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Siegelstempel von Frankfurt am Main

Gisela Förschner
Geldgeschichtliche Nachrichten Hft.35 (5.1973) S.112f


Das große Stadtsiegel von Frankfurt am Main - sigillum majus - ist erstmals durch eine Urkunde von 1253 belegt. Es war ursprünglich ein Königssiegel, denn Frankfurt war eine königliche Stadt und lag auf königlichem Territorium. Das wird auch durch die Inschrift des Siegelstempels erläutert, die spiegelverkehrt in die Bronze eingegraben ist (Abb.1) und oben am Kreuz beginnt: . FRANKENVORT . SPECIALIS . DOMVS . IMPERII (vgl. dazu den Abguß; Abb.2), was wörtlich übersetzt, FRANKFURT BESONDERES HAUS DES REICHES bedeutet.

Abb.1

Abb.2

Ein Reichsbeamter führte den Siegelstempel im Namen seiner Majestät. Später, als die Stadt Frankfurt ihre Selbstverwaltung erreicht hatte, wurde das sigillum majestatis einfach als Stadtsiegel weiterbenutzt. Selbst auf den Zusatz CIVIVM oder CIVITAS, wie bei alten Stadtsiegeln üblich, wurde verzichtet.

Der Umwandlungsprozeß vollzog sich allmählich und ist zeitlich nicht genau zu fixieren. Wir wissen lediglich, daß am Anfang Vögte, später Schultheißen in Abwesenheit des Königs regierten. Erst 1259 steht der Rat der Stadt als Beirat neben dem Beamten des Königs. Ab 1312 aber werden in Frankfurt am Main die Bürgerbücher geführt. In den Bede-(Steuer) und Rechenbüchern sind die Einnahmen und Ausgaben der Stadt verzeichnet. Es sind die ältesten Beweisstücke für die städtische Selbstverwaltung. Von dem Reichsbeamten des Königs, dem Schultheißen, war nun die Verwaltung auf zwei Bürgermeister übergegangen. Unser Siegelstempel ist ununterbrochen bis zum Jahr 1806 benutzt worden, als Frankfurt zum Rheinbund gehörte, Großherzogtum war und vom Fürst Primas Carl Theodor von Dalberg regiert wurde.

In der langen Reihe der Majestätssiegel sehen wir immer Arbeiten der besten Siegelstecher ihrer Zeit vor uns, die eine lückenlose Fülle von kunst- und kulturhistorischem Material liefern. Wenn auch ein Siegel ursprünglich lediglich als Verschlußmittel von Schriftstücken oder Erkennungszeichen von Gegenständen - wie die lateinische Bezeichnung sagt - diente, wurde es hauptsächlich doch zum Untersiegeln von Urkunden verwendet. Die ganze frühere Zeit hindurch war das Siegel Briefverschluß, bis es der Briefumschlag verdrängte. Auch Gegenstände, die geheim bleiben oder vor Nachahmung geschützt werden sollten, wurden versiegelt bzw. verplombt. Der lose Siegelabdruck galt meist als Legitimation.

Je nach ihrer Verwendung wurden die Siegelstempel aus verschiedenen Metallen hergestellt. Für die Stempelung von Bullen fertigte man sie aus Stahl oder Eisen an. Als Blei- oder goldene Bulle wurden sie den gefalteten oder gerollten Schriftstücken mit einer Kordel oder einem Pergamentstreifen angehängt. Im Abendland wurde dieser byzantinische Brauch von den Päpsten und den Kaisern bevorzugt. Alle Metallsiegel bezeichnet man als Bullen, verstand darunter aber auch die gesamte Urkunde. Daneben siegelte man in Wachs, Siegellack oder Oblate. Dazu wurden Stempel aus Messing oder Bronze - wie das vorliegende Exemplar - in prächtiger Ausstattung angefertigt. Seltener sind solche Stempel aus Silber und Kupfer. Meist taucht ein Siegelabdruck neben dem Monogramm des schreibunkundigen Herrschers oder neben der Unterschrift der unbeschränkt rechtsfähigen Person einer Institution auf. Nach den strengen Richtlinien des frühen mittelalterlichen Kirchenrechts konnten nur der Papst, der Kaiser, Könige, die geistlichen Würdenträger wie Kardinäle, päpstliche Gesandte, Erzbischöfe und Bischöfe, aber auch Domkapitel, Orden, Klöster und deren Abte siegeln. Von den anderen Herren beglaubigten lediglich Fürsten und Notare schriftliche Urkunden.

Die großen Siegel - sigillum authenticum - waren hohen Beamten anvertraut, in den Städten Bürgermeistern, die dafür verantwortlich waren und für jede Nachlässigkeit die schwersten Strafen zu gewärtigen hatten. Einen Bürgermeister von Prag ließ man vor seinem Haus köpfen, weil er den Siegelstempel in seiner Wohnung auf dem Tisch hatte liegen lassen, so daß seine Frau ihn ihrem badenden Kind zum Spielen geben konnte. Das Stadtsiegel blieb in der Wanne liegen und wurde nachher mit dem Badewasser auf die Straße geschüttet. Ein Bürger fand den Stempel und übergab ihn dem Rat.

Gesiegelt wurde vorwiegend mit dem weichen Wachs. Erst in der zweiten HALFTE des 16. Jahrhunderts kam der Siegellack auf. Die Stelle, die das Siegel einnehmen sollte, wurde durch einen kreuzweisen Schnitt im Pergament festgelegt, die vier Schnittecken bog man um; durch die viereckige Öffnung lief von der Rückseite der Urkunde her das im Wasserbad erhitzte Siegelwachs auf die Vorderseite, wo es mit Hilfe des Siegelstempels plattgedrückt wurde; ein wulstartiger, ungleichmäßiger Rand umgab das Siegelbild.

Die Siegelbilder geben oft, und das schon in der Antike, ein "Bild" des Sieglers wieder. Unser Stück hier zeigt das gekrönte Hüftbild des Königs von vorn mit Lilienzepter und Reichsapfel. Sein Mantel wird von einer Agraffe mitten auf der Brust zusammengehalten. Eine Perlenborte faßt den Rand seiner Gewänder ein. Von den Kaisern und Königen kennen wir außerdem Porträtsiegel mit dem Kopf, Brustbild oder Kniebild; sehr beliebt waren aber auch thronende Herrscher.

Zu allen Zeiten war die gebräuchlichste Form der Kaiser- und Königssiegel rund. Nur ausnahmsweise kommen ovale, mit antiken Gemmen versehene Siegel vor. Der Durchmesser des hier behandelten Siegels beträgt 65 mm.

Ein alter Siegelstempel ist häufig die Kopie eines älteren Typus. Auch von unserem Stück gibt es einen Vorläufer, der auf Urkunden von 1219 bis zur Mitte des Jahrhunderts erscheint. Römer-Büchner meint in seiner singulär gebliebenen Untersuchung über Frankfurter Siegel (1853, S.143 f. Abb.2 Taf.1) in Archiv für Frankfurts Geschichte und Kunst, daß der ältere Siegelstempel nicht mehr brauchbar gewesen sein mag oder abhanden gekommen ist.


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