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Die Andreasmünzen aus dem Harz

Werner Gutbrod
in: Geldgeschichtliche Nachrichten, Jg.25, Heft 138 (Juli 1990) S.192-195
[Hier mit Abbildungen aus jüngeren online-Auktionkatalogen versehen.]


Der heilige Andreas war, wie das Markus-Evangelium sagt (1,16), der Bruder des Petrus und wie dieser bis zur Begegnung mit Jesus Fischer am See Genezareth. Nach der Überlieferung wirkte er als Apostel Kleinasiens, der Völker im unteren Donauraum und der Russen. Er soll in Patras an der Nordküste der griechischen Halbinsel Peloponnes den Kreuzestod erlitten haben. Eine wohl mittelalterliche Legende berichtet, er sei an ein Kreuz mit gleich langen schrägen Balken geschlagen worden, also an ein Kreuz in der Form des griechischen Buchstabens Chi. Mit dieser Schilderung stellt die Legende die Verbindung zu Christus her. Man hatte schon in spätrömischer Zeit ein aus den griechischen Buchstaben Chi und Rho (X und P) gebildetes Zeichen als Christusmonogramm verwendet.


Abb. 1: Römisches Reich, Magnentius (350-353), Bronze, Rs. Christogramm zwischen Alpha und Omega


Das Bild dieses Heiligen mit seinem Kreuz hat eine sehr große Zahl von Silbermünzen geschmückt, die über den Zeitraum von fast drei Jahrhunderten im Harz geprägt worden sind. Im letzten Drittel dieser Zeit trat noch eine Reihe von Kupferpfennigen mit dem Heiligen dazu. In wenigen Fällen erschien Andreas hier auch auf Goldstücken.

Das Silber und das Kupfer dieser Andreasmünzen kamen aus dem Bergbaurevier St. Andreasberg im Oberharz. Wegen ihres Bildes, das auf die Herkunft des Metalls hinweist, werden die Gepräge im allgemeinen Ausbeutemünzen genannt. Dabei setzt man Ausbeute mit Ausbringen oder Produktion gleich. Wirtschaftsgeschichtlich ist das nicht gerechtfertigt. In den Zeiten des frühen Bergbaus war Ausbeute allein derjenige Betrag, der aus dem Bergbaubetrieb verblieb, nachdem alle Kosten und Investitionen ("Zubußen") abgezogen waren. Die Ausbeute war also der Reingewinn aus der Grube. Dieser Gewinn floß den Inhabern der Anteile an der Grube, den Gewerken, gelegentlich in Form von Sondermünzen zu. Solche sind die ab 1743 in verschiedenen Jahrgängen bis 1774 in Zellerfeld im Harz für Hannover und Braunschweig geprägten Taler auf die Ausbeute von acht Oberharzer Gruben. Sie geben alle den Anlaß ihrer Entstehung an: DIE GRVBE - es folgt der Name -:- KAM IN AVSBEVT. Auch das Datum ist aufgeführt. Ausbeutemünzen in diesem Sinn waren die Geldstücke mit dem Andreas nicht. Sie mögen zwar auch zur Zahlung von Ausbeute an die Gewerken verwendet worden sein. Ausschließlich zu diesem Zweck wurden sie aber nicht geprägt. Sie sollten deshalb den normalen Bergwerksgeprägen zugerechnet werden, der Gruppe derjenigen Münzen, die durch Schrift oder Bild die Herkunft ihres Metalls angeben (z. B. "Segen des Mansfelder Bergbaus").

Die vereinzelt in Harzer Münzstätten geprägten Goldmünzen mit dem Bild des Andreas sind keine Ausbeutemünzen im eigentlichen Sinne. Sie gehören aber auch nicht zu de Bergwerksmünzen, denn bei ihnen ist der Heilige nicht das Zeichen der Herkunft des Metalls. Im St. Andreasberger Gangerzrevier ist nie Gold gefördert worden. Das Gold für diese Münzen wurde also anderweitig beschafft. Die Harzgolddukaten des 18. und 19. Jahrhunderts kamen aus der Gold des Rammelsberges, der unmittelbar bei Goslar am Nordrand des Gebirges liegt.

Das Revier, dessen Bodenschätze später die umfangreiche Prägung des Andreasgeldes ermöglichten, gehörte zum Gebiet der alten Grafschaft Lutterberg, die sich über den südwestlichen Harz erstreckte. Die Grafen von Lutterberg ware Lehnsleute der Herzöge von Braunschweig-Grubenhager Als ihre Familie 1397 erlosch, fiel die Grafschaft an die Lehnsherren zurück. Im Jahre 1456 belehnten die Grubenhagener mit ihr den östlich benachbarten Grafen Ernst IV. von Hohnstein. Damit erlangte dieser das Recht zur vollen Nutzung des Landes einschließlich des Bergregals. Die Hohnsteiner - die Söhne wurden jeweils neu belehnt - waren nun Herren der Bodenschätze der Grafschaft.

Graf Ernst IV. ließ alsbald nach der Übernahme des Gebiets erzgebirgische Bergleute, die im Harz neue Arbeit suchten, nach Silber schürfen. In diesem Teil des Gebirges war schor in dem Zeitraum von 1200 bis 1360 Silber-, Kupfer- und Bleibergbau betrieben worden. Die neue Suche hatte Erfolg. Schon 1478 wird von einem Bergwerk "auf dem Andreasberge" berichtet. Nach der Überlieferung waren die Bergleute auf zwei Silbergänge gestoßen, die sich schräg kreuzten. Die Lage der Gänge entsprach dem Kreuz des heiliger Andreas. Die Grube erhielt deshalb den Namen Sankt Andreaskreuz-Zeche.

Bei der Grube entstand eine bescheidene Wohnsiedlung. 1520 fand man erstmals ergiebige Erzlager. Graf Ernst V. der seit 1508 Landesherr war (bis 1552), bemühte sich, die Silbergewinnung rasch voranzutreiben. Er beabsichtigte aber nicht, den Bergbau in eigener Regie durchzuführen. Das Recht, die Erze zu fördern und zu verarbeiten, wollte er unter bestimmten Bedingungen kapitalkräftigen Privatunternehmern überlassen. Andere Landesherren, in deren Gebieten sich abbauwürdige Bodenschätze befanden, hielten es ebenso. Um Unternehmer zu interessieren und weitere Bergleute anzuwerben, verkündete Graf Ernst 1521 eine "Bergfreiheit", ohne jedoch schon den Ort festzulegen, für den sie gelten sollte. Es wurden "Freiheiten" (Vergünstigungen) auf· gezählt, die für die Bewohner der künftigen Bergstadt und für auswärtige Unternehmer vorgesehen waren. Es war ebenfalls gesagt, welche Abgaben der Landesherr beanspruche und daß er sich ein Vorkaufsrecht hinsichtlich der Metalle vorbehalte. 1527 erließ der Graf eine zweite "Bergfreiheit".

1528 gründete er die Bergstadt, die den Namen des Silberberges St. Andreasberg erhielt. Da sich die Silberförderung sehr günstig entwickelte, wuchs die Einwohnerzahl in der Folgezeit schnell.

Ernst V. begann 1535 mit der Ausprägung großer Silbermünzen, von Talern, halben Talern und Vierteltalern. Wie auch alle späteren hohnsteinischen Münzen wurden sie in Ellrich geprägt, der alten Münzstätte der Grafen. Auf ihrer Vorderseite nennen diese Geldstücke den Grafen Ernst als Münzherrn und zeigen sein Wappen. Die Rückseite bringt das Bild des heiligen Andreas mit Heiligenschein im langen Gewand, barfüßig. Er hält das Schrägkreuz mit beiden Händen vor sich. Die Umschrift sagt, um wen es sich handelt: SANCTVS ANDREAS. Zu beiden Seiten des Heiligen steht die Jahreszahl. Bild und Schrift weisen zugleich auf die Grube oder doch zumindest auf die Gegend hin, aus der das Metall gekommen ist. Das gezeigte Kreuz könnte auch als Wiedergabe der Gestalt der ersten Grube gedeutet werden. Ernst V. hat mit denselben Bildern noch Goldgulden geprägt, die keine Jahreszahl aufweisen.



Abb.2: Ernst V. von Hohnstein, Taler 1535, Ellrich


Nach seinem Tod setzten die Söhne Volkmar Wolfgang, Wilhelm, Eberwin und Ernst VI. gemeinschaftlich die Prägung von Talern und Teilstücken fort. Die Type blieb die gleiche. Die Legende änderte sich natürlich. Die Vorderseite brachte die Namen der vier Grafen. Die Rückseite sagte, daß die Münze von den Grafen von Hohnstein komme. Der Name des Heiligen hatte weichen müssen. Man erkannte diesen ohnehin an seinem Kreuz.

Von 1562 bis 1580 regierte Volkmar Wolfgang allein. Die drei Brüder waren gestorben. Die Umschrift auf der Andreasseite der neuen Münzen gab nun in Fortsetzung der Vorderseitenlegende Volkmar Wolfgangs weitere Titel an: Herr von Lohra und Klettenberg. 1572 erfolgte auf dieser Seite noch eine kleine, aber bedeutsame Änderung. Auf den Schnittpunkt der Kreuzbalken wurde der Reichsapfel gelegt. So war klargestellt, daß die Münze der Reichsvorschrift entsprach, der Taler also ein Reichstaler war. Im Jahre 1573 erschienen auch kleine silberne Groschen mit Wappen und Andreas. Sie führen gleichfalls den Reichsapfel im Mittelpunkt des Kreuzes.



Abb. 3: Volkmar Wolfgang von Hohnstein, Reichstaler 1579, Ellrich


Die Münzen des nachfolgenden Grafen Ernst VII. entsprechen denen seines Vaters.

Ernst VII. war der letzte Hohnsteiner. Er starb am 8. Juli 1593. Die Grafschaft Hohnstein kam an die verwandten Grafen von Stolberg. Die Grafschaft Lutterberg ging als erledigtes Lehen wieder an Braunschweig-Grubenhagen zurück.

In Grubenhagen regierten die Herzöge Wolfgang und Philipp II. gemeinsam. Sie begannen 1594 Taler, halbe Taler und Vierteltaler mit demselben Andreasbild zu prägen, das die Hohnsteiner seit 1572 verwendet hatten. Wie das Münzzeichen erkennen läßt, sind diese Münzen in Andreasberg hergestellt worden. Der Münzmeister, der dieses Zeichen auf seine Gepräge setzte, Heinrich Depsern, hat seit 1594 in Andreasberg gearbeitet. Herzog Wolfgang starb 1595. Philipp II. ließ dann in seiner Münzstätte Osterode am Harz Taler schlagen, auf deren Rückseite Andreas mit Kreuz und Reichsapfel über dem Wappen zu sehen ist. Die Vorderseite trägt das Hüftbild des Fürsten. Von ihm gibt es auch Reichsgroschen mit Andreas. Philipp verließ diese Welt 1596. Mit ihm endete das Haus Grubenhagen.



Abb. 4: Heinrich Julius von Wolfenbüftel, Reichstaler 1600, Andreasberg


Herzog Heinrich Julius von Braunschweig-Wolfenbüttel (1589-1613) hielt sich für den alleinigen Erben der Grubenhagener Linie. Ohne Rücksicht auf die Ansprüche der anderen Verwandten bemächtigte er sich des Fürstentums und setzte alsbald die Andreasberger Münzstätte für sich ein. Die Osteroder Münze ließ er ruhen. Er blieb bei den alten Bildern, Wappen und Andreas. Die Umschrift auf der Andreasseite brachte anfangs den Wahlspruch: PRO PATRIA CONSVMOR (Für das Vaterland reibe ich mich auf). Ab 1600 lesen wir: HONESTVM PRO PATRIA (Jede Tugend für das Vaterland). Diese Münzen waren wieder Taler und Teilwerte. Von dem Stempel des Vierteltalers von 1608 mit dem Andreasbild fertigte der Münzmeister Depsern in Andreasberg für Heinrich Julius Goldabschläge. Es waren große Stücke mit einem Durchmesser von etwa 30 mm. Sie dienten nicht als Umlaufmünzen, sondern nur zu Geschenkzwecken.

In dieser Zeit trat ein Wandel im Stil der Darstellung des Heiligen ein. Bis dahin war die Gestalt ziemlich steif und zuweilen flach gezeichnet. Die Füße waren unnatürlich nach außen gerichtet. Jetzt wurde die Haltung natürlicher. Durch eine leichte Wendung des Heiligen zur Seite und in anderen Fällen durch unterschiedliche Stellung der Arme wurde dem Bild Leben verliehen, wie es dem Geist der Renaissance entsprach. So sehen wir auf Münzen von 1599 bis 1600 Andreas nach links gewendet mit dem Kreuz unter dem rechten Arm.

Von Friedrich Ulrich von Wolfenbüttel (1613-1634) haben wir aus dem Jahre 1616 Doppeltaler, Taler und Vierteltaler mit Wappen und Andreas. Sie sind mit dem Münzzeichen Heinrich Öckelers versehen, der seit 1601 in Zellerfeld tätig war, in welchem Jahr Heinrich Julius dort eine neue Münzstätte errichtet hatte. Danach sind Friedrich Ulrichs Andreasmünzen in Zellerfeld geprägt worden.

Im Jahre 1617 erkannte das Reichskammergericht, das damals seinen Sitz in der Reichsstadt Speyer hatte, das Herzogtum Grubenhagen den welfischen Linien Celle, Dannenberg und Harburg zu, die es für näher berechtigt fand als Wolfenbüttel. Otto von Harburg hatte 1603 im voraus gegen Entschädigung auf die Erbschaft verzichtet. Die Herzöge Julius Ernst und August von Dannenberg ließen sich gleichfalls abfinden, so daß auch deren Anteil an Christian von Celle überging.

Christian (1611-1633, seit 1599 Bischof von Minden) gründete sogleich 1617 in Clausthal im Grubenhagener Teil des Harzes eine Münzstätte, ließ aber die Münze Andreasberg noch einige Jahre weiterarbeiten. Für ihn prägte man in Andreasberg bis 1624 Andreasgeld in den verschiedenen Werten bis hinab zum Groschen und zum kleinen silbernen 3-Pfennig-Stück. Vierteltaler sind aber auch noch mit der Jahreszahl 1625 bekannt. Bei diesen Münzen nimmt der Heilige regelmäßig die Vorderseite ein.



Abb. 5: Christian von Celle, Reichstaler 1624, Andreasberg


Im Jahre 1624 wurde der Erzbergbau in St. Andreasberg eingestellt. Schon zu der Zeit des Übergangs der Gruben auf die Grubenhagener Herzöge war die Förderung stark rückläufig gewesen. Sie hatte immer weiter abgenommen. Die Kriegsverhältnisse führten dann zum Stillstand.

In Andreasberg ließ Christian 1629 noch Goldmünzen prägen, Dukaten, die das Andreasbild auf der Rückseite tragen. Es existieren auch Stücke ohne Jahreszahl. Die Umschrift lautet: MO.AUREA.ANDREASBERG. Hier haben wir den eindeutigen Hinweis auf die Münzstätte. Eine Beziehung zu einer dortigen Grube hätten diese Goldmünzen allenfalls über ihren minimalen Anteil an Kupfer haben können. Die Dukaten hatten ja einen Feingehalt von 986/1000.

Mit dieser Goldprägung endete die Tätigkeit der Münzstätte St. Andreasberg. Die von 1630 bis 1633 ausgegebenen Andreasmünzen Christians stammen aus der Münzstätte Clausthal. Ihr Silber dürfte nicht aus Andreasberg gekommen sein. Die Andreasberger Silberhütte war schon 1629 abgebrochen worden. Über Jahre haben sich Vorräte sicher nicht gehalten.

Neues Andreasgeld kam nun rund drei Jahrzehnte nicht. Einige Zeit nach dem Dreißigjährigen Krieg wurde in St. Andreasberg der Bergbau wieder aufgenommen. Er gelangte zu einer neuen Blüte. Im Jahre 1665 erwarb das Haus Lüneburg-Calenberg-Hannover die Grubenhagener Gebiete und damit die Andreasberger Gruben.



Abb. 6: Johann Friedrich von Calenberg, Reichstaler 1666, Clausthal


Herzog Johann Friedrich von Calenberg (1665-1679) nutzte natürlich sogleich die Andreasberger Silbererträge. Von 1666 ab ließ er wieder Andreastaler und deren Teilwerte schlagen. Sie entstanden wie auch alle späteren Geldstücke mit dem Heiligen in der Münze Clausthal. Auf den ersten dieser Ausgaben erschien der Name der Bergstadt: S. ANDREASBERG. Damit war aber lediglich gesagt, woher das Metall kam. Denn eine Münzstätte bestand ja in Andreasberg seit langem nicht mehr. Die Münzen brachten auf der Vorderseite das Wappen. Der Heilige auf der anderen Seite hielt wie in früheren Zeiten sein Kreuz vor sich. Man hatte auf das alte Andreasbild zurückgegriffen, weil es in der Bevölkerung als Gütezeichen angesehen wurde, als Merkmal für hochwertiges Geld. Es war die sogenannte zweite Kipperzeit, in der unterwertige Münzen anderer Territorien vielfach im Umlauf waren.

In den letzten Jahren Johann Friedrichs begegnet uns ein etwas veränderter Andreas. Das Gewand verdeckt einen Teil des Kreuzes. Gleichzeitig wird eine andere Umschrift eingeführt: ST. ANDREAS REVIVISCENS (Der wieder zum Leben erwachende heilige Andreas). Das kann sich nicht auf die Person des Heiligen beziehen. Gemeint ist zweifellos das Wiederaufleben des Bergbaus bei St. Andreasberg. Mit "Sanctus Andreas" dürfte nicht auf eine bestimmte Grube hingewiesen sein. Das Andreasberger Gangerzrevier war ein Gebiet von etwa 6 Kilometer Länge, im Osten ungefähr 2 Kilometer breit, im Westen spitz auslaufend. Es enthielt über 20 Erzgänge, von denen 8 bergbaulich wichtig waren. So wurde natürlich an den verschiedensten Stellen gegraben. In den einzelnen Zeitabschnitten änderte sich die Zahl der Gruben freilich sehr.

Die neue Umschrift bringen alle Andreasmünzen der folgenden Jahrzehnte. An die Stelle des Kürzels St: tritt bald SANCT: oder SANCTVS. Die kleineren Münzen tragen durchweg den Vermerk Feinsilber.



Abb. 7: Ernst August von Calenberg, Reichstaler 1692, Clausthal


Herzog und seit 1692 Kurfürst Ernst August (1679-1698) gab seinen Andreasgeldstücken ein sehr abgewandeltes Bild des Heiligen. Dieser steht halblinks gewendet. Er hält das Kreuz unter dem rechten Arm, steht also vor demselben. Und noch eine Besonderheit: Das Kreuz ist nicht mehr das legendäre Schrägkreuz. Es ist das übliche lateinische Kreuz mit dem im rechten Winkel stehenden kürzeren Querbalken. Durch die Neigung zur Seite erinnert es jedoch an das eigentliche Andreaskreuz.

Den Heiligen sehen wir auch auf der Rückseite eines großen Clausthaler Goldstücks von Ernst August aus dem Jahre 1695. Es ist der Abschlag eines Talerstempels und hat den Wert von 10 Dukaten.



Abb. 8: Georg Ludwig von Calenberg, Reichstaler 1712, Clausthal


In den ersten drei Jahrzehnten des 18. Jahrhunderts erlebte die Silbergewinnung in Andreasberg noch einmal einen großen Aufschwung. Man fand in dieser Zeit sogar gediegenes Silber. Das gab es sonst in Deutschland nicht. Dieser Silberreichtum brachte eine sehr umfangreiche neue Prägung von Andreasgeld, Talern und kleineren Stücken, unter Kurfürst Georg Ludwig (1698-1727, seit 1714 als Georg I. König von Großbritannien). In den ersten Jahren blieb Georg Ludwig bei dem Andreasbild, das sein Vater eingeführt hatte. 1705 ließ er es austauschen. Der neue Andreas steht vor dem Kreuz, das wieder die überlieferte Schrägform hat. Der linke Arm ist rückwärts gerichtet und umfaßt das obere Ende eines Balkens. Der rechte Arm ist ausgestreckt, die Hand geöffnet. Die Knie sind leicht seitwärts gebeugt. Die Figur wirkt theatralisch, gekünstelt. Das ist der manieristische Stil, der dem Barock vorausging.



Abb. 9: Georg I. König von Großbritannien, Reichstaler 1721, Clausthal


Vom Jahre 1717 ab sind die Andreasmünzen mit dem Königswappen geschmückt. In Verbindung damit tritt abermals ein Wechsel im Heiligenbild ein. Dieses entspricht jetzt ganz dem Stil des Barock. Es ist interessant zu sehen, daß zur Umgestaltung nur geringe Veränderungen der Figur nötig waren. Der rechte Arm ist jetzt angewinkelt, die Hand liegt am Körper und hält ein Buch. Die Beine sind nahezu gestreckt. Hier ist nichts mehr unnatürlich. Der Apostel hat Leben, die Bewegung ist aber nicht übersteigert. Mit dem alten Bild verschwindet die Legende: SANCTUS ANDREAS REVIVISCENS. Sie wird durch die Aufführung der deutschen Würden des Königs ersetzt: Braunschweigischer und Lüneburgischer Herzog, des Heiligen Römischen Reiches ErzSchatzmeister und Kurfürst. Das steht, wie es zu jener Zeit die Regel war, in lateinischer Form und natürlich sehr abgekürzt auf den Münzen. Die Wappenseite nennt den Namen des Königs und die britischen Titel.

Das von Georg II. (1727-1760) und Georg III. (1760-1820) geprägte Andreasgeld wies in den Typen keine Änderungen mehr auf. Unter dem dritten Georg endeten die Münzen mit dem Heiligenbild. Der letzte Jahrgang der Andreastaler ist 1773. Um diese Zeit war die Silberproduktion in St. Andreasberg wieder erheblich gesunken. Es ist nicht ausgeschlossen, daß in dieser Periode Andreasmünzen auch aus dem Silber eines anderen Harzer Reviers geprägt worden sind, wie es schon unter Christian von Celle geschehen war.

Im 18. Jahrhundert wurden in Clausthal auch Kupfermünzen aus Andreasberger Ausbringen geschlagen. Ihre Vorderseite zeigt den Heiligen vor dem Kreuz. Auf eine Umschrift wurde verzichtet. Wir haben Stücke zu 4 Pfennig von 1792 und 1794 sowie Pfennige aus einer Reihe von Jahrgängen des Zeitraums von 1725 bis 1802. Auf Pfennigen von 1782 sieht man Andreas nochmals mit dem Kreuz unter dem Arm.

Von den Stempeln einiger Pfennige wurden Goldabschläge hergestellt, sogenannte Goldpfennige. Sie entsprachen im Wert einem Dukaten.

Die letzten Andreasmünzen wurden 1804 geprägt, Dritteltaler und Sechsteltaler.

In der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts waren die Erze bei St. Andreasberg weitgehend aufgebraucht. 1910 wurde die letzte Grube, Samson, geschlossen. Das alte Grubengebäude ist heute Bergwerksmuseum.

Die Abb. 2-9 sind dem Auktionskatalog April 1985 der Fa. Schulten + Co. GmbH, Köln, entnommen. [Hier wurden sie ersetzt durch Abbildungen aus jüngeren online-Auktionkatalogen.]
Anmerkungen 1-5 : ... [fehlen hier.]
Literatur:
Karl Müseler: Bergbau- und Ausbeuteprägungen unter besonderer Berücksichtigung der Oberharzer Gepräge, in: Mitteilungsblatt der Technischen Universität Clausthal, Heft 54 1983, S.55.
Kurt Mohr: Die Entwicklung und Verbreitung der Harzer edel metallführenden Lagerstätten, in: Mitteilungsblatt der TU Clausthal, Heft 55 1983, S.33.
H. Grote: Stammtafeln, Leipzig 1877.
Kurt Mohr: 400 Millionen Jahre Harzgeschichte, 12. Auflage, Clausthal-Zellerfeld.
K. Müseler: Bergbaugepräge, Hannover 1983.
Schulten + Co. GmbH, Köln: Katalog der Münzauktion April 1985, Nr. 1290 bis Nr. 1617.
Gerhard Welter: Die Münzen der Welfen seit Heinrich dem Löwen, Braunschweig 1971-1978.



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