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Die Emission von Mehrfachwerten des Mariengroschens in den welfischen Landen und Städten bis zum Jahre 1690 [1]

Ulrich E.G. Schrock
in: money trend 11/1979 S.29-32.
mit Abbildungen aus Auktionskatalogen.


Erstmals wurde 1505 in Goslar ein Mariengroschen geschlagen. Sein Feingewicht betrug 1,461 g und lag somit fast 1 g unter dem seines Vorgäners, dem Bauerngroschen, der freilich bis zur Aufnahme der Mariengroschenprägung als neuer und somit schlechter Bauerngroschen weitaus geringer ausgebracht wurde als zu Beginn seiner Ausprägung. Die Entwicklung hatte gezeigt, dass es für die welfischen Lande und Städte vonnöten war, den fremden Groschensorten wie Prager oder Meissner Groschen eigene Mehrfachwerte des Pfennigs entgegenzusetzen, um ihr weitgehend immer noch am Pfennig orientiertes Monetärsystem nicht gefährdet zu sehen. Aufgrund des Fehlens einer einheitlichen, allgemein beliebten grösseren Münze im niedersächsischen Raum erfreute sich der Mariengroschen einer zunehmenden Bedeutung im Zahlungsverkehr. In den folgenden Jahren wurde, wenn zum Teil auch recht zaghaft, dem Goslarer Beispiel Folge geleistet und in den Landen und Städten mit der Ausgabe von Mariengroschen begonnen. Bereits vorher geschlagene Mehrfachwerte des Pfennigs wie Kreuzgroschen, Petrusgroschen, Matthiasgroschen und andere wurden zum Mariengroschen in ein festes Verhältnis (Kreuzgroschen als Hälbling des Mariengroschens) gebracht und mancherorts weiterhin parallel ausgemünzt.

Die erste bedeutende Phase der Mariengroschenausbringung umfasst den kurzen Zeitraum von 1505 bis 1555, wenngleich zu beachten bleibt, dass nicht überall und nicht in jedem Jahr Mariengroschen emittiert wurden [2].

Einen grossen Einschnitt in die Kontinuität der Qualität der ausgemünzten Mariengroschen bildet das Jahr 1527, als Herzog Heinrich der Jüngere von Wolfenbüttel (1514 bis 1568) der Stadt Goslar als einem Hauptemittenten von Mariengroschen das Vorkaufsrecht des am Rammelsberg gewonnenen Silbers nahm. Die daraus resultierende Verknappung des Silbers bewirkte, dass man die Mariengroschen in einem leichteren Fuss ausbrachte. Somit erscheint das Jahr 1527 als Grenze zwischen den guten bis dato geschlagenen und den neuen, schlechten Mariengroschen. Der in der Folgezeit ständig zunehmende Wertverlust der Mariengroschen führte schliesslich zu dem Versuch, in Braunschweig 1542 einen gemeinsamen unveränderlichen Münzfuss für diese wichtige Sorte zu etablieren. Dieses Vorhaben gelang allerdings nicht. Auch ein neuer Münztag, 1545 wiederum in Braunschweig gehalten, brachte keine endgültigen und verbindlichen Beschlüsse hervor. Von Bedeutung ist in diesem Zusammenhang die Denkschrift Heinrichs des Jüngeren von Braunschweig-Wolfenbüttel vom 21. November 1554. Darin werden Bestrebungen deutlich, den Mariengroschen ganz abzuschaffen. Aufgrund dieser Denkschrift formierte sich im folgenden Jahr die Braunschweiger Münzgenossenschaft. Im Braunschweiger Münzabschied vom 26. April 1555 zwischen den Herzögen Heinrich dem Jüngeren von Wolfenbüttel, Erich dem Jüngeren von Calenberg, Franz Otto zu Braunschweig und Lüneburg, Ernst zu Braunschweig, dem Domkapitel zu Halberstadt, dem Grafen Ernst zu Regenstein und den Städten Braunschweig, Hildesheim, Hannover, Göttingen, Einbeck, Hameln und Northeim [3] sollte schliesslich der Mariengroschen endgültig abgeschafft und durch den Fürstengroschen ersetzt werden. Die entsprechenden Passagen lauten [4]:

"obwol die Mariengroschen, so vom jar sechs und dreissig hero von jaren zu jaren geringer worden und dan auch das geprege an schrot und korn in sich eine grosse ungleichheit halten thuet und darumb nit unbilichen aller landsart muntzsorten irem wert nach von stucken zu stucken gevalviert werden sollten, aber dannoch wir betrachtet, das aus aller hand ursachen dieselben also baldt nit solten abgesetzt oder ausgetilgt werden und aus der proben, so auf aller handt vorgenommen so viel zu befinden und aus fundiich zu machen, das ein gepreg dem andern zu hulf wie dieselben hin und wider geschlagen im gebrauch und gangbar gewesen und noch seindt, zwey und dreissig stuck einen thaler in dem werth, wie die auch jetzundt im gang und ein zeit lang gewesen seindt, gut thuen und ausbringen: so sollen dieselben nochmals in dem valore wie bishero zwuschen dis und dem schirstkunftigen sanct Johanstag in dem mittensommer [5] dieses jetzigen funf und funfzigisten laufenden jares fur voll ausgegeben und aufgenommen werden.
Folgents aber auch nach verlauffung iziger zeit die dan auch nlt weiter sol prolongiret oder erstrecket werden, wollen wir, das alsdan hinfuro solliche Mariengroschen, so von uns obgemelten dieser verainigung angehörigen, auch die andern, so bis auf diese zeit gemuntzt und geschlagen werden, vor neun Meisnische pfenning und nicht höher in der handtierung kaufen, verkaufen, aufname und ausgabe ingenommen und ausgegeben werden sollen.
... Weiter haben wir uns verglichen, vereinigt und vertragen, das nun hinfuro und von stundt an die alten stempel, unter was dato dieselben geschnitten und zu jeder zeit gebraucht werden, abe und hinweg gethan und gantz und gar keine Mariengroschen des vorigen schrot und korns, sonder dar entgegen andere gute silberinne groschen an schrot und korn der churfürsten zu Sachsen oder wie man es nennet der Meissnischen Muntz gemess so in diesem fünf und funtzigsten jare geschlagen werden, und also das vier und zwanzig solcher groschen einen thaler und sechs und zwanzig groschen einen goldtgulden wert sein, gemuntzet und geschlagen werden sollen."

Im Zahlungsverkehr vermochte der neueingeführte Fürstengroschen die alten Mariengroschen jedoch nicht zu verdrängen, da sie noch massenhaft vorhanden waren und eine Materialknappheit die erforderliche grosszügige Fürstengroschenausbringung verhinderte. In bezug auf unsere Themenstellung bleibt abschliessend zu sagen, dass im Zeitraum bis 1555 nie der Versuch der Ausbringung eines Mehrfachwertes des Mariengroschens gemacht wurde.



Die zweite Phase der Mariengroschenprägung brach am 26. April 1572 an, als mit dem Lüneburger Kreistagsbeschluss neben guten Groschen auch wieder Mariengroschen zugelassen wurden. Allerdings spielten in diesem Zeitraum die Mariengroschen nicht mehr die Rolle wie in der ersten Phase ihrer Ausbringung, als sie beinahe als einziger vorhandener Mehrfachwert des Pfennigs ein wichtiger Träger des Zahlungsverkehrs im niedersächsischen Raume waren .

Die Mariengroschen wurden nur sehr zögernd emittiert. Als erster Münzherr liess Herzog Julius von Braunschweig-Lüneburg-Wolfenbüttel (1568-1689) im Jahre 1572, also unmittelbar nach dem Lüneburger Beschluss, einen Mariengroschen schlagen. Diese Münze ist nur aus diesem Jahr bekannt und ziemlich selten.

Die anderen Welfenherzöge münzten bis zur Kipperzeit überhaupt keine Mariengroschen [6]; auch hielten sich die Städte zurück, denn neben dem Hildesheimer Probeschlag von 1593 prägte nur der Münzmeister Heinrich Desper in Hannover im Jahre 1597 einen Mariengroschen.


II-Mariengroschen, 1593 (1/18 Taler), Heinrich Julius (1589-1613) _ Ø ca.20 mm, 1,5 g.

In dieser Epoche der spärlichen Mariengroschenemissionen findet sich nun der erste Mehrfachwert dieses Nominals, und zwar ein Zwei-Mariengroschen-Stück, 1593 unter Herzog Heinrich Julius von Braunschweig-Lüneburg-Wolfenbüttel (1589 bis 1613) gemünzt. Laut zeitgenössischer Stückelung (der Thaler zu 24 Groschen oder zu 36 Mariengroschen) galt das Zwei-Mariengroschen-Stück auch als 1/18 Thaler. Gemäss dem Beschluss von 1572 erschien im Reichsapfel unter der ausgeschriebenen Legende "II MARGEN GROSCHE" die 18 - zum Zeichen eben, dass 18 dieser Münzen einen Thaler werteten. Auf dem Avers war lediglich das mehrfeldige Wappen ohne jegliche Legende vorhanden.



Die dritte Phase der Mariengroschenausbringung hat ihren Ursprung um das Jahr 1620, also noch in der Zeit der Kipper und Wipper, als Friederich Ulrich (1613 bis 1634) zunächst undatierte Ein- und Zwei-Mariengroschen-Stücke aus feinem Silber ausbringen liess. Datiert sind genannte Nominale seit 1620 beziehungsweise 1621 bekannt. Als man später bemüht war, eine monetäre Neuordnung nach Beendigung des Kipperwesens zu bewerkstelligen, kam für die Ein- und Zwei-Mariengroschen wiederum eine Blütezeit. Wahrscheinlich in Anbetracht der Tatsache, dass keine Kipper-Mariengroschen geschlagen worden waren, griff man bei Neuordnung des Münzwesens wieder auf die Mariengroschen zurück, da sie - im Gegensatz zu den guten Groschen (1/24), die zahlreich als Kippergroschen ausgebracht worden waren, noch einen guten Ruf bei der Bevölkerung besassen. So konnte das Misstrauen des Volkes nicht auf die neu ausgebrachten Mariengroschen übertragen werden [7].

Infolge der Neuordnung des Münzwesens nach der Kipperzeit wurde auf dem Kreistag zu Lüneburg im Juni 1622 angeregt,

"auf 14 Loth, und 4 Graen Silbers fein, 8 reichsthaler zu Muentzen, jeder Reichsthaler für 24 Silbergroschen, 32 Schillinge, 36 Mariengroschen einzunehmen und auszugeben ..." [8].

Somit sollte wie bisher der Thaler nach dem Reichsabschied von 1566 beziehungsweise nach dem Beiabschied des Niedersächsischen Kreises vom 31. Januar 1568 ausgebracht werden. Seine Stückelung wurde im wesentlichen auf dem Stand von 1572 (Lüneburger Kreistagsabschied vom 26. April) belassen [9]. Der Münzfuss für die Mariengroschen war im Vergleich zu 1572 leicht verändert. Sollte bis 1572 die rauhe Mark (7 Lot 11 Grän) zu 155½ Stück vermünzt werden, so war jetzt die rauhe, nur noch 6 Lot 4½ Grän feine Mark zu 127 Stück zugelassen. Errechnet man den Feingehalt des einzelnen Mariengroschens, so wird ersichtlich, dass dieses Nominal nach dem 1622iger Fuss um ein Geringes besser war als seine Vorgänger (1572 0,715 g fein; 1622 0,719 g fein). In den folgenden Jahren herrschte ein enormer Bedarf an neuer guter kleiner Münze. Durch Einschmelzen von Kippergeld war genügend Material zur Ausbringung verfügbar, so dass unter anderm auch wieder zahlreiche Mariengroschen emittiert werden konnten. Neben den schon erwähnten Geprägen Friederich Ulrichs erschien 1624, ebenfalls unter seinem Namen, erstmalig eine Münze zu vier Mariengroschen von feinem Silber. Diese Münze stand ausserhalb der Reichsmünzordnung, und die Legende "VON FEINEM SILBER" wies darauf hin, dass es sich um ein sogenanntes "HARZISCH GEPRÄGE" handelte, das, um die Kosten für den Kupferzusatz zu sparen, aus Feinsilber ausgebracht [[10]] wurde.



II-Mariengroschen, 1624, Friederich Ulrich (1613-1634) _ Ø ca.23 mm


IV-Mariengroschen, 1624, Friederich Ulrich _ Ø ca.27 mm

Die anderen Welfenherzöge liessen zu dieser Zeit keine Mariengroschen schlagen, wohl aber die mittelbaren Städte der braunschweig-lüneburgischen Lande, besonders in den Jahren 1622 bis 1624. Und zwar münzte Braunschweig 1622/23, Einbeck 1623/24, Goslar sowieso, da es sich nicht der Braunschweiger Münzgenossenschaft von 1555 angeschlossen hatte, Göttingen von 1622 bis 1624, Hameln 1622 bis 1624, Hannover 1622/23 und Hildesheim von 1622 bis 1624 Mariengroschen.

Zur einstweiligen Einstellung der Mariengroschenemission führte der Kreistagsbeschluss vom 22. April des Jahres 1624, indem die Ausbringung von kleinen Sorten verboten wurde, da diese alle Lande zu überschwemmen begannen. Obendrein hatte Friederich Ulrich laut Edikt befohlen, dass nur die in seinem Namen geschlagenen kleinen silbernen Landmünzen Gültigkeit besitzen sollten, nicht aber, wie bislang, auch die Münzen seiner Landstädte, die in allen welfischen Landen für vollwertig angenommen worden waren. Proteste der Städte hatten keinen Erfolg; 1628 wurden genannte Bestimmungen in einem neuen Münzedikt ausdrücklich wiederholt. Erst nach Friederich Ulrichs Tod im Jahre 1634 erklärten seine Nachfolger die Kleinmünzen der Städte in ihren Landen wieder für gültig, was einen allgemeinen Anstieg der Münzenemission hervorrief.



II-Mariengroschen, 1638, Wilhelm zu Harburg (1603-1642) _ Ø ca.18 mm, 1,45 g.

Neben den Ein- und Zwei-Mariengroschen von Friederich Ulrich liefen noch dieselben Nominale im Zahlungsverkehr, die unter dem Herzog Wilhelm von Harburg (1603 bis 1642) ohne Jahr und dann von 1638 bis 1642 geschlagen wurden. Die Legende bezeichnete diese als "FURST. BRAUN. LUN. LANT. MUNTZ" und bestätigte somit die von der Reichsmünzordnung unberührte Ausbringung. Ausserdem liessen die Herzöge August der Jüngere zu Braunschweig (1635 bis 1666), Friederich zu Celle (1636 bis 1648), Georg von Calenberg (1636 bis 1641) sowie Christian Ludwig (1641 bis 1648) Ein- und Zwei-Mariengroschen-Stücke schlagen. Zu dieser Zeit münzten auch die Landstädte beziehungsweise schutzverwandten Städte wieder Mariengroschen, und zwar Braunschweig seit 1627, Einbeck seit 1655, Göttingen seit 1658, Hameln seit 1655, Hannover seit 1652, Hildesheim seit 1660 und Northeim seit 1664.



VI-Mariengroschen, 1666, Stadt Hildesheim _ Ø ca.29 mm

Einen wichtigen Schritt ging im Jahre 1666 die Stadt Hildesheim, als sie erstmals durch den Münzohm Jonas Böse [11] eine Münze zu Sechs-Mariengroschen schlagen liess. Bislang waren jeweils die Welfenherzöge als Landesherren bei der Einführung eines neuen Nominals vorangegangen. Diesmal umgekehrt: Unter dem Hinweis, dass man beim Fuss dieser Münzen nicht nach der Reichsmünzordnung oder einer sonst allgemein anerkannten Münzordnung verfahren war, wurde dieses "HILDESHEIMISCH STADT GELDT" ausgebracht. Im Gegensatz zu den "Harzischen Geprägen" der Welfenherzöge war das Sechs-Mariengroschen-Stück aus rauhem Silber.


II-Mariengroschen, 1666, Stadt Hannover

Im gleichen Jahr begann der städtische Münzmeister zu Hannover Andreas Schele [12] mit der Ausmünzung von Mehrfachwerten des Mariengroschens (II Mgr. und IV Mgr.) nach dem harzischen Münzfuss [d.h. von feinem Silber]. Der Hannoversche Münzherr Johann Duve, der zeitweilig die Münzstätte in Pacht hatte, hob gelegentlich als sein Verdienst hervor, vom Herzog das Recht zur Ausmünzung solcher Harzischen Gepräge erhalten zu haben, "was sonst bisher keiner anderen Stadt erlaubt worden sei" [13].

1667 prägte Hildesheim wiederum seine Sechs-Mariengroschen, und auch Hannover emittierte weiterhin Zwei- und Vier-Mariengroschen-Stücke.



VI-Mariengroschen, Rudolf August (Wolfenbüttel) 1668


XII-Mariengroschen 1672, Stadt Hameln

Die seit 1668 massenhaft geschlagenen Mehrfachwerte des Mariengroschens [14] resultieren aus dem Zusammenwirken des Vertrages von Zinna und dem Harzischen Münzfuss beziehungsweise der erlaubten Rezeption des Harzischen Münzfusses durch die mittelbaren Städte. Der Beitritt der Welfenherzöge Georg Wilhelm zu Celle (1665 bis 1705), Johann Friederich zu Hannover-Calenberg (1665 bis 1679) und Rudolf August zu Wolfenbüttel (1666 bis 1685) zu dem am 27. August 1667 zwischen den Kurfürsten von Brandenburg und Sachsen im ehemals magdeburgischen Kloster Zinna geschlossenen Münzvertrag hatte positive Auswirkungen auf die Emissionspolitik von kleinen Sorten, da ihnen ein leichterer Fuss zugebilligt wurde. Der Vertrag von Zinna legte fest, dass aus der feinen Mark Thaler, Halbthaler und Viertelthaler weiterhin nach der Reichsmünzordnung beziehungsweise Rezeption der Reichsmünzordnung ausgebracht werden sollten. Das Kleingeld wurde im Vergleich zum Thaler abgewertet, die feine Mark anstatt zu 217 zu 252 Groschen vermünzt. Ausserdem stückelte man den Thaler in 28 Groschen. Der Nennwert der feinen Mark betrug demzufolge bei groben Sorten 9, beim Kleingeld jedoch 10½ Thaler. Nach dem Vertrag von Zinna wurden nicht nur die Groschen nach einem leichteren Fuss geschlagen, sondern auch Dreier, Pfennige, Heller sowie 1/6-, 1/3- und 2/3-Thaler-Stücke, dementsprechend 6, 12 und 24 Mariengroschen. Der Münzfuss nach dem Zinnaschen Vertrag war für die kleinen Sorten jedoch immer noch zu teuer, so dass er unter anderm von den Städten bald unterschritten wurde, da sich bei ihnen besonders das Fehlen von eigenen Bergwerken zur Silbergewinnung negativ bemerkbar machte. Johann Friederich von Hannover-Calenberg war bemüht, nur vollwertige Münzen in seinem Lande kursieren zu lassen, so dass er gegen unterwertige Gepräge scharf vorging. Den calenbergischen Städten war eine vollwertige Ausbringung allerdings unmöglich, wollte man nicht mit Verlust münzen. Folglich legte Hameln 1673, Hannover 1674, Einbeck 1674 [15] und Northeim 1676 den Hammer. Göttingen hatte seinen Prägebetrieb schon 1664 eingestellt und war gar nicht mehr zur Emission von Mehrfach-Mariengroschen gelangt. Während die Städte Goslar und Braunschweig nur kurzfristig (1675) 24 Mariengroschen ausgaben, prägte das schutzverwandte Hildesheim reichlich. Überhaupt ist Hildesheim die Stadt, die von den Städten in den welfischen Landen die meisten Münzen schlagen liess. Ausserdem legte Hildesheim als letzte Stadt im Lande Braunschweig-Lüneburg erst im Jahre 1772 den Hammer nieder.



24 Mariengroschen 1675 (2/3 Taler) Johann Friedrich 1665-79 in Calenberg


24 Mariengroschen 1693 (2/3 Taler) Stadt Hildesheim


24 Mariengroschen 1675 (LAND MUNTZ, 36 mm, 18 g.) Johann Friedrich 1665-79


24 Mariengroschen 1675 (FEIN SILBER, 30 mm, 14,5 g.) Johann Friedrich 1665-79

Die 24-Mariengroschen wurden sowohl in Feinsilber als auch in rauhem Silber als Landmünzen herausgegeben; das gleiche gilt für die 12-, 4- und 2-Mariengroschen. Mancherorts erschien in demselben Jahr ein und dasselbe Nominal aus verschiedenen Silberlegierungen [16]. Anders verhielt es sich mit den 6-Mariengroschen-Stücken, die meistens aus rauhem, annähernd 10lötigem Silber geschlagen wurden.

Wie bereits erwähnt, wurde der 10½-Thaler-Fuss (Zinna) von den münzenden Städten bald unterschritten. So war eine Ausbringung der feinen Mark zu 10¾ Thalern in 24-Mariengroschen-Stücken durchaus nicht ungewöhnlich.

Die Notwendigkeit der Unterschreitung des 10½-Thaler-Fusses, wollte man nicht mit Verlust münzen, wird am Beispiel Hamelns deutlich [17]. Im Einkauf lag der Silberpreis im Durchschnitt bei 10 Thalern 8 Mariengroschen für die Mark Feinsilber. In Hameln vermünzte man die feine Mark zu 12-Mariengroschen im Nennwert von 1 Thaler 24 Mariengroschen. So blieb, ohne Berechnung des Arbeitslohnes sowie der Kosten für Material wie Stempel, Feuer usw. ein "Verdienst" von nur 16 Mariengroschen auf die feine Mark.

Die zu leichte Ausbringung durch die Städte - ganz zu schweigen von den berüchtigten Geprägen Westfalens und des Rheinlandes - wurde in einem Münzedikt Georg Wilhelms von 1673 moniert und ihr Kurswert herabgesetzt. So galt das 24-Mariengroschen-Stück von nun an nur noch 13 anstatt 16 gute Groschen. Dementsprechend wurden die 12-Mariengroschen der Städte von 8 auf 6 gute Groschen gesetzt.

Diese Entwicklungen deuteten bereits an, dass der 10½-Thaler-Fuss immer noch zu teuer war und auf die Dauer nicht aufrechterhalten werden konnte. Die wirklich guten Münzen wanderten schnell in die Schmelztiegel der Nachbarländer, so dass bald nur noch schlechtes Geld im Zahlungsverkehr anzutreffen war [18]. Man nennt deshalb diese Epoche auch die "kleine Kipperzeit".

Im Kurfürstentum Brandenburg führte man 1687 einen neuen leichteren Münzfuss ein. Die feine Mark wurde fortan zu 12 Thalern in ⅔-Stücken, die 12lötig waren, ausgebracht. Die kleineren Sorten (von 1/12 abwärts) waren sogar zu 13 Thalern auf die Mark fein zugelassen. Auf der Konvention zu Leipzig im Jahre 1690 wurde dieser Fuss allgemein angenommen. Auch die Welfenherzöge schlossen sich an und münzten nach diesem "LEIPZIGER FVS" seit 1693 [19].

Somit wären wir am Ende unserer Betrachtung der Mehrfachwerte des Mariengroschens in den Landen und Städten der Welfenherzöge, wenngleich zu beachten bleibt, dass diese Münzsorte am merkantilen Verkehr Norddeutschlands noch bis in das 20. Jahrhundert regen Anteil hatte. Erinnert sei nur an die letzte auf Mariengroschen laufende Münze, das 24-Mariengroschen-Stück des Herzogtums Braunschweig aus dem Jahre 1834.

Mehrfachwerte des Mariengroschens in den welfischen Landen und Städten [20]

Die Zahlen in der Tabelle geben den Nennwert in Mariengroschen der geprägten Nominale des entsprechenden Jahres an. Die Querstrichelung bei 1679 resp. 1685 bezeichnet den Regierungswechsel (nach dem Tode Johann Friederichs regierte Ernst August 1679-98) und seit 1685 regierte Rudolf August gemeinsam mit seinem Bruder Anthon Ulrich bis zu seinem Tod 1704.

Anmerkungen
[1] Das Jahr 1690 bildet mit der Leipziger Konvention und dem späteren Beitritt zahlreicher Länder, darunter auch Braunschweig-Lüneburg, einen Einschnitt in die Kontinuität der bisherigen Prägungen.
[2] Beispielsweise hatte Heinrich der Ältere von Wolfenbüttel (1491-1514) seit 1510, Erich der Ältere von Calenberg (1495-1540) seit 1536, Braunschweig seit 1510 und Hildesheim seit 1520 Mariengroschen schlagen lassen.
[3] Man beachte das Fehlen der wichtigen Stadt Goslar.
[4] E, Fink, Urkundenbuch des Stiftes und der Stadt Hameln, Zweiter Teil, Hannover und Leipzig 1903, S.10601 f.
[5] 24, Juni.
[6] Bekannt ist noch 1/24-Mariengroschen des Herzogs Wilhelm von Lüneburg (1569-1692), ohne Jahr und mit 1578.
[7] Ähnliches war schon 1555 geschehen; als der Mariengroschen immer schlechter geworden war, wurde bei Neuordnung des Münzwesens der Mariengroschen nicht etwa in einem anderen Fusse ausgebracht, sondern eine ganz neue Groschensorte geschaffen. So konnte das Misstrauen des Volkes, welches zweifelsohne gegen die späten Mariengroschen gehegt wurde, nicht auf die neuen Fürstengroschen übertragen werden. Zum andern war die Unterscheidung von alten (Mariengroschen) und neuen (Fürstengroschen) Groschen leichter gemacht.
[8] A.L. Jacobi, Landtagsabschiede und andere die Verfassung des Fürstenthums Lüneburg betreffende Urkunden, Zweiter Theil, Hannover 1795, S.110.
[9] Jedoch war der Groschen nun zu 12 Pfennig, der Thaler in Lübischer Währung bald zu 48 Schillingen.
[10] Aufgrund damaliger Technik war feines Silber im heutigen Sinne nicht herauszuschmelzen. Feinsilber lag damals um 15 Lot 15 Grän.
[11] Jonas Böse als Münzohm 1666 bis 1672 in Hildesheim tätig, seit 1671 auch als Münzmeister der Stadt Hameln (bis 1673) und von 1674 bis 1695 wiederum für die Stadt Hildesheim.
[12] Andreas Schele war 1666 bis 1674 für die Stadt Hannover tätig, 1668 bis 1671 auch für Einbeck, seit 1675 für Johann Friederich von Hannover-Calenberg.
[13] H. Buck / O. Meier, Die Münzen der Stadt Hannover, Hannover 1935, S.201.
[14] Siehe Tabelle.
[15] Weiterhin wurden undatiert kupferne Stadtpfennige geschlagen.
[16] Zum Beispiel Hannover 12-Mariengroschen 1673.
[17] Stadtarchiv Hameln, Nr.2462.
[18] Die 2/3-Thaler wurden bis zu einem 16-Thaler-Fuss von den Fürsten zu Sayn-Wittgenstein, Lauenburg, Stolberg und andere, ausgebracht.
[19] Rudolf August und Anton Ulrich (gemeinsam 1685-1704).
[20] Die Gepräge von Goslar und Braunschweig wurden in der Tabelle nicht berücksichtigt, da sie ziemlich allein dastehen.

Quellen
• Max von Bahrfeldt: Niedersächsisches Münzarchiv, Halle 1927 bis 1930
• ders.: Beiträge zur Münzgeschichte der Stadt Hameln, Bedin 1899
• Heinrich Buck: Das Geld- und Münzwesen der Städte in den Landen Hannover und Braunschweig, Frankfurt 1935
• Heinrich Buck und Ortwin Meier: Die Münzen der Stadt Hannover, Hannover 1935
• Heinrich Buck und Max von Bahrfeldt: Die Münzen der Stadt Hildesheim, Hildesheim 1937
• Erich Fink: Urkundenbuch des Stiftes und der Stadt Hameln, Hannover und Leipzig 1903
• Hamelner Stadtarchiv Nr. 2462
• Andreas Ludolph Jacobi: Landtags-Abschiede und andere die Verfassung des Fürstenthums Lüneburg betreffende Urkunden, Zweiter Theil, Hannover 1795
• Wilhelm Jesse: Münz- und Geldgeschichte Niedersachsens, Braunschweig 1952
• Wilhelm Knigge: Münz- und Medaillen-Kabinet, Hannover 1901
• Gerhard Welter: Die Münzen der Welfen seit Heinrich dem Löwen, Braunschweig 1971



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