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Brandenburg 1499-1571

Drei Biographien von Rolf Schneider
in: moneytrend 12/1999, S.64-72 (hier ohne Abb.)


Joachim I. (1499-1535)
Die Teilung der Mark
Joachim II. (1535-1571)
Johann (Hans von Küstrin), 1535-1571


Joachim I. (1499-1535)

Beim Tode Johann Ciceros im Jahre 1499 war der Erbe des Kurfürstentums Brandenburg, sein Sohn Joachim, gerade vierzehn Jahre alt. So wurde von den Verwandten in Franken alles für eine Vormundschaftsregierung vorbereitet, Markgraf Friedrich der Ältere war bereits in die Mark gereist, um unter Berufung auf die Dispositio Achilleae die Zustimmung der Stände zu erwirken, war aber auf wenig Zustimmung gestoßen. Nicht nur sie wiesen eine Vormundschaftsregierung zurück, das tat auch der jugendliche Markgraf, der, gestützt durch seine Hofräte, die Landräte und die ständischen Ausschüsse, selbst die Herrschaft übernahm. Schon jetzt wurde sein Profil als das einer eigenwilligen Herrschernatur, eines kühlen Rechners und Realpolitikers, erkennbar. Joachim hatte eine ausgezeichnete Ausbildung erhalten, sprach Latein, Italienisch und Französisch.

Er war mit dem Römischen Recht vertraut und ein guter Rhetoriker, ließ sich aber gelegentlich zu unbedachten Außerungen hinreißen. Gern umgab er sich mit bedeutenden, humanistisch gebildeten Persönlichkeiten, zu denen z.B. Dietrich von Bülow, der Bischof von Lebus und Gönner Ulrichs von Hutten, gehörte.

Kaiser Maximilian I. sprach Joachim den Kurfürsten- und den Erzkämmerertitel zu und verhinderte damit eine erneute gemeinsame Regierung für alle Hohenzollerngebiete.

Es kam lediglich zu einer gemeinsamen Belehnung des Kurfürsten Joachim und des Markgrafen Friedrich mit allen hohenzollernschen Landen, in die auch Albrecht, der zehnjährige Bruder Joachims und spätere Erzbischof von Mainz, einbezogen wurde, die aber keine praktische Bedeutung hatte.

Den humanistischen Neigungen des Herrschers entsprang auch die Gründung einer eigenen märkischen Landesuniversität, die schon von Johann Cicero geplant war, aber erst 1506 in Frankfurt/Oder unter Joachim I. versehen mit päpstlichem und kaiserlichem Privileg, eröffnet wurde. Ihr erster Rektor war der schon erwähnte Dietrich von Bülow. Die Universität bestand vornehmlich aus den Fakultäten der Theologie und der Jurisprudenz, wurde aber weniger ein Mittelpunkt humanistischer Studien. Insgesamt blieb ihre Bedeutung weit hinter der von Wittenberg zurück, bis sie, die "Viadrina", schließlich 1811 aufgelöst wurde und in der Universität Breslau aufging.

Eines der vordringlichsten Anliegen des neuen Landesherrn war die weitere Festigung des brandenburgischen Territorialstaates. Da war besonders, wie schon der Vater ihm ans Herz gelegt hatte, der unruhige Adel zu zähmen. Gerade in der Zeit um 1500 war es für den Herrscher überaus wichtig, ein Auge auf die sich jetzt mit dem Ende der spätmittelalterlichen Agrarordnung und dem Übergang zur Gutswirtschaft entwickelnde neue Struktur zu haben.

Östlich der Elbe nahm diese Erscheinung deutlichere Konturen an als im übrigen Reich. Das freie Bauerntum wurde zugunsten einer Ausweitung des adligen Gutsbesitzes zurückgedrängt, was auch in einer Stärkung von Herrschaftsrechten, Jurisdiktion, Kirchenpatronat und Polizeigewalt der Gutsherren gegenüber den Bauern zum Ausdruck kam.

Der Adel schob sich als eine neue Ebene zwischen den Landesherrn und die Bauern. An die Stelle der alten Grundherrschaft über selbständige Bauern, die durch ihre Abgaben den Lebensstandard des auf einem kleinen Herrenhof sitzenden Ritters etwas aufbesserten, trat die neue Gutswirtschaft des ritterliehen Grundherrn. Das war der Auftakt zu einem immer weiter expandierenden Abhängigkeitsverhältnis der vorher freien Bauern von ihren Gutsherren. Dieses begann mit dem Ankauf des bäuerlichen Getreides durch den Gutsherrn, der es in den Handel brachte, und es endete mit der Einziehung von Bauernhöfen durch den Landadel zur Vergrößerung der eigenen Ländereien.

An die Stelle der Abgaben traten allmählich Fronarbeiten abhängiger Bauern. Diese gerieten damit schrittweise als ein an die Scholle gefesseltes unselbständiges Anhängsel des Gutsherrn in ein Hörigkeitsverhältnis, das im späteren Preußen "Erbuntertänigkeit" hieß. Der Gutsherr verkörperte normalerweise als Gerichtsherr auch die Obrigkeit des Bauern, eine Zwischeninstanz zwischen diesem und dem Landesherrn. Diese Stellung verlieh ihm weitgehende legale oder angemaßte Vollmachten: vom Untertänigkeitseid, den ihm die Bauernkinder bei der Konfirmation zu leisten hatten, über die Auswahl des geeigneten Erben für die Höfe bis hin bei Verehelichung des neuen Hofbesitzers zum berüchtigten "Jus Primae Noctis" mit dessen Braut.

Diese verhängnisvolle Entwicklung wirtschaftlich-sozialer Unterdrückung ist allerdings nicht auf Brandenburg beschränkt, sondern in ganz Ostelbien, auch in Polen, anzutreffen. Dort war das Abhängigkeitsverhältnis sogar besonders ausgeprägt, es herrschte eine förmliche Leibeigenschaft, unter der ein Bauer praktisch nichts galt.

Die Kurfürsten von Brandenburg sahen zwar diese Veränderungen mit Recht als schädlich für ihr Land an und bemühten sich gelegentlich, den schlimmsten Auswüchsen entgegenzusteuern, aber die Macht eines Territorialfürsten, der zudem oft von den Ständen finanziell abhängig war, reichte nicht aus, diese generelle Umschichtung im ländlichen Raum anzuhalten oder rückgängig zu machen, auch die landesherrlichen Domänen bildeten da keine Ausnahme. In diesem Wandel lag die Wurzel für die Ausbildung des ostelbischen Junkertums, das im Hohenzollernstaat bis zu dessen Ende 1918 und noch darüber hinaus eine bedeutende und tragende Rolle spielen sollte. Die Junker waren zunächst freilich eher ein Staat im Staate, und ihre Domestizierung gelang endgültig erst Friedrich Wilhelm I. (1713-1740), dem "Soldatenkönig". Joachim I. mußte jedenfalls zu Beginn seiner Regierungszeit mit eiserner Strenge gegen die unbotmäßigen, fehdelustigen und räuberischen Edelleute vorgehen, die dem jugendlichen Herrscher gegenüber sich noch mehr als vorher glaubten herausnehmen zu können. Er griff zu drastischen Maßnahmen, in besonders schweren Fällen wurden die Friedensbrecher hingerichtet: unter den urkundlich belegten Bestrafungen befinden sich drei Todesurteile. Die Zentren der Unruhen waren die Adelslandschaften in Westbrandenburg, aber auch im Südosten, im Raum Krossen und Züllichau. Unruhige Adelselemente, die an ihrer friedlosen Lebensweise festhalten wollten, ermunterte der Landesherr, sich im Ausland zu Kriegsdiensten zu verdingen, damit im Lande selbst Frieden herrschte. Hier liegt ein Grund z.B. für das ungewöhnliche Engagement brandenburgischer Edelleute in den französischen Hugenottenkriegen. Unter den Ständen der Mark dominierte Anfang des 16. Jahrhunderts eindeutig der Adel. Der wirtschaftliche Aufschwung kam ihm zugute, dem unmittelbar produzierenden Gutsbesitz, nicht aber den Städten, deren Macht allmählich dahinschwand. Auch der Einfluß der Geistlichkeit war rückläufig, um später, mit dem Fortschreiten der Reformation, noch weiter zu schwinden.

Als nach dem Tod Kaiser Maximilians I. im Jahre 1519 die wichtige Frage der Neuwahl eines Reichsoberhauptes zu beantworten war, standen sich zwei Kandidaten der bedeutendsten europäischen Herrscherhäuser mit annähernd gleichen Aussichten gegenüber. Der eine war Franz I., König von Frankreich, der andere war der Enkel Maximilians I., der junge König Karl von Spanien. In den Reichstagsverhandlungen vor der Wahl hatte Joachim I. entschieden die französische Position gegen die der Habsburger vertreten und dafür auch bei den übrigen Kurfürsten geworben. Er ist damit gescheitert, und angesichts der Erfolglosigkeit seiner Bemühungen und der Stimmung im Kurfürstenkollegium votierte auch er schließlich für den habsburgischen Kandidaten, der nun einstimmig gewählt wurde. Eine Rolle bei der Umstimmung Joachims I. dürfte auch die Haltung des Kardinals Albrecht, Kurfürst und Erzbischof von Mainz, Erzbischof von Magdeburg, gespielt haben. Albrecht, geboren 1490, war der jüngere Bruder des Kurfürsten Joachim I. und, für den geistlichen Stand bestimmt, 1513, noch vor Erreichen des kanonischen Alters, zum Erzbischof von Magdeburg und Administrator von Halberstadt gewählt und von Papst Leo X. darin bestätigt worden. Im Jahr darauf gelang ihm der Sprung auf den Erzstuhl von Mainz und damit der Erwerb eines Kurhutes. 1518 wurde Albrecht Kardinal, ohne daß er ein Theologiestudium absolviert hatte.

Bei der Kaiserwahl von 1519 stimmte er von Anfang an für Karl V., ließ sich aber seine Wahlstimme teuer bezahlen, zum al er sich als Kurfürst von Mainz infolge seines Palladiumgeldes und der Dispenskosten wegen seiner Ämterhäufung in erheblichen finanziellen Schwierigkeiten befand. Das Bankhaus Fugger lieh ihm 30.000 Gulden, zu deren Rückzahlung er Einkünfte aus einem Ablaß verwendete, den der Papst zur Finanzierung des Baus der Peterskirche in den Erzbistümern Mainz und Magdeburg ausgeschrieben hatte. Dieser Ablaß und seine Praktizierung waren der äußere Anlaß zur Reformation Luthers, der sich gegen diesen Handel wandte und Albrecht am 31. Oktober 1517 seine Ablaßthesen übersandte. Albrecht war, das sei der Vollständigkeit wegen bemerkt, ein bedeutender Humanist, der Erasmus von Rotterdam nahestand und gegenüber der neuen Lehre anfangs offen war. Von Luther, der ihm noch 1525 zur Säkularisation seiner Erzstifte und zur Heirat riet, wurde er im Laufe der Zeit immer schärfer angegriffen. Albrechts anfangs tolerante Haltung zur Reformation förderte die Ausbreitung des Luthertums in weiten Teilen seiner Territorien, z.B. in Erfurt und Magdeburg. Später neigte er mehr und mehr der Reaktionspartei zu. Er trat 1533 der Liga gegen den Schmalkaldisehen Bund bei und verlegte 1541, als die neue Lehre auch seine Lieblingsresidenz Halle ergriff, die reichen von ihm dort angesammelten Kunstschätze nach Mainz und wählte Aschaffenburg zu seiner Residenz. Joachim I. aber stand der Reformation von Anfang an ablehnend gegenüber, hielt am alten Glauben fest und bekämpfte den Aufstieg Luthers. Schon 1521, auf dem Reichstag zu Worms, nahm er eine schroffe Haltung gegen die Anhänger des Reformators ein und stimmte für die Achterklärung. Auf dem Reichstag zu Speyer von 1529 trat der Kurfürst mit aller Härte als Haupt der altgläubigen Partei auf, während seine fränkischen Vettern bereits auf der Gegenseite standen. Da aber die neue Lehre auch in der Mark Einfloß und Anhänger gewann, verschloß Joachim sich bei aller Distanz nicht der Notwendigkeit einer seit langem diskutierten Kirchenreform, über die er übrigens 1521 in Wittenberg mit Luther persönlich gesprochen hat. Als aber nach 1520 in der Mark die Teilnahme am Gottesdienst der alten Form rasch abnahm, fromme Stiftungen immer seltener wurden und der kaiserliche Druck sich verstärkte, entschloß sich der Kurfürst 1524, die Schriften des Reformators einschließlich der Lutherbibel in seinen Landen zu verbieten. Kurz darauf erging an die Städte Berlin und Cölln die Weisung, am alten Glauben festzuhalten und Maßnahmen gegen Handwerker und Kaufleute zu ergreifen, die die Reformation verbreiteten. Auch beim Adel fand die neue Lehre Eingang; schon in den zwanziger Jahren finden sich auf dem Grundbesitz der Junker zahlreiche lutherische Pfarrer. Als in Stendal 1530 religiöse Unruhen ausbrachen, sah der Kurfürst einen Anlaß zum Einschreiten; er verhängte sechs Todesurteile. Für Joachim I. spielten bei der Ablehnung der Reformation weniger die Glaubensfrage als vielmehr politische und persönliche Gründe eine Rolle. Er wollte ein gutes Einvernehmen mit der Kurie, um die zwar schon 1447 verliehenen, aber von den Domkapiteln der Bistümer immer wieder angefochtenen landesherrlichen Nominationsrechte durchzusetzen. Persönlich beeindruckt haben ihn die Anzeichen eines Abfalls vom alten Glauben in der eigenen Familie. Seine Kinder neigten allesamt dem neuen Glauben zu. Etwa Kurprinz Joachim und dessen jüngerer Bruder Johann, die - wir werden es noch sehen - später in ihren Landen die Reformation einführten. Oder die zweite Tochter, Elisabeth, die sich zu einer Vorkämpferin des Luthertums entwickeln sollte. Auch seine Gemahlin, die Kurfürstin Elisabeth, eine Schwester König Christians II. von Dänemark, hing der neuen Lehre an und nahm schon 1527 das Abendmahl in beiderlei Gestalt. Im folgenden Jahr verließ sie den Hof und floh nach Sachsen, wobei auch das ehebrecherische Verhältnis eine Rolle gespielt haben mag, das der Kurfürst zu der Patrizierfrau Katharina Hornung aus Berlin unterhielt. Elisabeth fand Aufnahme bei ihrem Vetter, Kurfürst Johann dem Beständigen von Sachsen. In Wittenberg trat sie in direkte Verbindung zu Martin Luther, der sie als seine "liebe Gevatterin" bezeichnete und ihr die Patenschaft über eines seiner Kinder antrug. In der Reichspolitik hatte Joachim I. einen schweren Stand. Die Beziehungen zu Karl V. blieben gespannt, trotz der eindeutigen Stellungnahme des Hohenzollern gegen das Luthertum: das Reichsoberhaupt hatte dem Kurfürsten die Gegnerschaft bei der Kaiserwahl nicht vergessen.

Eine Entspannung ergab sich erst 1531, im Zusammenhang mit der von Karl V. betriebenen Wahl seines Bruders Ferdinand zum Römischen König, die weitgehend dem Engagement Joachims I. zu verdanken war.

Die Teilung der Mark

Am 11. Juli 1535 verstarb der Kurfürst im Alter von 51 Jahren im Cöllner Schloß. Auch er wurde, wie sein Vater, zunächst im Kloster Lehnin beigesetzt und später in den Cöllner Dom, der künftigen Grablege der Hohenzollern, überführt.

Für die Einheit des Kurfürstentums Brandenburg hatte Joachim I. in seinem Testament eine schwere Bürde hinterlassen. Im Verstoß gegen die Bestimmungen der Goldenen Bulle und gegen die der Dispositio Achilleae eröffnete er die Möglichkeit zur Teilung der Mark. Zwar hätte er es am liebsten gesehen, daß beide Söhne, Joachim und Johann, "beieinander im regiment" geblieben wären, wollten sie aber teilen, so sollte Kurprinz Joachim (II.) die Mittelmark, die Uckermark, die Altmark, die Grafschaft Ruppin und Prignitz zusammen mit der Kurwürde erhalten, während die Neumark, das Land Sternberg, Krossen, Züllichau, Sommerfeld, Cottbus und Peitz an den Markgrafen Johann fallen würden. Für diese Teilungsdisposition holte er die Unterschriften der Söhne und die Zustimmung der märkischen Stände ein.

Vielleicht hat Joachim I. gehofft, die Spaltung zu vermeiden oder die Söhne beim alten Glauben zu halten, denn für die Teilung war eine kaiserliche Genehmigung erforderlich. Diese Vermutung wird dadurch gestützt, daß der Vater in demselben Dokument verfügte, beide Söhne sollten "bei dem alten christlichen glauben, religion, ceremonien" bleiben, wie sie auch am Bündnis mit den katholischen Territorialherren festhalten sollten. Die Söhne entschieden sich zwar einvernehmlich, aber nicht für die Einheit, sondern für die Teilung.

Joachim II. (1535-1571)

Er wurde 1505 in Cölln an der Spree geboren und erhielt eine gründliche humanistische Ausbildung sowie ritterliche Erziehung am Hof Kaiser Karls V., den er 1532 auf dem Türkenfeldzug begleitete.

Als Dreizehnjähriger hatte er bei einem Besuch in Wittenberg eine Begegnung mit Martin Luther, der ihn sehr beeindruckte und in der neuen Lehre unterwies. Zugunsten des Luthertums wirkte auch die Mutter auf Joachim II. ein. Sie kehrte 1545 von ihrem sächsischen Sitz Prettin (heute Bad Liebenwerda) nach Brandenburg zurück, wo sie 1555 auch starb.

In der kirchenpolitischen Haltung Joachims II. wurde schon bald nach der Regierungsübernahme eine Neigung zum Ausgleich und zu friedfertigem Taktieren deutlich. Nachdem er - seine erste Gemahlin aus sächsischem Hause war jung verstorben - sich im September 1535 mit der polnischen Königstochter Hedwig vermählte, schien das konfessionelle Pendel zeitweise wieder zum Katholizismus zurückzuschlagen.

Auch die persönliche Religiosität des Herrschers schwankte lange Zeit zwischen altem und neuem Glauben. Während ihn einerseits nicht nur Luther, sondern auch der gelehrte Philipp Melanchthon, der "Praeceptor Germaniae", den er 1538 persönlich kennengelernt hatte, in ihren Bann schlugen, konnte er sich andererseits der Pracht, dem Prunk und den Reliquien der katholischen Kirche nicht entziehen, mit denen er sogar seine neue Domkirche ausstattete.

Von der Notwendigkeit einer Kirchenreform war Joachim II. jedoch fest überzeugt. Er hoffte zunächst auf eine reichsübergreifende Lösung - mit oder ohne Konzil - und verfolgte alle Bestrebungen dieser Art und alle Vermittlungsversuche mit lebhaftem Interesse. Erst als er erkannte, daß die konsequente Kompromißlosigkeit Karls V. eine generelle Regelung ausschloß, suchte Joachim nach einer brandenburgischen Sonderderlösung, zumal hier die Erosion der alten Kirche in erschreckendem Maße fortschritt. Die Klöster zeigten Auflösungstendenzen, in breiten Adelskreisen der Mittelmark und in den brandenburgischen Städten wurde der Ruf nach der neuen Lehre laut.

Diese Entwicklung war 1539 so weit fortgeschritten, daß der Landesherr in Zugzwang geriet. Nun handelte er, und zwar gemäß seiner bisherigen Haltung und unter Berücksichtigung der Kräfte an seinem Hof. Demgemäß verlief der märkische Glaubenswechsel, der trotz der Gärung im Lande doch mehr eine Fürstenreformation war, in einer sehr gemäßigten, vermittelnden Form und ohne jeden Radikalismus. Seit 1538 wurde an einer Kirchenordnung gearbeitet; Melanchthon war nach Berlin gekommen, um daran mitzuwirken. Auch der Herrscher beteiligte sich persönlich an den Arbeiten und empfing 1539 erstmals das Abendmahl in beiderlei Gestalt. 1540 wurde das Werk publiziert, das sich an hohenzollernfränkische und sächsische Vorbilder anlehnte und in mancher Hinsicht die Verbindung zur altgläubigen Tradition wahrte. Damit gelang Joachim II. der Spagat, die Billigung Luthers wie auch das Einverständnis Karls V. und Ferdinands I. zu erlangen. Zwar trug die auf einen Kompromiß ausgerichtete Position des Kurfürsten diesem ein tiefes Mißtrauen von den Theologen der strengeren protestantischen Richtung ein, das aber vom Reformator beschwichtigt wurde, der die große Linie und damit das Gewicht des Übertritts eines Kurfürstentums zu seiner Lehre sah. Die Zulassung von Priesterehe, Abendmahl in beiderlei Gestalt und neuem Katechismus sowie andererseits die Abschaffung der Privatmessen genügten ihm vorerst. Luther sagte zum Festhalten Joachims II. an vielen Bräuchen der alten Kirche, wenn der Kurfürst an einer Chorkappe und einem Chorrock nicht genug habe, so solle man ihm getrost deren zwei anziehen und auch so viele Prozessionen begehen, wie er haben wolle. Solche Stücke "geben oder nehmen dem evangelio gar nichts."

Im Inneren schritt die Festigung des Reformationswerkes in aller Stille voran, im Gleichschritt damit auch die Stärkung des kurfürstlichen Kirchenregiments. Die Kirchen- und Schlösservisitationen, die zuerst 1540 bis 1545 in den einzelnen Teilen Brandenburgs durchgeführt wurden, waren im Prinzip flächendeckend. Die späteren brandenburgischen Kirchenordnungen, besonders die des Jahres 1572, lösten sich dann entschieden von der altkirchlichen Tradition und bekannten sich eindeutig zur Confessio Augustana. Wenn auch Joachim II., s.o., das Abendmahl auf lutherische Art bereits 1539 empfangen hatte, so vollzog er für sich persönlich den formellen Ubertritt und den Bruch mit der alten Kirche erst 1563.

Joachim liebte Glanz und Prachtentfaltung sowie die Freuden des Daseins. Otto Hintze charakterisiert ihn so: "Er war ein stattlicher und ritterlicher Herr von fürstlicher Haltung und einem starken Gefühl für die Würde seines Standes und das Interesse seines Hauses, aber weich und schmiegsam in politischen Verhandlungen, friedfertig bis zum Äußersten, nicht ohne einen gesunden Verstand in den Geschäften, aber bequem und lässig, ein Freund der Jagd und prunkvoller Hoffeste, von großem Wohlwollen für seine Untertanen, von großer Freigebigkeit gegen seine Diener, aber kein Hauswirt, der das Seine zusammenzuhalten verstand, stets von Schulden bedrängt, dabei aber von einer gemächlichen Jovialität, die auch den Widrigkeiten des Lebens standhielt." Lucas Cranach d. J. hat den mit kostbarem Pelz und reichem Schmuck angetanen Sechzigjährigen treffend porträtiert.

Der allen Lebensgenüssen zugewandte Herrscher war praktisch immer in Geldschwierigkeiten: die Finanzmisere zog sich wie ein roter Faden durch seine gesamte Regierungszeit. Zwar konnte der landesherrliche Besitz durch die Einziehung von Vermögen und Liegenschaften geistlicher Institutionen vermehrt werden, aber der Kurfürst war infolge seiner prekären Kassenlage gezwungen, einen erheblichen Teil dieser Objekte an Adel und Städte zu verpfänden. Sogar der Landtag mußte sich mit den kurfürstlichen Schulden befassen, und selbst hohe Amtsträger konnten nicht sicher sein, ihr Gehalt pünktlich zu bekommen; zeitweise wuchsen die Rückstände auf mehrere Jahre an.

Obwohl die Landtage in den dreißiger Jahren mehrfach Gelder bewilligt hatten, war dadurch keine nachhaltige Entspannung eingetreten. Um 1540 erreichte der Schuldenberg die gigantische Höhe von mehr als einer Million Gulden. Die Stände traten nochmals ein und sagten die Übernahme in Höhe von 1,145 Millionen Gulden zu, verlangten aber dafür eine weitere Aufbesserung des gutsherrlichen Status gegenüber den bäuerlichen Untertanen. In den Landtagsrevers von 1540 wurden Bestimmungen über die Getreideausfuhr aus der Mark und das Recht des Adels aufgenommen, Bauern auszukaufen, wenn er eingezogenes, aber bezahltes Land selbst bewohnen wollte. Auch zu eigenen Lasten mußte der Herrscher seinen Gläubigern Zugeständnisse machen: der Landesherr akzeptierte einen Revers, er dürfe kein "Verbündniß schließen", zu dem die Landsassen oder Untertanen gebraucht wurden, ohne die "Land Räthe" um Rat und Zustimmung zu fragen. Diese Formulierung hielt den Ständen eine Art politisches Mitspracherecht für die Zukunft offen. Weiter hieß es darin: "Zudem wollen wir keine wichtige Sache, doran der lande gedei oder verderb gelegen, ohne unsere gemeiner landstende vorwissen und rath schliessen oder fürnehmen."

Diese Bestimmung, die später noch häufiger wiederholt wurde - etwa im Landtagsrezess von 1572 ging quasi in das Brandenburger Landrecht ein. Außenpolitische Themen spielten in diesem Zusammenhang nur eine untergeordnete Rolle. Insgesamt haben die Stände im Laufe der Jahre Schulden Joachims II. in Höhe von etwa 5 Millionen Gulden übernommen. Trotz dieser in der brandenburgischen Geschichte einmaligen Entlastung standen beim Tode des Kurfürsten weitere 2 Millionen offen.

Durch die Schuldenübernahme bildete sich ein gegenseitiges Abhängigkeitsverhältnis von Landesherr und Ständen aus. Der Kurfürst als Begünstigter mußte sich mit den Ständen arrangieren, indem er ihren Interessen entgegenkam; die Stände wurden andererseits durch ihr finanzielles Engagement immer stärker in den Staat eingebunden und in die Pflicht genommen. Nachdem sie die Schulden ihres Herrschers übernommen hatten, konnten sie die zu deren Ablösung erforderlichen Steuern nicht verweigern. Es wurde eine ständische Schuldenadministration mit eigenem Personal errichtet, das "Kreditwerk" , das bis nach 1800 als bedeutender Faktor landesstaatlicher Organisation und als Zentrum eines das ganze Land umfassenden ständischen Verwaltungssystems fortbestand. Dazu gehörte auch der "Große Ausschuß", der aus allen Kurien der Stände von Prälaten, Grafen und Herren, der Ritterschaft und der Städte zusammengesetzt war. Er ist später häufig an die Stelle der Landtage getreten und war für den Kurfürsten ein wichtiges Abstimmungsorgan, das er förderte, zumal er die Zusammensetzung der Ausschüsse beeinflussen konnte.

In der Reichspolitik erfreute sich der Kurfürst kaiserlichen Wohlwollens, das freilich nicht ohne Gegenleistung zu haben war. Er mußte sich zu einer "linientreuen" Politik verpflichten, durfte weder mit Frankreich, noch mit den Reichsständen paktieren. Daraus folgte, daß Brandenburg in der Anfang der vierziger Jahre entstehenden Auseinandersetzung um Geldern wie auch im Schmalkaldischen Krieg von 1546/47 auf der habsburgischen Seite stand, gegen die evangelischen Glaubensbrüder, und er stellte hier dem Kaiser sogar 400 Reiter zur Verfügung. Nach der Niederlage des Schmalkaldischen Bundes wirkte er am Leipziger Interim mit, der norddeutschen Version des von Kaiser Karl V auf dem "geharnischten" Reichstag zu Augsburg erzwungenen Interim. Er hoffte, damit seinem Land den Frieden zu erhalten und glaubte überdies, die lutherische Sache nicht verraten zu haben.

Als 1552 die Fürstenopposition der deutschen Reichsfürsten unter Moritz von Sachsen, die um ihre "Libertät" fürchteten, gegen Kaiser Karl V losbrach, versagte sich Joachim II. Dennoch kam auch Brandenburg in den Genuß des Sieges, den Moritz und seine Verbündeten über das Reichsoberhaupt davontrugen. Joachims Sohn Friedrich wurde 1550 Erzbischof von Magdeburg, und als er schon zwei Jahre später starb, konnte der Kurfürst als Nachfolger seinen jüngsten Sohn Sigmund durchsetzen, unter dem der Protestantismus im Erzstift den vollständigen Sieg davontrug. Nach Sigmunds frühem Tod 1566 wurde gegen sächsichen Widerstand Joachim Friedrich, der älteste Enkel Joachims, zum weltlichen Administrator bestellt. Seitdem regierten brandenburgische Prinzen das Land.

Auch auf militärischem Gebiet versuchte sich Joachim II., hier freilich ohne großen Erfolg. Schon 1532, als Kurprinz, führte er in der Stellung eines niedersächsischen Kreisobristen 6.000 Mann, darunter 2.000 brandenburgische Reiter, in den Türkenkrieg und erhielt von Kaiser Karl V. den Ritterschlag. Zehn Jahre später ließ er sich von den Reichsständen dazu bewegen, in einem neuerlichen Türkenfeldzug den Oberbefehl zu übernehmen, obwohl weder er noch seine Armee ihrer Aufgabe gewachsen waren. Das Unternehmen endete denn auch mit einem schweren Mißerfolg. Die Stadt Ofen wurde zwar belagert, konnte aber nicht eingenommen werden, und Joachims undisziplinierte, schlecht verpflegte und besoldete Armee lief schließlich auseinander. Für den Kurfürsten war die wenig rühmliche Aktion nicht nur mit einem Verlust an Ansehen, sondern auch mit einer weiteren Verschlechterung seiner Finanzlage verbunden. Diese Erfahrung mag ihn dazu veranlaßt haben, in seinem Testament von 1562 seine Söhne "ganz vaterlich und freundlich" zu ermahnen, "daß ire Id. inen den lieben frieden wolden lassen befohlen sein und sich kegen den benachbarten chur und fürsten und sonsten kegen manniglich friedlichen halten, auch one ihrer getreuen landschaft rath und bewilligung sich in keinen krieg wolden einlassen; dan es schickets gott der almachtige gemeniglich also, daß er denen hern, welche zu kriegen und unfrieden lust und willen haben, kriegs und unlusts darüber dan mancher von landen und leuten kommet, gibet und hinwiderumb denen, die den frieden lieben und friedfertig sein, denselben auch gnediglich verleihet und sie darbei erhelt..."

Joachim II. hat trotz seiner aufwendigen Lebensführung und seiner Verschwendungssucht den brandenburgischen Staat mit Geschick durch eine schwierige Zeit geführt. Er war behutsam und vorsichtig um einen Ausgleich nach innen wie nach außen bemüht, baute den Territorialstaat in Zusammenarbeit mit Ständen und Städten aus, begleitete den Glaubenswechsel der Einwohner moderat und vermied Härten gegenüber der einen wie der anderen Seite, förderte Hofleben und kulturelle Blüte.

Der Kurfürst hatte am 3. Januar 1571 eine Wolfsjagd am Müggelsee abgehalten, die in seinem Jagdschloß zu Köpenik an der Spree ausklang. An der Abendtafel drehte sich das Gespräch um Christi Tod und Auferstehung, während Joachim II. ein Kruzifix auf den Tisch zeichnete. Wenige Stunden danach verschied er, angeblich mit den Worten: "Das ist gewißlich wahr."

Die Todesursache war vermutlich Herzversagen. Das plötzliche Ableben des bis dahin scheinbar gesunden Herrschers hatte allerdings insofern noch ein Nachspiel, als der jüdische Hoffinanzier Lippold, der dem Kurfürsten den letzten Trunk gereicht hatte, der Zauberei und Hexerei sowie des Mordes an seinem Herrn bezichtigt und auf Befehl des neuen Kurfürsten Johann Georg im Januar 1573 durch Vierteilung mit der Axt hingerichtet wurde.

Johann (Hans von Küstrin), 1535-1571

Wie erwähnt, erhielt der zweite Sohn Joachims I., Johann, die Markgrafschaft Küstrin. Hans von Küstrin - unter diesem Namen ist Johann besser bekannt - unterschied sich in Charakter und Veranlagung deutlich von seinem kurfürstlichen Bruder. Das wurde schon unmittelbar nach dem Regierungsantritt an der konfessionellen Haltung des Markgrafen deutlich. Otto Hintze attestiert ihm "eine tiefe und aufrichtige Frömmigkeit mit klugem politischem Egoismus und rücksichtslosem Geschäftsgeist." Dem Bruder war er "an Tatkraft und ökonomisch-politischem Verstand weit überlegen, wenn er auch andererseits mancher sympathischen Eigenschaft Joachims entbehrte. Er war ebenso einfach und haushälterisch, wie sein Bruder verschwenderisch und prunkliebend war."

Über Erziehung und Ausbildung des am 3. August 1513 in Tangermünde geborenen Prinzen liegen kaum Nachrichten vor. Im Jahre 1529 wurde er mit Katharina, einer Tochter Herzog Heinrichs des Jüngeren von Braunschweig-Wolfenbüttel, verlobt.

Für seine ausgeprägte wirtschaftliche Begabung und seinen Sinn für Geld und Gut spricht, daß er schon bei der Teilung des väterlichen Erbes - damals erst 22 Jahre alt - im Gegensatz zu seinem Bruder Joachim, der die Verhandlungen den Räten überließ, seine Sache persönlich in die Hand nahm und mit energischer Zähigkeit alle Möglichkeiten nutzte, an Vorteilen für sich herauszuholen, so viel irgend möglich war.

Ein bezeichnendes Licht auf seine kommerzielle Begabung wirft auch eine weitere überlieferte Episode aus dem Jahre 1535, als Johann seinen Bruder Joachim zu dessen Vermählung mit Hedwig von Polen nach Krakau begleitete. Johann nutzte die günstige Gelegenheit, sich vom polnischen König für seinen künftigen Hof in Küstrin eine zollfreie Ausfuhr von jährlich zweihundert Ochsen zusichern zu lassen.

Bald nach seinem Regierungsantritt wechselte der Markgraf die Konfession. Genaue Daten darüber fehlen, als wahrscheinlich gilt aber, daß eine Begegnung mit dem Kurfürsten Johann Friedrich von Sachsen und mit dem Landgrafen Philipp von Hessen im März 1537 ihn dazu bewogen hat. Fest steht, daß er sich seit dieser Zeit "ohne Wenn und Aber" zum Luthertum bekannt und 1538 das Abendmahl in beiderlei Gestalt genommen hat. Bereits im Mai 1537 fand in Cottbus die erste lutherische Predigt statt, eine Kirchenvisitation wurde aber erst 1539 angeordnet.

Zu den zweifellos vorhandenen persönlichen Glaubensüberzeugungen kamen bei Hans von Küstrin praktische materielle Erwägungen hinzu, denn der stets wirtschaftlich denkende Markgraf erkannte sehr wohl die sich ihm mit der Reformation eröffnenden Möglichkeiten eines Zugriffs auf Teile des Kirchenbesitzes. Er ließ denn auch Kirchengerät, Kirchenschmuck und Kleinodien einziehen und anschließend einschmelzen, um aus dem so gewonnenen Edelmetall Münzen prägen zu lassen.

Die Finanzlage der Markgrafschaft unterschied sich - nicht nur hierdurch - gravierend von der des Kurfürstentums. Wo Joachim prunkte und repräsentierte, da wirtschaftete und sparte Hans. So war er bald in der Lage, seinen Bruder mit Anleihen zu unterstützen und dadurch die Position seines Landes gegenüber dem Kurfürstentum erheblich aufzuwerten. Hans betätigte sich als erfolgreicher Spekulant an verschiedenen Transaktionen und Geldanlagen und arbeitete dabei mit Berliner und Leipziger Kaufleuten ebenso zusammen wie mit mehreren Woiwoden in Polen. Die Objekte der für seine Zeit ungewöhnlichen Aktivitäten waren breit gefächert: Oderzoll und geschickte Getreidehandelspolitik, Einnahmen aus den Domänen, Salzsiedereien und Mühlen, eine kleine Flotte eigener Handelsschiffe.

Am Küstriner Hof wurde zwar an der Stelle eines vom Deutschen Orden erbauten ein neues Schloß, ganz in Kupfer gedeckt und ausgestattet mit einer stattlichen Bibliothek, errichtet, aber grundsätzlich unterlagen alle Ausgaben einer gründlichen Prüfung. Der Markgraf persönlich kontrollierte die Hofrechnungen, ordnete eine Art Buchführung über Einnahmen und Ausgaben an, überprüfte den Stand seiner Finanzen. Er entwarf und korrigierte wichtige Schreiben, wobei ihm ein Kammersekretär zur Seite stand. Schon mit seinem Regierungsantritt gelang es Hans, in seiner Markgrafschaft den Landfrieden herzustellen; zugute kam ihm, daß er, im Gegensatz zu Joachim II., aufgrund seiner gesicherten finanziellen Basis von den Ständen relativ unabhängig war. Die allgemeine Verwaltung übernahm eine eigens dazu errichtete Kanzlei, für den finanziellen und wirtschaftlichen Aufgabenbereich stand eine Reihe kundiger Amtsträger zur Verfügung. Das alles zeigt, daß der Landesherr maßgeblich in die Strukturbildung seines Herrschaftsgebiets eingriff, deren Folgen auch nach der infolge des erbenlosen Todes des Markgrafen im Jahre 1571 erfolgten Wiedervereinigung in diesem Landesteil sichtbar blieben, einschließlich einer eigenen Verwaltung in Küstrin, die bis in die Mitte des 19. Jahrhunderts bestand.

In der Reichspolitik, die zu dieser Zeit vorrangig eine Auseinandersetzung um die Reformation war, nahm Johann eine klare Position ein. 1538, mit dem Konfessionswechsel, trat er auf die Seite der Schmalkaldener, jedoch begann sich die Beziehung zu diesem Bündnis schon bald zu trüben. Eine Belastung entstand dadurch, daß sein Schwiegervater, Heinrich der Jüngere von Braunschweig-Wolfenbüttel, Mitglieder des Bundes angegriffen hatte, vom sächsischen Kurfürsten und dem Langgrafen von Hessen aus seinen Landen vertrieben und schließlich gefangengesetzt wurde. Auf dem Reichstag zu Regensburg vollzog er den offenen Wechsel, - trat gegen Zusicherung freier Relegionsausübung auf die Seite des Kaisers und kämpfte im Schmalkaldischen Krieg, wie auch das Kurfürstentum Brandenburg und Brandenburg-Franken, gegen die früheren Bundesbrüder.

Als Karl V dann 1548 in Augsburg das konfessionelle Interim diktierte, wandte sich Hans von Küstrin allerdings strikt dagegen und wies den ihm durch den Hofprediger Agricola zugestellten Text zurück. Er ließ sich weder durch kaiserlichen Druck noch durch eine persönliche Aussprache mit Kaiser Karl und König Ferdinand beirren und verweigerte u.a. standhaft die Teilnahme an der Fronleichnamsprozession, wozu ihn Karl V aufgefordert hatte. Wahrscheinlich wäre er ohne die Fürsprache König Ferdinands und die Rücksichtnahme des Kaisers auf den kurfürstlichen Bruder einer Gefangensetzung wohl kaum entgangen, denn auch in einer letzten Audienz bei Kaiser und König blieb Johann unbeugsam und berief sich auf die Stimme seines Gewissens. Selbst die kaiserliche Drohung, ihn als einen ungehorsamen Fürsten gegen Kaiser und Reich anzusehen und "die gebühr dagegen vorzunehmen" konnte den Markgrafen nicht beirren. Johann, der bald nach dem Gespräch Augsburg verließ, hat das Interim in seinen Landen nicht veröffentlicht, hat auch keine Änderungen im Kirchenwesen und in der Gottesdienstordnung vorgenommen.

Von Melanchthon kam Anerkennung und Beistand für eine so feste Haltung: "denn ich in keinem wege gemeint hätte, daß man also hart und ungütig gegen E. F. G. als einen löblichen und woll verdienten Fürsten hätte sein können, habe deswegen ein untertäniges und christliches mitleiden mit E. F. G .. die wahrlich einen harten Stand ausgestanden." Ursprünglich hatte Hans von Küstrin gehofft, für sich und seinen Bruder Nutzen daraus zu ziehen, daß Pommern auf der Seite der Schmalkaldener gestanden hatte. Er hatte mit dem kaiserlichen Auftrag, gegen den rebellischen Pommernherzog eine Reichsexekution durchzuführen, gerechnet und darin eine günstige Gelegenheit gesehen. die alten Ansprüche Brandenburgs auf das Nachbarland durchzusetzen. So richtete er an seinen kurfürstlichen Bruder den Appell, er solle "den fogel nicht aus der hand lassen, dies nicht in den Wind schlagen." Seine Ermahnung kam jedoch zu spät. denn der friedliebende Joachim hatte sich beim Kaiser inzwischen als Fürsprecher Pommerns verwendet. Das Vorhaben Johanns lehnte er ab, was dieser als Verrat hohenzollernscher Hausinteressen wertete.

Nach allen diesen für ihn ernüchternden Erfahrungen rückte Johann deutlich vom Kaiser und der kaiserlichen Politik ab.

Er fürchtete aufgrund des erkalteten Verhältnisses sogar eine militärische Intervention gegen sein Land, vielleicht eine Reichsexekution, und ließ, um sich gegen etwaige Gefahren dieser Art zu schützen, die 1537 begonnene Befestigung der Residenzstadt Küstrin fortsetzen. Er suchte auch die Unterstützung anderer Fürsten, nahm Kontakt mit Albrecht von Brandenburg und Moritz von Sachsen auf und verfolgte schließlich im Zusammenhang mit der Verhängung der Reichsacht gegen Magdeburg den Plan eines großen Defensivbündnisses zur Verteidigung des Glaubens gegen den Kaiser, in das er auch Polen, Frankreich, England, Schweden, Dänemark und die Hansestädte eingebunden wissen wollte. Der Kaiser bekam bald Kenntnis von diesen Vorgängen und ließ Anfang 1551 den Markgrafen zur Stellungnahme in einer "klaren und dürren antwort" auffordern, ob er nebst anderen Fürsten wider ihn geheime aufrührerische Praktiken betreibe. Johann konnte guten Gewissens verneinen, bereitete er sich doch auf die Verteidigung, nicht auf einen Angriff vor.

Trotzdem rüstete er unvermindert weiter auf und nahm auch an der Besprechung von Torgau statt, die im Mai 1551 den Kurfürsten Moritz von Sachsen, die Herzöge Albrecht von Preußen und Johann Albrecht von Mecklenburg, den jungen Landgrafen Wilhelm von Hessen und eben Hans von Küstrin mit dem Ziel einer Befreiung der gefangenen Fürsten Johann Friedrich von Sachsen und Philipp von Hessen sowie einer Verteidigung der fürstlichen "Libertät" zusammenführte.

Während einer weiteren Zusammenkunft in Lochau, zu der Moritz auch den französischen Gesandten geladen hatte und die zum Abschluß eines Offensivpaktes gegen den Kaiser führte, distanzierte sich Johann unter Protest von diesem Bund. Die offensive Ausrichtung verstieß gegen das Verständnis des Markgrafen, der ein Bündnis gegen den Kaiser nur zum Zweck der Verteidigung für statthaft hielt. Nach einem heftigen Wortwechsel mit dem Initiator, Kurfürst Moritz von Sachsen, verließ Johann die Versammlung. Alle Versuche der übrigen Bundesgenossen, ihn umzustimmen, blieben erfolglos. Angesichts der zunehmenden Fürstenopposition im Reich bemühte sich Karl V., durch eine Verbesserung der Beziehungen, Hans von Küstrin, nachdem dieser sich von den Opponenten getrennt hatte, für seine Dienste zu gewinnen. Er bewilligte dem Hohenzollern eine Pension von 4.000 Talern gegen eine militärische Unterstützung, und dieser, geschäftstüchtig wie er war, warb für den Kaiser 2.000 Reiter und führte sie dem Reichsoberhaupt zu. Ein großes Bündnis wurde freilich nicht daraus. Zwar nahm Johann im Herbst 1552 an der erfolglosen Belagerung von Metz teil, kehrte aber schon Ende des Jahres in seine Lande zurück, ohne während des Fürstenaufstandes nochmals in Erscheinung zu treten. Von da an gibt es über die Außenpolitik des Markgrafen nichts Bedeutendes mehr zu berichten, zumal der Augsburger Religionsfrieden von 1555 eine politische und konfessionelle Entspannung im Reich bewirkte. Der päpstliche Nuntius bezeichnete Hans von Küstrin als einen der angesehensten Fürsten Deutschlands, dem Zeitgenossen den Ehrennamen "der Kluge" oder "der Weise" gaben. Diese Einschätzung stützte sich nicht allein auf seine solide und gesunde Haushaltsführung, die ein finanziell kerngesundes Staatswesen zurückließ - an Bargeld sollen sich bei seinem Tod 50.000 Taler in der Kasse befunden haben, während sich das gegen gute Zinsen ausgeliehene Kapital auf 550.000 Gulden belief - sondern auch auf seine allgemeine Begabung, sein kluges politisches Lavieren, das ihn eine schwierige Zeit unbeschadet überdauern ließ, und auf sein militärisches Talent. Letzteres zeigte sich u.a. bei der Schaffung eines hervorragend ausgebildeten und organisierten Landsknechtsheeres, einer Elitetruppe, die er für beträchtliche Summen an den Kaiser - s.o. - und andere Fürsten vermietete. Die Lebensführung Johanns war sparsam und bedürfnislos, Speisen und Getränke bedeuteten ihm wenig, Erholung und Entspannung suchte er bei der Jagd. Außerdem hing er der Astrologie an, eine Neigung, die er mit seinem Vater teilte. Vor allen wichtigen Ereignissen - soweit voraussehbar - und Entscheidungen befragte er seinen Leibarzt und Astrologen Peter Snemiander (Hosmann) und ließ sich von ihm die Horoskope aller Kontrahenten erstellen, ähnlich, wie es später auch Wallenstein tat. Trotz seiner Mäßigkeit litt Hans von Küstrin in den späten Lebensjahren unter starken körperlichen Beschwerden. Alljährlich suchte er zu deren Linderung die Heilquellen von Warmbrunn oder Karlsbad auf, zuletzt noch im Jahre 1570.

Der Markgraf starb nach kurzer Krankheit am 13. Januar 1571 im Alter von 71 Jahren in seiner Residenz Küstrin, kurz nach seinem Bruder Joachim II. In der dortigen Marienkirche wurde er auch beigesetzt. Da er keinen Thronfolger hinterließ, fiel die Neumark an das Kurfürstentum zurück. Damit war die Mark Brandenburg wieder eine politische Einheit, und sie sollte es bis 1945 bleiben, obwohl es noch mehrere Versuche zur Abspaltung von Teilgebieten gegeben hat.

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