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Mailand unter habsburgischer Herrschaft, Kaiser Karl V.,
Testone (Testone della pietà), Silber,
geschaffen ca. 1542/1556 von Leone Leoni

Text von Mechtild und Bernhard Overbeck
in: Fritz Rudolf Künker GmbH und Co. KG, Osnabrück, Zeit und Geld, Kalenderblatt April 2008


Die Vorderseite dieser ungewöhnlichen Münze zeigt die bärtige Büste Karls V. nach rechts mit dem Lorbeerkranz im nach antiker Manier gestalteten Panzer und mit drapiertem Mantel über der linken Schulter. Ähnlich antikisierend wirkt die in klaren römischen Kapitalien ausgeführte Umschrift, die von einem Perlkreis umschlossen wird: ·IMP · CAES · - CAROLVS · V · AVG (Imperator Caesar Carolus V. Augustus = Kaiser Karl V.). Die Rückseite ist ebenfalls im Stil einer römischen Münze gestaltet. Eine weibliche Figur im langen Gewand, den Schleier über dem Hinterkopf, sitzt auf einem Thron nach links. In der Rechten hält sie eine Patera (Opferschale), die Linke ruht auf einem Pfeiler, der ähnlich einer Herme gebildet ist. Der Thron selbst zeigt über einer Mittelachse gekreuzte Beine, ähnlich dem altrömischen curulischen Stuhl. Links und rechts von dieser Thronenden erkennt man jeweils einen Muskelpanzer als wohl triumphale Symbole. Im Abschnitt steht · PIETAS ·. Die weibliche Personifikation ist also Pietas, die Frömmigkeit. Die rundum laufende Umschrift besagt: S · P · Q · MEDIOL · OPTIMO · PRINCIPI (Senatus populusque Mediolanensis optimo principi = Der Rat und das Volk von Mailand dem besten Fürsten). Ein Perlkreis umschließt das Gesamtbild.

Das Stück mit dem imponierenden Profil Karls V. wirkt eher wie eine römische Kaisermünze, denn wie eine Prägung des 16. Jahrhunderts. Ganz und gar ist es ein Produkt der italienischen Renaissance. Das kaiserliche Portrait samt Umschrift steht ganz bewusst in der Tradition z. B. der Portrait- und Umschriftgestaltung der mittleren Kaiserzeit. Die Rückseite ist weitgehend die Kopie eines Motivs von einem Sesterz des Caligula (37/41). Lediglich Details des Sessels sind noch römischer als das römische Original gestaltet und die zwei flankierenden Muskelpanzer sind frei hinzugefügt. Auch die Umschrift ist hier ein regelrechtes Zitat, angelehnt an jene Münzserien des Kaisers Traianus, datiert 103/117, welche die Legende SPQR OPTIMO PRINCIPI tragen. Lediglich das R für "Romanus" wurde durch "Mediolanensis" ersetzt. Verfolgt man die historischen Abläufe dieser Zeit, so mag man einen Stoßseufzer Karls V. an den Anfang stellen. Im Rückblick schrieb er in seiner späten Regierungszeit an seinen Sohn Philipp, Mailand habe ihm mehr zu schaffen gemacht als der ganze Rest des Reiches zusammen. Im Interessenspiel zwischen dem deutschen Kaiser und dem französischen König war Mailand mehrfach Grund kriegerischer Auseinandersetzungen und diplomatischer Streitigkeiten. Ab 1529 blieb es dann im Machtbereich Habsburgs, d. h. Spaniens und des Römischen Kaisers, wenn auch nach wie vor von Frankreich beansprucht. Schließlich übertrug Karl V. im Jahre 1540 das Herzogtum Mailand seinem damals dreizehnjährigen Sohn Philipp.

Mit der Kenntnis dieses sehr verworrenen politischen Hintergrunds versteht man die auf unserem Testone gegebene fromme Loyalitätserklärung Mailands gegenüber dem Kaiser, dem "Besten der Fürsten".

Die brillante Ausführung dieser Münze stammt von Leone Leoni (1509/1590), einem der genialsten Bildhauer und Stempelschneider seiner Zeit. Er stammte aus einer bei Arezzo (Toskana) ansässigen Familie. Sein - gelinde gesagt - sehr gewundener Lebensweg führte ihn nach Venedig in den Umkreis Tizians, dann an die päpstliche Münzstätte zu Ferrara, wo ein gewalttätiger Angriff auf einen Goldschmied das Urteil des Abschlagens der rechten Hand einbrache. Dieses wurde schließlich in eine Galeerenstrafe umgewandelt, nicht zuletzt aufgrund der Intervention des kunstsinnigen Andrea Doria, Dogen von Genua und engen Gefolgsmanns Kaiser Karls V. Er sorgte dann auch für die Freilassung des Delinquenten. Seit 1542 war Leone Leoni an der Münzstätte zu Mailand tätig und in den Zeitraum von 1542 bis zum Ende der Regierungszeit Karls V. 1556 wird man daher auch diesen Testone datieren können. Sein bewundernswürdiges Können speziell in der Schöpfung von Portraits - in Bronzeguss oder Medaille, in Büstenform oder ganzfigurig - machte ihn zu einem der bevorzugten Künstler am Hofe Karls V. und dann seines Sohnes, König Philipp II. von Spanien, und seines Hofes. So großartig sein Werk ist, seine kriminellen Neigungen konnte er nicht unterdrücken. Unter anderem soll er eines Mordversuchs am Sohne Tizians schuldig gewesen sein. Geblieben ist uns sein - im Gegensatz zum Lebenslauf - makelloses künstlerisches Werk. Dieser Testone, eine Art Huldigungs-Testone Mailands an den Kaiser, gehört mit zu seinen hervorragendsten Arbeiten im Stempelschnitt.

 

Literatur:

C. Crippa, Le Monete di Milano durante la Dominazione Spagniola, Milano 1990, Nr. 26 B

L. Forrer, A Biographical Dictionary of Medalists, Coin-, Gem- and Seal-Engravers, Mintmasters etc. ancient and modern, Bd. III, London 1907, 398-411

Geschichte: R. Tyler, The Emperor Charles the Fifth, London 1956, 43-81

Zu den römischen Prototypen: C. H. v. Sutherland, The Roman Imperial Coinage, vol. I, Augustus to Vitellius, 2. Aufl. London 1984: Caligula Nrr. 36, 44, 51; H. Mattingly, E. A. Sydenham, The Roman Imperial Coinage vol. II, Vespasian to Hadrian, London 1926: Traianus Nrr. 91 ff., 459 ff.



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