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Anfänge des Münzensammelns und
der numismatischen Literatur

Rosemarie Grieco
in: money trend 4/1994, S.12-15


Die Renaissance und der sie begleitende gelehrte Humanismus, die sich seit dem Ende des 14. Jahrhunderts von Italien aus in Europa verbreiteten, waren gekennzeichnet durch die Wiederentdeckung des Altertums, der Literatur und Philosophie, der Wissenschaft und Kunst der römischen und später auch der griechischen Antike. Zu den Relikten vergangener Zeiten, für die damals ein neues Interesse erwachte, gehörten auch die antiken Münzen. Anders als heute interessierte man sich aber kaum für die wirtschaftlichen, technischen oder organisatorischen Seiten des Münzwesens, sondern vorwiegend für die Münzbilder und ganz speziell für die Münzporträts.

Die meisten auf uns gekommenen Werke der griechischen und römischen Dichter und Historiker waren auch den Gelehrten der Renaissance schon bekannt; sie waren zwar weit - meist in Klöstern - verstreut, doch nach der Erfindung des Buchdrucks wurden sie recht schnell allgemein zugänglich. Die Kenntnis der bildenden Kunst der Griechen und Römer verharrte hingegen noch lange auf einem sehr viel niedrigeren Stand als heute. Die Malerei wurde nur durch einige griechische Vasen repräsentiert; Statuen aus Bronze oder Marmor fand man gelegentlich bei Bauarbeiten oder bei der Bestellung der Äcker, die systematischen Raubzüge der Kunstliebhaber des 18. und 19. Jahrhunderts in Italien und Griechenland und die späteren Grabungen der Archäologen - denen wir gemeinsam den grössten Teil unserer Museumsbestände verdanken - lagen aber noch in zeitlicher Ferne. Münzen, vor allem die in grosser Zahl gefundenen und durch den Vergleich mit literarischen Quellen auch verhältnismässig leicht interpretierbaren römischen Prägungen, lieferten daher die einzigen in grosser Breite vorhandenen Illustrationen zu den Werken der berühmten Historiker, von Livius, Plutarch, Tacitus, Sueton oder Cassius Dio.

Der italienische Dichter Francesco Petrarca (1304-1374), der erste namentlich bekannte Münzensammler Europas, traf im Jahre 1355 in Mantua mit Kaiser Kar! IV. zusammen. Er schenkte ihm eine Münze des Augustus und erklärte ihm den Sinn seines Sammelns. Für Petrarca bildeten die antiken Münzen eine Galerie von Denkmälern der darauf dargestellten Personen. Sie erinnerten an ihre Taten und veranschaulichten ihren Charakter. Sie zeigten also Vorbilder oder abschreckende Beispiele, aus denen jeder gebildete Betrachter Lehren für seine eigene Lebensführung ziehen konnte und sollte.

Angelo Poliziano (1454-1494), Poet, Humanist und Freund des Lorenzo de Medici, veröffentlichte 1489, als er an der Universität Florenz Latein und Griechisch lehrte, seine Miscellanea - eine Sammlung von Notizen zu klassischen Texten, die auch Anregungen zum Studium der Münzen enthielt. Wie schon mehr als 130 Jahre früher für Petrarca lag für den toskanischen Dichter - der Zugang hatte zur Sammlung der Medici, einer Sammlung, die nach einem Inventar des Jahres 1492 allein 1844 Bronzemünzen umfasste - der Anreiz zum Sammeln und Studieren von Münzen immer noch hauptsächlich im moralischen Gewinn, der sich aus dieser Beschäftigung ziehen liess.

Leute wie Petrarca oder Poliziano betrachteten antike Münzen als Illustrationen zu einem Wissen, das aus den Texten der antiken Schriftsteller stammte. Man war gewohnt, in frühen gedruckten Büchern ein und dasselbe Bild mehrfach anzutreffen, wobei es jeweils für ganz verschiedene Orte, Personen oder Ereignisse stand. Bei Bildern von Fürsten waren Herrschafts-Symbole wie Diademe, Kronen oder Zepter wichtiger als die individuellen Züge, die ja gewöhnlich unbekannt waren. Falsche Zuschreibungen oder völlig frei erfundene Porträts oder Städtebilder störten, auch wenn sie als solche erkannt wurden, die meisten Betrachter zur Zeit der Renaissance wenig oder gar nicht. Ein gutes und recht spätes Beispiel für diese Tatsache ist das 1553 in Lyon von Guillaume Rouillé herausgegebene Promptuaire des medalles. Noch ganz im Sinn Petrarcas werden dem Leser dieses numismatisch-moralischen Werkes anhand von Medaillen und Münzen die Biographien berühmter und bedeutender Persönlichkeiten in lehrender Weise nahegebracht. Weil dem Verfasser, der sein Buch mit den Lebensläufen von Adam und Eva begannn, in vielen Fällen keine authentischen Porträts zur Verfügung standen, behalf er sich mit Fiktionen. So steht ein Bild einer auf das Jahr 1508 datierten und Albrecht Dürer zugeschriebenen, angeblich Agnes Dürer darstellenden Medaille, für Eva. Andere Porträts, die Rouillé selber für echt hielt, stammten in Wirklichkeit von Valerio Belli (ca. 1468-1546), der aus Vicenza stammte, in Padua wirkte und dort als erster falsche antike Münzen für Sammler prägte. Der Erfinder der Paduaner gab in seinem Testament an, zu diesem Zwecke nicht weniger als 150 Stempel geschnitten zu haben.

Im 15. Jahrhundert gab es erst wenige, im 16. Jahrhundert aber bereits eine erstaunlich grosse Zahl oft recht umfangreicher Münz- und Medaillensammlungen in der Hand von Fürsten, von denen hier nur der Herzog Lodovico il Moro von Mailand (1451-1518), die Könige Alfonso der Gutmütige von Aragon und Neapel (1396-1458) sowie Matthias Corvinus von Ungarn (1443-1490) oder die deutschen Kaiser Maximilian I. (1459-1519) und Ferdinand I. (1503-1564) genannt seien, aber auch von Geistlichen und vermögenden Bürgern und Gelehrten. Eine der bedeutendsten und auch berühmtesten Sammlungen wurde in Florenz vom Bankier Cosimo de Medici (1389-1464) begründet und von seinen Nachfolgern weiter ausgebaut. In Deutschland schenkte der Nürnberger Hans Tucher seiner Heimatstadt schon 1486 eine Münzsammlung, die öffentlich ausgestellt wurde.

Die vielen Sammler verschafften den Münzhändlern - bereits damals oft Bankiers und Geldwechsler - ansehnliche Umsätze und riefen eine Reihe von Fälschern auf den Plan, die hauptsächlich in norditalienischen Städten angesiedelt waren. Die handwerklich und künstlerisch oft sehr talentierten Stempelschneider, unter denen der aus Padua stammende Giovanni da Cavino (1500-1570) am bekanntesten wurde, kopierten existierende Stücke (meist kupferne Sesterze), produzierten jedoch auch Münzen, für die es keine echten Vorbilder gibt. Die italienischen Fälscher erfanden aber nicht nur antike Münzen, sondern auch schon eine Begründung und Entschuldigung für ihr Tun, welche ihre Berufskollegen bei Bedarf noch heute vorbringen. Angeblich handelten sie nie aus Gewinnsucht, sondern aus reiner "Menschenfreundlichkeit". Es war ihnen nur darum zu tun, den Sammlern zu helfen, die störenden Lücken in ihren Sammlungen zu schliessen.


Paduaner von Cavino, Nachbildung eines Sesterz von Kaiser Claudius
Rs. Triumphbogen, darauf Reiterstatue zwischen zwei Trophäen


Seit Beginn des 16. Jahrhunderts entstand langsam auch eine numismatische Literatur, die allerdings zu Beginn nur die römischen Münzen abdeckte. Wie früher waren Biographien der Kaiser - seltener auch anderer Persönlichkeiten der Antike - meist der wichtigste Teil dieser Bücher. Aber man findet nun auch weitere Angaben, zum Beispiel Listen der Konsulate, die für eine genauere Bestimmung römischer Münzen erforderlich sind. Vor allem enthalten die bedeutenderen Werke jetzt nicht mehr nur jeweils ein Porträt der Imperatoren und Kaiser, sondern einen Katalog aller dem Verfasser bekannten Prägungen eines Münzherrn.

Als erstes gedrucktes numismatisches Werk kann man das 1515 von Guillaume Budé veröffentliche Liber de Asse bezeichnen. Wichtiger ist jedoch das Buch mit Porträts römischer Kaiser und dem Titel Illustrium imagines imperatorium etc., das Andrea Fulvio - gestützt auf die Münzen der Sammlung von Jacopo Mazzochi - 1517 in Rom publizierte. 1525 liess Johann Huttich in Strassburg unter dem langen Titel "Imperatorum Romanorum libellus, una cum imaginibus ad vivam effigiem expressis ein Buch erschienen, das in Holz geschnittene Porträts römischer, byzantinischer und deutscher Kaiser enthält, aber in weiten Teilen nichts anderes ist als ein Plagiat des Buches von Fulvio. Ein Werk mit echt numismatischem Inhalt ist Leonardo da Portos De re pecuniaria antiquorum etc. (1527). Eine grössere Breitenwirkung hatten jedoch Specimen commentarii veterum numismatum (Wien 1558) von Wolfgang Lazius, dem Leibarzt Kaiser Ferdinands I., der die Geschichte anhand von Münzen erläuterte, und das 1577 in Rom erschienene Buch Familiae Romanae quae reperiuntur in antiquis numismatibus des Fulvius Usinus (Fulvio Orsini), das sich mit den sogenannten Familienmünzen oder der heute üblichen Bezeichnung "Münzen der römischen Republik" beschäftigte.

Unter den schon recht zahlreichen münzkundlichen Werken des 16. Jahrhunderts verdienen zwei eine eingehendere Betrachtung, weil ihre Verfasser nicht einfach Bücher von Vorgängern leicht veränderten und ergänzten, sondern eigene Forschungen unternahmen, und weil ihre Arbeiten in ihrer Anlage und Wirkung weit über ihre Zeit hinauswirkten.

Adolph Occo wurde 1524 als Sohn des gleichnamigen Stadtarztes in Augsburg geboren. Er studierte in Ferrara, wo er 1549 auch die philosophische und medizinische Doktorwürde erlangte. Nach Augsburg zurückgekehrt, arbeitete Occo zuerst als Assistent seines Vaters. Er wurde 1564 zum Stadtphysikus - ein Amt, das u.a. die Aufsicht über die Apotheken und Hebammen beinhaltete - und 1582 zum ersten Dekan des neugegründeten Collegium Medicum ernannt. Weil er in der Einführung des Gregorianischen Kalenders einen Anschlag auf seine evangelische Gewissensfreiheit zu erkennen glaubte und sich daher mit dem Magistrat der Reichsstadt zerstritt, wurde er 1584 vom Rate ausgeschlossen und verlor auch sein Physikat und damit seine städtische Besoldung.

In der Heilkunde wurde Occo, der 1604 starb, bei seinen Zeitgenossen dadurch bekannt, dass er die Rhabarberwurzel als Universalheilmittel gegen alle Krankheiten empfahl. Über seinen Tod hinaus reichende Bedeutung kommt dem Augsburger Arzt und Humanisten jedoch nicht aufgrund seiner medizinischen, sondern seiner numismatischen Arbeiten und Schriften zu. Im Jahre 1579 erschien von ihm in Antwerpen ein Buch mit dem Titel Imperatorum Romanorum numismata a Pompeio M. ad Heraclium (Die Münzen der römischen Imperatoren von Pompeius dem Grossen bis zu Heraclius). Dies ist ein Werk, auf dem noch lange fast alle namhaften Kataloge der römischen Kaisermünzen aufbauten und das erst in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts von H. Cohens Description historique des monnaies frappées sous l'Empire Romain ganz ersetzt wurde.

Occo stützte sich beim Abfassen seiner Arbeit auf eine Münzsammlung, die er von seinem Vater und Grossvater geerbt hatte, aber auch auf verschiedene andere Sammlungen. Darunter waren diejenigen seines Gönners Graf Marx von Fugger und des Herzogs Albrecht V. von Bayern. In die erste Ausgabe seines Buches, das er Herzog Albrecht widmete, nahm Occo vorwiegend Münzen auf, die er selbst gesehen hatte und für echt hielt. Zur Komplettierung erwähnte er aber auch einige Beschreibungen aus anderen Werken, doch gab er in diesen Fällen immer seine Quelle an, ein in numisamtischen Schriften noch heute keineswegs selbstverständliches Vorgehen. Occo ordnete die Münzen - ohne Rücksicht auf Metall und Grösse - streng chronologisch, wobei ihm allerdings nicht wenige Irrtümer unterliefen. (Ein handschriftlicher Kommentar, in dem er wahrscheinlich zahlreiche Fehler korrigierte, soll sich einst in der Schweiz befunden haben. Er wurde nie gedruckt und ist verschollen.) 1601 veröffentlichte Occo in Augsburg eine zweite, erweiterte Ausgabe seines Werkes, und 1625 erschien posthum eine dritte. 1683 gaben der Graf Franciscus Mediobarbus Biragus in Mailand und 1730 Phil. Argelatus aus Bologna nochmals erweiterte Fassungen von Occos Katalog heraus. Nach Ansicht Professor J. H. Eckhels (1737-1798), der mit seiner Doctrina numorum veterum zum Begründer der modernen wissenschaftlichen Numismatik wurde, gewann Occos Werk jedoch durch die mehrfachen Überarbeitungen keineswegs an Zuverlässigkeit. Johann David Köhler, der Verfasser der bekannten und heute sehr gesuchten Historischen Münzbelustigungen, deren 22 Teile zwischen 1729 und 1750 erschienen, gab zu Ehren von Adolph Occo eine Medaille heraus, die er auch im 8. Teil der Münzbelustigungen, S. 369 publizierte.


Medaille auf Adolf Occo,
aus: Köhlers "Wöchentliche Münzbelustigung", 47. Stück, 21. November 1736 (achter Teil)


Das anspruchsvollste numismatische Unternehmen des 16. Jahrhunderts wurde von dem flämischen Humanisten Marcus Laurinus (Marc Laurin) konzipiert. Laurin, der 1539 in der immer noch reichen, aber langsam an Bedeutung verlierenden Handelsstadt Brügge geboren wurde, erbte von seinem Vater die nördlich von Gent gelegene Herrschaft Watervliet und war damit finanziell so gestellt, dass er zeitlebens seinen vielfältigen Interessen als Privatgelehrter nachgehen konnte. Schon als Knabe studierte Laurin mit Begeisterung die Geschichte des Altertums. Später sammelte er alles, was zum besseren Verständnis der Antike beitragen konnte in seinem Landhaus vor den Toren der Stadt, einer Liegenschaft, die eigentlich Blauhuys hiess, von Laurin aber den pompösen Namen Laurocorinthus erhielt. Dort befand sich eine weit über Brügge hinaus bekannte Bibliothek mit vielen seltenen, prachtvoll gebundenen Büchern und wertvollen Handschriften, vor allem aber die damals umfangreichste Sammlung lateinischer Inschriften, welche Martin de Smet mit Hilfe von Laurin zwischen 1545 und 1551 in Italien zusammengetragen hatte. Als die Sammlung im Jahre 1558 durch einen Brand zerstört wurde, sorgte Marcus Laurin dafür, dass de Smet sie rekonstruieren und 1565 in einem Werk, das als Grundlage der lateinischen Epigraphie gilt, veröffentlichen konnte.

Durch das eingehende Studium seiner recht bedeutenden Sammlung antiker Münzen kam Laurin auf die Idee, das Leben der ersten römischen Kaiser zu beschreiben und durch ihre Münzen zu illustrieren. Er hatte schon einen Teil des Textes verfasst und war auf der Suche nach einem fähigen Zeichner, als im Jahre 1557 in Antwerpen ein Buch mit Biographien der römischen Kaiser von Julius Caesar bis zu Karl V. und Ferdinand I. sowie Münzbildern des Hubert Goltz erschien. Goltz, der 1526 als Sohn eines aus Würzburg stammenden Malers in Venlo geboren wurde, entstammte einer Sippe, die mehr als ein Dutzend namentlich bekannter Maler und Kupferstecher - der berühmteste unter ihnen war Hendrick Goltzius - zählte. Er war in Lüttich Schüler des Malers Lambert Lombard, in dessen Atelier er zum ersten Mal Antiken sah, und widmete sich darauf in Antwerpen während zwölf Jahren archäologischen Studien. Im Jahre 1556 unternahm er eine grosse numismatisch-epigraphische Reise durch die Niederlande. 1557 erschienen seine bereits erwähnten, hauptsächlich auf den Sammlungen der vier Brüder Schetz beruhenden Vitae et vivae omnium fere imperatorum imagines ex antiquis numismatibus adumbratae, ein Bestseller, der seinem Verfasser den Titel eines Hofhistoriographen und Hofmalers Philipp des II. eintrug.

Laurin nahm mit Goltz Verbindung auf. Am 14. Juli 1558 schlossen die beiden einen Vertrag, der Goltz für die Zeit seiner Mitarbeit an den numismatischen Projekten Laurins 30 Sous pro Tag garantierte. Am 14. August siedelte Goltz nach Brügge über. Dort begann er sofort mit dem Zeichnen der Münzen in der Sammlung seines Arbeitgebers, doch schon nach drei Monaten zeigte sich, dass deren Bestände für das geplante Werk nicht ausreichten. Laurin sandte den Künstler daher auf eine numismatische Studienreise, die am 19. November 1558 begann und am 14. November 1560 endete. Auf dieser Reise, die ihn gemäss seiner in der Königlichen Bibliothek in Brüssel bewahrten Aufzeichnungen nach Nürnberg, Augsburg, Basel, Heidelberg, Regensburg, Venedig, Rom - wo er seinen Namen auf eine Wand in Neros Goldenem Hause kritzelte -, Neapel, Mailand, Genua, Marseille, Lyon, Toulouse, Paris und in eine ganze Reihe weiterer Städte führte, will Goltz die Bestände von nicht weniger als 950 Münzkabinetten durchgesehen haben. Diese Zahl wird in der münzkundlichen Literatur immer wieder zitiert, erscheint aber kaum glaubwürdig. Es existierten damals viel mehr Münzsammlungen, als man heute vermuten würde - allein in Holland sollen es im Jahr 1590 über 200 bedeutendere gewesen sein. Doch Goltz, der auch recht viel Zeit auf den Strassen zubringen musste, mehrere tausend Zeichnungen anfertigte und eine grosse Zahl von Münzen für Laurin kaufte, kann in 720 Tagen schwerlich 950 Sammlungen gesehen haben.

Die Ausbeute der Studienreise war so reich, dass Laurin beschloss, zwei Serien von Büchern herauszugeben. Eine römische Reihe sollte sechs Bände umfassen und die Münzen der Republik, Caesars und des Triumvirates sowie der Kaiser von Augustus bis Justinian enthalten.

Eine griechische Serie - zu dieser Zeit ein Novum - sollte aus vier Bänden bestehen und im ersten Band die Münzen Siziliens und Grossgriechenlands, im zweiten die des eigentlichen Griechenlands, im dritten die Prägungen der Inseln und im vierten diejenigen Asiens, Ägyptens und Afrikas vorstellen. Für die Herausgabe dieser Bücher wurde von Goltz in Brügge eine Werkstatt für die Herstellung von Radierungen und ein Verlag mit Druckerei eingerichtet, der von 1563 bis 1566 arbeitete und auch Werke von Freunden Laurins herausbrachte. Das erste numismatische Werk des Verlages war der Band, der den Münzen Caesars gewidmet war. Er enthielt auf 230 Textseiten eine Biographie Caesars, seinen Stammbaum, eine Beschreibung der Ereignisse von seiner Ermordung bis zur Schlacht von Actium, und die Fasten, die sich auf die behandelte Zeit beziehen. Auf weiteren 57 Seiten finden sich Bilder von Münzen Caesars, seiner Mörder und der Triumvirn. Als Autor und Illustrator nennt das Buch einzig Hubert Goltz, doch steht heute fest, dass der Text fast vollständig von Marc Laurin, zu geringen Teilen auch von dessen Bruder Guido verfasst wurde. Auch die aufzunehmenden Münzen wurden von Marc Laurin ausgewählt, wobei fast alle als falsch oder erfunden erkannten Stücke konsequent ausgeschieden wurden. Die Illustrationen entstanden, wie schon in Goltz' erstem Buch, in einem recht aufwendigen Mehrstufenverfahren: die Konturen wurden radiert und die eigentlichen Münzbilder von zwei Holzstöcken, sogenannten Tonplatten, in hellem und dunklem Braun eingedruckt. Es ist bekannt, dass die Holzschnittplatten von Joos Gietleugen aus Courtrai angefertigt wurden, doch ist bis heute umstritten, ob alle oder wenigstens die Mehrzahl der Radierungen von Goltz stammen.

1566 erschien ein weiterer Band der numismatischen Reihe, der unter dem Titel Fasti magistratuum et triumphorum Romanorum die Münzen der römischen Republik behandelte. Auch in diesem Fall stammte der Text allein von Marc Laurin, doch wird in dem Buch wieder nur Hubert Goltz namentlich erwähnt. Weil das Werk dem römischen Senat gewidmet ist, wurde seinem Verleger zum Dank das römische Bürgerrecht verliehen.

Als dritter Band erschien der Katalog der Münzen des Augustus. Als vierten liess Laurin 1576 - nun bei Gilles van den Rade in Brügge - die Publikation der Prägungen aus Grossgriechenland und Sizilien erscheinen. Goltz, der sich von Laurin getrennt hatte, veröffentlichte seinerseits im Jahre 1579 bei Plantin in Antwerpen ein Buch mit dem Titel Thesaurus rei antiquariae uberrimus, das, wie Eckhel 1792 in seinen Doctrina numorum veterum aufzeigte, von Fälschungen strotzt. Einige der dort abgebildeten Phantasie-Münzen lagen Goltz vielleicht wirklich vor und wurden von ihm, weil er nicht über die umfassende historische Bildung Laurins verfügte, nicht als solche erkannt: Die meisten hat er aber - nach dem Vorbild der italienischen Fälscher - frei oder in Anlehnung an ähnliche echte Stücke erfunden. Da Goltz offenbar nur über rudimentäre Griechischkenntnisse verfügte, haben schon seine Zeitgenossen einen Teil seiner Erfindungen an ihren fehlerhaften Legenden erkannt.

Laurin, der immer noch hoffte, sein numismatisches Werk bald vollenden zu können, schloss am 13. Oktober 1578 mit Goltz einen neuen Vertrag ab. Dieser enthielt u.a. einen Passus, wonach der letztere vom 12. September 1558 bis zur Vollendung der Buch-Serie täglich 30 Sous erhalten sollte: Bereits ausbezahlte Beträge sollten in Anrechnung gebracht werden, doch wurde deren Höhe nicht angegeben - ein Mangel, der später Folgen haben sollte. Noch bevor die Arbeiten an einem weiteren Band abgeschlossen waren, verbannte die in Brügge herrschende politische Partei ihre Feinde aus der Stadt. Dies waren hauptsächlich Geistliche und Adlige, darunter auch Marc und Guido Laurin. Kaum hatten sie Brügge auf der Strasse nach Ostende verlassen, wurden die Verbannten von Soldaten überfallen und ausgeraubt. Marc Laurin, der es nicht über sich gebracht hatte, seine Schätze zurückzulassen, verlor die Sammlung der lateinischen Inschriften, einen Teil seiner Bibliothek und seine Münzen. Ohne seine Sammlungen erreichte er Calais, wo er, an Geist und Körper gebrochen, am 14. März 1581 starb. Kaum war die Nachricht von seinem Tod in Brügge eingetroffen, forderte Goltz von Guido Laurin, dem Alleinerben, den Betrag von 2296 Livres (zu 20 Sous). Er stützte sich dabei auf den Vertrag vom 12. September 1558 und behauptete, bis zu diesem Tag nicht nur nie bezahlt worden zu sein, sondern dem reichen Marc Laurin sogar noch verschiedentlich Beträge vorgeschossen zu haben. Obwohl kaum Zweifel daran bestanden, dass Goltz, der in seinen Büchern die Grosszügigkeit Marc Laurins immer in höchsten Tönen gelobt hatte, ein skrupelloser Betrüger war, konnten keine von ihm unterschriebenen Quittungen aufgefunden werden. Es kam zu einem Prozess, in dem erst 1593, Jahre nach dem Tode der ursprünglichen Prozessparteien, zugunsten der Erben des 1581 verstorbenen Goltz entschieden wurde.

Die gestohlene Sammlung lateinischer Inschriften tauchte später in London auf, wohin sie ein Offizier verkauft hatte und wo sie ein Vertreter der Universität Leyden erstand. Die meisten der geraubten Münzen verschwanden wahrscheinlich auch in englischen Sammlungen; 214 römische und 64 griechische Prägungen blieben jedoch in Flandern und gelangten später in den Besitz des Olivier Vredius, eines Gelehrten in Brügge.

Die im Auftrag Laurins angefertigten, aber nicht mehr publizierten Münzzeichnungen blieben im Nachlass von Goltz erhalten. Die Münzen des Tiberius veröffentlichte L. Nonnius im Jahr 1600 als Anhang einer Zusammenfassung der beiden Werke über die Prägungen Julius Caesars und Kaiser Augustus. 1618 erschien in Antwerpen ein Buch von Jacques de Bie mit den griechischen Münzen Kleinasiens und der Inseln. 1644/45 und nochmals 1708 wurden in Antwerpen die Opera omnia, die gesammelten Werke des Hubert Goltz, herausgegeben. Weil darin seine eigenen, vom Text her wenig bedeutenden Schriften, sein Nachlass und die unter seinem Namen erschienenen Arbeiten Marc Laurins zusammengefasst wurden, wird Goltz noch heute in kunsthistorischen Büchern fälschlicherweise als Begründer der Numismatik diesseits der Alpen oder ähnlich bezeichnet.

Mit dem Gemeinschaftswerk The Roman Imperial Coinage sind die Visionen Occos und Marc Laurins wenigstens für die römischen Kaisermünzen im 20. Jahrhundert weitgehend zur Realität geworden. Im Fall der griechischen Münzen näherten sich die seit 1873 erschienenen Kataloge des Britischen Museums und die von Head 1881 erstmals veröffentlichte Zusammenfassung Historia numorum dem alten Ideal eines Corpuswerkes aller bekannten Münzen eines Kulturkreises an. Inzwischen hat aber die Publikation der griechischen Münzen eine andere Richtung eingeschlagen. Die Sylloge Nummorum Graecorum produziert heute eine anschwellende Flut immer weiter verstreuter, bei gängigen Serien immer häufiger redundanter und wegen der rasch ansteigenden Kosten auch für immer weniger Numismatiker verwertbarerer Informationen. So entsteht das genaue Gegenteil von dem, was die weitsichtigen Begründer der antiken Numismatik vor rund 400 Jahren anstrebten und sich die meisten Sammler auch heute noch wünschen.



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