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Die Rolle der Münzverschlechterungen für die Staatsfinanzierung im späteren Mittelalter und zu Beginn der Neuzeit in Deutschland

Bernd Sprenger
GN H.74 (5.1979) S.267-275


Einleitung
Abbildungen
I. Die chronische Ausbeutung des Münzregals im späten Mittelalter (12-15-Jh.)
II. Die Periode der Schindlinge 1457-1460
III. Die Periode der Kipper und Wipper 1618-1623 und deren Vorzeit ab 1580
Anmerkungen und Literatur


EINLEITUNG

1. Vorbemerkungen

Die Ausnutzung des Münzregals zur Staatsfinanzierung, d. h. Münzverschlechterung aus gewinnsüchtiger Absicht, zu fiskalischen Zwecken, ist immer mit mehr oder weniger großen Inflationserscheinungen verbunden gewesen. So ist es unumgänglich, sich im Rahmen dieses Themas mit Inflationsgeschichte zu beschäftigen. Diese Arbeit soll daher einen Überblick geben über Münzverschlechterungen, die als Mittel zur Staatsfinanzierung dienten, und deren Auswirkungen und teilweise verheerenden Folgen aufzeigen.

Damit die Arbeit nicht zu umfangreich wurde, sind meine Betrachtungen auf den deutschen Raum, d. h. auf das Gebiet des ehemaligen Römisch-Deutschen-Reiches beschränkt worden. Es sei nur kurz erwähnt, daß es natürlich auch in anderen Staaten Münzverschlechterungen zur Staatsfinanzierung gegeben hat, die in ihren Ausmaßen mit denen Deutschlands durchaus verglichen werden können.*1

Meine Abhandlung ist auf die Zeit vom 12. bis zu Beginn des 17. Jahrhunderts begrenzt. Dies hat seine Gründe. In den 300 bis 400 Jahren vor dieser Zeitspanne wurde das Münzwesen nicht oder nur höchst unbedeutend fiskalisch ausgenutzt. Seit dem 17. Jahrhundert wiederum trat die Rolle der Münzverschlechterung als Mittel zur Staatsfinanzierung mehr und mehr in den Hintergrund. Nur noch in schweren Notzeiten wurde von da an vom Staat als letztes Mittel auf Münzverschlechterungen zurückgegriffen, die dann zeitlich und regional begrenzt blieben.*2 Außerdem konnte der Staat durch das Aufkommen des Papiergeldes im 17. Jahrhundert das Geldwesen noch besser für seine eigenen Zwecke ausbeuten.

So bildet der Zeitraum vom 12. bis zu Beginn des 17.Jahrhunderts gewissermaßen eine Epoche innerhalb der Geschichte der Staatsfinanzierung durch Ausnutzung bzw. Verschlechterung des Geldwesens. In der Zeit wurde die Münzverschlechterung als ein durchaus normales und regelmäßiges Mittel zur Staatsfinanzierung angesehen, wenn man von kurzzeitigen Unterbrechungen einmal absieht. Insofern ist ihre Bedeutung in jener Zeit am größten gewesen. Hinsichtlich Dauer, Höhe und Auswirkungen der Münzverschlechterungen zur Staatsfinanzierung lassen sich für diese Zeit 2 Arten unterscheiden:

1. Die chronische, geringe aber andauernde Münzverschlechterung über Jahrhunderte hinweg. Sie war in der Regel von einer milden Inflation bzw. Geldentwertung begleitet. Es gab 3 Formen, auf die in Kap. I genauer eingegangen wird: die Münzverrufung, die "gemeine" Münzverschlechterung*3 und das Seigern.

2. Zwei relativ kurze Perioden der starken Münzverschlechterungen, die zu starken Inflationen führten. Beide unterschieden sich z. T. in Ursachen und Auswirkungen sowohl untereinander als auch von der unter Punkt 1. genannten Zeit. So bot sich eine Dreiteilung des Hauptteils dieser Arbeit an.

Zum besseren Verständnis des Themas wird im Rahmen der Einleitung ein grober Überlick über die Geldgeschichte Deutschlands gegeben sowie die Entwicklung der Landeshoheit in Deutschland kurz dargelegt und der Begriff der Münzverschlechterung genauer erklärt. Hierdurch zieht sich zwangsweise die Einleitung in die Länge. Den Hauptteil der Arbeit bilden die Kap. I-III. Ein als IV. Kapitel geplanter Ausblick auf Münzverschlechterungen im europäischen Ausland unterblieb im Hinblick auf den Umfang der Arbeit.

2. Zum Begriff der Münzverschlechterung

In der heutigen Zeit bedeuten Münzverschlechterungen nicht mehr gleichzeitig Geldentwertung und Inflation. Auch dienen sie nicht mehr zur Staatsfinanzierung. Münzverschlechterungen haben heutzutage keinerlei negative Auswirkungen mehr.*4 Im Gegensatz hierzu waren Münzverschlechterungen früher immer mit Teuerung und Inflationserscheinungen verbunden. Der Grund dafür ist in der früher anders gewesenen Geldtheorie zu finden, in der sog. Waren- oder Stoffwerttheorie. So wurde der Wert (Kurswert) einer Münze bis zu Beginn des 20. Jahrhunderts ausschließlich vom Wert des in ihr enthaltenen Edelmetalls bestimmt, abgesehen von den Scheidemünzen.*5 Also bedeuteten Münzverschlechterungen auch notgedrungenermaßen Geldwertminderung und damit Inflation. Grundsätzlich lassen sich die früheren Münzverschlechterungen in bezug auf ihre Entstehung in 2 Gruppen einteilen:

1. Münzverschlechterung durch natürliche Abnutzung im Verkehr. So wurden stark abgenutzte Gold- und Silbermünzen im Wert herabgesetzt oder eingezogen.

2. Münzverschlechterung durch mutwillige Verringerung des Edelmetalls der Münzen.

Im Rahmen dieses Themas ist nur der letzte Punkt von Bedeutung. Es gab 2 bzw. 3 Möglichkeiten:

1. Man setzte das Schrot (Gesamtgewicht) der Münze herab.

2. Man verringerte das Korn (Feingehalt) der Münze, d. h. man ersetzte einen Teil des Edelmetalls durch billigere Metalle, in der Regel durch Kupfer.

3. Kombinationen von beiden Möglichkeiten.

Die Verschlechterung des Korns war besonders heimtückisch, da sie dem einfachen Mann gar nicht oder erst sehr spät auffiel. Oft wurden im Korn stark verschlechterte Münzen und selbst reine Kupfermünzen durch Weißsieden oder durch eine dünne Silberschicht auf der Oberfläche, den sog. Silbersud, als Silbermünzen getarnt. Das silbrige Aussehen verlor sich aber im Umlauf sehr schnell und die schlechte Münze kam zum Vorschein.

Zu bemerken ist, daß das durch mutwilliges Verschlechtern der Münzen gewonnene Silber oder Gold, der Schlagschatz, keinen Reingewinn für den Münzherrn darstellte. Vielmehr mußten von diesem Bruttogewinn noch die Prägekosten bezahlt werden. Es liegt auf der Hand, daß bei der Prägung von kleineren Münzsorten die Prägekosten stärker ins Gewicht fielen als bei der Prägung von großen Münzen. Dieser Umstand konnte katastrophale Folgen haben, solange man das Wesen der Scheidemünze noch nicht erkannt hatte, wie u. a. die Kipper- und Wipperzeit zeigt.

3. Die Entwicklung der Landeshoheit

Die Zentralgewalt des römisch-deutschen Kaisers und Königs ging seit dem Investiturstreit Ende des 11. Jahrhunderts mehr und mehr verloren. Demgegenüber stand ein Erstarken der Fürsten. Etwa seit dem 13. Jahrhundert bildeten sich die Territorialstaaten heraus. Deutschland zerfiel in eine unüberschaubare Menge einzelner Länder und Ländchen, denen der Kaiser 1220 und 1232 viele hoheitliche Rechte übertrug. Sie erhielten z. B. die Einnahmen aus dem Münz-, Zoll-, Bergregal und andere Privilegien zuerkannt, soweit sie sie nicht schon besaßen. Durch die Goldene Bulle 1356 wurde das Kaisertum weiter geschwächt und die Stellung der Kurfürsten gestärkt. Die Ausbildung der Steuern im 13./14. Jahrhundert kam schon fast ausschließlich den Territorialherren zugute. Dem gemeinen Pfennig, eine kaiserliche Steuer, war kaum Erfolg beschieden. So hatte der Kaiser gegen Ende des Mittelalters durch Abgabe der königlichen Regalien an die Fürsten und später z.T. auch an die Städte seine Macht weitgehend verloren. Die Fürsten aber bauten in ihren Ländern das Staatswesen immer weiter aus und scheuten sich lange Zeit nicht, das Münzregal als eine Einnahmequelle dafür zu benutzen.

4. Überblick über die Geldgeschichte

Bis zum 11. Jahrhundert galt der von Karl dem Großen eingeführte silberne Pfennig überall im gesamten Reich und war als Handelsmünze im Osten und Norden Europas beliebt.*6 Das Münzrecht stand seit der Mitte des 8. Jahrhunderts einzig dem Kaiser zu, der es allerdings nach und nach auch an die Fürsten des Reiches abgab. Seit dem 11. Jahrhundert gingen die Fürsten dann dazu über, den Pfennig selbst zu gestalten. Zuerst änderten sie nur das Aussehen, schließlich aber auch den Silbergehalt der Münzen. Da alle bald nach eigenen Münzfuß prägten, ging die Einheitlichkeit des Pfennigs im 12. Jahrhundert endgültig verloren. Das 12. und 13. Jahrhundert gilt in der Numismatik als die "Periode des regionalen Pfennigs", denn der Pfennig galt in dieser Zeit nur noch in der zumeist engeren Umgebung des Prägeortes, ganz im Gegensatz zu früher.*7 Es herrschte in jener Zeit ein unglaubliches Wirrwarr an verschiedenen Münzen und Währungen.

Da der Pfennig im 13./14.Jahrhundert bereits stark im Wert gesunken war, wurden für den aufblühenden Handel größere Geldstücke gebraucht und geschaffen. Die seit 1252 in Florenz geprägten Goldgulden eider Floren und die seit 1284 in Venedig geprägten Dukaten verbreiteten sich schnell in Europa und wurden vielerorts nachgeprägt. Der Groschen, ursprünglich aus Frankreich, wurde seit 1300 in Deutschland geprägt. Um 1500 kamen die Taler auf, anfangs Guldiner oder Guldener genannt, weil sie ursprünglich dem Wert eines Goldguldens entsprachen. Außerdem tauchte eine Vielzahl anderer Münzsorten auf, die hier nicht aufgezählt werden sollen.*8

Entsprechend der politischen Zersplitterung Deutschlands war auch das Geldwesen stark in Unordnung. Die Reichsmünzordnungen des 16. Jahrhunderts versuchten das Münzwesen zu vereinheitlichen und zu verbessern, was ihnen jedoch auf die Dauer nicht gelang. Immerhin führten sie für einige Jahrzehnte des 16. Jahrhunderts zu halbwegs geordneten Währungsverhältnissen. 1566 wurde mit dem Reichstaler ein gültiger Wertmesser und eine beständige Münze (später Speziestaler genannt) für fast 200 Jahre geschaffen. Letztlich konnte das Währungswirrwarr aber nicht beseitigt werden. Jeder Landesherr prägte weiterhin seine eigenen Münzen.

Erst das 19.Jahrhundert, insbesondere die Jahre 1871-76, brachten eine Vereinheitlichung des Geldwesens in Deutschland. Erwähnt sei noch, daß Kupfer als Münzmetall für Scheidegeld erst seit dem 18. Jahrhundert allgemein Verbreitung fand. Vorher verwendete man Silberlegierungen selbst für kleinste Münzen.


Abbildungen

1       2
Abb.1: Erfurt, erzb. mainz. Mzst. Pfennig (Brakteat), Heinrich I. von Harburg 1142-1153, Silber, 0,89 gl
Abb.2: Pfennig (Brakteat), Herzogtum Braunschweig-Lüneburg, Albrecht 1252-1279, Silber, 0,74 g

Brakteaten waren besonders geeignet für eine Politik der häufigen Münzverrufungen, da aufgrund ihrer Größe das Münzbild vielfach gestaltet werden konnte, ohne es grundlegend zu ändern. Bei periodischen Münzverrufungen brauchte so das Münzbild jedesmal nur geringfügig geändert zu werden, um die verrufenen Stücke von den neuausgegebenen zu unterscheiden. Wegen ihrer leichten Zerbrechlichkeit wurde ein häufiges Umwechseln der Brakteaten noch unterstützt.

3       4
Abb.3: Pfennig, Herzogtum Bayern, Albert V. 1550-1579
Abb.4: Wiener Pfennig um 1400, Wilhelm † 1406, als Vormund Albrechts, Silber, 0,45 g

Der bayerische Pfennig und der Wiener Pfennig wurden im Spätmittelalter durch "gemeine" Münzverschlechterungen und durch die Praktiken des Seigerns allmählich im Wert vermindert. Trotzdem galt der Wiener Pfennig lange Zeit als Handelsmünze, insbesondere im benachbarten Ungarn.


Abb.5: Goldgulden von 1423
Erzbistum Köln, Dietrich II. v. Moers, 1414-1463, Gold, 3,51 g


Abb.6: Goldgulden von 1423
Böhmen, Wenzel II. 1278-1305, Prager Groschen, Silber

Die Entwicklungen des rheinischen Goldguldens und des sächsischen Groschens sind typische Beispiele für die andauernde, allmähliche Wertminderung von Münzen durch "gemeine" Münzverschlechterungen. Das Feingewicht des rheinischen Goldguldens sank von 3,396 g Gold im Jahre 1386 auf 2,527 g Gold um 1490. Der Feingehalt des sächsischen Groschens sank von 3,66 g Silber um 1340 auf 1,43 g Silber 1432 und auf 1,29 g Silber um 1520.

7       8
Abb.7: Kölner Pfennig, Erzbistum Köln, Philipp v. Heinsberg, 1167-1191, Silber, 1,45 g
Abb.8: Kölner Pfennig, Erzbistum Köln, Adolf v. Altena, 1193-1215, Silber, 1,50 g

Der Kölner Pfennig war die am weitesten verbreitete deutsche Handelsmünze vom 11. bis 13. Jahrhundert aufgrund seines gleichbleibenden Feingewichtes.


Abb.9: Regensburger Pfennig um 1290
Bischof Heinrich III. und Herzog Otto III. gemeinsam, Silber, 0,76 g

Von 1200 bis 1374 war im süddeutschen Raum der Regensburger Pfennig als Handelsmünze beliebt, da sein Feingewicht annähernd gleichblieb. Erst ab 1374 verlor er durch Münzverschlechterungen seine Stellung als Handelsmünze.

10       11
          Abb.10: Öttinger Pfennig (Schinderling)       Abb.11: Landshuter Pfennig (Schinderling)

12       13
Abb.12: Passauer Pfennig (Schinderling)
Abb.13: Österreichischer Pfennig, Kaiser Friedrich III. (Schinderling)


Abb. 14: Wiener Pfennig nach der Währungsreform vom 28. April 1460, geprägt von der Wiener Hausgenossenschaft, Münzmeister Teschler


Abb. 15: Reichstaler 1593, Kfst. Sachsen Silber, 28,85 g

Der Reichstaler wurde während der Kipper- und Wipperzeit vereinzelt weitergeprägt, wobei er sein ursprüngliches Feingewicht beibehielt. Dadurch stieg er laufend im Kurs der immer schlechter werdenden Kleinmünzen.


Abb. 16: Pfennig 1589 (einseitig), Solms-Lich Silber, 0,19 g - Vergrößerte Zeichnung

Vor der Kipper- und Wipperzeit wurden in der Regel auch Pfennige und Heller aus Silber geprägt.


Abb. 17: Kreuzer 1622. Reichsstadt Weißenburg/Bayern, Kippermünze Kupfer 1,15 g


Abb. 18: Braunschweig-Wolfenbüttel, Friedrich Ulrich 1613-1634, Kipper - 12 Kreuzer o. J.


Abb. 19: Bayern, Maximilian 1598-1623-1651, 24 Kreuzer o. J. (1620)


Abb. 20: Groschen 1622, Stadt Erfurt Silber, 1,86 g; geprägt nach Beendigung der Kipper- und Wipperzeit; die Umschrift "NACH DEM ALTEN SCHROT UND KORN" weist auf eine gute, vorschriftsmäßige Münze hin


Abb. 21: 2 Kreuzer 1624, Kfst. Bayern Silber, 0,95 g; geprägt nach Beendigung der Kipper- und Wipperzeit

Anmerkung des Verfassers
Die Abb. 4, 8, 9, 20 und 21 wurden von Münzen aus der eigenen Sammlung angefertigt. Ich danke an dieser Stelle meinem langjährigen Freund Jörg Uhlenbrock für die Herstellung dieser Fotos. - Die Abb. 10 bis 14 sind selbstangefertigte Skizzen.




I.   DIE CHRONISCHE AUSBEUTUNG DES MÜNZREGALS IM
SPÄTEREN MITTELALTER (12.-15. JAHRHUNDERT)

1. Die Münzverrufungen

Die Münzverrufung seit dem 12. Jahrhundert ist eine spezielle Form der Münzverschlechterung gewesen, die von Seiten der prägeberechtigten Fürsten besonders beliebt war. Sie bot nämlich eine doppelte Möglichkeit der Gewinnerzielung. Zum ersten wurden die alten, bisherigen Münzen alle eingezogen ("verrufen") und gegen neue, schlechtere Stücke ausgetauscht.*9 Zum zweiten gab man in der Regel für 4 alte Pfennige nur 3 neue aus. Damit dieser Umtauschaktion auch voller Erfolg beschieden war, mußten natürlich fremde und alte Münzen verboten werden. Hierbei wurde der Bedarf der Wirtschaft nach gutem, gleichbleibendem Geld völlig mißachtet.*10

Für die mittelalterliche Staatswirtschaft, für die sich seit dem 12./13. Jahrhundert abzeichnenden Territorialstaaten, war die Münzverrufung ein willkommenes Mittel, um die recht geringen Bareinnahmen zu verbessern. Die Höhe der Ausnutzungen des Münzregals durch Münzverrufungen war mehr oder weniger Gewissenssache, nachdem der Kaiser seinen Einfluß verloren hatte. Wie oft eine Münzverrufung durchgeführt wurde, hing von der Willkür und Macht des einzelnen Herrschers ab. Meistens wurden sie alle 1-3 Jahre einmal durchgeführt, in manchen Fällen aber auch mehrmals im Jahr. Von Münzverrufungen weitgehend verschont blieb nur der kölnischwestfälische Raum. Die Hauptzeit der Münzverrufungefl als Mittel zur Staatsfinanzierung lag im 12.-14. Jahrhundert. Im Laufe des 15. Jahrhunderts hörten sie gänzlich auf. Die Münzherrn sahen ein, daß eine regelmäßig verrufene Münze und damit sehr unsichere Währungsverhältnisse die Entwicklung der Wirtschaft hemmte und ihnen letzten Endes auch mehr schadete als Gewinn einbrachte.*11

Der konkrete Gewinn des prägenden Landesherrn bei einer Münzverrufung hing von verschiedenen Faktoren ab:

1. Von der Anzahl der umlaufenden Münzen. So versuchten die Fürsten ihren Münzen einen möglichst großen Geltungsbereich, also eine möglichst weite Verbreitung zu sichern.

2. Von dem noch vorhandenen Feingehalt der Münzen bzw. der Höhe der Herabsetzung desselben.

3. Von den Kosten für die Umprägung.

Erwähnenswert in diesem Zusammenhang ist, daß Münzverrufungen fast ausschließlich bei dem Pfennig vorgenommen wurden.

An 2 Beispielen sei die Höhe des Münzgewinns durch Münzverrufung gezeigt.*12 In Mähren wurde 1267 bei zweimaliger Münzverrufung ein Betrag von 5000 Pfund Pfennige*13 = 1200000 Pfennige als Münznutzen, d. h. als Schlagschatz gewonnen. Der mährische Pfennig besaß etwa 0,228 g Feingewicht; somit ergab sich ein Jahresgewinn von 273,6 kg Feinsilber.*14 Diese Summe entspricht einer heutigen Kaufkraft, soweit ein Vergleich überhaupt möglich ist, von ungefähr 2,7 Millionen DM. In Österreich wurde 1334 bei einmaliger Münzverrufung ein gleicher Betrag von 1200000 Pfennigen eingenommen. Da der Feingehalt des Wiener Pfennigs in jener Zeit aber höher war als der des mährischen Pfennigs um 1267, nämlich etwa 0,45 g Silber, ergab sich hier ein Ertrag von 540 kg Feinsilber.*15 Die Kaufkraft dieser Summe läge bei etwa 5,4 Millionen DM, also rund das doppelte an Münzgewinn wie in Mähren 1267.

2. Die "gemeinen" Münzverschlechterungen

Während sich die Münzverrufung auf 3 Jahrhunderte beschränkte, behauptete sich die "gemeine" Münzverschlechterung mal stärker, mal schwächer die ganze Münzgeschichte hindurch. Im Gegensatz zu den Münzverrufungen, die eine offizielle Einnahmequelle der Fürsten bildeten, wurden "gemeine" Münzverschlechterungen, wenn sie fiskalischen Zwecken dienten, heimlich durchgeführt. Der Gewinn hierbei war stets von kurzer Dauer, denn die heimliche Herabsetzung des Feingewichts einer Münze blieb den Kaufleuten und Geldwechslern natürlich nicht lange verborgen. Sobald die Verschlechterung einer Münzsorte, also die Minderwertigkeit einer Münze, erkannt worden war, wurden diese Stücke nur noch mit einem geringeren Kurs bewertet als zuvor. Der neue Kurs richtete sich nach dem noch vorhandenen Metallwert der Münze. In diesem Moment war natürlich die Ertragsquelle des Münzherrn, der Unterschied zwischen Nennwert (Nominalwert) und Metallwert, versiegt. Nur durch weitere heimliche Münzverschlechterungen konnte er sich erneut einen Gewinn aus dem Münzregal verschaffen.

Ein typisches Beispiel für die mögliche kumulative Wirkung der "gemeinen", mutwilligen Münzverschlechterung stellt der Wertverfall des rheinischen Goldguldens im Spätmittelalter dar. Während sein Feingehalt ursprünglich dem des florentiner Gulden entsprach (23½-24 Karat), fiel er bei ungefähr gleichbleibendem Schrot*16 nach 1370 stetig; 1386 23 Karat, 1399 22½ Karat, 1409 22 Karat, 1433 19 Karat, um 1500 18½ Karat. Bezeichnend hierbei war, daß die 4 rheinischen Kurfürsten den Feingehalt ihrer Goldgulden im Jahre 1417 gegenüber dem Kaiser mit 22 Karat angaben, obwohl sie untereinander beschlossen hatten, ihn nur mit 20 Karat Feingehalt auszuprägen. Bis die Bevölkerung diesen regelrechten Betrug, der in jener Zeit gang und gebe war, bemerkte, hatten die Kurfürsten bereits einiges an Gewinn eingesteckt.

Im späteren Mittelalter ist diese "gemeine" Münzverschlechterung stark verbreitet gewesen. Sie steuerte im allgemeinen jedoch nur wenig zur Staatsfinanzierung bei, da die Gewinnsummen hieraus niedrig blieben. Zu Beginn der Neuzeit, als den Landesfürsten klar geworden war, daß sie selbst erst einmal für bessere Verhältnisse im Münzwesen sorgen mußten, wenn ihr Staatswesen funktionieren sollte, wurden die Erträge aus den "gemeinen" Münzverschlechterungen immer geringer. Zur regelmäßigen Staatsfinanzierung diente so die "gemeine" Münzverschlechterung nur im Mittelalter.

3. Das Seigern

Ein im Mittelalter nicht zu beseitigendes Problem war das Seigern der Münzen. Seigern heißt, von einer größeren Anzahl gleicher Münznominale die schwersten und damit die wertvolleren, auszusortieren und zum Einschmelzen zu behalten und nur die leichteren Münzen wieder in den Verkehr zu bringen. So blieben nach und nach nur noch die leichtesten Stücke in Umlauf, so daß der Münzfuß notgedrungenermaßen sinken mußte. Daß das Seigern überhaupt möglich war, hatte 2 Gründe:

1. Die Münzen wurden bei der Prägung nicht einzeln auf ihr Gewicht geprüft, sondern eine große Anzahl von Stücken (z. B. 1 Pfund = 240 Stück) mußte zusammen einem bestimmten Gewicht entsprechen.*17 Dadurch kamen sowohl zu schwere wie auch zu leichte Stücke in den Verkehr.

2. Man kannte noch nicht das Prinzip der Scheidemünze. Der Kurswert einer Münzsorte richtete sich nach ihrem Metallwert.

Obwohl verboten, wurde das Seigern von Geldwechslern und Kaufleuten durchgeführt. Außer dem Pfennig war praktisch keine andere Münze davon betroffen, da die größeren Münznominale einzeln gewogen und geprüft wurden. Von den Münzherrn wurde das Seigern oft vorauskalkuliert, indem sie von vornherein den Münzfuß im Laufe der Zeit senkten. So weiß man von Herzog Albrecht II. von Österreich, daß er im Jahre 1339 anfangs 21 Pfennige auf das Lot rechnete, später dann 22 und 23 Pfennige. In der Mark Brandenburg wurde im Jahre 1347 ein Ansteigen von 294 auf 324 Pfennige auf die Mark vorgenommen. Durch solche Praktiken wurde dem Seigern durch andere natürlich gewisse Grenzen gesetzt und stattdessen floß dem Landesherrn e'ine Einnahme zu.

4. Würdigung

Vergleicht man die 3 Formen der langsamen Münzverschlechterungen, wie sie im späten Mittelalter stattgefunden haben, so lassen sich beträchtliche Unterschiede feststellen.

Die Münzverrufungen dienten eindeutig und offiziell als Mittel zur Staatsfinanzierung. Die Fürsten sahen es als ihr Recht an, Münzverrufungen durchzuführen. Im Rahmen der Gesamteinkünfte eines Landesherrn der damaligen Zeit stellten sie einen nicht unbeträchtlichen Posten an Einnahmen dar. Der Schaden für die Wirtschaft, der daraus erwuchs, war für den Landesherrn unwichtig, solange er ihn nicht selbst betraf. Erst als der Handel aufblühte, der Pfennig ziemlich heruntergekommen war und die Geldwirtschaft sich in weiten Teilen der Bevölkerung durchsetzte, mußten Münzverrufungen sich negativ für den Landesherrn auswirken. So ist die Zeit der Münzverrufungen seit der Wende vom 14. zum 15. Jahrhundert vorbei. Der Münzherr mußte sich nach anderen, besseren Einnahmequellen umsehen.

Im Gegensatz dazu dienten die "gemeinen" Münzverschlechterungen mehr als inoffizielle Einnahmequelle des Staates. Solange sie nicht in starke Münzverschlechterungen ausarteten und die Wirtschaft nicht zu sehr behinderten, konnten sie ständig zu fiskalischen Zwecken benutzt werden.*18 Mit der Entwicklung der Wirtschaft und der weiten Verbreitung des Geldes gingen die "gemeinen" Münzverschlechterungen allgemein zurück. Der Handel verlangte nach einer wertbeständigen und sicheren Münze, die nicht verschlechtert werden durfte. Die Fürsten erkannten das schließlich und so blieben seit 1500 die großen Münzsorten lange wertbeständig. Die Kleinmünzen dagegen wurden weiterhin heimlich verschlechtert, aber weniger stark als zuvor, von Krisenzeiten und starken Inflationen natürlich abgesehen. Teilweise hing diese Verschlechterung auch mit den höheren Prägekosten für Kleinmünzen zusammen und war insofern dann keine fiskalische Ausnutzung mehr.

Das Vorauskalkulieren des Seigerns durch die Landesfürsten diente zweifelsfrei auch der Staatsfinanzierung, aber im Gegensatz zu den 2 oben erwähnten Formen der Münzverschlechterung war es nur ein indirektes Mittel. Der Münzfuß wurde ja mit der Absicht herabgesetzt, um dem Seigern der Münzen vorzubeugen. Erst in zweiter Linie, als nicht unerwünschter Nebeneffekt, war es eine zusätzliche Einnahmequelle des Fürsten. Natürlich muß man berücksichtigen, daß für viele Fürsten die Einnahmen aus der Herabsetzung des Münzfußes im Vordergrund gestanden haben und das Vorbeugen des Seigerns nur ein Vorwand für solche Praktiken gewesen war.

Gegen Ende des Mittelalters erkannten die Fürsten den Vorteil einer guten Münze. Solange sie ihre Einkünfte vorwiegend in Naturalien erhielten, konnten sie das Münzregal fast endlos ausnutzen. Sobald aber die Staatseinkünfte in Geld, d. h. in Münzen erfolgten, sah die Lage anders aus. Prägte der Landesherr schlechtes Geld, so bekam er schließlich auch schlechtes Geld zurück. Der Handel wurde durch schlechtes Geld behindert. Marktgebühren, Zollabgaben u. ä. fielen geringer aus und wurden auch noch in schlechter Münze geleistet. Der einzige Vorteil für einen Fürsten, schlechtes Geld auszugeben, lag in der billigeren Kreditrückzahlung, sofern er Schulden gemacht hatte. Durch hohe Zinsen oder Festlegen auf Gewichtsmarken konnte dies aber oft genug verhindert werden. Die folgenden. Zahlen geben eine Vorstellung von der allgemeinen Münzverschlechterung des Mittelalters:
im 11. Jahrhundert wurden durchschnittlich 200-240 Pfennige aus der feinen Mark zu 234 g Silber geprägt,
um 1100 gingen durchschnittlich 250-270 Pfennige auf die feine Mark,
um 1200 gingen durchschnittlich 400-500 Pfennige auf die feine Mark,
um 1350 gingen durchschnittlich 900-1000 Pfennige auf die feine Mark,
um 1500 gingen durchschnittlich 2000-2500 Pfennige auf die feine Mark.

An Hand der Tabelle sieht man, daß die Ausnutzung des Münzregals im großen und ganzen nicht übermäßig stark gewesen war. Unter der Berücksichtigung, daß der Wert des Silbers, d. h. seine Kaufkraft, vom 11. Jahrhundert bis ins 15. Jahrhundert hinein ungefähr gleich geblieben war, wird erkennbar, daß es sich in dieser Zeit nur um eine sehr milde Inflation gehandelt hat. Es ist aber zu bedenken, daß die Münzverschlechterungen und Geldwertminderungen im Mittelalter für die Bevölkerung und insbesondere für den Handel nicht das größte Übel gewesen waren im Bereich des Geldwesens. Dieses lag vielmehr in dem unglaublichen Währungswirrwarr von unterschiedlichsten Münzsorten, die alle nur beschränkt Gültigkeit besaßen und die untereinander stets wechselnden Kurswert hatten. Der Silbergehalt der Pfennige war also im Spätmittelalter bereits stark gesunken. Durch Münzverrufungen ließ sich deshalb kaum noch ein Gewinn erzielen, da die Prägekosten immer stärker ins Gewicht fielen. Allein schon aus diesem Grund erschien es manchen Landesfürsten vorteilhafter, die Münze zu verpachten oder sogar zu verkaufen, um noch Ertrag aus dem Münzregal ziehen zu können. Da besonders die Städte an guter Münze interessiert waren, zahlten sie den Fürsten gerne größere Summen, um das Münzwesen selbst verwalten zu können. So hatten sie die Möglichkeit, die Währungsverhältnisse zu verbessern, zu ordnen und damit ihren Handel zu fördern.*19 Münzverschlechterungen aus fiskalischen Gründen fanden deshalb von Seiten der Städte viel seltener statt.

5. Auswirkungen auf Wirtschaft und Bevölkerung

Münzverschlechterungen und Zersplitterungen des Münzwesens behinderten im Mittelalter stark die wirtschaftliche Entwicklung. Besonders dem Fernhandel entstanden Nachteile. Ein gewisser Vorteil kann nur in der fördernden Entwicklung des Kleinhandels durch Herausbilden von kleineren Münzwerten gesehen werden, die durch dauernde Verschlechterung der Pfennigmünze entstanden.
Insbesondere für den Fernhandel ergaben sich aus 2 Gründen große Nachteile:

1. Durch andauernden Wertverlust wurde der Pfennig spätestens seit dem 12. Jahrhundert zu geringwertig. Es fehlte an größeren Münzen.

2. Durch Zersplitterung des Münzwesens und Herausbilden von kleinen, regionalen Währungsgebieten mußte in jedem Ort unter mehr oder weniger großem Verlust das Geld in die dort gültige Währung umgetauscht werden.

Durch die unsicheren Währungsverhältnisse konnte der Pfennig im späteren Mittelalter nicht mehr allgemein als Recheneinheit dienen. Auch seine Funktion als Wertaufbewahrungsmittel wurde durch häufige Umwechselgebühren, die auf einer Reise entstanden, in Mitleidenschaft gezogen. Außerdem wurden durch die Münzverrufungen alte Münzen oft für ungültig erklärt und mußten eingeschmolzen werden, sofern der Handel sie untereinander nicht trotzdem weiterhin benutzte. Um dem Währungswirrwarr auszuweichen, benutzte man oft überregional gültige Handelsmünzen*20 und in Barren- oder Kuchenform gegossenes Silber, sog. Barrengeld, das überall in übliche Währungsmünze eingetauscht werden konnte. Zusätzlich bürgerte sich allmählich der Verrechnungsverkehr unter Kaufleuten ein.

Bis ins Spätmittelalter hinein benutzte die Landbevölkerung relativ selten Geld, so daß für sie der Schaden durch Münzverschlechterungen ziemlich gering blieb. Die Stadtbewohner, die den Umgang mit Geld schon länger gewohnt waren, versuchten sich zu helfen, indem sie untereinander auch weiterhin mit Münzen bezahlten, die vom Landesherrn für ungültig erklärt worden waren. Das bessere Geld wurde, soweit wie möglich, für Zahlungen untereinander benutzt und die schlechteren Münzen für Abgaben an den Landesherrn verwendet. In besonders krassen Fällen der Münzverschlechterung ging man vorübergehend wieder auf den Naturaltausch über. So konnte sich der Geldverkehr erst nach Besserung dieser Zustände im 15./16. Jahrhundert überall durchsetzen. Im großen und ganzen jedenfalls waren die negativen Auswirkungen der langsamen Münzverschlechterungen für den Durchschnittsmenschen nicht allzu groß gewesen.

II. DIE PERIODE DER SCHINDERLINGE 1457-1460

1. Entstehungsursachen und Verlauf

Die bekannteste Münze in den Habsburger Ländern war im Spätmittelalter der Wiener Pfennig gewesen. Seine Ausprägung und dessen Verwaltung oblag den Wiener Hausgenossen*21 unter Aufsicht des österreichischen Herzogs. Das Geldwesen konnte auf diese Weise relativ gut geordnet werden.

Unter Kaiser Friedrich III. (1440-1493), der zeitweise zugleich Herzog von Österreich war, verschlechterte sich das Münzwesen wieder. Nach dem Tode von König Ladislaus Posthumus 1457 stritt er mit seinem Bruder Albrecht VI. um das Erbe des Toten, in erster Linie um das Herzogtum Österreich. Diese Erbschaftskämpfe brachten Friedrich III. in finanzielle Schwierigkeiten, weil sie hohe Geldsummen verschlangen. Das Steueraufkommen in jener Zeit war sehr gering und Silbero- der Goldbergwerke besaß Friedrich III. nicht. Der einzige Ausweg schien ihm die Ausnutzung des Münzregals zu sein. So überließ er gegen einen Gewinnanteil die Ausprägung von Münzen seinen 3 Kämmerern. Da ihm die Erträge hieraus nicht ausreichten, beauftragte er zusätzlich Geschäftsleute mit dem Prägen von Pfennigen an mehreren Orten. Außerdem verlieh er das Münzrecht einigen Adeligen, denen er größere Geldsummen schuldete. Zwar sollten die Münzen nach kaiserlichem Vorbild geprägt werden, aber keiner hielt sich an diese Vorschrift. Alsbald prägten sie alle Pfennige mit großem Kupferanteil, so daß sie schwarz wurden (sog. Schwarzpfennige).

Es blieb natürlich nicht aus, daß auch der Bruder und Gegner des Kaisers, Albrecht VI., mit dem Ausprägen von schlechtem Geld begann, um sich zusätzliche Einnahmen zu verschaffen. Wie so oft im Mittelalter, wirkte sich die Ausgabe von schlechtem Geld auf die Nachbarn aus. In Bayern begannen die verschiedensten Münzherren mit der Ausgabe von minderwertigen Pfennigen.*22 Der Volksmund gab den schlechten Münzen aus dieser Zeit den Namen "Schinderlinge".

Die Schinderlinge überschwemmten sämtliche Habsburger Länder und große Teile Bayerns. Nur die Wiener Hausgenossen beteiligten sich 1457-60 nicht an dieser Münzprägung. Wahrscheinlich wollten sie den riesigen Münzbetrug nicht mitmachen; daß ihnen Friedrich III. zuwenig Gewinnbeteiligung angeboten haben könnte, ist unwahrscheinlich. Die finanzielle Ausnutzung des Münzwesens ging schließlich so weit, daß man die Münzen teilweise in reinem Kupfer ausprägte. So ist es nicht erstaunlich, daß sich am Ende der Inflationszeit weite Teile der Bevölkerung weigerten, dieses schlechte Geld anzunehmen.

Einige Zahlen über die Höhe der Geldentwertung, die sich am besten an dem Kurs des ungarischen Goldguldens ablesen läßt, einer in jener Zeit gleichbleibend guten Münze. Dieser galt in Österreich im Jahre 1455 240 Pfennige. Ende des Jahres 1458 300 Pfennige, Ende des Jahres 1459 960 Pfennige, Anfang des Jahres 1460 1000-2000 Pfennige, am 17.April 1460 3686 Pfennige.*23

Nachdem sich Vertreter der Stände und der Landtage verschiedentlich beim Kaiser beschwert hatten, beauftragte dieser ab dem 28. April 1460 wieder die Wiener Hausgenossen mit der Ausprägung von guten Pfennigen, von denen 180 Stück einen ungarischen Goldgulden gelten sollten.*24 Nachdem kurz darauf auch in Bayern und den anderen Habsburger Ländern wieder gute Münzen geprägt wurden, war die Schinderlingszeit endgültig beseitigt.

2. Würdigung

Die Periode der Schinderlinge ist die erste große Inflation seit dem Zusammenbruch der römischen Währung im 3. Jahrhundert n. Chr. gewesen. Sie unterschied sich völlig von der damals üblichen langsamen, milden Geldentwertung des späteren Mittelalters. Die einzige Gemeinsamkeit lag in der Ursache von beiden, nämlich der eigennützigen fiskalischen Ausnutzung des Münzregals. Ansonsten lassen sich aber beträchtliche Unterschiede feststellen. Während die chronische, milde Inflation sich über Jahrhunderte hinwegzog, dauerte die Schinderlingszeit gerade 2-3 Jahre. Die Bevölkerung hatte sich an die immerwährende, langsame Münzverschlechterung des späteren Mittelalters mehr oder weniger gewöhnt. Das Phänomen der galoppierenden Inflation während der Schinderlingszeit indessen war für sie völlig neu und stand ohne Vergleich zu bisherigen Münzverschlechterungen, bei denen die Münzen trotz allem noch einen gewissen Wert behielten. In der Schinderlingszeit aber verlor der Pfennig so rapide an Wert, daß er nach kurzer Zeit völlig wertlos geworden war. Keiner wollte ihn mehr annehmen. Nur gegen gute ausländische Münzen, gegen Groschen, Gulden u. ä. bekam man noch Waren.

An diesem Punkt mußten auch der Kaiser und die anderen Münzherrn einlenken. Durch weitere Verschlechterung des Geldes konnten sie keinen Gewinn mehr erzielen, da keiner mehr die Münzen annehmen wollte. Für kurze Zeit hatten sie sich auf Kosten der Bevölkerung bereichern können. Nun mußte, um die Wirtschaft neu zu beleben, wieder gutes Geld geschaffen werden.

Die mehrere Jahrhunderte dauernde chronische, aber relativ niedrige Ausbeutung des Münzregals hatte den Pfennig nicht so stark entwertet wie die 2-3 Jahre der Schinderlingszeit.*25 Bezieher fester Einkommen wurden, wie üblich in starken Inflationszeiten, während der Schinderlingszeit besonders geschädigt. Die Existenzgrundlage vieler Familien wurde vernichtet; einige begingen sogar Selbstmord. Der Landtag zu Gollersdorf wandte sich am 2.2.1460 an den Kaiser mit den Worten: "er möge ... eine bessere Münze anordnen, denn alle Kriege, Raub und Brand hätten das Land nicht so hoch erermet (verarmt) als dies durch den Schintlerling geschehen sei und noch tagtäglich geschehe. Aller Handel im Lande stocke, ..."*26 Das Vertrauen, das der Wiener Pfennig vor der Zeit der Schinderlinge als Handelsmünze gehabt hatte, konnte nach der Währungsreform 1460 nicht wieder hergestellt werden, obwohl sich die Wiener Hausgenossen nicht am Ausprägen von Schinderlingen beteiligt hatten.

III. DIE PERIODE DER KIPPER UND WIPPER 1618-1623
UND DEREN VORZEIT AB 1580

1. Die Entstehung und deren Ursachen bis 1617

Die eintretenden Schwierigkeiten im Geldwesen ab 1580 und die daraus folgende Inflationszeit zu Beginn des 17. Jahrhunderts entstanden aus dem Zusammenwirken von mehreren ungünstigen Faktoren:

1. Deutschland besaß eine passive Handelsbilanz, so daß Gold und Silber ins Ausland abflossen.

2. In der 2. Hälfte des 16. Jahrhunderts zeichnete sich ein Rückgang der deutschen Silbergewinnung ab, obwohl der Bedarf der Wirtschaft nach Geld zunahm.

Die Reichsmünzordnung von 1559 hatte den Feingehalt der Kleinmünzen zwar etwas niedriger angesetzt als den der großen Münzen, trotzdem war er aber noch zu hoch festgelegt worden.

Aus Punkt 3. ergab sich, daß das Ausprägen von kleinen Münzsorten durch die höheren Prägekosten mit einem Verlust verbunden war, während das Prägen von großen Münzen bei niedrrgeren Prägekosten einen minimalen Gewinn einbrachte.*27 So ist es verständlich, daß die Münzherrn vorwiegend große Münzen und nur wenige kleine Münzen prägten. Die Folge davon war Kleingeldmangel. Gewisse Münzherrn gaben daraufhin unterwertiges, schlechteres Kleingeld heraus als vorgeschrieben war. Die Bevölkerung nahm dieses Geld in Ermangelung von besseren Stücken bereitwillig auf. Da das Silber aus o. g. Gründen knapper wurde, war man froh, überhaupt genügend Münzen für den wachsenden Bedarf der Wirtschaft zu haben.*28 Natürlich konnte es nicht ausbleiben, daß die groben Münzsorten (Taler, Gulden), deren Feingewicht trotz aller Krisen immer gleich blieb, im Kurs der schlechteren Kleinmünzen (Kreuzer, etc.) stiegen. Für die Zeitgenossen, die vorwiegend mit Kleinmünzen bezahlten und entlohnt wurden, bedeutete das ein Steigen des Silberpreises. Der Taler (25,98 g Silber) war anstatt 68 Kreuzer plötzlich 72 Kreuzer wert, d. h. für die gleiche Menge Silber mußte man 4 Kreuzer mehr bezahlen. Jetzt stellten gewissenhafte Münzer das Ausprägen von gutem Kleingeld vollends ein, denn der Verlust bei solcher Prägung war gewachsen. Bei einer immer größer werdenden Anzahl von Münzherrn regte sich bald wieder der Wunsch nach fiskalischer Ausnutzung des Münzregals; ein Gedanke, der im 16. Jahrhundert zeitweise aufgegeben worden war. Sie errichteten auf ihren Territorien eine zumeist größere Anzahl von Heckenmünzen; das waren Münzstätten, die ausschließlich mit dem Prägen von unterwertigem Kleingeld beauftragt wurden. Meistens wurden sie nicht einmal mit vereidigten Münzmeistern besetzt, sondern einfach an irgendwelche Geschäftemacher u. ä. verpachtet.

So begann um 1580/90 ein kumulativer Prozeß. Mit Hilfe der unterwertigen Kleinmünzen kaufte man in Ermangelung anderen Silbers die guten Taler und Gulden auf, schmolz sie ein und verarbeitete sie zu weiteren, schlechteren Kleinmünzen, mit denen wiederum die guten Taler aufgekauft wurden, usw. Lohnend war der Vorgang natürlich nur, wenn die Kleinmünzen immer stärker verschlechtert wurden. Um 1600 waren sie bereits 20-50 % unterwertig.

Der Reichstagsabschied zu Regensburg 1603, und nach ihm noch einige andere, beklagten die schlechter gewordenen Münzverhältnisse; sie änderten aber nichts an ihnen. Zwar versuchten einige wenige einsichtige Landesherrn das Münzwesen in ihren eigenen Territorien zu verbessern, aber sie hatten keinen großen Erfolg damit, weil aus den Nachbarländern immer wieder große Mengen an schlechtem Kleingeld in ihre Gebiete eindrangen. Nach 1600 war bereits der ehemalige Kleingeldmangel einer massenhaften, riesigen Ausprägung von schlechten Kleinmünzen gewichen.

Der Taler stieg stetig im Kurs der Kleinmünzen. Offiziell galt er von 1566-1582 68 Kreuzer, 1590 70 Kreuzer, 1600 72 Kreuzer, 1605 75 Kreuzer, 1610 84 Kreuzer, 1617 90 Kreuzer.*29 Hierbei sind lokale Unterschiede und tatsächliche, inoffizielle Kurswerte nicht berücksichtigt. In manchen Gebieten stand der Taler vor 1600 schon auf über 80 Kreuzer.*30 Noch stärker im Wert stiegen die Goldmünzen, da sich das Wertverhältnis von Gold zu Silber zugunsten des Goldes entwickelte.

2. Der Verlauf 1618-1623

Um 1618 ging die bisher milde Geldentwertung in eine stärkere und spätestens 1621 in eine galoppierende Inflation über. Die Schuld dafür trugen einzig und allein die Landesherren, die jetzt zur Finanzierung ihrer Staatsausgaben auf eine starke fiskalische Ausnutzung des Münzwesens zurückgriffen. Den Anfang machte das Herzogtum Braunschweig-Wolfenbüttel. Dort gaben einige Adelige mit stiller Unterstützung und unter Gewinnbeteiligung des Herzogs 1617 und 1618 stark unterwertige Groschen aus, von denen statt wie vorgeschrieben rund 110 Stück ca. 210 Stück auf die rauhe Mark gingen. 1620 prägten sie bereits 320 Groschen aus der rauhen Mark. Im gesamten Herzogtum Braunschweig-Wolfenbüttel soll es damals 32 Heckenmünzer gegeben haben! Daß dem Herzog nicht ganz wohl bei der Ausprägung dieser schlechten Münzen gewesen ist, mag man aus den Umschriften dieser Stücke erkennen. Sie enthielten anstatt der üblichen Angaben über Prägeherr und Prägeland nur fromme Sprüche.

Mittlerweile prägte man überall in Deutschland stark unterwertige Münzen.*31 Geldwechsler und Spekulanten zogen durchs Land und bereicherten sich, indem sie gutes Geld, insbesondere alte Taler und Gulden, gegen schlechtes Geld aufkauften. Mit Hilfe einer Balkenwaage wurden die guten Stücke von schlechten aussortiert und aus dem Verkehr gezogen, um sie an Heckenmünzer weiterzuverkaufen. Das Umgehen mit der Waage, das Hüpfen, Springen und Kippen der Waagschalen brachte ihnen im Volksmund den Namen "Kipper und Wipper" ein.

Während bis 1618 noch einige Münzherren, wenn auch vergeblich, versucht hatten, das Münzwesen wieder zu verbessern, bereicherten sich seit dem Ausbruch des 30jährigen Krieges praktisch alle Landesherren und prägeberechtigten Städte am Ausprägen von sehr schlechtem Geld, den sog. Kippermünzen. Die Kriegsrüstung verschlang große Summen, und die Münzverschlechterung mit Hilfe der Geldwechsler, Spekulanten und Tausenden von Heckenmünzern war ein einfaches und bequemes Mittel zur Finanzierung. Vielfach enthielten die Münzen der Jahre 1622/23 kein Silber mehr, sie waren aus reinem Kupfer. Selbst größere Münznominale wurden aus Kupfer mit geringem Silberzusatz geprägt. Das war eine enorme Verschlechterung, wenn man bedenkt, daß zuvor noch Pfennige und Heller, die kleinsten Münzen, aus Silberlegierungen geprägt worden waren.

Der Kurs des alten Reichstalers stieg in jener Zeit unaufhörlich: 1618 92 Kreuzer, Ende des Jahres 1619 124 Kreuzer, Ende 1620 140 Kreuzer, Mitte 1621 ca. 200 Kreuzer, Ende 1621 ca. 400 Kreuzer, 1622 ca. 600 Kreuzer.*32

In den Jahren 1622/23 nahm die Inflation äußerst bedrohliche Formen an. Die Bevölkerung hatte alle ihre guten Münzen in dem Rausch abgegeben, dafür mehr neues (allerdings schlechteres) Geld zu bekommen. Plötzlich aber merkte sie, daß man für die stark heruntergekommenen Kippermünzen kaum noch etwas kaufen konnte. Die Preise waren auf einmal drastisch gestiegen. Mehr und mehr Bauern und Handwerker gaben für Kippermünzen überhaupt keine Waren mehr ab. Die Landesherren bekamen an Steuern und Abgaben nur noch schlechtes Geld, mit denen sie kaum mehr etwas anfangen konnten. So prägten die Fürsten und Städte seit Mitte 1622, spätestens aber 1623 neue, gute Münzen und stellten wieder geordnete Währungsverhältnisse her.*33 Die Kippermünzen wurden zu stark reduzierten Kursen, d. h. meistens zu 10-20 % ihres Nennwertes oder zum Metallwert eingetauscht. Für die Bevölkerung bedeutete das einen großen Verlust.

3. Würdigung

Die Zeit der Kipper und Wipper kann in ihrer Bedeutung und in ihren Auswirkungen durchaus mit der großen deutschen Inflation 1918-1923 verglichen werden. Hier wie dort wurden große Teile der Bevölkerung, insbesondere das Bürgertum, um ihr Vermögen und um ihre Ersparnisse gebracht. In Flugschriften wurde das Kippergeld oft mit der Pest verglichen und in seinen Auswirkungen mit ihr gleichgestellt.

Im Vergleich mit der Schinderlingszeit 1457-1460 fallen nachfolgende Unterschiede auf:

1. Die Zeit der Schinderlinge beschränkte sich auf Teile Süddeutschlands und Österreichs und hatte nicht so verheerende Wirkungen wie die Zeit der Kipper und Wipper, die ganz Deutschland betraf.

2. Die Schinderlingszeit wurde ausschließlich durch fiskalische Ausnutzung des Münzregals hervorgerufen, also durch mutwillige Münzverschlechterungen zur Gewinnerzielung. Dagegen sind die Ursachen für die Enstehung der Zeit der Kipper und Wipper komplexer gewesen.

Durch das Zusammenwirken von fallender Silberausbeute, Abfluß des Geldes durch eine passive Handelsbilanz, steigendem Bedürfnis der Wirtschaft nach Geld und zu hohe Festsetzung des Feingehalts der Kleinmünzen auf dem Reichstag 1559 mußte das Geldwesen in Schwierigkeiten geraten,*34 die von den Landesherrn nicht gemeistert werden konnten. Hinzu kam, daß die Landesherren spätestens seit dem Ausbruch des 30jährigen Krieges 1618 die Geldentwertung kräftig vorangetrieben haben und durch starke Münzverschlechterungen die ursprünglich milde Inflation in eine starke, galoppierende Inflation umwandelten. Sie beuteten das Münzregal schamlos aus, um ihre Staatsausgaben, d. h. vor allem die Rüstung, finanzieren zu können und sind insofern für den Höhepunkt der Inflation 1618-23 voll verantwortlich gewesen.

Die Ausnutzung des Münzregals durch die Fürsten war ein regelrechter Rückschritt ins mittelalterliche Denken. Während sich in der 1. Hälfte des 16. Jahrhunderts die Einsicht unter den Münzherren allgemein verbreitet hatte, daß eine gute Münze und ein geordnetes Geldwesen für den Staat und die Wirtschaft von großer Bedeutung und Wichtigkeit sind, stand für rund 4 Jahrzehnte seit 1580/90 wieder der Gedanke der fiskalischen Ausnutzung des Münzregals im Vordergrund. Tatsächlich war der Zeitraum von 1560-1580/90, nach den Münzverschlechterungen des Mittelalters, eine Zeit gewesen, in der das Münzwesen erstaunlich stabil - und geordnet war. Ähnlich wie am Ende der Schinderlingszeit erkannten die Münzherren schließlich, daß das total heruntergekommene Geld keinem mehr nutzte, selbst ihnen nicht mehr. Wie sehr das Kippergeld zuletzt auch den Fürsten geschadet haben muß, erkennt man aus dem bemerkenswerten Faktum, daß noch während des 30jährigen Krieges, 4-5 Jahre nach seinem Ausbruch, wieder gutes Geld geschaffen wurde.

So etwas ist seitdem nicht wieder vorgekommen!



Anmerkungen und Literatur

Anmerkungen [* = Fußnoten]
1: Ich erinnere in diesem Zusammenhang nur an die häufige Ausbeutung des Münzregals in Frankreich im Spätmittelalter, insbesondere unter Philipp IV. (1285-1314), der von den Zeitgenossen geradezu den Beinamen eines Münzfälschers bekam.
2: Z. B. die Münzverschlechterungen zur Finanzierung des 7jährigen Krieges durch Friedrich II. von Preußen.
3: Der Begriff "gemeine" (allgemeine) Münzverschlechterung wurde von mir gewählt, um diese Form der Münzverschlechterung, die die gängigste war, von der Münzverrufung und dem Seigern zu unterscheiden.
4: Die Ersetzung der silbernen 5-DM-Stücke durch billigere Kupfer-Nickel-Stücke 1975 in der BRD war z. B. eine solche Münzverschlechterung.
5: Der Kurswert und damit auch die Kaufkraft einer Münzsorte fiel oder stieg demnach mit dem Metallwert der Münze. Inflationserscheinungen, also Minderung der Kaufkraft, konnten so auf 2 Ursachen zurückzuführen sein: 1. auf eine Verringerung des Metallgehaltes der Münzen, 2. auf fallende Preise der Edelmetalle, die für Münzen gebraucht wurden. Natürlich gab es auch Kombinationen von beiden Ursachen.
6: Der Pfennig war die einzige Münzsorte. Vielfache des Pfennigstücks gab es nicht; Halbe- und Viertelpfennigstücke wurden selten geprägt.
7: Ausnahmen bildeten lediglich einige wenige überregional anerkannte Handelsmünzen, von denen der Kölner Pfennig die größte Bedeutung hatte.
8: Erinnert sei nur an Geldstücke wie: Kreuzer, Schilling, Heller, Witten, Batzen, ...
9: Es gab aber auch Fälle, wo der Silbergehalt der Münzen nicht verschlechtert wurde.
10: Münzverrufungen führte schon Karl d. Gr. durch, aber nicht aus fiskalischen Gründen, sondern um die schlechtere Münze durch eine bessere zu ersetzen und damit den Handel zu fördern.
11: Bei stark minderwertigen Münzen wurde der Münzgewinn schließlich fast ganz durch die Kosten der Umprägung aufgezehrt.
12: Vergl. Luschin von Ebengreuth, Allgemeine Münzkunde und Geldgeschichte, S.262 und 263.
13: Das Pfund ist hier Zähigröße = Rechnungseinheit zu 240 Stück.
14: 0,228 (Gramm) x 1200000 (Pfennige) = 273600 (Gramm).
15: 0,45 (Gramm) x 1200000 (Pfennige) = 540000 (Gramm).
16: Das Gesamtgewicht des rheinischen Goldguldens fiel bis 1500 nur um etwa 10 %.
17: Sog. al marco-Prägung.
18: Die Ausartung der "gemeinen" Münzverschlechterung in eine starke ("besondere") Münzverschlechterung zeigt besonders deutlich die Schinderlingszeit.
19: Ein typisches Beispiel hierfür war die Einführung des sog. ewigen Pfennigs.
20: Z. B. den Kölner Pfennig vom 11.-13. Jahrhundert, den Regensburger Pfennig von ca. 1200-1374, den Wiener Pfennig im 13./14. Jahrhundert, Dukaten und Florentiner Gulden im Spätmittelalter, u. a. m.
21: In vielen größeren Städten des Spätmittelalters konnten die Bürger (d. h. einige wenige von ihnen, zumeist Reiche) die Verwaltung der Münzstätte übernehmen. Sie bildeten Genossenschaften bzw. Gesellschaften, die den gesamten Betrieb der Münzstätte organisierten und leiteten. Die Landesherrn (Münzherrn) führten nur noch die Oberaufsicht und hatten Anspruch auf einen Teil des Schlagschatzes.
22: Es waren dies: der Herzog Johann in München, der Herzog Ludwig in Landshut, der Pfalzgraf Otto in Neumarkt, der Erzbischof Sigmund von Salzburg, der Bischof Ulrich von Passau, die Grafen von Öttingen, die Grafen von Hals, der Graf zu Görz.
23: Vergl. dazu die Angaben bei Gaettens, Inflationen, Seite 44. Der Kurs des ungarischen Gulden von Anfang 1458, nämlich 7 Schilling und 12 Pfennig = 222 Pfennige scheint mir nicht zu stimmen. Bereits 1455 stand der Kurs bei 240 Pfennigen, wie Gaettens selbst auf Seite 41 unten (o. g.) schreibt. 1457 galt der ungarische Gulden bereits 270 Pfennige!
24: Es scheint mir wahrscheinlich, daß tatsächlich mehr als 180 Pfennige auf den ungarischen Gulden gingen, und zwar aus nachfolgenden Gründen. Österreich und Bayern prägten neue, 6lötige Pfennige. Von diesen gingen in Bayern aber 230 auf einen ungarischen Goldgulden (vergl. Grasser, Münzen des Mittelalters und der Neuzeit, Seite 95). Außerdem wurde in Wien bereits 1436 der ungarische Gulden mit 205 6lötigen Pfennigen bewertet (vergl. Gaettens, Inflationen, Seite 41). Seitdem war der Goldkurs noch langsam gestiegen, so daß mehr als 205 Pfennige einen ungarischen Gulden gelten mußten.
25: Gegen Ende des 15. Jahrhunderts besaß der Pfennig immerhin noch durchschnittlich 1/10 des Wertes, den er um 1100 einmal gehabt hatte. Am Ende der Schinderlingszeit 1460 besaß der österreichischelbayerische Pfennig nur noch höchstens 1/12 seines Wertes von 1458!
26: Siehe Gaettens, Inflationen, Seite 45.
27: Siehe Gaettens, Inflationen, Seite 74; Kostenanschlag eines sächs. Münzmeisters: "Für 100 Mark fein Silber berechnete er bei Talern und Guldenstücken einen Gewinn von 14 Fl. 17 Gr. 10½ Pf., bei den Reichsgroschenstücken schon einen Verlust von 18 Fl. 2 Gr. 11 Pf. und bei den Dreierstücken (gemeint sind 3-Pf-Stücke) einen solchen von 46 Fl. 6 Gr. 11 Pf."
28: Die Knappheit des Silbers ist relativ zu sehen: der Bedarf der Wirtschaft nach Geld stieg schneller als die umlaufende Menge der Silbermünzen zunahm. Trotz der relativen Silberknappheit fiel seit dem 15. Jahrhundert die Kaufkraft des Silbers ständig.
29: Vergl. Hoffmannsche "Auf- und Absteigungstafel", bei Rittmann, Deutsche Geldgeschichte 1484-1914, Seite 1020, 1021.
30: Schrötter, Wörterbuch der Münzkunde, Seite 306, gibt folgende Werte für den Taler an: 1575 72 Kreuzer, 1601 84 Kreuzer, 1611 90 Kreuzer.
31: Nur Köln, Jülich und Berg blieben von dem Kipperunwesen verschont.
32: Genauere Angaben in der Hoffmannsehen "Auf- und Absteigungstafel", bei Rittmann, Deutsche Geldgeschichte 1484-1914, Seite 1020, 1021. Nach Schrötter, Wörterbuch der Münzkunde, Seite 307, stieg der Taler Ende 1622 sogar auf über 1000 Kreuzer.
33: Der Taler wurde in Norddeutschland wieder mit 24 Groschen bewertet, in Süddeutschland setzte man ihn auf 90 Kreuzer.
34: Gaettens, Inflationen, Seite 74, führt als zusätzliche Ursache die starre Festlegung des Wertverhältnisses von Gold zu Silber durch die Reichsmünzordnung an (Doppelwährung). M. E. spielte dies jedoch keine Rolle, da die Goldmünzen trotz der Wertfestlegung auf den Reichsmünzordnungen als Handelsmünzen betrachtet wurden und ihr Kurs demnach stets Schwankungen unterworfen war. Es herrschte also tatsächlich eine Parallelwährung, bei der Goldmünzen als Ware betrachtet wurden und keinen festen Kurs bzw. Wert hatten.

Literatur
• Bechtel, Heinrich: Wirtschafts- und Sozialgeschichte Deutschlands, München 1967.
• Gaettens, Richard: Inflationen - Das Drama der Geldentwertungen vom Altertum bis zur Gegenwart, München 1955.
• Grasser, Walter: Münzen des Mittelalters und der Neuzeit, München 1976.
• Luschin v. Ebengreuth, Arnold: Allgemeine Münzkunde und Geldgeschichte, unveränderter Nachdruck der zweiten Auflage, München 1969.
• Redlich, Fritz: Die deutsche Inflation des frühen 17. Jahrhunderts in der zeitgenössischen Literatur - Die Kipper und Wipper, Köln-Wien 1972.
• Rittmann, Herbert: Deutsche Geldgeschichte 1484-1914, München 1975.
• Schrötter, Friedrich Frhr. v.: Wörterbuch der Münzkunde, zweite unveränderte Auflage, Berlin 1970.
• Suhle, Arthur: Deutsche Münz- und Geldgeschichte von den Anfängen bis zum 15. Jahrhundert, München 1969. 74/275


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