Startpage Varia TOUR :   Satirische Doppelkopf-Medaillen


Medaillen auf Sultan Mehmed II. der Eroberer, 1451-1481
Sultan Murad II. berief seinen 12jährigen Sohn Mehmed bereits 1444 in die Regierungsgeschäfte, um den Ansprüchen anderen Prätendenten zuvor zu kommen. 1446 erzwang jedoch ein Aufstand der Janitscharen Murads Rückkehr an die Regierung. Mehmed war 1448 an der siegreichen Schlacht auf dem Amselfeld beteiligt. Nach dem Tod des Vaters übernahm er 1451 das Osmanische Reich.
Am 29. Mai 1453, nach 57 Tagen Belagerung, eroberte Mehmed Konstantinopel und besiegelte damit das Ende des Byzantinischen Reiches. Seither gab sich Mehmed den Beinamen "Fatih" (der Eroberer). Es folgten weitere erfolgreiche Feldzüge in Anatolien, am Schwarzen Meer und auf dem Balkan.
Die Kriege um Konstantinopel hatten zu einem drastischen Rückgang der Bevölkerung geführt. Mehmeds Verwaltungsreformen, seine Garantien für Andersgläubige, seine Bautätigkeit (Moscheen und religiöse Schulen) und die Förderung von Wirtschaft und Handel führten rasch zum Erblühen der neuen osmanischen Hauptstadt.
Mehmed machte die Hagia Sophia zu seiner Hauptmoschee. Er war durch islamische Lehrer gut ausgebildet und war religiös duldsam, solange seine autokratische Führung anerkannt wurde. Er strebte die Fortentwicklung des byzantinischen Kaisertums zum osmanischen Weltreich an und hatte dabei Alexander den Großen als Vorbild. Mehmed war persönlich tapfer, an Philosophie, Wissenschaft und Kunst interessiert, konnte aber sehr grausam sein, auch aus nichtigem Anlass. Er soll den Brudermord (bei Thronantritt sind alle konkurrierende männlichen Nachkommen zu töten) zum Gesetz erhoben haben, weil die im osmanischen Staat nicht geregelte Thronfolge immer wieder zu kriegerischen Auseinandersetzungen führte.


Bronzemedaille, um 1450-60   aus Pisanellos Werkstatt.     Ø 61 mm.
Standort: The Ashmolean Museum, Oxford.

Vs.:   (Ornament) MAGNVS·7·ADMIRATVS·SO - LOANVS·MACOMET·BEI·
"Großer Emir und Sultan Mehmed Bei"
Rs.:   Ein nackter antiker Flussgott hält eine Siegesfackel in felsiger Umgebung vor einem Turm.
Diese und die nachfolgende Medaille sind in Italien entstanden.



Einseitige Bronzemedaille, um 1460 von Pietro da Milano (?).   Ø 90-91 mm.
MAGNVS PRINCEPS ET MAGNVS AMIRAS SULTANVS DomiNuS MEHOMET
"Grosser Fürst und grosser Emir Sultan Meister Mehmet"
Büste etwas nach vorne, Gesicht im Profil n. links. Entlang zwei Falten des Turbans: PM als Monogramm.
Auf dem Turban eine gemusterte Kappe mit Feder nach hinten. In der Kappe 2x das Wort Allah (li-llah).


Bronzegußmedaille o. J. (nach 1461)   im Auftrag von Jean Tricaudet.
Ø 84,5 mm, 143,61 g.   Hill 1202 (dort in Silber).   Späterer Guß.

Vs.:   Umschrift und Brustbild wie zuvor.
Rs.:   +IEhAN TRIEAVDET DE SELONGEY A FEYT FAIRE CESTE PIECE   in gotischer Schrift.
"Jean Tricaudet aus Selongey ließ machen dieses Stück"   -   Drei Adlerköpfe im Kreis.
Das Stück ist eines von vier bekannten Exemplaren. Die drei Adlerköpfe auf der Rückseite der Medaille symbolisieren möglicherweise die Königreiche Reiche Asien, Griechenland und Trapezunt. Da letzteres 1461 von Muhammad II. erobert wurde, kann die Medaille erst in den Jahren danach entstanden sein. Vermutlich ist sie aber erst anläßlich des Todes Mehmeds 1481 hergestellt worden.
Das hier vorliegende Exemplar scheint direkt mit den in der Pariser Bibliothèque Nationale de France vorhandenen Exemplaren "verwandt" zu sein, wie die gleiche Ausführung des Turbans und des Gewands sowie einige beim Abguß übernommene Unregelmäßigkeiten zeigen. Das vierte Exemplar, das in den Staatlichen Museen Berlin liegt, weicht in den Details von den ersten drei ab; vgl. dazu Susan Spinale, "Reassessing the so-called "Tricaudet Medal" of Mehmed II", The Medal, Heft 42, 2003, S. 15: "This survey revealed that the two Paris medals and the New England cast [das vorliegende Exemplar, Anm. d. Verf.] are directly related, comprising one 'branch', as it were, of the Tricaudet 'family tree', whilst the Berlin medal represents a separate branch." Die Herkunft und die Verbindung des Auftraggebers der Medaillen, Jean Tricaudet, zu dem osmanischen Herrscher bleibt weiterhin unklar; möglicherweise handelt es sich nicht um einen Tricaudet aus Selongey, sondern um ein anderes Mitglied dieser Familie aus Dijon, das nachweislich die Kunst in der Stadt gefördert hat.   [Künker-289, 3.2017]


Bronzegußmedalle, um 1480 von Gentile Bellini (1429-1507) aus Venedig.
Ø 94 mm, Dicke 8 mm, 340 g.     Exemplar der V&A Collection, London.

Vs.:   MAGNI SVLTANI MOHAMETI IMPERATORIS ᕠ   -   Brustbild mit Turban, nach links.
Rs. Signatur: ·GENTILIS BELLINVS VENETVS EQVES AVRATVS COMESQue PALATINVS·Fecit 
Drei Kronen - sie repräsentieren die von Mehmed eroberten "Reiche": Griechenland, Trapezunt und Asien.
Mehmed II. hatte von 1463 bis 1479 mit der Republik Venedig Krieg geführt (vor allem auf dem Peloponnes und auf griechischen und adriatischen Inseln). Nach dem Friedensschluss bat er Venedig darum, Künstler nach Konstantinopel zu schicken. Venedig hatte einige Kolonien verloren, war aber am Handel mit dem Orient interessiert und schickte Gentile Bellini, ihren besten Maler, an den türkischen Hof. Bellini schuf dort 1480 ein Ölbild (Holz 52 x 70 cm, National Gallery London) und schmückte ungeachtet des muslimischen Bilderverbots Mehmeds Privatgemächer mit gegenständlichen Bildern aus. In diesem Zusammenhang entstand als Gelegenheitsarbeit die Medaille mit dem Bildnis und den drei Kronen. Diese Medaille gelangte 1480 nach Florenz und wurde zur Vorlage für die nachfolgende Medaille.
Bellinis Bildnis von Mehmed II. fand 1988 Verwendung auf der 1000-Lira-Banknote der Türkei.


Bronzegußmedaille, um 1480 von Bertoldo di Giovanni.     Ø 93 mm, 313 g.
Hill (Corpus) 911; Kress Coll. 248; Scher 39.   Exemplar im British Museum, London.

Vs.:   ·MAVMhET ASIE AC TRAPESZVNZIS MAGNE QVE GRETIE IMPERATor
"Mehmed, Kaiser von Asien und auch Trebizond und der 'Magna Graecia' (Gross-Griechenland)"
Büste nach links mit Turban, Medaillon mit zunehmenden Mond auf der Brust.

Rs.:   Triumphwagen von zwei Pferden gezogen und geführt von einem behelmten Mann (Mars), der eine Trophäe schultert. Der Wagen ist mit einer Girlande zwischen zwei Löwenköpfen geschmückt,
dazwischen ein 'flammender Thron' - eine Vorkehrung von Kg. Alfons V. von Neapel (siehe unten).
Auf dem Wagen steht ein Mann auf einem Podest, bekleidet mit Stiefeln, Hose, Gürtel, wehendem Umhang und Turban. Er hält in der Linken eine Statuette (Bonus Eventus mit Schale) und in der Rechten einen Strick, mit dem drei nackte gekrönte Frauen auf der Rückseite des Wagens gefesselt sind.
Um sie herum die Erklärung: GRETIE - TRAPESVNTI - ASIE.
Unter dem Triumphwagen lagern die Personifikationen von Meer (mit Dreizack) und Land (mit Füllhorn).
Herrscher über sie ist der darüber fahrende Sultan.
Dazwischen:
OPUS / BERTOLDI / FLORENTINus / SCVLTOR / IS   "Werk von Bertoldo, Florentiner Bildhauer".
Florenz befand sich wegen der Pazzi Verschwörung gegen die Medici im Konflikt mit Papst Sixtus IV. und Kg. Ferrante I. von Neapel. Mehmed hatte Ende 1479 den letzten noch flüchtigen Pazzi-Verschwörer an Florenz ausgeliefert. Im Frühjahr 1480 kam ein Gesandter des Sultans nach Florenz und überbrachte Lorenzo de Medici Bellinis Medaille des Sultans. Schnell entwarf Lorenzo mit seinem Medailleur Bertoldo di Giovanni diese Huldigungs-Medaille, die der Gesandte als Gegengeschenk und als diplomatische Botschaft nach Konstantinopel (Istanbul) mitnahm. Wenige Monate später erfolgte der Überfall der osmanischen Flotte auf Otranto (Apulien), das zum Königreich Neapel gehörte. Daraufhin zogen sich die neapolitanischen Soldaten aus der Toskana zurück. (Nach Mehmeds Tod 1481 wurde Otranto von den Osmanen aufgegeben und fiel an Neapel zurück.) Die Medaille kann als Zeugnis interpretiert werden für die politisch brisanten Beratungen zwischen Lorenzo und dem osmanischen Gesandeten im Vorfeld des osmanischen Überfalls auf Otranto. Der Gesandte wird seinem Sultan die Medaille erläutert haben und dabei auch den 'flammenden Thron' als den Thron Neapels erklärt haben, auf den Mehmed eigeladen wird (!).

Exkurs: Der 'flammende Thron' und Kg. Alfons V. von Aragón (Vater von Ferrante)
Die Artussage erzählt: Am 'Runden Tisch' von König Arthur blieb ein Sitz frei. Nur ein makelloser, unbesiegbarer Ritter konnte sich darauf setzten, ohne zu verbrennen. Dieser Ritter war Galahad, der auch den heiligen Gral fand. Kg. Alfons V. von Aragón verband einen Kelch in der Kathedrale von Valencia mit dem Gral und bezog damit Galahads Stärke auf sich. So kam Alfons zu dem Symbol eines von Feuer geschützten Thrones, wie er im Triumphbogen am Eingang des Castel Nuovo in Neapel gezeigt wird: Eine Flamme vor dem thronenden Alfons V. (Fries über dem Eingangsbogen) sowie 'flammender Thron' eingraviert auf dem Brustpanzer eines Soldaten (Innenseite im Eingangsbogen).


Gussmedaille o. J. von Costanzo da Ferrara.    Kupferlegierung,   Ø 123 mm, 445 g.
Hill (Corpus) 321a; Kress Coll.102; Scher 21.   Exemplar der National Gallery of Art, Washington DC
Dies ist die undatierte frühere und überlegene Version der nachfolgenden Medaille vom 1481.

Vs.:  *SVI(=L)TANVS·MOHAMETH·OTHOMANVS·TVRCORVM·IMPERATOR
"Sultan Mehmed vom Hause Osman, Kaiser der Türken"
Rs.:   ✥HIC·BELLI·FVLMEN·POPVLOS·PROSTRAVIT·ET·VRBES
"Dieser Mann, der Donnerkeil des Krieges, hat Völker und Städte unterworfen"
unten eingerahmt: CONSTANTIVS·Fecit "Costanzo hat es gefertigt".
Auf Bitten Mehmeds entsandte Kg. Ferrante I. von Neapel (1458-1494) seinen Hofmaler Costanzo nach Konstantinopel, wo dieser mehrere Jahre wirkte. Die Medaille dürfte vor 1479 entstanden sein. Nach Mehmeds Tod 1481 und Constanzos Rückkehr nach Neapel entstand die nachfolgende Neuauflage dieser Medaille, jetzt mit betonten Linienkreisen und veränderten Umschriften. Sie erlangte weite Verbreitung und prägte Mehmeds Bildnis in Europa.


Bronzegußmedaille 1481 von Costanzo da Ferrara.       Ø 115 mm, 450,6 g.   Slg.Lanna (1911) Nr.71.
Exemplar in The Metropolitan Museum of Art, NY.
Spätere und minderwertigere Version der vorherigen undatierten Medaille.

Vs.:   SVLTANI·MOHAMMETH·OCTHOMANI·VGVLI·BIZANTII·INPERATORIS·1481
"Sultan Muhammad Ottoman Byzantium Kaiser 1481"
Rs.:   MOHAMETH·ASIE·ETERETIE·INPERATORIS·YMAGO·EQVESTRIS·IN EXERCITVS
(ETERETIE statt richtig ET GRETIE)     Zwischen den Hufen: OPVS / CONSTANTII
Paolo Giovio und Giorgio Vasari besaßen so ein Stück und haben es Pisanello zugeschrieben [Scher, S.89].

Siehe die beiden Bildnisse aus dem Sarai Album (türkische illustrierte Manuskripte im Topkapi-Palast Museum, Istanbul), Ende des 15. Jh.s: Hazine 2153, folio 10a (Sinan Bey zugeschrieben) und folio 145ba.
Ein venezianischer Zeitzeuge notierte die Äußerung von Bayezid II., Sohn und Nachfolger Mehmeds: "Sein Vater sei herrisch gewesen und habe nicht an den Propheten Mohammed geglaubt". Der fromme Bayezid II. liess alle gegenständlichen Malereien aus dem Besitz seines Vaters entfernen.

Lit.:
• Franz Babinger: Mehmed der Eroberer. München 1953, Nachdr. 1987
• Stephen Scher (ed.): The Currency of Fame - Portrait medals of the Renaissance. NY 1994
  zu Costanzo: S.87ff / zu Bertoldo: S.126ff
• George F. Hill: Medals of Turkish Sultans, NC 1926, pp.287-298 & pl.XIV   -   im Netz
• Emil Jacobs: Die Mehemmed-Medaille des Bertoldo, in: Jahrbuch der Preußischen Kunstsammlungen
  Bd.48 (1927) 1-17   -   im Netz
• Susan Spinale: Reassessing the So-Called 'Tricaudet Medal' of Mehmed II, The Medal 42 (2003) 3-22
• J. Raby: Pride and Prejudice: Mehmed the Conqueror and the Italian Portrait Medal, Studies in the History
    of Art Vol. 21, Symposium Papers VIII: Italian Medals (1987), pp.171-194   -   im Netz bei jstor.org
• Christopher Eimer: An early portrait relief of Sultan Mehmet II, The Medal 74, Spring 2019 & im Netz.

Siehe auch:
Sultan Selim I. (1512-20) und Süleiman der Prächtige (1520-66)
Jochen Klauss: Die Medaille auf Sultan Mehmed II. in Goethes Sammlung
Emil Jacobs: Die Mehemed-Medaille des Bertoldo

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