunschweig-Lüneburg. Die Legende der Rückseite französisch (Tout avec Dieu = alles mit Gott!) W.1381

Aber auch vom dänischen Festungskommandanten sei hier die Rede, von jenem Grafen von Solms, welcher 1627 zu Wolfenbüttel die Hahnreitaler (aus dem Silbergeschirr des Herzogs und anderer durch die Brandschatzung des Landes gewonnener Beute) prägen liess (Vorderseite: Monogramm König Christians IV. von Dänemark und Umschrift QUID NON PRO RELIGIONE = Warum nicht für den Glauben ?). Diese Taler beziehen sich auf den vertriebenen, derzeit mit dem Kaiser in Frieden stehenden Herzog Friedrich Ulrich (1613 bis·1634).

Wolfenbüttel, von 1432 bis 1753 Hauptresidenz der Herzöge von Braunschweig-Wolfenbüttel, war fortifikatorisch eine der frühesten Festungen im Bastionärsystem, eine planmässig angelegte Renaissancestadt. Mit dem endlichen Einzug Herzog Augusts beginnt hier, zusammen mit dem Wiederaufbau des zerstörten Landes, die eigentliche Barockkultur. Die weltbekannte Bibliothek (Bibliotheka Augusta, begründet 1572) mit ihren bereits im 17. Jahrhundert über 28000 Bänden, welche später Leibniz und Lessing zu ihren Betreuern zählen konnte, war ureigenes Anliegen des bibliophilen Fürsten, sein Sammeleifer liess Agenten in ganz Europa für ihn stöbern! Auch höchstselbst ist er literarisch hervorgetreten - unter anderem stammt aus seiner Feder ein Werk über Geheimschrift! Am Entwurf des 5. Glockentalers soll er eigenhändig beteiligt gewesen sein. Als "Gelehrter und Friedensfürst" ist der "Vater" der Glockentaler in die Territorialgeschichte eingegangen - die zündende Idee aber zur Prägung des Glockengeldes wird gern dem braunschweigischen Kirchenrat Andrae zugeschrieben, welcher auch ein Gedicht auf den Einzug des Landesherrn produziert hat.

Mag der prächtige 4-Taler-Löser von 1655 auch den Fürsten in der obligaten herrscherlichen Pose zeigen - sein Denkmal auf dem Stadtmarkt zu Wolfenbüttel lässt ihn sein Pferd friedlich am Halfter führen (Abb.4) !

Neben der unübersehbaren Vorliebe für bisweilen bizarre Allegorien hat jene Zeit - zumindest in den gehobenen Schichten - kaum viel weniger der Astrologie und ihren scharfsinnig-spitzfindigen Horoskopen Zuneigung erwiesen. Der Astronomie wundersamen Schwester hat weder ein Kopernikus noch ein Tycho Brahe den Garaus machen können - im Gegenteil! Man denke nur an Kaiser Rudolf II. zu Prag und erst recht an Wallenstein, der ohne seinen Sterndeuter Seni in seinen späteren Jahren nachweislich kaum noch eine grössere Entscheidung zu fällen gewagt hat. Dass seinerzeit der Aberglauben hohe Wellen geschlagen hat, bewiesen die rauchenden Scheiterhaufen, Auswüchse eines geradezu wahnwitzigen Teufels- und Hexenglaubens. Ob sich auf den Glockentalern astrologische Momente finden lassen? Der Autor möchte diese Frage verneinen, die Symbole für die Wochentage auf dem 5. und dem 6. Glockentaler haben nur indirekt damit zu tun. Erwähnt sei hier, dass Kaiser Augustus bereits Münzen mit dem Tierkreisbild seiner Geburt (Steinbock) hat prägen lassen.

Die Münzen

Vorderseiten (Avers): Abb.5 und Abb.6

Glockentaler 1 bis 6 zeigen das Hüftbild des Fürsten in der damals typischen Form, der 7. und die Abarten der Taler 2 bis 4 das fünffachbehelmte, elffeldige Wappen des welfischen Gesamthauses (Abb.5 und 6). Die Umschriften aller sieben Glockentaler und ihrer Abarten nennen auf der Vorderseite in deutscher Sprache Namen und Titel beziehungsweise Besitz des Herzogs, kleinere Abweichungen kommen immer wieder vor:
AUGUSTUS HERTZOG ZU BRAUNS. U/ND LU (N) . = August Herzog zu (nicht von!) Braunschweig und Lüneburg.
Regelmässig geben alle Welfenlinien beziehungsweise Häuser ihren 'Besitzstand' in dieser Weise an, Hinweise auf Wolfenbüttel usw. sind für gewöhnlich nicht zu erwarten (siehe auch Wappen). Grossbuchstabenschrift (Antiqua). Hinsichtlich der Münzbilder und Umschriften der Vorderseiten bestehen so gut wie keine offenen Fragen.

Rückseiten (Revers)

Hier bestehen die Umschriften der Taler 1 bis 6 und ihrer Abarten (neben der Jahreszahl ANNO, ANO, AO 1643 öfter auch das Münzmeisterzeichen H S, dazwischen häufig gekreuzte Schlüssel. H=S, innerhalb der Legende verschieden eingeordnet) aus dem Wahlspruch (Devise) unseres Herzogs = ALLES MIT BEDACHT. (Vielleicht hat deshalb die ganze Sache so lange gedauert?!) Beim 7. und letzten Glockentaler hingegen besteht die (lateinische) Umschrift aus einem Triumphschrei oder Seufzer der Erleichterung: TANDEM PATIENTIA VICTRIX = Endlich ist die Geduld / Ausdauet siegreich / Siegerin!

Übersicht und Auflösung der Rückseiten

GT-Nr. 1 (Abb.7):
Münzbild: Glocke an Glockenbalken mit deutlich sichtbaren Zapfen, wie bei allen Emissionen an der Glockenkrone drei breite Bänder. Herabhängendes, geschlängeltes Läuteseil, oben die Umschrift durchstossend. Der Klöppel fehlt.
Insgesamt 7 Sternchen oder Rosetten.
Inschrift und Einzelbuchstaben: Auf dem Glockenrand: T S G (!) E B.
Darunter, am Innenkreis: SIC NISI

GT-Nr. 2 (Abb.8):
Münzbild: Gleiches Bild wie bei 1.
Insgesamt 8 Sternchen oder Rosetten.
Inschrift und Einzelbuchstaben: Schrift auf dem Glockenrand wie bei 1. Darunter, am Innenkreis, anstelle SIC NISI jetzt UTI SIC NISI. Zwischen den Buchstaben auf dem Glockenrand jeweils ein Pünktchen!
Das T S G E B auf den Glockenrändern beider Taler wird durchaus verschieden gedeutet. Besonders ist man sich nicht darüber im klaren, ob der dritte Buchstabe nun C oder G ist.
Nach Betrachtung von über zwanzig einschlägigen Geprägen muss der Verfasser auf G schliessen. Als Auflösung schlägt er - ohne die Gründe hier detailliert aufführen zu können - vor: TANDEM SAPIENTIA GLORIOSA EFFECTUS BREVI = endlich wird die Geduld in Kürze mit Erfolg belohnt werden / sich auszahlen.
SIC NISI beziehungsweise UTI SIC NISI wäre (frei) zu übersetzen mit: So ist sie nicht zu gebrauchen / kann sie nicht läuten - wenn nicht der Klöppel hinzukommt / ausser, der Klöppel kommt hinzu.
Was sollen der fehlende Klöppel und die entsprechenden Worte bedeuten, ausdrücken? Meines Erachtens soll die Szene darauf hinweisen und propagieren, dass der Landesherr nicht ohne seine Hauptstadt, ohne seine Residenz regieren kann - eine Glocke ohne Klöppel ist wie eine Hauptstadt ohne Herrscher. Nur beide zusammen vermögen etwas auszurichten. Die gewöhnlich anzutreffende Auslegung, die Glocke sei - mit oder auch ohne Klöppel ein Friedenssymbol, ist wohl etwas zu glatt und dürfte der ursprünglichen Absicht nicht gerecht werden.

GT-Nr. 3 (Abb.8b):
Münzbild: Gleiches Bild wie 1 und 2. Inschrift und Einzelbuchstaben: Auf dem Glockenrand: GLORIA (Sieg!). Darunter wieder SIC NISI beziehungsweise auf einer Abart UTI SIC NISI.
Das GLORIA auf dem Glockenrand muss sich auf laufende Ereignisse bezogen haben, welche dem Herzog den Besitz seiner Hauptstadt entscheidend nähergebracht haben. Der Klöppel fehlt aber noch immer (der Herzog ist noch nicht in seine Residenz eingezogen). Der 3. Glockentaler ist sehr selten!

GT-Nr. 4 (Abb.9):
Münzbild: Länglicher Quaderstein, daran gelehnt ein Klöppel.
Insgesamt 4 Sternchen.
Inschrift und Einzelbuchstaben: Auf dem Klöppel (senkrecht): 13. K.MA 11. Am Quader (in drei Zeilen): A P. 13 X/ = XV (Ligatur). IO. (hannes?) IN S (= sanctus?). Darunter, am Innenrad: SED?
SED? wäre hier zu interpretieren mit 'aber jetzt?' oder 'und nun?' Soll meines Erachtens ausdrücken, dass der Klöppel (der Fürst, gelehnt / gestützt auf die Treue seines Volkes = Quaderstein) allein, ohne die Glocke (= Residenz Wolfenbüttel) nicht läuten / regieren kann.
Die Buchstaben und Zahlen (zweimal 13!) auf Klöppel oder Schwengel entziehen sich weiterhin näherer Deutung. Keine der vielleicht in Frage kommenden Evangelienstellen gäbe einen Sinn. An ein Steinmetzzeichen (XV) ist nicht zu denken, auch der Geburtstag des Herzogs (10. April 1579) ist auszuschliessen. Es muss sich hier um eine Geheimformel handeln (man denke an das 'Hobby', Kryptographie, unseres Fürsten), welche gewiss nur wenigen Eingeweihten verständlich gewesen sein wird. Allenfalls könnte noch an ein Datum oder eine Ortsangabe gedacht werden (Verhandlungsort). Vielleicht versteckt sich in den Lettern ein Fluch oder ungeduldiges Hoffen?

GT-Nr. 5 (Abb.10):
Münzbild: Wie auf 1 bis 3, jedoch ist die Glocke jetzt grösser, mitten darauf ein Punkt. Der Klöppel ist eingehängt.
Insgesamt 3 Blüten.
Inschrift und Einzelbuchstaben: Im Feld rechts beziehungsweise links der Glocke: TAN DEM (= endlich!). Auf dem Glockenrand: WAIDIR. Auf dem Klöppelende: E. Am unteren Innenrand: MVII.B.13 ☿ (Planetenzeichen für Merkur) = mensis VII biduum 13 (und 14), Mittwoch, 13. Juli (und 14., biduum - an zwei Tagen).
Endlich (TANDEM) hatte man es geschafft, stand der Abzugstermin für die kaiserliche Besatzung fest, musste sie das Feld räumen. Dürfte sich auf den erfolgreichen Abschluss der Verhandlungen im Schlosse zu Braunschweig, dem vorläufigen Wohnsitz des Fürsten, beziehen. Meint man nun, in WAIDIR lateinische Wortabkürzungen (Abbreviaturen) sehen zu müssen, stünde W mit einiger Sicherheit für Wolfenbüttel. Möglicherweise haben wir es hier aber mit der Landessprache zu tun. Das WEHE DIR (WAl DIR) könnte besagen, dass jetzt, wo Klöppel und Glocke vereint (Herzog und Hauptstadt), niemand es wagen sollte, gegen diese Kraft etwas zu unternehmen oder den Gang der Dinge zu stören. Zuweilen erscheinen zwischen den Buchstaben aber auch Pünktchen - wieweit die Stempelschneider hier korrekt gearbeitet haben, muss fraglich bleiben.

Das kapitale E auf dem Klöppelende könnte für ECCE (siehe da!), EI (wehe) oder EIA (wohlan!) stehen. (Zum Auszugsdatum siehe Anmerkungen bei 6.)

Am Entwurf zum 5. Glockentaler soll der Herzog eigenhändig beteiligt gewesen sein! (Siehe Köhler's Münzbelustigungen.)

GT-Nr. 6 (Abb.11):
Münzbild: Wie oben. Die Glocke ist noch ein wenig grösser.
Insgesamt 4 Sternchen.
Inschrift und Einzelbuchstaben: Inschriften wie auf dem 5. Taler. Am unteren Innenrad: hier M.VII. B. 14 ♃ (Planetenzeichen für Jupiter) = Donnerstag, 14. Juli (und 13.)
Zu den Daten:
Die Räumung erstreckte sich über zwei Tage (13. und 14. Juli 1643). Die Planetensymbole stehen für Mittwoch beziehungsweise Donnerstag. Gemäss Lietzmann / Aland wären diese beiden Tage allerdings Montag und Dienstag. Die andernorts angegebenen Daten (13. und 14. September, 13. November) liegen ebenfalls nicht so, wie auf den Münzen angegeben. Ganz eindeutig steht aber fest, dass der Gregorianische Kalender von 1582 benutzt worden ist. Akzeptiert man die zweitägige Räumung, so gäbe es in der Numismatik eine Frage weniger! Auch bezüglich der Monatsangaben dürften kaum noch Zweifel bestehen, ganz aus dem Rahmen würde der in v. Schrötter's Wörterbuch aufgeführte November fallen.

GT-Nr. 7 (Abb.12):
Münzbild: Die Glocke schwingt am Glockenstuhl, der bis an den oberen äusseren Rand ragt. Sie wird von drei (rechten) Armen geläutet, der Klöppel schlägt gerade an den Glockenrand.
Darunter beziehungsweise im Hintergrund Natur-Ansicht der Stadt Wolfenbüttel und ihrer Wehranlagen. Links, unmittelbar unter der tönenden Glocke, die strahlende Sonne.
Insgesamt 3 Rosetten.
Inschrift und Einzelbuchstaben: Auf der Glocke (in zwei Zeilen): NU(nc) PAC(em) EX. SO(le) El 9 (= us) = Jetzt haben wir den Frieden aus der Gnadensonne des Herrn.
Die Umschrift (TANDEM PATIENTIA VICTRIX, s.o.) weist aus, dass sich Geduld und Zähigkeit des fast acht Jahre zuwartenden Fürsten gelohnt hatten und er endlich in seine Residenz - nach Räumung durch die Kaiserlichen - einziehen konnte.

Was aber sollen die drei Arme (Stulpenärmel) bedeuten? Möglicherweise soll hier ausgedrückt werden, dass die Rückgewinnung der Hauptstadt im Einvernehmen aller drei Welfenlinien jener Tage (Wolfenbüttel, Hannover, Celle) oder durch Vertrag beziehungsweise mit Zustimmung der anderen für den Vorgang relevanten Mächte erfolgt ist (Reich und Schweden). An die heilige Dreifaltigkeit wäre in diesem Zusammenhang - wie schon vorgekommen - wohl weniger zu denken.

Von diesem Glockentaler kennt man auch einen Goldabschlag sowie eine Abart, bei welcher der Klöppel fehlt. Das mehrfach genannte, angebliche Prägedatum (19. September) muss fraglich erscheinen.

Warum nun sind es ausgerechnet sieben Glockentaler? Man muss davon ausgehen, dass jeder der Taler ein Jahr der Verhandlungen beziehungsweise des Abwartens symbolisieren soll - andere Ausdeutungen der Zahl sieben hier unterlegen zu wollen (es gibt deren bekanntlich genug), wäre sicherlich verfehlt. Münzbilder und Inschriften fussen auf wichtigen, entscheidenden Ereignissen und sollen die Geisteshaltung des Fürsten dokumentieren. Es lässt sich nicht verhehlen, dass sich neben Hoffnung auch Ungeduld breit machte - trotz der Devise des Herzogs. In jedem Falle gelten diese prächtigen Gepräge dem Andenken seiner wohl bedeutsamsten Lebensphase.

Mit Herzog August dem Jüngeren, welcher am 17. September 1666, im 88. Lebensjahr, seine Tage beschloss, endete eine der grossen Sammlernaturen seiner Zeit. Er ist Stammvater des sogenannten Neuen Hauses Wolfenbüttel, welches bis 1884 regiert hat.

Wie sang doch der württembergische Theologe und braunschweigische Geheime Kirchenrat Andrea anlässlich des Einzugs 1643?
  Leut' nun Glocke mit dem Schwengel,
  da sich freuen Gott und Engel!

Die Glockentaler kommen heute auf dem Markt relativ häufig vor. Sie sind etwa 60 bis 80% teurer als 'normale' Jahrgänge - ihre Prägezahlen werden also nicht gering gewesen sein! Obwohl Denkmünzen, sind sie aber beileibe nicht als ausgesprochene Geschenk- oder Verehrpfennige anzusehen. Wie die Abnutzungsspuren zeigen, haben sie sich tatsächlich auch im Umlauf befunden - ganz anders also als unsere Sonderfünfer und Olympiazehner!
Die Sternchen, Rosetten und Blüten dürften keinerlei Bedeutung besitzen, ihre Anzahl nichts zusätzlich aufzeigen können. Wie nicht anders zu erwarten, kommen eine ganze Reihe von Stempelvarianten vor - mehr als 2000 bis 3000 Schläge sollten die damaligen Stempel nicht vertragen haben.

Es konnte hier nicht der Ort sein, das Phänomen Glockentaler in aller Breite abzuhandeln und Quellen angemessen zu kommentieren. Manches muss noch Hypothese bleiben. Aber vielleicht auch dem weniger an älteren Münzen Interessierten könnte der Überblick eines derart vielseitigen Themas Anregungen vermittelt haben. Für Hinweise und Kritik wäre der Autor dankbar.

Benutzte Literatur:
Fiala: Neues Haus Braunschweig-Wolfenbüttel
Jesse: Münz- und Geldgeschichte Niedersachsens
Welter: Die Münzen der Welfen seit Heinrich dem Löwen
v. Schrötter: Wörterbuch der Münzkunde
Buchenau: Grundriss der Münzkunde
Luschin: Allgemeine Münzkunde und Geldgeschichte
Jaeger: Hannover / Braunschweig (seit 1813)
Schön: Altdeutschland
Wilberg: Regententabellen
Wedgwood: Der Dreissigjährige Krieg
Haase (Herausg.): Niedersachsen
Schnath u.a.: Geschichte· des Landes Niedersachsen (Territorien-Plötz)
Baur: Sternglaube - Sterndeutung - Sternkunde
Hist. Commission der kgl. bayr. Akademie: Allgemeine Deutsche Biographie (Bd.1)
Lietzmann / Aland: Zeitrechnung
Ekrutt: Der Kalender im Wandel der Zeiten
Schwarz Winklhofer / Biedermann: Das Buch der Zeichen und Symbole
Doblhofer: Zeichen und Wunder


Siehe: Medaillen auf Georgius Agricola


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